Savannah Abend Zeitung. (Savannah [Ga.]) 1871-1887, February 28, 1872, Image 1

Below is the OCR text representation for this newspapers page.

:&» ; G s 44 n ——l 1 9 3 MN Sarannah Abend Zeitung. Irof C Wanſemer, Redakteur. LJahrgang 1. 1 Kette und · Einſchlag. Eine Erzählung aus der geit der Baumwollennoth in Mancheſter ; wen IJ. Smt h. : : (Fortſetuna.) 5 „Ihr ſteht allein in der Welt und ſeid bedititinrr als ich.“ „Dſt nicht. denn Outpie ib und Kind tde Du's nl Veie ſo werf ich's gerade zum Fenſter hinaus, und Du kannſt dann Deine Floͤte allein blaſen. Gütiger Himmel, Menſch, Du zahlſt mir's ja wieder heim; denn mitein ande werden Auer Geld verdienen.“ Ob der hliude John an dieſe Verſich ernng glanbte oder nicht,ſo er er ſie doch inſoernſtem. Toöne uor, daß Willie ſich halb überzeugt fühlte und es endlich ſich gefallen ließ, das Goldſtück als ein Darlehen anzunehmen. „So, das iſt abgemacht ; jetzt kein Wort mehr darüber,“ ſagte der Muſitant. Sein Freund drnckte ſhm die Hand, und ſie temen mit einander·überein, daß ſe auf den Abend einen gemeinſchaftlichen Verſuch machen wollten. „Aber mein Weib darf nichts davon erfahren,“ bemerkte Willie aufgeregt. John legte den Finger bedeutungsvoll an ſeine Naſe, nicht bedenkend, daß dieſe Geberde ſeinem blinden Freund gegenüber keinen Sinn hatte. „Wie greifen wir's an?“ „Ich will Dich abholen. VBleibt lieber hier und nehmte Theil an dem Mahl, das wir Enrer Güte verdan— kei Güte? Hältſt Du ſo Dein Verſpre chen, Junge?“ „Willſt Du uns verlaſſen?“ fragte Mrs. Hannan, als ihr Mann ſich erhob, um den blinden John zu begleiten. Nutr ans eine kleine Weile“ „Soll ãch mit Dir gehen?“ MNein, meine Liebe; Du brauchſt Dich über meine Abweſenheit nicht zu beunrn higen. Ich kann den Weg recht gut allein zurückfinden.“ Martin, der Tags zuvor den blinden John mit ſeiner Geige vor dem Spital geſehen hatte, ließ ſeinͤn Vater nicht aus dem Auge und bemerkte, daß derſelbe das Flötenfutteral einſteckte. Er errieth die Wahrheit, und Thränen rannen ihm über die vor Scham glͤhenden Wangen. „Was haſt Du, Martin?“ fragte die Mutter. „Nichts nichts. Du kannſt, mich nicht käuſchen. Es iſt etwas vorhefallen Sie aule ſogleich an ihren Mann und griff nach ihrem Hut, um ihm zu zufolgen Mutter,“ ſagte Martin, ſie mit ſeinen Arinen umfangend, „ich laſſe Sie nicht aus· dem Haus.“ „Du laͤßt nicht.?“ ; Ich bitte, bleibeů Sie ſolgen Sie dein Vater nicht Ich denke, Sie koöͤnnen mit vertranen.“ Riemand als mir ſelbſt in Dingen, die ihu betreſfen. zEr wird e d haben vor·Scham,“ rief der Kna n Thräunen ausbrechend, „wenn er ahnet, daß Sie von ſeinem Vor—~ haben etwas wiſſen.“ Mrs. Hannan wurde leichenblaß. „Er iſt fort, um mit dem blinden John vor dem Spitai aufzuſpielen,“ flüſterte Martin „für uns zu betteln.“ Die ungluůcklicheFraͤn raug verzweifelnd die Hände und rief: „Ach Gott, wann wird djeſe Průfung enden!“ „Was gibtss? Warum iſt Willie ansgegangen?“ fragte die Wittwe, die wie gewoöhnlich ſtrickend ju der Kaminecke jaß. r— a „Er begleitet John nach Hans, Ahne,“ antwortete Martin. „Warum haſt On dies gelitten?