Savannah Abend Zeitung. (Savannah [Ga.]) 1871-1887, March 20, 1872, Image 1

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Sarannah Abend Zeilung. Brof. C. I. Banſemer, Redakteur. 1. Jahrgang. Kette und Einſchlag. Eine Erzaͤhlung aus der geit der Baumwollennoth in Mancheſter von I HF Smith. (Fortſetuna.) Fünfundvierzigſtes Kapitel. Nachdem Friedrich Ellen als ſeine Gat~ tin anerkannt hatte, konnte er natůrlich die Heirath vor ſeinem Vater nicht mehr ge~ heim halten, und er begriff wohl, daß es achtungswidrig wäre, wenn ihm die Kunde davon durch Fremde zugetragen wurde. Zwar mußte er ſich ſagen, daß er ihn ſchwer vielleicht unverzeihlich ſchwer beleidigt hatte; aber gleichwohl ſetzte er ſich mit ſchwerem Herzen nieder, um mit der Be redtſamtkeit der Le denſchaſt ſeine Liebe zu dem ſchönen Weſen, das jetzt ſeinen Na— men trug, zu ſchildern und jich die vater liche Vergebung zu erflehen. Es waäre ſchwer, das Erſtaunen, den Aerger und den Zorn Bentley's zu ſchil— dern, als er die Mittheilung ſeines Soh— nes las. „Der undantvare Schurke! Der Dumatopf! waren die uildeſten Knndgerllen jeinet Wuth Sein Sohn verheirathet mit Etlen Hanuan, der Toch ter desMahncs dem er das ſchwerſte Unrecht Jügeſigt hafte, und den er des halb am biſterſten haͤßte~ Er wollte ihn berſtoßen, ihn ſm Bettler machen, damit er gut zu ſeinem Schwiegervater paſſe. Er ſchlug ſeinen Hausrock um ſich und langte in dem Beſuchzimmer an, als Mrs. Bentley und ihre Tante eben Gilbert und Lady Auguſta gute Nacht ſagten. „Iſt dies der Reſpetktt, Madame,“ rief er der Erſteren zu, „in dem Sie Ihren Sohn Ihren Liebling, gegen ſeinen Vater erzogen haben? Wußten Sie von dieſem Komplott gegen die Ehre meines Namens, gegen die Stellung memer Familie? Doch was frage ich ohne Zweifel hat er ſich vor ſeiner Verheirathung bei der Frau Mamma Raths erholt.“ „Nein, “antwortete Mrs. Bentleh mild. „Fritz kennt mich zu gut, als daß er ge— hofft haätte, ich werde einen Akt des Unge— horſams billigen. Ich hatte keine Ah nung von der beabſichtigten Heirath, bis es zu ſpät war, ſie zu hindern.“ „Glaube dies wer will,“ verſetzte ihr aufgeregter Gatte, „aber er ſoll die ganze Wucht meines Zornes empfinden. Ich ſage mich los von ihm und erkenne nur noch Dich, Gilbert, als Sohn und Erben an.“ „Was ?“ entgegnete der Garde ~ Liente—- nant, „Fritz hat die Tochter des blinden Bettlers geheirathet? Für ſo dumm hätte ich ihn nicht gehalten.“ Der Herr Lientenant würde es ohne Zweifel vorgezogen haben ſie zu verführen,“ bemerkte Miß Weſtbury. „Das iſt ja wie in einem Roman,“ zinperte Lady Auguſta, weltche ſich um der Ausſicht willen, die ihrem Mann aunj das ganze Bentleyſche Vermögen aufge ſchloſſen wurde, recht leicht in die Mes allianz fand. ; „Wo iſt der Zhurke?“ fügte John Bentley bei, die Haund nach der Klingel ſchnnr ausſtreckeund. Ich bitte, thue nichts Uebereiltes,“ ſagte ſeine Franu. „Friedrich hat das Hans verlaſſen, und ODu wirſt ihn 00. morgen nicht ſehen Nimm Dir dite Nacht über Zeit zum Ueberlegen. Hat die Vergangenheit teine Erinnerung zu— rückgelaſſen in Deinen Herzen? Bedenke doch, wie Du iln verachlaſſigteſt und welchen großen Unterſchied Du machteſ zwiſchen Deinen Söhnen. Es iſt ſeine e Verſehlung. Vergib o, vergiv ihm.“ „Unter keinen Umſtänden. Und was den Unterſchied betrifft, den ich machen ſoll, ſo mag die Madame den Vorwurſ immerhin auf ſich ſelbſt beziehen.“ „Das Kind, das im Unglück iſt, hat den erſten Anſpruch an die Mutterliebe. Kaun Dich denn nichts bewegen?