Savannah Abend Zeitung. (Savannah [Ga.]) 1871-1887, April 24, 1872, Image 1

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Sarannah Ahend Zei Sarannah Ahend Zeitun 7 ; Brof. C. I. Banſemer, Redakteur. 2. Jahrgang. No.l. Kette und Einſthlag. DGine Erzäͤhlung aus der Zeit der Baumwollennotl ʒ ; in Mancheſter von g —2 I. F. S m it n 2 ; ; (Fortſebuna.) ; Ach a; es iſt ſchrecktieh langwoilig. begreife nicht, wad der alte Narr da— mit will. Die Geſchaſtslokale unten würden ein ſchweres Geld einbringen; aber er ſagt nein, obſchon ich ihn darauf Unertlen machte, wie leicht ſich die Treppe, die zu ſeinem Schlafzimmer fůhrt, vermauern ließe.“ Das war ein wichtiges Stück Auskunft; die Verbindung beſtaůd alſo noch. „Ich möchte wohl die Comptoirgelaſſe in Angenſchein nehmen,“ ſagte der Intri— gant. ; „Mit Vergnügen, Mr. Bentley,“ ver ſette Barbara, aus einem alten Uhren— ſchrauf tiuen Rund eoſtiger Schlüſſel he~ usholend. „Kommen Sie.“ „Aber nicht die Haupttreppe hinunter. Es könnte uns Jemand begegnen, und die Welt iſt ſo neugierig. Gehen wir lieber durch das Schlafzimmer.“ Barbara war zwar wohl ſchlau und argwöhniſch, konnte aber doch dem Geber des ſchoönen ſeidenen Kleides nichts abſchla— gen. Die Ausſicht auf den Shawl trug ferner dazu bei, ihr Urtheil zu blenden, und ſie ging nach dem Gemach voran, das Mr. Haman, wenn er nach London kam, zu bewohnen pflegte. Es war, wie die uübrigen Gelaſſe des Hauſes, ſehr finſter, altmodiſch und äußerſt einfach möblirt. In einer Ecke befand ſich die Thüre zu einer Treppe, die ſo ſchmal war, daß ſie nur für eine einzige ſie benützende Perſon Raum bot. Der gewoöͤhnliche Zugang zu den Comptoiren führte durch die untere Hausflur. Die Höhle des Exgeldmäklers bot einen ſehr verödeten Anblick. Die Pulte waren offen und dick mit Staub belegt. Von der Decke hingen Spinnengewebe nieder und pendelten in der Luft bei jeder Bewe gung der Eindringlinge. „Wenn Sie all' das Geld hätten, Bar bara,“ ſagte Mr. Bentley, auf einen un· geheuren eiſernen Schrank dentend, deſſen ſchwere Thüre weit offen ſtand, dem Ra chen einer hungrigen Schlange ähnlich, die ihrer Beute harrt, „das ſich ſchon in die ſem Schrein befunden, ſo wären Sie e gar reicher als Ihr Herr. Er benützt ihn wohl jetzt nicht mehr?“ „Doch, autwortete die Haushalterin; „faſt immer, wenn er nach London komnit. Der Zug langt in der, Regel zu ſpät an als daß er ſeinu Geld und ſeine Papiere noch auf die Bank tragen könnte; er ver· wahrt deßhalb Alles die Nacht über hier. Vielleicht macht es ihm VBergnügen, ſein Geld wieder einmal am alten Platz zu ha-~ ben.“ ; „Wohl möglich. Ihr Herr iſt ein wun— derlicher Kauz.“ „Das iſt ein wahres Wort, Mr. Bent— ley.“ „Oeffnen Sie me die Fenſter, Barbara? Das Zimmer ſcheint feucht zu ſein und hat einen ſehr moderigen Geruch.“ „Selten; aber wenn Sie es wünſchen, ſo kann ich etwas Luft herein laſſen.“ Sie zog die ſchmalen Schiebfenſter auf und ſchaute, ohne auf das Treiben ihres Gaſtes zu achten, in den Hof hinunter, durch welchen. eben einer ihrer guten Freunde, der Portier einer benachbarten Handelsfirma, ging. Der Mann ſchaute in die Höhe und erkaunte ſie. „Geben Sie dem alten Krähenneſt Luft?“ ſagte er. „Kann nicht ſchaden, wenn es einmal im Jahr geſchieht.“ „Ich glaube, Sie erwarten Mr. Ha— man?“ „Weiß nichts davon. Ich erfahre nie zum voraus, wenn er kommt.“ ~ ; „Dentt, er könne Sie über etwas erwi— ſchen.