“ Ich will ihm ſogleich nach,“ verſetzte der Knabe, ſeine etir wegwiſchend. „Aber Sie müſſen hier bleiben, Mutter,“ fügte er flͤſternd bei. „Verſprechen Sie mir's,“ Mrs. Hannan niekte zuſtimmend, und Martin eilte ſeinem Vaterach. Es war ein ſchöner mondheller Abend und der Knabe erkannte bald aus der hetzutten Menſchengruppe, wo die zwei blinden Muſikanten ſich aufgeſtellt hatten. Die 3uhoörer wareu meiſt brodloſe Arbeiter, hungernde Weiber und Kinder; nur ſelten bemerkte man eine der beſſeren Klaſſe an—- gehörige Perſon auf dem Platze. Martin xtterte, als. die Toͤue der Juſtrumente ſein Ohr trafen. Sie ſpielten eben ein Lieblingsſtück ſeines Vaters. INicht ſo übel,“ flüůſterte John ſeinem Gefährten zu, nachdem ſie zum Schluß gekömmen. „Der zweite Theil ging beſ: ſer als der erſte. Hörſt Du?“ fügte er bei als dann udevs u gnlhrinnn den Hut fiel u le beugte vor Scham ſein Haupt. Was bringen wir jetzt?“ fragte John. Was Ihr wollt,“ flüſterte ſein Freund. Und lohi begann einen Siegeshymnus. „Gütiger-Himnmel, wer hätte gedacht, daß es mit Ihnen ſo weit kommen koönnte!“ ſagten einige von den Webern, die Willie Haͤnnan in ſeinen beſſeren Tagen gekannt hatten, und ließen ihren letzten Penny in den gut fallen. „Mein armer, blinder Vater!“ dachte Martin. „Er bettelt bettelt für nis während ich in der Ferne ſtehe, als ob i anich ſeiner ſchͤme. O Stolz Stolz, iſt dies das Verſprechen, daß ich meiner deul ſter gegeben habe?“ Und mit eutſchloſ ſſenein Schritt arbeitete er ſich durch das Erdrine: zu Willie hin, faßte ſeine Hand und küßte ſie. Wer iſt dies? fragte der Blinde. „Vater! eutgegnete Martin. „Mein Sohn, mein arme Knabel“ rief Willie, den Arm um ſeinen Hals legend Von den beſſer gekleideten Perſonen, die ſich in der Nähe befanden, drängten ſich einige borwaͤris und legten Silber— müůnzen in den hut“ ; „Hörſt On s?“ flüſterte John. „Muth aeie Junge; es iſt keine Schande, arm und blind zu ſein.“ „Schande?“ wiederholte Martin,der ihn gehört hatte. „Ich bin ſtolzer auf meinen; Bater, als wenn er reich waͤre und ſein Geſicht hätte, denn wie wäre ſonſt ſein treues Herz offenbar geworden? Es iſt in ganz Mancheſter Niemand, der nicht weiß, wie grauſam er von ſeinem falſchen Freund verrathen und geplündert worden nt“ Eine Stimme machte ſezt den Vor~ ſchlag, John Bentley auszuziſchen, und Huuderte antworteten darauf mit Pfeifen ůnd Grtnen „Er iſt der Erſte geweſen der die Fabrik ſchloß, und hat es nie gut gemeint mit den Armen,“ bhemerkte Einer. „Er meint s nit Niemand gut, als mit ſich ſelbſt, “ verſeßzte ein Weib, das ein Kind auf dem Arm trug. „Dieſe Bentley's n ein ſchlimmes Getteht „Alle, bis auf die Miſis,“ riefen meh. rere. 1 „Ja, wohl ein ſchlimmes Gezücht, Va~ ter und Sohn,“ ſagte ein achtbar ausſe hender Mann, der in ſeinen jungen Jah· ren mit Willie in der Fabrik gearbeitet hatte. „Der Eine ſtahl dem armen Schelm Willie das Patent für ſeine Krem—~ pelmaſchine, und der Maſter Friedrich —“ Martin eilte auf den Sprecher zu, faßte ihn beim Arm und flüſterte: „Bst! Ihr müßt rhm nicht wehe thun.“ Der Mann verſtand ihn und ließ ſeinen Satz unbeen— digt. „Dieſe Theilnahmekundgebungen er hoöhten in dem Gegenſtand derſelben die nioraliſche Folter Der Blinde John, der dies bemerkte, ſuchte ihr dadurch ein Ende zu machen, daß er eine neue Weiſe anhob. Während die beiden Blinden ſpielten, arbeitete ſich eine einfach aber gut gekleidete Frauengeſtalt durch die Menge, ließ ihre Böoͤrſe in den Hut fallen und ver ſchwand wieder, ehe die Zuſchauer ſich von ihrer Ueberraſchung erholen konnten. Niemand hatte ſie erkannt, als Martin. Es war. ſeine Schweſter Ellen. Mit glü— hender Wange und funklelndem Auge riß der ſtolze Knabe die Börſe aus dem Hüt und ſchleuderte ſie über die Köpfe der Um ſtehenden in der Richtung, in welcher ſie entwichen war, Ein Hurrahruf folgte auf dieſe Handlung; die Zeugen derſelben ah neten den Beweggrund. „Was iſt vorgefallen?