“ fügte ſie fle hend bei „Nein; er dürfte mir nicht einmal mei nen Namen führen, wenn ich's hindern könnte. Nur noch einmal ſoll er mir vor die Augen kommen, um ſein Urtheil zu hören. Von meinem Bermögen wird er keinen Schilling erben; er mag das Schick ſal der Beẽttlerfamilie theilen, in die er ge heirathet haͤt. 4 „Und wie ſind Sie zu dem Vermögen gekommen, mit dem Sie ſo dick thun und von dem Sie eitten ſo ſchltntmen Gebrauch machen?“ fragte Miß Weſtbury ruhig. „Soll ich's Ihnen ſagen, John Bentley? Durch die ne he Heuchelei und Ge— meinheit, durch Handlungen, die ſo ver— ächtlich ſind, daß ſie jedem Weib, das ſie liebte, hätten das Herz brechen müſſen, weun es nicht durch die Verachtung auf— recht erhalten würde. Ja, Verachtung!“ wiederholte ſie. „Haben Sie keine Scham keinen Funken Ehrgefühl mehr im Leibe, daß Ihnen das Blut nicht in die Wange ſteigt in der Gegenwart der Frau, die Sie ſo herzlos behandelten?“ „Tante, liebſte Tante,“ flüſterte ihre Nichte, „reizen Sie ihn nicht noch mehr.“ „Ich müßte erſticken, wenn ich nicht redete, Marie,“ fuhr die alte Jungfer fort. „Es hat mir Jahre lang auf dem Herzen gelatet und jetzt sůhle ich mich erleichtert. Ich denke an mich ſelbſt oder an das Vermögen, das ich ſo thoͤricht dahingab was ich durchgemacht, habe ich verdient durch mein blindes Vertrauen ſondern an Dich, das ſeelengute Geſchoöͤpf, welches ſo ſchmählich verrathen wurde, daß mir das Herz blutet, wenn ich daran denke. O, daß Dein Vater nur einige Wochen laͤnger gelebt hätte! Die Schuppen wären ſihm bald von den Augen gefallen ſund er würde Dich nicht in die Macht eines ſolchen Schurken gegeben haben.“ „Nicht dieſes Wort, Lante nicht die— ſſes Wort.“ „Es iſt das rechte, Marie,“ fuhr Miß Erhoi in ihrem Zorne fort. „Wer noch ehrlich, gut und wahr iſt, kann ihn mnit keinem audern Titel bezeichnen.“ Mit ſtarrem Erſtaunen hate Bentley dieſer Ergießung zugehört, die ihm um ſo unerwarteter gekommen war, als er aus jeinen Opfern jeden Funken Muth her— ſausgetreten zu haben meinte. Dazu dieſe Szeͤe Augeſichts der Lady Auguſta! Auch konnte die Rebellion anſteckend wer loden, wenn er nicht jetzt mit aller Entſchie— denheit auftrat. „Miß Weſtbury,“ ſagte er mit vor Zorn bebeuder Stimme „Sie berlaſſen morgen dieſes Haus.“ „Nur wenn meine Nichte mitgeht,“ antwortete die alte Jungfer muthig. „Meinen Sie, ich ſei ſo ſchlecht oder ſo ſchwach, das Kind, das ich erzogen habe, fun ihrer Gewalt zu laſſen, während ſie den Schutz ihres Sohnes des Sohnes, der e wirklich liebt, entbehren muß und kein freundliches Auge über ihr wacht? Nein, wenn ich gehe, ſo wird Ihre Fran mich begleiten.“ „Mrs. Bentley kann thun, was ſie will,“ verſeßte ihr Gatte mjt roher Gleichgültig— keit. „Durch die Verheimlichung dieſer ſchmählichen Heirath hat ſie jedes Band zwiſchen mir und ihr zerriſſen.“ „Sie ſind läugſt zerriſſen,“ ſagte das gekrankte Weib in ſchmerzlichem Tone. 7lch will Dir übrigens nicht Anlaß geben, inich in dem Haus meines Vaters noch weiler zu beſchimpfen,“ fügte ſie bei, in— dem ſie ſich von ihrem Stuͤhl erhob, um das Beſuchzimmer zu verlaßen. „Gute Nacht. Düu haſt erfahren, wie tren ein ſchwaches, opferwilliges Weib lieben kann, aber noch nicht, wie tief es zu verachten im Stande iſt.“ „Ganz dramatiſch,“ bemerkte Lady Au guſta, als Miß Weſtburh ihrer Nichte ſolgte. „Wie ſehr täuſchte ich mich, Mr. Bentley, wenn ich Mancheſter für einen langweiligen Platz hielt. Wer hätte auch erwartet, hier eine Senſation zu finden? Werde ich morgen de trop ſein, wenn die intereſſante Zuſammenkunſt mit Ihrem Herrn Sohn ſtattfindet?