“ „Mag er; ich thue nichts, deſſen ich mich zu ſchaͤnen hatt~ Nun, wenn er nicht kommt, ſo können wir heute Abend wieder unſer gewöhnli— ches Spiel Cribbage vornehmen. Sie ſind mit von geſtern Revanche ſchuldig. VBarbara winkte ihm, zu ſchweigen, und die Unterhaltung machte noch eine Weile üůber andere Gegenſtände fort. : Inzwiſchen hatte John Bentley ſachte den nier Schlüſſel aus der Zhire det eiſernen Schranks gezogen und den Bart in einem Stůckchen Wachs, das er mitge bracht abgedruckt Der Schlüſſel ſtak ſchon wieder an ſeinem Blat, ehe die nichtsahnende Haushalterin ihr Geplau— der mit dem Portier abbrach und als ſie dem Fenſter den Rücken kehrte, ſah ſie Mr. Bentley in Betrachtung eines verſtaubten Porträts daſtehen. : ertrat 2al Mutter der lieben Miß Aliee,“ ſagte ſſe. . ; wandte ſich um und verließ bald nachher mit dem Verſprechen, bei ſei nem nächſten Beſuch den grün und gelben Shawl nicht zu vergeſſen, das Haus Er hat ſie doch recht gerne gehabt, ſagte Barbara, ihm nachſehend, „und es hätte ein hůbſches Paar gegeben, wenn ihr Vater kein ſo ſchlimmer Filz geweſer wäre. Seitdem iſt er freilich anders keit, die er gegen ſie erwieſen, berechtigte ſie nicht, dieſen Titel auch ſerner auf ihn danzuwenden. Was nicht das Geld thut! Füufzigſtes Kapitel. Das Lob, das John Bentley dem Mr. Twiſſelton zu Theil werden ließ, konnte kaum ein übertriebenes genannt werden, denn derſelbe war nicht nur ein ſehr tüch tiger Mdyokat ſondern galt auch fuͤr einen ſehrlichen Mann, ehrlich in einem gewifß ſeu Sinne wenigſtens, und zwar dann in nſeinem ſeltenen Maße. Keine Beſtechung hatte ihn zu vergnlaſen b bit ſtereſſen eines Klienten zu verrathen, wie denn auch kein Maß von Verbrechen ihn ſabgehalten haben würde, ſich des damit ; VBehafteten anzunehmen, vorausgeſetzt, daß ã reich war Er betrachtete die Verseh— e lungen gegen das Sitten- und Strafgeſetz im Lichte moraliſcher Krankheiten und ſich ſelbſt als ihren Arzt, dem die Pflicht ob— lag, wo möglich eine Kur zu erwirken. Letzteres gelang ihm auch hin und wieder in mcebeortiger Weiſc, und wenn er ſeine Memoiren herausgeben wůrde, ſo dürften die Liebhaber von Klatſch und Skandal ſich einen nicht gewöhnlichen Genuß ver· ſſprechen. Nur der Himmel weiß, wie viele Geſchichten von ſeinem Nachforſchen oder romantiſchen Gefahren in ſeinem ge— ſtrenen Gedächtniß aufbewahrt ſind. Ich will hier nur eines einzigen Umſtandes er— wähnen, der ſich vor ungefähr dreißig Jahren zutrug und ihn zum erſten Mal mit der faſhionablen Welt in Berührung brachte. Aus dem Schmuckkaſten einer ſwohlbekannten Herzogin waren in geheim— nißvoller Weiſe Diamanten abhanden ge— kommen. Man nahm die Dienſtboten ſin's Verhör, beargwöhnte Jedermann, ſder Zutritt zum Haus gehabt, und bot große Belohnungen aus Alles vergeb— lich. Die Polizei geſtand ihre Ohnmacht ſund der Familienadvokat gerieth ganz anßer ſich, denn echt weiberhaft wußte llhre Gnaden gewiß, daß er den Dieb wohl herausbringen würde, wenn er ſich nur gehörig Mühe gäbe. „In ſeiner Ver nur getern tu er ſich an Twiſſelton. „Was erhalte ich, wenn mir's glückt?“ fragte der Letztere „Vierhundert Pfund,“ lautete die Antwort. „Zu we— nig; ich muß tauſend haben.