Savannah Abend Zeitung. (Savannah [Ga.]) 1871-1887, June 19, 1872, Image 1

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1 ilun 1. ICI Zarannal DProf. C. I. Banſemer, Redakteur. 2. Jahrgang. No. 9. Kette und Einſchlag. Eine Erzählung aus der Zeit der Lu in Mancheſter von IJ.F.Smith. (Fortſetzuna.) Auf dem Heimweg ſagte Willie gedan kenvoll zu ſeiuer Frau: „Ich fürchte, un ſer Schwiegerſohn iſt nicht glücklich.“ „Nicht glůcklich? Aus was folgerſt Du dies?“ „Aus ſeiner Stimme.“ „Eine von John's Ideen! rief Mrs. Hannan lachend. „Nicht glůeklich! Wer ſollte es ſein, wenn nicht ein Mann, der ſo viel Gntes thut und ſo viele glůcklich macht?“ „Das iſt das Urtheil eines Weiberher zens und daher leicht irrig. In ſolchen Urtheilen ſpricht ſich unſer Ich aus, und wir halten für wirklich, was unſerem Ge— fůhl nach ſein ſollte.“ „Du biſt ein Tränmer Willie gewiß ein Träumer.“ „Beobachten wir in unſeren Träumen weniger klar, als in unſeren wachen Stun— ten? Die Geſichte der Nacht ſind ſo be— ſtimmt wie die des Tages, ſonſt wäre die Blindheit unerträglich. Frag' meinen Leidensgenoſſen; ich bin überzengt, daß er die gleiche Wahrnehmung gemacht hat.“ „Jetzt nicht,“ verſetzte ſeine Frau mit einem Senfzer. „Wir ſind ſo glüceklich, ſo zufrieden geweſen.“ Willie erwiderte nichts. Vielleicht fürchtete er ſelbſt, es möchte ſich beſtätigen daß eine ſchwere Wolke ůber dem Herzen des edeln Mannes hänge, welche Dank barkeit und Liebe ihm doppelt theuer ge— macht hatten. Die Wittwe, die mit John norausge gangen war, konnte ſich's in der Freude ihres Herzens nicht verſagen, ihrem Be gleiter ·die Kunde mitzutheilen, welche Ellen ihr anvertrant hatte. „So!“ verſetzte der alte Mann gedan— kenvoll. „Das erklärt mir dir die Verän dernng an Mr. Beutley.“ „O, nicht dieſen Namen; er iſt mir verhaßt.“ „Mr. Haman, wollte ich ſagen. Ich kann meinen Mund nicht ſo ſchnell daran gewöhnen wie Ihr.“ „Ihr meint, Friedrich ſei verändert? Ich merkte nichts davon.“ Der Blinde laͤchelte. „Jedenfalls iſt er ſo gut wie im mer. Dentt nur, daß er Beſſie und Sam kommen läßt. Goit ſegne ihn dafür! Freut es Euch nicht, ſie wieder zu ſehen?“ „Ja wohl. Sam iſt ein guter Burſch, und Beſſie iſt immer mein Liebling gewe— ſen. Glanbt Ihr, er habe ſich mit Mrs. Bentleh darüber beraͤthen?“ „Was weiß ich?“ verſetzte die Wittwe trocken. „Hm s war nm eine Frage.“ „Schadet nicht, dJohn. Aber warum haltet Ihr Friedrich füͤr verändert?“ „Seine Stimme klang um eine Note zu tief oder vielleicht gezwungen, als liege eine Sourdine ans den Saiten. Vielleicht war's Ermüdigung oder —“ „Eine von Euren alten Geſchichten mit der Stimme, unterbrach ihn ſeine Zuhö— rerin lachend. „In dieſem Punkt iſts nicht ganz richtig mit Euch, John.“ „Kann ſein,“ verſetzte der alte Mann. „Sprechen wir nicht weiter davon.“ Martin, der zurückgeblieben war, kam jetzt heran und erbot ſich, den Blinden nach ſeiner Hůtte zu fͤhren. Die Wittwe wünſchte ihm guie Nacht und wartete auf ihre nachkommenden Kinder. „Denkt nur, was der alte John wieder für Mucken hat,“ ſagte ſie. „Er behaup—- tet,es müũſſe Friedrich etwas zugeſtoßen ſein“ ~ Willie drüekte ſeiner Frau den Arm. „Und warum meint er dies?