“ „Als Familienglied haben Sie ein Recht, anzuwohnen,“ verſetzte John Bent ley. „Du aber,“ fügte er gegen Gilbert bei, „laß Dir geſagt ſein kein Fürwort für Deinen uünwuͤrdigen Bruder. Ich habe jetzt nur noch einen Sohn.“ Vor ihrer Schlafzimmerthüůre angelangt, wandte ſich Mrs. Bentley um und wünſchte Miß Weſtbury mit großer Ruhe gute Nacht. „Ich verlaſſe Dich nicht in Deinem ſchweren Gram, Marie,“ ſagte die lieb— volle Verwandte. „Doch, liebe Tante,“ verſetzte die un— gluůekliche Frau. „Ich muß allein ſein, ſuam meine Gedanken zu ſammeln und zu ſoeten. Es ſteht mir vielleicht die wichtig~ te Stunde meines Lebens bevor.“ Miß Weſtbury betrachtete ihre Nichte faſt vorwurſsvoll. Sie glaubte ein Recht zu habeu, an ihrem Kummer Theil zu uehmen. „Waundern Sie ſich nicht über mich,“ fuhr die Sprecherin fort, „oder vielmehr ich wundere mich bisweilen über mich jelbſt und frage mich, ob meine Vergan— genheit nicht ein Traum geweſen iſt. Was ich im Sinn habe, darf durch keinen Rath auch nicht den wohlwollendſten beeinflußt werden. Gute Nacht, und beten Sie für mich, denn ich habe es nöthig.“ „Endlich entſchließt ſie ſich zu einer Scheidung,“ dachte die Tante auf dem Weg nach ihrem Schlafgemach. „Wie oft habe ich ihr nicht ſchon zugeſprochen.“ „Es iſt meine Pflicht,“ ſagte Mrs. Bentley am Morgen nach einer ruhelos und in ſchweren Kampf verbrachten Nacht. „Selbſt die ſchüchternſten Geſchöpfe Gottes vertheidigen ihre Inngen. Aber es darf ſich in mein Thun kein Zorn, kein Rachegefühl mengen. Ich will nur ruhige kalte Gerechtigkeit walten laſſen.“ Noch ehe Jemand außer dem Geſinde auf war, hatte ſie ſich angekleidet und ver~ ließ, das Haus, indem ſie dem Diener, der ihr öffnete, zuflüſterte, er möge über ihre Entfernung ſchweigen. Nach etwa einer Stunde kehrte ſie wieder zurück. Sie fühlte ſich im Herzen ſehr erleichtert und lächelte faſt, als ihr der Diener mit theilte, daß ſie nicht vermißt worden ſei. Ladyh Aunguſta pflegte im Bett zu frůh ſtücken und ſehr ſpät anfzuſtehen; um aber von der Demüthigung Friedrichs und ihrer Schwiegermutter nichts zu verſäu— men, war ſie heute eine von den Erſten in dem Beſuchzimmer, wo nur Mrs. Bent—- ley und ihre Tante ſich vor ihr eingefun den hatten. Die Gnädige machte gegen ſie eine ſteife Verbengnng. „Gilbert,“ ſagte ſie, n bald nach ihr der Garde-Lieutenant einttat, „rücken Sie Savannah, Ga., den 20. März 1872. meinen Lehnſtuhl näͤher an's Fenſter ſo und nehmen Sie dieſe häßliche Son nenblende weg.“ „Iſt's ſo recht?“ „Wird wohl recht ſein müſſen,“ ver ſetzte die Lady apathiſch und begann mit ihrem Augenglas zu ſpielen, als ſitze ſie im Theater und erwarte, daß das Stück angehe. Gilbert,“ ſagte die Mutter, ihm die dand hinbietend, „haſt Du mich vergeſ jen?“ „Guten Morgen,“ verſetzte der Offizier nit einem unbekümmerten Kopfnicken. „Mein Sohn, mein Erſtgeborner,“ murmelte Mrs. Bentley ſo leiſe, daß nur Miß Weſtbury ſie hörte. „Vergiß ihn,“ ſagte die Letztere lant. „Der Sohn, der ſeine Mutter nicht achtet oder den Muth nicht hat, ſie zu vertheidi gen, iſt keine Thräne werth.“ Gilbert fühlte den Vorwurf und errd· thete. 9 „Wie lehrreich,“ bemerkte die Lady. „Ich glaube, etwas Aehnliches bei Doktor Johuſon geleſen zu haben.“ Für die Kälte des älteſten Sohnes wurde Mrs. Bentley durch die liebvolle Zärtlich— ceit entſchädigt, mit welcher ſie Friedrich Jeim Eintritt in das Beſuchzimmer um— armtee „Dem Himmel ſei Dank,“ flüſterte er, „daß ich Sie ſo ruhig finde, liebe Mutter.