“ Die Summe war groß, weßhalb der Advokat, ſehe er ja ſagen konnte, ſich mit dem Her— ſzog berieth welcher ihn ermächtigte, die Bedingung einzugehen, In weniger als einer Woche waren die Diamanten wieder da und die taufend Pfunde bezahlt; doch ſprach weder der Herzog noch die Herzogin in Geſellſchaft je von dieſer Angelegenheit dèr Name des Diebs wurde nirgends ge nannt. Wenn Twiſſelton ſpäter von ſei nen Vertrauten gefragt wurde, ob das bedentende Anlehen, das ein paar Mo— nate ſpäter der Herzog auf ſeine Güter aufnehmen mußte, mit dem Diamanten— diebſtahl in Verbindung ſtehe, ſo pflegte er nur zu lächeln, ein Beweis, daß man minder auf ſeine Verſchwiegenheit als auf ſeine Schlauheit zählen dürfte. Obſchon Twiſſelton ſeine ſechzig auf dem Rücken hatte, ſo ſah er doch viel jün ger aus. Das Vermögen, das er ſich erworben, ſicherte ihm den Zutritt zu der Geſellſchaft zweiten Ranges, in welcher er um ſeiner angenehmen Manieren willen . (der feinen Diners, die er gab nicht zu ge~ denken) ſehr beliebt war. Dies war die Perſon, welche Lin am anderen Tage, als er ſich wieder indem Al~ bany einſtellte, mit John Bentley bei einer Flaſche antraf. ~ DiegZeremonie des Vor— ſtellens wurde hurtig abgemacht. „Es wird af beſten ſein,“ ſagte Bentley „wenn Ihr meinen Freund hier von allen Verhältniſſen, über die Ihr des Rathes bedürftig ſeid, ausführlich in Kenntniß jebt Der Zigeuner begann eine weitläufige Auseinanderſetzung, in der er jedoch in Abrede zog, zu Willie Hannan's Erblin— den in irgend welcher Beziehung zu ſtehen: er ſei das Opfer der Umſtände, und nun drohe ihn auch noch ein gewiſſenloſer Ad—~ vokat um das zu bringen, was er mit ſau— rer Mühqutbnͤlttu umeyuroig, ver ſette Mr. Twiſſelton. „Nach engliſchen Geſetz iſt dies jeder, bis ein Schwurgericht das Gegenfhçil über ihn ausgeſprochen hat. Es iſt erſtaunlich,“ fügte er bei, „wie viele unſchuldige Leute aut ar cn der Verblendung einer einfältigen Jury und bloͤdſinniger Richter a Opfer fal— len“ Bentley laächelte. „Aber man kann Sie doch nicht angeſchuldigt haben ohne Beweisſtücke ich meine Beweisſtücke, die Sie zurecht zu lesa im Stande ſind? »Die Fragen des Advokaten wurden dringlicher und beſtimmter. Das Aus e ziehen eines Zahns wäre ein angenehmes Gefühl geweſen in Verbindung mit den Ceiden des wahrheitsliebenden Norle, als der eigentliche Sachverhalt Stück für ; Stück aus ihm herausgeholt wurde. Rachdem Alles geſagt war, ſchloß Mr. ; Twiſſelton die Augen und blieb eine · Weile ſtumm. „In dieſer Bitriolangele· ~genheit kann ich nichts für Sie thun, lenr er endlich. „Zu klarer Fall keine Hoff “nung.“ Sein Klient wurde leichenblaß s Dagegen laßt ſich Ihr Eigenthum tien ~ fuhr der Sprecher fort „Sie gehen da n mit nach Amerika, das gerade das rechte ~ Land iſt für Leute wie Sie, und laſſen I 4 a dort wohl ſein. Savcnah, Ga den 24. April 1872. 2 „Und was verlangen ſtotlertel der Flüůchtling. ; „Nicht viel Fünfundznanzig Prozent von dem, was ich Ihrem Llchs rezen jage, und zwanzig von dem Uebrigen“ Das waren harte Bedingungen. Ein! lviert ſeines übelerworbenen Reichwams ſſollte ihm entriſſen werden durch eine eit ſzige Umdrehung von Fortunad Rad; aber der Bedrücker der Armen «ußte ſich darein ergeben. Es mreori zwei Urkun— ſden ansgefertigt. gon denen eine die an nna ece Bollmacht aufhob, die an dere ſie auf Mr. Twiſſelton uͤbertrug. 1 „Ich werde morgen nach Mancheſter aufbrechen,“ ſagte der Advotkat. „Man muß ſich beeilen, Ihrem Agenten ſein Spiel zu legen. Wenn ich meinen Freund Bentley recht verſtanden, ſo haben 2 Verwandte, die dort in Haſt ſind eine Mutter und einen Onkel. Soll ich nichts für ſie thun?