“ fragte Willie. „Nichts,“ verſehte der Sohn. „Geben Sie mir Ihren Arm. Es iſt Zeit, nach Haus zurückzukehren. Die Mutter wird in Sorge geratheu.“ „Ja, ja,“ entgegnete Willie mit ſchwa cher Stimme, „wir wollen heimgehen.“ Auch der alte John zeigte ſich bereit, da ſie mit ihrer Abendarbeit wohl zufrieden ſein konnten; alle Drei entfernten ſich da~ her unter der ſtummen Theilnahme der Umſtehenden. Ellen, die eine Welt darum gegeben ha-~ würde, wenn ſie ihrem ſchwergekränkten Vater hätte zu Füßen fallen und unter heißen Thränen ſeine Verzeihung erflehen können, folgte ihnen von Ferne, auf den Arm Friedrich Bentley's geſtützt/ der von dem erlebten Auftritt nicht weniger er ſchüttert war als ſie. „Beruhige Dich, meine Liebe,“ flůſterte er. „Das Herz bricht mir,“ ſchluchzte die renige Tochter· „Wie habe ich einen ſo guten, ſo liebevollen Vater täuſchen kön nen!“ „Er wird Dir verzeihen.“ „Ach, daß Du recht hätteſt! Und mein Bruder!“ „Er iſt ein edler Junge,“ rief Fritz Bentley in einem Bewunderungsausbruch. „Ich hätte ihm die Hand drücken mbgen. als er entrüſtet die Boͤrſe fortwarf, oöb ſchon mir's lieb wäre, er hätte ſie behalten. Wir müſſen ans ein Mittel ſinnen, Deinen Eltern ihre Armuth z erleichtern. Glanbſt Du nicht, daß uns Deine Großmutter da~ ber behüůlflich ſein würde?“ „Ach nein,“ antwortete Ellen. „So rauh, einfach und ungebildet ſie auch iſt, beſiht ſie doch einen viel ſtarrſinnigeren Stolz als der Vater, und ſie würde den Antrag mit Verachtung zurůckweiſen.“ „So müſſen wir auf etwas Anderes ſinnen. Wenn ich mich recht erinnere ſo haſt Du einen Onkel und eine Tante in Amerika. Haben ſie in letzter Zeit nichts von ſich hören laſſen?“ „Seit dem Beginn dieſes verhängniß vollen Kriegs nichts mehr.“ „Geht es ihnen gut?“ „Ich glanbe:“ „Dann macht ſich die Sache leicht. Ich gehe morgen nach Liverpool und kann dann wohl einen von unſeren Korreſpon denten überreden, er ſolle Deinem Vater die Anzeige machen, daß er von New. Savannah, Ga., den 28. Februar 1872. Jork Anftrag erhalten habe, ihm hundert Pfund auszuzahlen. Wie heißen Deine Verwandte ?“ „Beſſie Glyde und Samuel Hannan.“ „Das ſoll unverweilt geſchehen,“ fuhr ihr Begleiter fort, indem er zärtlich ihren Arm drůckte „Doch jetzt hoͤre mich an, meine Liebe In drei Tagen kommt mein Vater nach Mancheſter. Du weißt wie wichtig es iſt, daß ich ihm keinen Vor— wand gebe, mir ſeine Zuſage zu brechen.“ „Glaubſt Du, er ſuche l dazu?“ „Ich weiß es nicht, und Gott verhüte, daß ich ihn ungerecht beſchnldige; indeß unl ich ſagen, daß er gegen mich nie ein gütiger Vater geweſen iſt. Erſt wenn ich uter: Stellͤng in der Firma beſitze, wird unſere Zukunft geſichert ſein.“ „Die Liebe brancht nnr wenig, “ bemerkte Ellen ſchüchtern. „Setzeſt Ou einen Zweifel in mich?“ „Nein. Der Zweifel würde mich töd ten.“ Während ſie ſo ſprachen, waren ſie im mer den Muſikanten nachgegangen, die ſie jetzt in das Häuschen, Ellen's früůhere glůckliche Heimat, eintreten ſahen. „Das Herz wäre mir leichter,“ ſagte ſie mit einem Seufzer, „wenn ich ſie ſehen oder an der Thůre ein Gebet verrichten könnte.