“ Ehe ſie antworten konnte, trat John Bentley mit der Miene finſterer Entſchlol ſenheit ein. Die Nacht hatte wohl das Ungeſtüm, nicht aber die Bitterkeit ſeiner Leidenſchaft gemildert. Er glaubte, den Ungeborſamen vernichten zu können, und verſchmähte es daher, zu zeigen, wie ſehr ihn die Wunde ſchmerzte. „Ah, der junge Herr iſt hier?“ ſagte er mit erkünſtelter Ueberraſchung. „Nach der Schande, die er über meinen Namen gebracht hat, hätte ich ihm wenigſtens ſo viel Beſcheidenheit zugetraut, meine Ge— genwart zu meiden.“ „Vater!“ „Es iſt kein Vater mehr da, ſondern der Richter.“ „Wahr,“ verſetzte der Jüngling trau— rig; „Sie ſind mir nie ein Vater geweſen. Ich wurde ſtets behandelt wie ein Ver ſtoßener, und nur mein Bruder als Sohn. Ich beneide ihn zwar nicht um die Stel— lung, in welche Sie ihn verſetßzen, wohl aber um den Platz in Ihrem Feritt „Man will wohl gar den Üngehorſam rechtfertigen?“ „Nein, ich ſuche ihn nur zu erklären. Wenn ſie wüßten, wie ſchön, rein und edel das Mädchen iſt, das —“ „Kein Wort mehr!“ unterbrach ihn John Bentley, mit Gewalt den kochenden Zorn niederkämpfend. „Ich verabſchene Szenen, aber die Geduld hat eine Grenze. Du haſt für Dich gehandelt, Friedrich. und kannſt es nicht tadeln, wenn ich das Gleiche thne. Indem Du die Tochter eines Bettlers heiratheteſt, mußteſt Du das Loos, das Dir bevorſteht, vorausſehen. Du verläßt mein Haus, um es nie wiedei zu betreten.“ „Ganz in der Ordnung,“ bemerkte Lady Auguſta. „KAuch Dein Verhältniß zu der Fabrit iſt gelöst; wir ſind uns fortan fremd, r ich bedaure nur, daß ich Dich nicht des Namens berauben kann, den Du ent ehrt haſt. Fort von hier, und laß mich nie wieder Dein Angeſicht ſehen.“ „Wo die Liebe fehlt, hat die Heimath keinen Werth,“ flüſterte Friedrich. weh— müthig. „Wenn Du die einzige Genugthuung die in Deiner Macht ſteht, leiſten uno außer Landes gehen willſt, ſo ſoll für Dich und Dein Weib die Ueberfahrt nach Amerika bezahlt und drůben Dir noch die Summe voů tauſend Pfunden in die Hand gegeben werden; doch knüpfe ich an dieſe Freigebigkeit eine Bedingnng.“ „Ich will Sie nicht bemühen, ſie zu nennen,“ entgegnete der Sohn mit Feſtig— keit. „Was man mir-auch bieten mag, nichts wird mich veranlaſſen, mich von meiner Mutter zu trennen. Wo ſie iſt, rte auch ich, um über ſie zu wachen und ſie zu beſchüten. Wenn Andere ihrer Pflichten vergeſſen, ſo ſoll wenigſtens mich nicht dieſer Vorwurf treffen.“ „Mein edler Sohn!“ flüſterte Mrs. Bentley. „Fort jetzt!“ donnerte der Vater. „Oder muß ich Dich durch die Kuechte aus dem Haus werfen laſſen? Geh hin zu dem Bettelpack, mit dem Du Dich ver— bunden haſt.“ „Es ſind wenigſtens ehrliche Menſchen,“ verſetzte Friedrich. „Leben Sie wohl, Mutter. Trüge er ein menſchliches Herz in der Bruſt, ſo hätte ich mich vor ihm eremnin und zu ſeinen Füßen ſeine Verzeihung erfleht; aber es iſt gegen mich verſchloſſen. Sie werden mich nicht weni ger lieben, wenn ich auch um's tägliche rod arbeiten muß, und beſuchen wohl bisweilen Ihren Sohn, nm ihn mit einem freundlichen Wort oder einem Lächeln zn beglücken.“ ; Mrs. Benkley ſchlang die Arme um den Nacken des Sprechers und weinte Dankes thränen an ſeiner Bruſt. Sie hatte doch einen Sohn, der ſie liebte. „Marie,“ ſagte Miß Weſtbury mit von Thränen erſtickter Siüimme, „haſt Du denn kein Wort, um dieſe grauſame, dieſe ſchreckliche Ungerechtigkeit zu hindern?“ „Alles umſonſt! Hin weg mit dem Elen— ſden!“ rief John Bentley. „Und ich ermächtige Dich zu bleiben, Friedrich, “ ſagte ſeine Mutter. „Ich hab~ da Gehorſam des Weibes gezeigt! aber jept iſts an der Zeit, auch der Mutterliebe Geltung zu verſchaffen. Du darfſt mich nicht verlaſſen.