“ fragte Letzterer beteoffen. Wegen ſeiner Stimme,“ verſetzte die Großmutter. „Hat man je ſo närriſche Einfälle gehört?“ Weder Willie noch ſeine Frau antwor—- teten auf dieſe Frage. Mr Twiſſelton nicht in ſeinem Ge— ſchäftsbureau, ſondern in einem elegant möblirten Zimmer ſeiner Privatwohnung am Beſtend. Die lange Vakanz war nahe, and der reiche Rechtsgelehrte dachte vielleicht darüber nach, wie er die willkom mene Mußezeit am beſten verwenden ſollte. Möglich, daß ihm auch andere Dinge durch den Kopf gingen; denn auf dem Tiſch neben ihm lag ein enggeſchriebener offener Brief, welcher die Poſtmarke Ame rikas trug. Eengeit zu Zeit ſpielten ſeine Finger unwillkürlich mit dem Kopf einer merkwürdig ſchönen Katze, welche zu ſei nen Füßen auf einer Ottomane lag und ſich dieſe Liebkoſung ſchnurrend gefallen ließ. Die Träumerei des Rechtsgelehrten wurde durch den Eintritt eines Dieners unterbrochen, der ihim eine Karte über reichte. „Mr. AMſhton.“ las der Gentleman. „Führt ihn ein.“ Nachdem der Bediente das Zimmer verlaſſen hatte, faltete Mr. Twiſſelton den Brief zuſammen, legte ihn bedächtig in eiu Schubfach ſeines Schreibtiſches, zog den Schlůſſel ab und ſteckte ihn zu ſich. „Ah, Mr Aſhton,“ ſagte er mit ſeinem ruhigen Lächeln. „Freut mich, Sie zu ſehen. Ich dachte wohl. daß wir wieder znſammenkommen würden. Die Um ſtände ſind oft ſtärker als unſer Willie.“ „Ehe ich zu dem Zweck meines Beſn— ches üůbergehe, möchte ich mir die Frage erlauben, ob Sie den Prozeß der Lady Auguſta oder ihrer Verwandten uͤber nommen haben?“ ; „Nein. Ihr Schwiegerbater iſt zur Zeit das einzige Mitglied der Familie, das auf meiner Klientenliſte ſteht“ „In dieſem Falle kann ich ohne Weite res zu meinem Anliegen übergehen.“ Der Fabrikant erſtattete umſtaͤndlichen Bericht ůber die Entdeckung von Gilbert Hamans Teſtament, deſſen Verluſt und die Einſprache, welche gegen die Anerken—- nung der beglanbigten Abſchrift erhoben wurde. Auch vergaß er nicht, die groß— müthigen Abſichten der Mrs. Bentley und ihres Sohnes zu berühren. „Das ware allerdings der beſte Plan, den Handel zu erledigen,“ ſagte der Rechts— gelehrte gedankenvoll. „Er iſt jetzt unmöglich,“ verſetzte Mr. Aſhton. Twiſſelton ſah ihn groß an. „Warum?“ „Weil mein Name, der Name eines ehrlichen Mannes, der ein unbeflecktes Erbe meiner Kinder bleiben muß, kom— promittirt iſt. Die Gegner erkläͤren das Teſtament fůür eine Fälſchung.“ „Hum!“ „Nach einer ſolchen Beſchuldigung kann, wie Sie wohl begreifen, von einem Ver— gleich keine Rede ſein. „Auch nicht, wenn Lady Auguſta und ihie Verwandten ſich dazu bereit zeigen?“ „Ihre Verwandten haben nichts mit der Sache zu ſchaffen. Seit Michael Ha— man's Tod bin ich der einzige Teſtaments vollſtrecker.“ Mr Twiſſelton begaun ſchlimme Fol— gen für ſeinen abweſenden Klienten zu fürchten. „Das Teſtament muß aufgefunden wer den.“ Munß?“ la. Es iſt das einzige Mittel, die Verleumdung zum Schweigen zu bringen. Da es von der Hand meines alten Freun des geſchrieben iſt, ſo kann Niemand ſeine Echtheit beſtreiten.“ „Wenn es aber vernichtet wäre ?