“ „Du darfſt dies nicht wagen.“ Mit einem ſehnſůchtigen Blick wandte ſie dem Plat den Rücken und ging mit Friedrich Bentley ſchweigend ihres We Ihr Leben wurde durch Gewiſſens »iſſe verbittert, die unausbleibliche Strafe des Ungehorſams der Kinder gegen ihre Eltern Zweiundvierzigſtes Kapitel. Der ſtumme Schmerz, mit welchem Mrs. Hannan ihren zurückkehrenden Gat— ten umarmte, ſagte Villie deutlicher, als es durch Worte hätte geſchehen können, daß ihr der Grund ſeiner Abweſenheit kein Geheimniß war. rmi murmelte ſie —,„für mich.“ „Für uns Alle,“ entgegnete Willie, ihre Thränen wegküſſend. „Mußte ich nicht mein Aeußerſtes thun, um Frau, Mutter und Kind vor dem Verhungern zu bewah— ren?“ „Was gibt d denn, Willie?“ fragte die Wittwe, die keine Ahnung von dem Vor— gefallenen hatte. „Kein Wort,“ flüſterte der Sohu ſeiner Frau und dem blinden John zu. „Wir wollen ihren Jammer nicht noch vergrö— ßern.“ „Ich bin nicht hungrig,“ fügte die alte Fran bei, „und eſſe kaͤm noch halb ſo viel, als in meinen jungen Tagen.“ „Wir werden bald ein Nachteſſen ha ben,“ agt John, einen Theil des erſam— melten Geldes Martin in die Hand drüůk kend. „Thu' Dein Beſtes damit,“ fnhr er flüůſternd gegen den Knaben fort, „und bleib' nicht laänge aus. Die Ahne, das arme Ding, ſpricht, als ob ſie ſchon halb verhungert ſei.“ „Wohin geht der Junge?“ fragte die Großmutter, nachdem Martin das Zim mer verlaſſen hatte. „Ei, wenn Ihr's wiſſen müßt, auf den Markt,“ verſette der blinde John, die Hände reibend. „Drum jetzt Feuer an— gemacht und den Keſſel darüber gehenkt ich will mithelfen, denn ich weiß ſchon, wo dieſe Sachen ſind Es iſt uicht das erſte Mal, daß wir nmiteinander Thee trinken.“ „Er taſtete ſich nach der Küchenecke hin, wo früher der Porzellanſchrank geſtanden er war jetzt fort ſammt ſeinem Inhalt. „Ach du mein Himmel!“ ſagte der alte Mann. „Er iſt nur aus dem Weg geräumt, daß nichts zerbrochen wird,“ bemerkte die Großmutter ruhig, ohne jedoch mit dieſer Erklärung den Blinden täuſchen zn können. Friedrich Bentley und Ellen waren ſo langſam gegangen, daß Martin ſie in der Mitte von Tibbs Lane einholte. Der Knabe erkannte ſeine Schweſter ſogleich, würde aber an ihr vorübergeeilt ſein, wenn ſie ihm nicht mit beweglichen Tönen zuge~ rufen hätte, er möchte anhalten und mit ihr reden. „Nicht, ſo lang er bei Dir iſt,“ verſette der Bruͤder ſtolz. „So laß mich allein,“ flůſterte Ellen aufgeregt. Ihr Begleiter zögerte „Nur einen Augenblick“ Friedrich ließ nur ungern ihren Arm los und e ſich in einige Entfernnng zu— rück Welche Verirrungen ihm auch zur Laſt fallen mochten, er liebte ſie aufrichtig, und ihre Demüthigung, ihre Verzweiflung ſchnitt ihm in die Seele. 1 Bruder und Schweſter ſahen einander eine Weile ſtumm an. „Martm ?“ſchluchzte endlich die Letztere. „Was ſoll s?“ “O, nur nicht dieſen Ton!“ rief ſie. „Ich habe wohl Vorwürfe verdient, aber nicht von Dir.“ „Nicht von mir?“ entgegnete der Kitabe. „Wer war ſo ſtolz auf Dich, als ich? Die erſte Schamroöͤthe, die je meine Wange färbte, galt Dir. Armuth und Hunger wie bitter ſie auch ſind, hätte ich ertragen können, aber nicht die Schande.“ „O, ſchone mich, ſchone mich. Ich hätte von Dir keine ſo harte Worte erwartet.