“ „Will die Madame mir Trotz bieten? „Verſuch' es, mich von meinem Sohn ſtrennͤn zu wollen,“ entgegnete Mrs. Bentley ruhig. „Dieſes Haus gehor m ir, die Fabrik gehoöͤrt mir, und das durch ehrcuhaften Gewerbsfleiß errungen ſVermoͤgen iſt mein Eigenthum. Du haſt nicht das Recht, nur einen Schilling dabon anzurühren ohne meine Zuſtim mung, John Bentley. Das Teſtament meines Vaters iſt gefunden!“ Bei dieſen Worten ſprang der Heuchler von ſeinem Sitz auf, als habe die Poſaune des Engels ihn vor Gottes Gericht geladen. „Zwei Jahre lang,“ fuhr Mrs. Bent— ley fort, „habe ich das Geheimniß bei mir bewahrt in der Hoſffnung, durch Geduld und Ergebung ihn wieder für die Tugend zu gewinnen, damit es mir erſpart bleibe, ihn den Händen eines Mannes zu über antworten, der ihn bitter haßt, und ſelbſi jetzt noch würde ich geſchwiegen haben, wenn er die Mutter nicht eben ſo tief ge~ kränkt hätte wie die Gattin. Friedrich lieber, hochherziger Sohn, die höchſte Wonnt, die mir meines Vaters Reichthum gewähten kann, beſteht in der Macht, Oich gegen Ungerechtigkeit zu ſchützen.“ „Marie,“ rief die Tante im Ton der Bewunderung, „Dun biſt wahrhaft der Welt ein Vorbild in Geduld und Nach ſicht. Ich habe faſt an der Gerechtigkeit des Himmels gezweiſelt, als ich mit anſah, was Du durchmachteſt; aber die Tugend hat am Ende doch ihren Lohn gefunden.“ „Und wo iſt das Teſtament?“ fragte John Bentley mit erſtickter Stimme. „In unſern Händeun,“ ſagte Mr. Aſhton der eben mit Michael Haman ins Zim— mer trat, „nach dem Wunſch deer Verewig—~ ten, der mich und ſeinen Bruder zu Voll~ ſtreckern ernannte. Mrs. Beutleh machte erſt dieſen Morgen Gebrauch von der Ur— kunde, und würde es auch jett noch un— terlaſſen haben, wenn das Mutterherz nicht zur Verzweiflung gebracht worden wäre.“ „Wie,“ entgegnete der geſchlagene Ty rann, „Sie leihen auch Ihren Namen zun dieſer lächerlichen Verſchwörung? Das angebliche Teſtament iſt nichts Anderes als eine Fälſchung.“ „Jede geile iſt von der Hand des Er~ blaſſers ſelbſt geſchrieben,“ erwiderte der Fabrikant. „Und als Zgeugen finden wir Sie und Willie Hannan unterzeichnet,“ fügte Michael Vvaman bei. „Nur unbeſorgt, Marie; Sie ſind nicht mehr in der Ge~ walt dieſes Menſchen. Man hat der Schlange den Giſtzahn ausgebrochen; ſie iſt unſchadlich.“ „Aber nicht ſo wehrlos, wie Sie mei— nen,“ verſetzte John Bentley zornroth. „Dieſes Haus iſt mein, bis ein richterli cher Beſchluß darüber verfügt hat.“ „Mit nichten; wir haben Beſitz ergrif fen.“ „VBeſitz ergriffen?“ „Ja, “ entgegnete Michael kichernd. „Es gibt außer Iynen aunch noch Leute in MNancheſter, die rechnen können. gwan— zig entſchloſſene Arbeiter, die älteſten in dem Geſchaft meines verſtorbenen Bru— ders, haben uns begleitet Sie ſehen, wir ſind gleich geruůſtet gegen Schitane und gegen Widerſtand.“ Mr. Bentley lächelte verächtlich, denn die Summe für die Erwerbung des feil gemachten Guts, die er in der Lokalbank üiegen hatte, ſetzte ihn immerhin in die Lage die Gültigkeit des Teſtaments anzufechten und moͤglicherweiſe einen Bergleich zu er zwingen. „Marie, Deine Heimat iſt bei Deinem Mann,“ ſagte er. „Du wirſt mich nach London begleiten.“ „Ich habe in vielen Jahren nichts da— non geſpürt,“ verſetzte Mrs— Bentlen mit Feſtigkeit, „und werde bei meinem Sohn bleiben.“ „Bei Ihren beiden Söhnen,“ rief Gil— bert, auf ſeine Mutter zugehend. „Es iſt Pflicht, bei Ihnen auszuharren, und Sie zu beſchützen. Obgleich ich meine Ge— fühle berhehlen mußte, wiſſen Sie doch, daß ich ſtets mit Ihnen ſympathiſirte.