“ „Fluch über ſie, nein,“ rief der Zigen· ner wüthend. „Sie ſind an meinem Berderben ſchuld. Wenn mir meine Mutter nicht immer ſo zugeſetzt hätte ſo hätte ich nie Er hielr une. „Dem William Hannan Schwefelſäͤure ins Geſicht gegoſſen,“ ergänzte John Bentley ernſt. ; : „Das habe ich nicht ſagen wollen, ſon— dern nur, ich wäre nie beargwohnt wor— den. „Gut gedreht,“ ſagte der Advokat lä— chelnd, indem er ſich zum Gehen erhob. „Hier iſt meine Adreſſe, Mr. Lin für den Fall, daß Sie mir eine Mittheilung zu machen haben. Wenn ich ihnen gut zu Rathe bin, ſo halten ſie ſich verborgen, beſuchen keine öffentlichen Beluſtigungs plätze und ſchlagen beim Gehen den Blick nieder. Sie haben ein merkwürdiges Paar Augen. Da Sie jetzt mein Klient ſind, muß ich Sie darauf aufmerkſam mathen, naß Sie, wenn Sie der Leiteil in die Hände fallen, Gefahr laufen, lebens~ länglich oder doch mindeſtens auf awan. zig Jahre deportirt zu werden.“ Nach dieſer Vewarnung drückte der Sprecher yen Wirth die Hand und verabſchiedete ſich. ; „Noch nicht ſagte Bentley, als auch Lin ſich zum Gehen anſchickte. „Ich habe einen Auftrag für Euch. Bringt dieſes Kiſtchen dem Schloſſer Siler in Clerken well, laßt. zu gleich fünf Pfunde dort und ſagt, Ihr wollet nach zivei Tagen Aut— wort holen; man wird Euch dann einen Schlüſſel geben, für welchen Ihr die gleiche Summe ausfolgt“ „Ein Einbruch,“ dachte der Zigeuner. „Verſteht Ihr mich?“ „Vollkommen.“ „Vielleicht iſt's gut, wenn Ihr Euren Anzug wechſelt. Warum tragt Ihr Ench nicht lieber als Matroſe? Twiſſelton hat recht, wenn er ſagt, Euer Ausſehen und namentlich Eure Augen müſſen auf Euch aufmerkſam machen.“ „Soll geſchehen.“ Wenn Ihr den Schlüſſel habt, ſo bringt Ihr ihn mir.“ Der Zigenner war noch nicht weit von dem Albanyh entfernt, als er argwöhn iſch das Siegel des ihm vertranten Kiſt chens erbrach, um den Inhalt kennen zun lernen; er fand jedoch nichts, als ein Stück Wachs mit dem Abdruck eines Schlüſſelbarts. „Reich oder arm, vornehm oder gering, wir ſind Alle gleich,“ murmelte der gi~ geuner vor ſich hin, indem er den Deckel wieder ſchloß. „Ich glaube, die ſoge— nannten ehrlichen Leute ſind nur ſolche, hinter deren Schliche man noch nicht ge kommen iſt.“ Dies war keine ſehr ſchmeichelhafte An~ ſicht hon der Menſchennatur, obſchon lei— der viel Wahres in ihr liegt. Ich fürchte, die Zahl der nicht entdeckten Schelme iſt weit größer, als die der ehrlichen Leute. 3wei Tage ſpäter erhielt John Bentley den Schlüſſel. Im Lauf des andern Vormittags lief für den Fabrikanten von Mancheſter ein Telegramm ein. Es war das, auf welches er längſt mit Sehnſucht war hrwodicchyr Grqaſtyaciidenin ur jee haben würde. Es lautetta: „Verkauftſ für 130.“ Die Ziffer 1 bezaͤg ſich auf die Stunde, die auͤdern auf die Minuten, und der Empfänger entnahm daraus, daß Michael Haman mit dem Ein Uhr dreißig Minuten Zug nach London auf— brechen werde. : den Nachricht gibt mir nicht die Be— friedigung, die ichjmir von ihr verſprach,“ / ſagte der Intrigant zu ſich ſelbſt. „Für mich habe ich mein genůgendes Auskom— men; warum ſoll ich mich weiter in eine Laufbahn verſtricken, deren EndeſNiemand abzuſehen vermag?“ Nachdem er mehr~ mal im Zingner auf· und abgegangen, fuhr er fort: Pah, ich bin an den Luxus gewöhnt; er iſt mir zur zweiten Natur geworden, und ich kann ihn nicht miſſen. Ein einfaches Auskommen, und mich ver— lachen laſſen von den Dickkoöpfen, die ich! hundertmal auf dem Baumwollenmarkt aus dem Feld geſchlagen? Nein, nein. Reich will ich ſterben, mag der kommen, wann er will.