“ „Warnm haſt Du mich angernjen „Um mich nach den Eltern zu erkundi. gen, antiaortete das arme Geſchöpf. „Martin, “ fůgte ſie bei, indem ſie ans ſihre Kniee niederfiel,„wenn Du wüßteſt, a Schmerz mich quält und welche Träume meinen Schlummer ängſtigen, ſo wůrdeſt Du Mitleid mt mir haben. Du haſt mich einmal geliebt Bei der Erinnerung an dieſe Liebe beſchwöre ich Dich, ſprich freundlich mit mir· Du foönnteſt eines Tages Deine Härte gegen mich bereuen. MRte~ „Auch uicht, weun ich todt bin?“ Todir wiederholte Martin in großer Beitoegung. „Ohne die Verzeihung meiner Eltern wird mich der Jammer in s Grab bringen“ „Du kannſt ſie erhalten/ wennDu Deinen Verführer verlaͤßt und ihnen zu Füßen fällſt. Ich will s mit Dir thun; Du keunſt das Herz Deines armen, blin~ den Vaters.“ „„Ich wage es nicht,“ flüſterte Ellen ſchauernd. „Dann ſtirbſt Du nicht,“ verſethte ihr Bruder geriugſchätig. „Warte nnr, bis —“ Sie hielt inne. „Bis wann?“ fragte Martin. Die Prüfung war zu ſchwer für Ellen's Kraäfte. Sie ſchwankte und würde ge— ſtürzt ſein, wenn ſie der junge Menſch nicht anfgefangen hätte. Mit Schrecken bemerkte er im Mondſchein ihr leichen-~ blaſſes Geſicht; bei dem erſchütternden Anblick ſchwanden Stolz, Zorn und Scham, und er drückte ſie an ſeine Bruſt „Es war unrecht, war grauſam von mir, Ellen,“ ſagte er; „aber das EClend unſerer Eltern hat mich bitter gemacht Vergib ich habe kein Recht Dich zu ver urtheilen; aber ich konnte dem Vater nicht erlauben, Dein Geld, den Preis von ſei ner Tochter Schande, anzunehmen. Es war meine Pflicht ihn zu ſchüten in ſei~ ner Blindheit. „Gott ſegne Dich Martin,“ ſeufzte das arme Weſen. „Und Du willſt mit Rede— ſtehen?“ „Ja, wenn Ou allein biſt.“ „Sprechen die Eltern nie von mir?“ „Nein, obſchon ich glaube, daß ſich Dein Name in ihre Gebete miſcht. Doch jetzt muß ich fort; ich ſoll etwas zu eſſen bringen. Du kanuſt Dir denken, wie ſehr der Hunger uns zuſehen mußte, um unſeren Vater zu der Demüthigung zn yrranlaſen. von der ODn Zeuge geweſen iſt.“ „Das darf nicht wieder vorkommen. Der Anblick hat mich faſt getödtet. Mar—- tin lieber Martin, Du weißt, daß ich bei allen meinen Fehlern wenigſtens keine Lügnerin bin. Wenn ich Dir ſchwöre o, und ich kann es mit voller Wahrheit daß das Geld, das ich ench biete, nicht der Sold der Schande iſt, und daß ihr es ohne Erröthen annehmen könnt wirſt Dnu es dennoch Brldwein „Wenn Du mir nicht den Beweis lie— ferſt ja. Doch laß mich jetzt und ber ſuche mich nicht weiter Ich kann von Dir kein Geld nehmen; denn ich würde dadurch mein Recht verkaufen, den Elen— den, der Dich verführt hat, zu haſſen und zu verachten.“ Er drückte noch einen haſtigen Kuß auf ihre bleichen Waugen und eilte, als ob er ſich ſelbſt nicht trae, von hinuen. „Nur noch eine Tage Muth, mein Herz,“ ſagte Friedrich Bentley, und die Prü— fung iſt vorüber.“ „Oder Ellen in ihrem Grabe,“ hauchte ſeine Begleiterin. Miß Mein hatte den Wink von dem Vorhandenſein eines Teſtaments mit al— lem Eifer aufgegriffen und keine Gelegen heit verſäumt, jeden Winkel, jedes Pult in dem Comptoir der Fabrik auf das Sorgfältigſte nach geheimen Schubfächern zu durchſuchen. Nachdem ſich ihre Be— mühungen erfolglos erwieſen, wandte ſie. ihre Aufmerkſamtkeit dem kleinen Zimmer der Privatwohnung zu, in welchem Gil bert Haman oft bis in die Nacht hinein geſeſſen hatte, um zu arbeiten. Kein Fet— zen Papier entging ihrer Beachtung; aber das Reſultat blieb ſtets das gleiche. „Er iſt mir unbegreiflich,“ murmelte ſie oft vor ſich hin. „Es gibt doch eine Vor~ ſehung, welche unmoöglich dulden kann, daß dieſes ſchwere Unrecht fortdaure.