“ Bei dieſer Heuchelrede brach Miß Weſt burfl in ein helles Lachen aus. „Wir Beide haben innige Theilnahme für Sie gehabt,“ fügte Lady Auguſta bei, denn ſie begriff wohl, daß unter ſolcheu Umſtänden ihr ſtipulirtes Leibgeding auf einem nichtigen Vertrag beruhte und ganz von der Willkür ihrer Schwiegermutter abhing. „Ich bitte, bei Beurtheilung un ſeres Benehmens unſere Stellung in's Auge zu faſſen. Wir waren Ihnen ent— fremdet und mußten glauben, daß Gilbert keinen Platz in Ihrem Herzen habe.“ Dieſe Anſprache war taktvoller als die ihres Mannes, und am eheſten geeignet, die ſchwache Seite der Mutter zu treffen. „Meine Nichte wird ohne Zweiſel dieſen ploͤtzlichen Zuneigungsausbruch nach ſei nem vollen Werth würdigen,“ bemerkte Miß Weſtbury voll Verachtung über dieſe Gemeinheit. : (Fortſetung folgt.) Der deutſche Reichstag und der amerikaniſche Congreß. Die Auſſtellung eines Vergleiches zwi~ chen den deutſchen Reichstag und dem amerikaniſchen Congreß dürfte nicht ohnc Intereſſe ſein. Ich will einen ſolchen verſuchen, zunächſt in formeller Beziehung, ſueceſſive auf die materiellen Gegenſtände eingehend. Der deutſche Reichstag beſteht ans 352 Mitgliedern, gewaählt von ſämnnlichen Deutſchen, welche das 25. Lebensjahr zu rückgelegt haben, auf die Dauer einer drei Jahre umfaſſenden Legislaturperiode, und kann die Wahl auf jſeden Deutſchen, der das 25. Lebensjahr zurückgelegt, fallen, welcher einem der deutſchen Staaten min deſten ein Jahr angehört hat, ohne auf ir gend einen einzelnen Staat oder gar Be zirk beſchränkt zu ſein. Der deutſche Reichstag beſteht nur aus einer Kammer, alſo kein Senat oder erſte Kammer. Der aus Delegirten der Staaten ihrer Regierungen zuſammengeſehte Bundesrath vertritt die Stelle einer erſten Kammer nur höchſt theilweiſe, in ſo fern als aus deſſen Berathung die dem Reichs tag zur Berathung und Beſchlußfaſſung vorgelegte Geſetze und ſonſtige Gegen ſtände hervorgehen, und Commiſſaͤre des erſtern dieſelben in der Berathung des Reichstages vertreten, jedoch ohne ſelbſt Stimmrecht zu haben ( falls die Commiſ ſäre nicht zugleich Abgeordnete ſind). Das Haus des Congreſſes beſtand bis her aus 242 Mitgliedern, alſo inel. der Senatoren ungefähr gleich ſtark mit den Mitgliedern des Reichstags. Die Repr ſentaͤnten werden zwar auch direet von ſämmtlichen 25 Jahre alten Bürgern auf zwei Jahre gewählt, jedoch diſtriktsweiſe, ſo daß ſie nur einen innerhalb des Diſtrikts wohnenden Mann, noch viel weniger aber einen Bürger eines andern Unionſtaates erwählen kann. Die Senatoren werden von den Legislaturen, der eiuzelnen Staa ten erwählt. Die größere Freiſinnigkeit beſteht dem— nach hier unſtreitig für den deutſchen Reichstag in der Vihraihen ſeiner Wahlen ſowohl, als in der Unabhängig— keit ſeiner Beſchlüſſe von der Zuſtimmung des Senats. Die ſtändigen Beamten des deutſchen Reichstages beſtehen aus einem Praäſiden ten, einem erſten und zweiten Viee· Präſi denten, die alle drei vom Reichstage ans ſeiner Mitte gewählt werden, feruer acht Schriftführern, die der Präſident in der Regel aus den jüngſten Abgeordneten auswählt, und zwei Quäſtoren für das Rechnungsweſen. Von der Regierung werden dem Reichstage beigeſtellt: zwei Vorſteher des ſtenographiſchen Bureans, für die Sitzungszeit 12 Stenographen, 2 Poſtbeamte, 1 Telegraphiſt, 1 Boten meiſter und ein Thürſteher. Alsbald nach Zuſammentritt des Reichs tags werden durch das Loos ſieben mög lichſt gleiche Abtheilungen gebildet zur Be— rathung der vorkommenden Angelegen heiten. Dieſe wählen in ſich je einen