“ Und John Bentley griff nach ſeinem Hut, um ſeinen Verbündeten aufzuſuchen. : unnmen vor der Ankunft des Mancheſterzuges fanden ſich zwei ſehr ver ſchieden ausſehende Perſonen auf der Platt- form der Nordbahnſtation ein Die einel ſwar ſo unverkennbar ein Gentleman wie die Welt das Wort dentet), daß die ſcharf~ ungige Bahnhofpwizei keine Notiz nahm ſhon dem dicken Shawl, welcher den unte— hen Theil ſeines Geſichts vollſtändig ver— üllte; denn eine ſolche Borſorge konnte aen die die Kälte getroffen ſein, oder Nit der Fremde Zahnweh. Die zweite, Mn mit dunklem Geſicht und den r eries Matroſen, hatte einen Wol— e wer die Schulter geworfen und ht bon verzen ging, cuf den Perron n und her. : Auf wen wartet Ihr, Jack?“ (Allge· meirbezeichvang für Matroſe) redete ihn! ner der Ladknechte an. .. Auf meine Miſſis, Meßmate.“ ; „Voher.“ Vda Liverpool.“ „Wirdin ein poar Minuter eintreffen.“ Man hoͤtte bereits-das ſch'ille Pfeifen der Lokomotive aus der Ferne. Der Gentſemann in dem Shawl und der Ma troſe wechſelten Blicke. Der Erſtere ſtellte ſich bei der Wartſaalthüre auf, der Andere blieb auf dem Perron. riar zurück!“ riefen der Bahnhof wärte. Der Zug kam hecangekeucht nnd wäͤlzteſich wie eine ungehenre Schlange langſan in den Bahnhof herein. Nach dem er halt gemacht hatte, folgte das ge vhnlih Gelnnel Männer und Wei— ber dränhten ſich in der dritten Wagen~ klaſſe nah den Thüren, noch ehe das Dienſtperſhna! äſffnen kannte; Paſſagiere riefen nach ihrem Gepäck, Weiber und Kindec ſchrieen durcheinander; kurz es ent— faltete ſich die Verwirrung, die jede An kunft eines Zugs zu begleiten pflegt. Erſt nachdem ſich der Tumult etwas gelegt hatte, ging die Thüre eines Wagens auf ind ein Billetabnehmer half Michael Ha— pen heraus. Bei.ſeinem Anblick ſtreckte der Gentleman im Shawl zwei Finger egen den Matroſen hin, der mit einem Kopfnicken darauf antwoetete. Ein paar Ninuten ſpäter trafen· ſich die Beiden außerhalb des Bahnhofes, wo zwei Kab— rolette auf ſie warteten— „lhr wißt, was Ihr zu thun habt?“ flüſterte John Bentley. „Ddlhmnachfahren, wohin er gehen mag,“ entgtgnete Lin. „Aber was habe ich zu thun, wenn er nicht unmittelbar nach ſei nel Wohnung fährt, ſondern vorher in einer andern Haus einſpricht? Auf die Bant iſt s freilich zu ſpät.“ „Dann merkt Ihr Euch die Hausnum— mer ind kommt za mir. Doch wir haben teine Zeit zu verlieren. Setzt Euch in Euer Kab; der Kutſcher hat bereits ſeine Weiungen.“ Der Zigeuner that, wie ihm geheißen wurde, während Bentley gleichfalls in ſein Kabriolet ſtieg und raſch der City zu-~ fuhr. Etwa zehn Minuten ſpäter kam Michael Haman in einer Droſchke von der Station her. Ein kleiner Reiſekoffer lag zwiſchen den Beinen des Kutſchers. „Das iſt der Mann,“ flůſterte Lin jei— nem Kutſcher zu. „Fahrt ihm nach.“ Als John Bentley den Hof in Mark- Lane erreichte, fand er die Thüre zu der Wohnung ſeines Feindes geſchloſſen. (Fortſetzung folgt.) Spaniſche Sitten. Spanien wird gewöhnlich langweilig genannt, aber in einer Beziehung wenig ſtens iſt es intereſſant, pitoresk und komiſch zugleich. Bei uns richten das Alte und das Nene ſich ein und kommen bald auf einen leidlichen Fuß. Es ſinden nicht blos ein Abſchleifen, ſondern ein gegenſei tiges Durchdringen ſtatt, bei dem zwar Kämpfe nicht ausbleiben, aber der Cha rakter eimes Unbildungsprozeſſes doch im~ mer vorherrſcht. In Spanien ſtehen ſich die Elemente des Alten und Neuen unver ſöhnt gegenüber. Kommt eines der bei den einmal in Vortheil, ſo bildet es ſich zum Extrem aus, während das andere! bitbr Gpautt winu nv v n chen der Art, wie ſie uns in den Werken vdon Hutten, Erasmus oder Rabeleis be— gegnen, und neben ihnen drängen ſich Pampheteliſtenwvon der neueſten atheiſti— ſchen Sorte. Es giebt Ciſenbahnen (von Fremden gebaut) aber nirgends ſind Schlagbäume angebracht, ſo daß manches te Weib, das auf ſeinem Eſel gemächlich ůber die Bahn