“ Am meiſten überraſchte ſie jedoch das Benchmen ihrer Nichte, die ihre Jagd nach Etwas nothwendig bemerkt haben mußte, aber nie eine Frage darůber fallen ließ. : „Die arme Marieldachte ba ʒ„Es iſt gut, daß Jemand fuůr ſie handelt. Ich bin doch begierig, ob Nichts ſie aus ihrer Erſtarrung zu tecken rerno Mit aller Kenntniß von Mrs Bentley's Charakter war ſie doch nicht in die geheim ſten Tiefen ihres Herzens eingedrungen, denn dazu hätte ſie Gattin und Mutter ſein můſſen. Sie erhielt häͤufig geheime Mittheilun— von Michael Haͤman, nahm aber keine Rückſicht auf ſeine Ungeduld, weil ſie ſich wohl denken mochte daͤß es, im Fall ſich das Teſtament wirklich vorfand, nicht räthlich war, John Bentley's bitterſtem Feind einen Einfluß zu geſtatten. Sie wollte nicht Rache, ſondern nur Gerech tigkeit; denn der Schimpf, welcher den Vater traf, mußte ja auch auf ſeine un— ſuchldigen Kinder ſallit adjel dungaltog) Vergeßt die deutſche Sprache nicht. Euch, die der deutſchen Heimathserde ; Für immerdar „Ade“ geſagt Und hier am neuerbauten Herde Im Herzen ſtille Sehnſucht trägt; Euch ruf ich zu im frommen Glauben, Euch bitte ich voll Zuverſicht: „Laßt Ench nicht Euner Deutſchland 27 rauben, ; Vergeßt die deutſche Sprache nicht!“ Wie Deutſchland's Helden einſt gefochten Was deutſcher kühner Geiſt vollbracht, .Was Freiheit, Einigkeit vermochten, Sinkt nie in des Vergeſſens Nacht; Das mag der Enkel ſtaunend leſen In deutſcher Sprache, treu u. ſchlicht, Und wieder wird, was einſt geweſen, Vergeßt Ihr Deutſchland's Sprache nicht. D'rim Vater! den nach Tages Mühen Des wackern Knaben Hand um— ſchlingt Vergiß nicht, deutſch ihn aufzuziehen, Wach daß er deutſche Lieder ſingt; Lehr' ihm Deutſch die zehn Gebote, Und ſag' ihm, daß ein elftes ſpricht, Bleib Deutſchland tren, tren bis zum Tode; Vergiß der Eltern Sprache nicht. Und ihr, ihr wackern deutſchen Frauen, Die ihr den Säugling liebend nährt, O, leitet ſchon im Morgengrauen, Sein Herz, daß es ſich deutſch be— währt: In eure Hände iſt gegeben, Ob Ihr die Pflanze neigt zum Licht: Vertrauend lenkt das junge Leben Zum Stamm, der deutſche Sprache ſpricht. Gedenkt der letzten Segensworte, Der Mahnung, die im Herzen klingt, Womit Ihr durch die Scheidepforte Einſt weinend aus der Heimat ging't; Da riefen nach Euch deutſche Herzen: „Auf Wiederſeh'n! vergeßt uns nicht!“ O, denkt daran in Luſt und Schmerzen, Vergeßt der Heimat Sprache nicht! Und Ihr, die Ihr mit kräft gen Händen Des Geiſtes helle Fackel ſchwingt, Laßt Euch nicht von demlrrlicht blenden, Das gaukelnd, hüpfend Euch um— ſpringt. Bleibt deutſch! das ſei des Herzens Mahnen, Euch machte Gott es ſelbſt zur Pflicht; Seid treu der Heimat und den Ahnen, Vergeßt die deutſche Sprache nicht! Doch wer, dereeinen Sprache müde, Sich ſtolzer fühlt beim fremden Wort, Verläugner wird an dem Geblüte Den weiſt mit Schimpyt und Schande ort! Das Deutſchthum hegt nicht eitle Gecken, Es fordert Herzen von Gewicht, Und wer ſich opfert feilen Zwecken, Den grüß die deutſche Sprache nicht! Die deutſche Sprache ſoll erklingen, Wo deutſche Hand den Heerd erbaut; Frei aus dem Herzen ſoll ſich ringen Das Lied im heimathlichen Lant! Das Schöne, Edle, Ernſte, Große, Und Trene, Wahrheit, Tugend, Licht, Bleibt eigen unſers Herzens Sproſſe, Vergißt die deutſche Sprache nicht! Wenn dann nicht in zu fernen Tagen Das macht ge Deutſchland ſich erhebt, Wenn wir die Tricolore tragen, Soweit ſich Gottes Himmel webt, Dann wird des Enkels Herz erglühen Im heißen Dank, der ſegnend ſpricht: „Heil, Eltern, Euch! durch Euer Mühen Vergaß die deutſche Sprach'ich nicht!