Vorſitzenden und einen Schriftführer mit Stellbertretern für beide. Von beſonders angeſtellten und beſoldeten Sekretären für die Abtheilungen iſt keine Rede, ſondern deren erwählte Sekretäre haben alle vor— kommenden Schreibgeſchäfte allein zu be· ſorgen ohne irgend eine Vergütung. Hiemit vergleiche man das Beamten— heer im Senate des Congreſſes ſowohl wie im Hauſe, von den Clerks und Sergean— ten herab bis zu den Laufburſchen (Pagen) alle mit hohen Beſoldungen; jedes Comite, das auch noch ſo wenig zu thun hat, hat ſeinen hoch ſalarirten Clerk. Im Haus beſtellt der von der Majorität erwählte Sprecher alle Comites und indirekt die Vorſitzer derſelben, was natürlich der Mehrheit hier der Partei einen außerordentlichen Einfluß gibt. Auch in dieſer Beziehung mnß jeder Unbefangene dem dentſchen Reichstag den Vorzug ein— räumen. Im Congreß beſtehen zwei ſich ſchroff gegenüberſtehende Parteien, welche alle ;ur Berathung vorkommenden Angelegen heiten vorzugsweiſe nur vom Parteiſtand— punkt auffaſſen. In erſter Linie entſchei det jeder Zeit nur das Intereſſe der Par— tei, das des Landes kommt, wenn über haupt, erſt in zweiter Reihe in Betracht. Ueber alle wichtigeren Angelegenheiten wird in Voraus ſ. g. Parteicaueuſſen ent ſchieden und es gilt als ein Verbrechen, in den öffentlichen Sitzungen davon abzu weichen, mögen daſelbſt auch Thatſachen oder Gründe vorkommen, welche die Sach lage gänzlich verändern. Auch im dentſchen Reichstag beſtehen ſ.g. Fraetionen, gegenwärtig ſieben, ge bildet aus Mitgliedern ziemlich gleicher politiſcher Anſichten, ohne daß dieſelben jedoch den Charakter ſich ſchroff gegenüber ſtehender politiſchen Parteien trůgen, viel leicht mit Ausnahme der Fractionen des Centrums und der Eelen Daneben be— ſteht eine Anzahl Mitglieder, die keiner Fraction angehören gegenwärtig 29 die ſ. g. Wilden. Auch in dieſen Frae— tionen finden Berathungen ſtatt, B es aber als kein Verbrechen gilt, in der öffent lichen Berathung von den dort gefaßten Beſchlüſſen abzuweichen vielleicht mit den oben bemerkten Ausnahmen ; weshalb es nicht ſelten vorkommt, daß nicht wenige Fraetionsmitglieder von dieſen Beſchlůſ I. Stern, Herausgeber. No. 48. ſen abweichend ſtimmen. Nach der Geſchäftsordnung des deut— ſchen Reichstags finden unabänderlich über Geſetvorlagen drei Berathungen ſtatt, im ſchnellſten Falle mit Zwiſchen räumen von zwei Tagen und zwar artikel weiſe der Reihenfolge nach. Die erſte Berathung findet im Plenum ſtatt und wird darin beſchloſſen, ob ſo fortgefahren »der das Geſetz an eine Commiſſion zu orlänfiger Berathung verwieſen werden oll; dies kann auch in jedem weiteren Stadium der allgemeinen Berathung ge ſchehen. Kleine Geſetzentwürfe betreffende Anträge bedürfen nur einer einmaligen Berathung nur durch die oben erwähn ten Zeitfriſten unterbrochen ehe zu einem andern übergegangen wird. Die Regeln Geſchaäftsordnung des Congreſſes enthalten allerdings ähn— liche Vorſchriften, jedoch gelten dieſe längſt nicht mehr als Regel, ſondernu un Gegen— theil, ſich nicht an dieſelben zu binden und durch die ſ. g. previous question kurze Frage jede gründliche Berathung ab— zuſchneiden und ohne dieſen Beſchluß zu faſſen. Dieſes gilt zumal bei den wichti— gſten Gegenſtänden faſt als Regel. Die Berathuug über einen Gegenſtand wird in der Regel, ſollte die erſtere auch nahezu erſchöpft ſein, plötzlich abgebrochen und die Sache oft Monate lang zurückgeſtellt, ja gar nicht erledigt, ſollte dies die Ma— jorilaͤt im Intereſſe der Partei für nützlich finden, um einen vorausſichtlich für