reitet, unter Räder kommt. Lange hat es gedauert ehe die Bauern einſahen, daß die neuen Schienenwege eine andere Beſtimmung hätten, als ihnen die kůrzeſte und bequemſte Straße bei ihren Gäͤngen zum naäͤchſten Markt zu bie ten Sie ſchleuderten auf den Bahnen hin, wichen anfangs nicht einmal aus, wenn ſie die Pfeife der Loceomotive hoör ten, weil ſie der Anſicht waren, daß der Zug halten müſſe, bis ſie vorüber ſeien. Als auf der Pferdebahn von Madrid der erſte Omnibus fuhr, mußte die Polizei ihn gegen das Volk ſchüten. Man hatte gegen en Bahn nichts weiter einzuwen— den, als daß ſie etwas Neues war, aber das genügt nicht in einem Lande, wo man Freinde wie wilde Thirre anſtarrt nd wie zahme ſcheert und wo die Land— ſtraßen, das Pflaſter der Stadte, die Poſt und noch viele andere Dinge in einem wahrhaft barbariſchen Zuſtande ſind. Mit dieſer Barbarei ſteht die pomphafte Sprache der Spanier in einem komiſchen Contraſt. Sie nennen ſich ein „puehlo hidalgo“, ein adeliges Volk, und ſind in ihren Redensarten die höflichſten Leute der Welt. „Wollen Ew. Gnaden mit mir ſpeiſen?“ ſagt ſelbſt die Höckerin die ein Stück Brod mit einer Sardine darauf der Hand verſpeiſt, und „Ich küſſe Ew. Gnaden die Füße“, iſt der Griß je des Herrn an jede Dame— „Der. galaut ein Gedränge entſteht, dieſelbe Dame an n Wand zu drücken, und in den Alame das, Rambias und Plazas der ſpaniſchen Städte dürfen junge Frauen nicht allein gehen, wenn ſie ſich nicht Unverſchämt heiten ansſetzen woltn Emne Sinterud zum Miteſſen darf man nie ernſthaft neh men. Eine ſvaniſche Familie lud Gäſte zu einem Balle ein. Man tanzte~ bis Mitternacht, als die Dame des Hauſes die Eingeladenen mit einer höflichen Ver beugung verabſchiedete. „Wir gehen jetzt zum Abendeſſen“, ſagte ſie einfach. Bei Fremden zu ſpeiſen, tragen die 2 kein Bedenken. Im vorigen Jahre ver ranſtalteten die Offiziere einer nordame ikaniſchen Fregatte in einem Hafen des Mittelmeeres einen Ball. Das Abend eſſen war vorzüglich, der Champagnet floß in Strömen. Die jungen ſpaniſchen Damen bedauerten, außer ihren Eltern nicht auch „tio Jorge“ (Onkel Georg) mitgebracht zu haben. Das herrliche Fest war Tage lang das Stadtgeſpräch, irgend eine· Einladuüng erging an die Officiere nicht. Trifft man den Spanier an der Wirths~ haustafel eines Hotels, ſo lernt man ihn vou einer beſſern Seite kennen. Er be— nimmt ſich dann zuvorkommend und iſt ſogar im Staude, einem Fremden aus ſeiner Xeres Flaſche einzuſchenken. u glücklicher Weiſe gehen aber die Spanier nicht viel auf Reiſen, ſo daß man ſolche angenehme Erfahrungen ſelten macht. Die ſpaniſche Küche gehört zu den ſchlechteſten Eunropa's. In einem be— rühmten ſpaniſchen Kochbuch: „Nuevo Arte de Cesina, pas Japan Altimiros“, id ein Rebhühner · Recept gegeben, bei deſſen bloßem Anblick einem Feinſchmecker die Haut ſchaudern mnß: „Nimm ein junges Rebhahn, ſülle es mi Sarodmen und koche es mit Lorbeerblättern und Apfelſinnenſaft.“ Wo möglich an Alles werden Zwiebeln gethan, Schneckenſuppe gilt für etwas ſehr Feines. Sowie ein don Regen begleitetes Ge.oiter vorbei iſt, ſieht man an allen Berghängen die La— ternen von Leuten blinken, welche in dem feuchten Boden nach Schnecken ſuchen. In den größeren Städten iſt friſche But— ter ſchwer zu bekommen und ſchlechted Oel muß ihre Stelle erſehen Eine wäſ ſerige Suppe, eine dicke Chocolade,~ oder eingeſalzener Fiſch, oder Gedämpftes und Oliven, Kartoffeln und Kuchen ſind die Hausmannskoſt ſpaniſcher Familien. Das Geflügel und die großen Hausthiere wer— den