“ Die armen Bonaparte's. Die Ex- Kaiſerin Eugenie hat bekanntlich dieſer Tage an einem Londoner Juwelier ihre Diammanten verkauft. Mancher wird glauben, die Bonaparte's ſeien unbe— mittelt und der Verkauf geſchehe aus Noth. Die Sache verhält ſich anders. Die Kai ſerin entäußert ſich der Schmuckſachen, weil ſie ihrer nicht mehr benöthigt iſt. So außerordentlich koſtbar und reich ſind die Ketten, Diademe, Brochen und Ringe ausgeſtattet, daß eben nur eine Kaiſerin ſie tragen kann. Für Chiſelhurſt und jedes andere Aſyl ſind ſie nicht mehr zu verwerthen. Es kommt hinzu, daß die Exkaiſerin von jeher eine Frau war, die zu rechnen verſtand und daher ihr Vermö— en zu vergrößern wußte. Die 50,000 h Sterling, die der Juwelier gezahlt hat, bringen eine anſehnliche Summe Zin— ſen ein. Sie vermehren die „Erſparniſſe“ der Vorjahre. Worin dieſe beſtehen, weiß man aus den geheimen Papieren, die in St Cloud gefundeu wurden, als unſere deutſchen Vorpoſten das Schloß beſetzten. In des Kaiſers Schreibpult lag ein Ver—~ zeichniß der Effekten, die er, vorſichtig wie er war, beim Londoner Bankhauſe Baring deponirt hatte. Der Werth dieſes einen Depots in Amſterdam befand ſich ein rri und in Brüſſel ein drittes be— ief ſich auf 124 Millionen Franes. Es ſetzt ſich zuſammen aus amerikaniſchen öprocentigen Bonds von 1862, aus ͤpro— centiger ruſſiſcher Auleihe Stieglitz, 3pro— centige ruſſiſch ~ engliſe Auleihe, preußi ſcher roeentiger Anleihe, eugliſchen Con els aus Actien engliſcher und belgiſcher ahnen, aus sprocentiger tũůrkiſcher An- I. Stern. Herausgeber. No. 45. ſleihe von 1865, aus Eiſenbahu Aktien und Suez Kanal·Aktien. Von Letzteren nt. eine geringe Zahl notirt; das meiſte Geld ſteckt in ruſſiſchen, amerikaniſchen und engliſchen Staatsanleihen. Merk würdiger oder vorſichtiger Weiſe hielt ſich der Kaiſer nicht mit franzoöſiſchen Werthen, auf, und wohlweislich lag ſein Vermoͤgen bei ausländiſchen Bankhaäͤuſern. Vier-~ hundert Millionen Franes in baarem Gelde bewahrte die London Bank. Deshalb braucht nirgends das Mitleid ſich zu regen bei der Nachricht, die Kaiſerin verkaufe ihre Diamanten und Perlen. Die überreiche Beſitzerin von ſpaniſchen Weinbergen hat die 80,000 Pfund Ster ling ebenſo wenig nöthig, wie der hun— dertfache Millionaͤr von Ciſelhurſt. ——— Eine ſchauerliche Maske. George 111, König von England, liebte von allen Künſten nur die Muſik und dieſe ſelbſt noch, als er im Wahnſinn faſt bis zum Thier herabſank. Er war geizig wie Harpagon und haßte alle Prunk— feſte, namentlich die prächtigen Maskera den, welche im berühmten Londoner Opernhaus im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts von der engliſchen Ariſto kratie abgehalten wurden. Ein ſolcher Feind des Vergnügens Anderer war er, daß er 1771 einen ſeiner Vertranten, den Oberſten Luttrel, bewog, auf originelle Art Grauſen und Entſetzen in den Kreis der Fröhlichen