dieſe oder dem Intereſſe gewichtiger Parteilei— ter nachtheiligen Beſchluß zu verhüten. Welche Verfahrungsweiſe die beſſere für das allgemeine Wohl iſt, überlaſſe ich ei gener Entſcheidung. Die Mitglieder des deutſchen Reichs— tags empfangen keine Taggelder oder ſon~ ſtige Entſchaädigung, nicht einmal die für Reiſekoſten Dies vermag ich allerdings nicht als der Gerechtigkeit entſprechend zu halten, wenigſtens ſollte man ſolche Tag— gelder gewähren, welche das viel theuerere Leben in Berlin mit den gewöhnlichen Ausgaben ausgleichen würden, neben an— gemeſſenen Reiſekoſten. Von Portofrei heit iſt keine Rede, nicht einmal Schreib material wird geliefert. Hiedurch wird manchem talentbollen Mann der Weg verſperrt, ſeine Kräfte dem Reichstag wid— men zu können, und indireet die Wahl freiheit des Volkes beſchränkt. Hiemit vergleiche man den amerikaniſchenCongreß. Die Milglieder des Hauſes haben ſich ſelbſt ſtait Taggelder ein Fixum von 810,000 für ihre zweijährige Amtsdauer votirt. Rechnet man die Dauer der wirk lichen Sitzungszeit für dieſe Periode auf 10 Monate, ſo fallen auf einen Monat 81000 und für den Tag $833. Daneben berechnen die ehrenwerthen Mitglieder hohe Reiſekoſten nach einer ſolchen Route, welche für ſie die größten Vortheile ge währt. Sie genießen Portofreiheit im unbeſchränkteſten Maße, ſelbſt für ſchweres Gepäck. Verſehen werden dieſelben nicht allein mit Schreibmaterial und Büchern, ſodern ſogar mit Toilettengegenſtänden. Jeder Vergleich iſt hier überflüſſig. Bei den Mitgliedern des deutſchen Reichstag beſteht keine Spur von Cor ruption oder Mißbrauch des Einfluſſes, und auch nicht die leiſeſte Andentung da— von iſt bisher laut geworden. Kann man dies auch von den Mitglie dern des amerikaniſchen Congreſſes růh— men? Ein Jeder moͤge dieſe Frage ſich ſelbſt beantworten. Der Vergleich ließe ſich noch viel weiter ausdehnen; doch mögen die vorſtehenden ſlüchtigen Bemerkungen für jetzt genügen, nicht zu viel Raum in Anſpruch zu nehmen. Etbot Das Deulſattun in den nördlichen taaten. Vergangene Woche enthielt unſere Zei— tung ein Schreiben, in dem die Lage der- Deutſchen in Ungarn geſchildert wird. Es iſt wahrlich keine freudige Erſcheinung die uns vor die Augen tritt, und der Ein-~ druck den ſie auf uns macht, iſt um ſo ſchmerzlicher, da ſie uns an die Erfahrung und Lage der Deutſchen im Norden erinnert. Dem Deutſchen in den Ver. Staaten in Nord· Amerika, geht es im Durchſchnitt wenig beſſer als ſeinem Landsmann in Ungarn. Im Allgemeiuen iſt auch auf die Deutſchen im Hankeeland das folgende anwendbar. „Der Deutſche wird gedul det, ſo lange er geduldig ſeine Steuer zahlt, und ſich ohne Murren zu Culturduͤnger verwenden läßt; ſobald er aber eine na tionale Regung verräth, wird eine Fluth von Verdächtigungen und Schmähungen über ihn ausgegoſſen und ihm das en moͤglichſt ſauer zu machen geſucht. Unter allen Nationalitäãten iſt er das Aſchenbrö del, man überbietet ſich in officiellen Ver ſicherungen der deutſchen Sympathien und in allgemeinen Betheuerungen der unbegrenzten Hochachtung uad Verehrung für dic deutſche Cultur und Wiſſenſchaft,“ unterläßt es aber den einzelnen Deutſchen nach ſeinem Verdienſt zu behandeln. Es iſt ein Glüůck für uns, daß der Land mann, Handwerker und Kaufmann über Hintenanſetzung weniger und ſeltener zu klageu hat als der Gelehrtenſtand. Die hclehrten haben überhaupt wenig Einfluß in Amerika; denn die Beamten ſind nicht die Gelehrten und verdienſtvollen ſondern die ungebildeten Schmeichler des Volkes. (Fortſetzung auf der letzen Seite.) ~