ſchlecht gefüttert, an der Seeküſte wird wenig geſiſcht nnd ſelbſt das Obſt iſt ſchlecht, weil die Obſtgärtnerei in dieſem Lande, wie die Orangen im Freien ge— deihen, auf der niedrigſten Stufe ſteht. In den ſpaniſchen Häuſern herrſcht Un— reinlichkeit und die nie gelüfteten Zimmer ſind dumpfig. Auf der Promenade und in den Coridoren der Theater nimmt man viele Ueberladung mit Putz wahr. Die naturleza der Spanerinen, ihr groöß— ter Reiz, hat darunter ſehr gelitten und iſt der Mantilla nachgefolgt. Glücklicher Weiſe iſt neuerdings eine Reaction zu Gunſten des Schleiers hervorgetreten, doch wird die Poeſie der altſpaniſchen Tracht von den prahlenden Uebertreibun— -2 der Mode immer mehr verdrängt. Durch dieſe wird die Anmuth der Anda— luzas zerſtoört und die proſaiſche Gewöhn lichkeit der Catalanas zu einer grotesken Komödie gemacht. Was die Männer be— trifft, ſo äffen ſie die Franzoſen nach und kleiden ſich nach dem Modenjournal. gen von den Franzoſen ſind ſo ſehr ſe diet Nachbarn auch verabſchenen. Selbſt fran zöſiſche Fächer bekommt man leichter als ſpaniſche, und doch wird der Faͤcher alge mein getragen und iſt der Spanerin ſo unentbehrlich, wie der Ueberrock. Ueber die Stiergefechte, die der einzige ſpaniſch gebliebene Zug des Lebens ſind, wollen wir tinrranepen. um ein ſehr ab— geleiertes Stück nicht noch einmal zu ſpie~ ſen Wir bemerken daher blos, daß die Spanier ſelbſt ſich dieſer rohen Beluſti~ gungen zu ſchämen anfangen. Trotzdem wird das Stiergefecht ſich länger halten, als der Carneval, der immer mehr ver fallt, jemehr die Strenge des Faſtens ab— nimmt. In Barcelona wird er noch am meiſten gefeiert. Die Rambla mit ihren breiten Fahrwegen, die zu bei— den Seiten des mit Blumen eingefaßten Mittelwegs hinlaufen, eignet ſich für das colle Spiel borzüglich. Hier ſieht man an den drei Haupttagen einen ununter brochenen Strom von Masken und Zu— ſchanern vorůüberziehen. Indianer-Häupt linge, Mauren, Scheiks und Figuren in Uniformen des vorigen Jahrhunderts paradiren zu Pferde, während Wagen mit den verſchiedenſten Gruppen, ſteifen roei etrenq a arn m t m qmmß I. Stern, Herausgeber. Laufende Nummer 53. RIRIE Ui Uittbes btt · pedttuettdlhud dttbidiat !E M re did VWUZNRNIN. UNK VNDVVCMLANAV Ua Engländern, Negern u. ſ. w, endlos ans einander ſolgen. Die Balcons der Häuſer ſind bis auf den kleilſten Platz mit Men ſchen gefüllt, ebenſo der Mittelweg, und hes wird gelärmt, daß die Blätter der Sy— ſkamoren davon zu zittern en Vor den Clubs und Hotels iſt das Getümmel lam ſtärkſten, denn an dieſen Punkten ha ben ſich Schaaren aufgeſtellt, die mit den Masken in den Wagen Gipskugeln wech ſſeln. Ein galanter Kampf wird gegen 1 Frnyrtngsdilmen bewirft. Die Sa— tire ſpielt eine eben ſo droße Rolle, wie bei den Saturnalten, namentlich nach der Revolution. Seit Shanien „Freidenker“ beſitzt, wird anch die Geiſtlichkeit verſpottet Der große Berein der „lihra ponsadores“ BV alona lat koinon Cafneval vorͤ— bergehen, ohne Wagen uit Mera ricaturen anszuſchicken. Spazieren gegangen, geritten, geſchwom— men, geſchoſſen, wird in Spanien ſehr we~ nig. Neben den Schulen beſinden ſich zuweilen die Gärten, aber geturnt wird in keinem. Die einfaltige Silte, die Schü— ler in Uniformen zu ſtecken, giebt den Knaben etwas Steifes und gewöhnt ſie an ein hochmüthiges Benehmen. Der Mangel an Bewegung wird durch das Klima entſchuldigt, das überhanpt immer vorgeſchoben wird wenn man eine Unſitte nicht der Regierung zuſchieben kann. Die eine Ausrede iſt ſo einfältig wie die an