zu tragen. Der tolle Oberſt ein jüngerer Bruder der Herzogin von Cumberland erſchien auf dem glän zendſten Maskenball des genannten Jah res in einem Sarg. Das Leichen hemd und alles dazu Gehörige war ganz dem Koſtüm gemäß, der Sarg ſelbſt aber, worin er zu liegen ſchien, die Einfaſſung des Ganzen. Die Inſchrift auf dem Deckel war eine pathetiſche Erzählung, des In halts, daß der häufige Genuß der Welt— freuden den Todten in ſeinen Jünglings—- jahren in's Grab gelegt hätee. Allge— meines Entſetzen erregte dieſe grauſige Er ſcheinung und viele Damen fielen in Ohn— macht. Die Todtenmaske ſtand eine Zeit lang unbeweglich in einem Winkel des Saales und gab keinen Lant von ſich. Einige muthvolle Damen baten dieſſelbe vergeblich, am Vergnügen Theil zu neh— men, um den ſrrguunen Anblick weni~ ger täuſchend zu machen. Man ſagte dem Sarge endlich, daß es ſehr unanſtändig ſei, die Luſtbarkeit einer zahlreichen Ge ſellſchaft auf ſolche Weiſe zu ſtoören. Auch dieſe Vorwürfe blieben ohne Wir— kung, bis endlich eine Matroſenmaske ſich näherte und alle anweſenden Kammeraden zu verſammeln drohte, um den Todten aus der Geſellſchaft der Lebendigen zu ent fernen. Das half. Der Sarg wartete das Leichenbegängniß nicht ab, ſondern ging. , —— —— Literatur. Frank Leslie's Lady's Magacine and Gacette of Fashion, 537. Pearl Str. New York. Das Märzheft dieſes Da— men· und Moden Journal iſt uns zuge ſchickt worden. Es iſt ſehr reichlich ausge ſtattet. Man findet darin die neueſten Moden, und die Erzählungen werden de nen die Engliſch verſtehen, ſehr intereſſant n Wir empfehlen dieſes Werk unſeren eutſchen Damen, als eine der beſten Zei tungen, wenn nicht beſte, dieſer Art. Sie erſcheint in monatlichen Heften. Der ſähr— liche Preis iſt 8350. Das ſind die Hefte reichlich werth. „Deutſch amerikaniſche Farmer- Zeitung“. Erſcheint am 15. jeden Monats in New York. Man abonnirt auf dieſelbe bei allen Buchhandlungen und Zeitungs— agenturen. Die Zeitung koſtet 82. auf's Jahr; das Poſtporto betrͤgt 5 Cents für's Quartal. Herausgeber: Heinrich Kirchner u. Co. Redacteur Nicholaus Jorchan; Adreſſe: P. O. Bor 5161. Es ſind uns einige Nummern von dieſem Journal zur Hand gekommen, und nach dieſen zu ur theilen, iſt das Blatt ſehr empfehlenswerth. „L Aurore“, iſt der Name eines franzöſiſchen Blattes, das in Montreal, Canada, von Rev. T. Lafleur, Rev. D. Cauſſirat, und Rev. C. A. Dondiet redigirt und von L. E. Rivard herausgegeben wird. Es enthält Literatur, Muſik, Gedichte, Politiſche und Allge— meine Neuigkeiten; auch Abhandlungen über Gegenſtände der Wiſſenſchaften uͤnd Landwirthſchaft. Der jährliche Suberip— tionspreis iſt 822 Dieſes Blatt wurde uns zugeſchickt mit der Bitte die Aufmerk~ ſamkeit der Franzoſen und aller die fran zöſiſch ortra darauf zu richten. Zwei der Redaeteure ſind reformirte Prediger und Profeſſoren, der dritte iſt ein Bapti ſtenprediger. Die Tendenz des Blattes iſt entſchieden moraliſch, und zur Hebung und Belehrnng der franzöſiſchen Canadier beſtimmt Suüuberibenten würden durch ihre Beiträge nicht nur ein gutes Unter nehmen foördern, ſondern auch unpar teiiſche und zuverläſſige Nachrichten ůber die Verhältniſſe des nördlichen Amerika erhalten, und zum ferneren Studium der franzoſiſchen Sprache und Literatur ange regt und angeleitet werden. Adrnſte: L. E. Rivard, gelenet » Canada.