dere. : Allerdings leidet man in zwei oder drei Sommermonaten ſehr durch die Hitze, laber ſelbſt in dieſer Jahreszeit ſind die Morgen köſtlich. Es giebt aber auch mehrere Wintermonate, in denen Bewe ſgnng im Freien nicht blos möglich, ſon— dern genußreich iſt. Dann und wann ſieht man einen Jä— ger mit der Flinte auf den Rücken. Auch ſein Reiter, der auf einem Miethpferde zu ſeinem Vergnügen umhertrabt, erſcheint fgelegentlich. In einer großen Stadt ſwurde ſogar einmal ein Wettrennen abge halten und fand ſolchen Antklang, daß man ein Hürtenrennen veranſtaltete. Vier Herren betheiligten ſich, drei ſtürzten, d verletzte ſich ſchwer, und dem Pfer— derennen war in Spanien der Stab ge— brochen. Von Schwimmen ſieht man ſh wenig. Nichts kann dürftiger ſein, als die Einrichtung, die man an der ſpani ſchen Klſte des Mittelmeeres zum Baden trifft. Am Ufer ſind für vornehme Gäſte ſeinige Hütten errichtet, für geringere einige Bänke aufgeſtellt. Auf einer plumpen hölzernen Treppe ſteigt maͤn zum Bade plate hinunter, der Lou Stangen und Seilen umgeben iſt. Der Badeude greift ſchnell nach einem Seile und tancht von Zeit zu Zeit unter, oder wenn er ſchwimmt ſo umgürtet er ſich mit„calabazas“ (Kür biſſen). Nicht zum Vergnügen, ſondern der Geſundheit wegen und nur in den heißeſten Sommermonaten wird in Spa nien gebadet. Die Waſchwanne im Hauſe, die bei uns in keiner guten Familie fehlt iſt in Spanien faſt unbekannt. Geſpielt wird in Spanien allgemein. Manche hochadelige Familir hat ſich durch das Spiel zu Grunde gerichtet, und mehr als ein berůhmter General, z. B. Espar— tero, iſt als glücklicher Spieler bekannt. Alle Spanier ſpielen von dem Jungen an, der ſeine „Cuartos“ dem Glücksgrade anvertraut, bis zu dem Granden, der ſeinr „onzas“ hübſche Goldſtücke, ſechzehn Speciesthaler an Werth auf eine Karte ſetzt. San Sebaſtian iſt im Sommer das Hauptquatier des Spiels und hier iſt das bekannte „monte“ im Gange. Außer dieſem Glücksſpiel iſt das „treẽsillo“ eine Art Whiſt mit Cayenne und mit Sirohmann —am beliebteſten. Es wird zu Dreien geſpielt. Die Karten des Stroh—~ manns werden aufgelegt. Der erſte Spie ler wählt eine Farbe zum Trumpf, die andern paſſen wenn nicht einer mit Hülse des Strohmanns in einer Farbe mehr Stiche machen zu können hofft, als der erſte angeſagt hat. Iſt dies der Fall, ſo ſpielt er mit dem Strohmann gegen die andern Beiden nach den Regeln unſers in die Naͤcht gewielt wird. Revolutionen und Aufſtände können faſt zum ſpaniſchen Sport gerechnet wer— den. Sie ſind ſo häufig geworden, daß Jedermann ihren regelrechten Verlauf kennt. Hört man die Lärmkanone, ſo bleibt man, wenn man nicht bei der Sache betheiligt iſt, hůbſch zu Hauſe. Am näch ſten Morgen gehen alle Köche zum Markt, denn dazů räumen die Herren Inſurgen ten und Soldaten eine Stunde ein, in der nicht gefenert wird. Nach einer Weile iſt Alles vorbei, die Revolution iſt erter Daß ein einziger Soldat gefallen wäre, 2 man nicht, aber alle Welt flüſtert von einem armen Weinſchenken, der kalten Bluts getödtet worden ſei, weil man die ſchwarzen Flecken an ſeinen Händen für Spuren von Pulver gehalten habe. Der Generdleapitãn reitet mit einem glänzen den Stabe von Offizieren durch die Stra en. Die Orrrung i wieder hergeſtellt und er darf mit Sicherheit auf einen Or den rechnen Die Laͤden und die Theater werden wieder geöffnet, auf Promenaden 1 und in den Straßen herrſcht wieder ganz das alte Treiben, und der Fremde hat ; ſeine Kenntniß ſpaniſcher Sitten. und Be— luſtigungen um ein neues Kapitel bereichert.