“ be merkte der Rechtsgelehrte. « „Dann müßte der Dieb die Folgen auf ſich nehmen.“ „Wenn nur Mr. Bentley in England wäre,“ entgegnete Mr. Twiſſelton; „ſo aber iſt er leider in Amerika. Sie ken— nen ſeinen Speknlationsgeiſt. Seine Au— torität könnte dieſer leidigen Geſchichte mit einem Mal ein Ende machen. Ich hätte gute Luſt,“ fügte erzögernd bei,„ihn dort aufzuſuchen“ „In Amerika ?“ rief der Fabrikant er ſtaunt. „Warum nicht?“ erwiderte der Advo kat mit Faſſung. „Gegenwärtig ein ſehr intereſſantes Land eine wahre Studie. Große Aufregung. Man ſieht die Yan kees in ihren wahren Farben das Kriegsgeſchrei ohn~ das Kriegskolorit der Wilden. Lange Vakanz ſonſt nichts zu thun. Das Verfahren läßt ſich leicht bis zu meiner Rückkehr ſiſtiren. „Das wäre in der That ein Akt der Freundſchaft für Ihren Klienten.“ „Geſchäft, mein lieber Herr; keine Freundſchaft in Geſchäftsſachen. Der einzige Umſtand iſt für mich, ob Mr. Bentley die Koſten genehmigen wird.“ „Für die will ich einſtehea,“ ſagte Mr. Aſhton. Sie?“ „Um ſeiner Frau und ſeines Sohnes willen. Außerdem ſtehen mir Fonds zur Verfügung, die nur der verſtorbene Mi— chael Haman für einen beſonderen 3weck vertraut hat.“ „Würden ſie dadurch dieſem 3Zweck nicht entfremdet ?“ fragte der ſchlane Ad~ vokat. „Ich glaube nicht. Jedenfalls iſt dies ein Punkt, über den mir allein die Ent ſcheidung zuſteht. Wenn das Teſta ment ſeines Bruders aufgefunden wird, ſo iſt ſeine Abſicht erfůllt.“ „Ah ich verſtehe. Die Sache iſt alſo abgemacht.“ Aber wohlgemerkt, kein Verſuch mit Lady Auguſta und ihren Vertretern.“ „Durchaus nicht.“ ; „Und die Siſtirung des Prozeſſes, von der Sie ſprechen?“ „lit leicht zn erreichen. Das Privat recht hat trotz ſeiner harmoniſchen Ein fachheit eine Menge von Hülfsquellen Ich will dieſen Morgen mit Ihrem Ad—- vokaten Rückſprache nehmen. Sie beglei ten mich? Mr. Aſhton lag zuviel an ſeinem guten Namen und an die Ehre ſeiner guten Freunde, um nicht bereitwillig darauf einzugehen, und die Folge dieſes Beſuchs war, daß ſchon am andern Tag die Ver— handlung in Sachen „Beiſtande der Lady Auguſta Bentley contra Aſhton, Teſta— mentsapprobation betreffend,“ auf einen ſpäteren Termin verſchoben wurde. Vor Ablauf einer Woche war der wür dige Fabrikant nach Mancheſter zurüekge kehrt üͤnd Mr. Twiſſelton auf ſeiner Ent— deckungsreiſe nach Amerika, wohin wir mit dem geneigten Leſer ihm vorauseilen wollen. Savannah, Ga., den 19. luni 1872. Achtundfünfzigſtes Kapitel. Seit zwei Jahren ſtehen die republika niſchen Inſtitutionen Nordamerikas vor Gericht; dit ziviliſirten Nationen der Welt bilden die Jury, und auf der Richterbank ſitzt das allgemeine Rechtsgefühl. Viele ſind ungeduldig über die lange Verzöger ung des Wahrſpruchs, und greifen ihm je nach ihren Intereſſen, Vorurtheilen oder Leidenſchaften vor Wir für unſern Theil billigen das Zaudern, das ee mit dem Freiſprechen oder Verdammen nicht ſo leicht nimmt. Der Richter hat noch nicht reaſſumirt, und die Geſchwornen müſſen Zeit haben zum Erwägen. Ein Volk vor den Schranken darf nicht beurtheilt werden wie ein Individunm. Es ſteht etwas mehr als ein Leben es ſteht ein Prinzip ans dem Spiel. Die Ehre der ganzen menſchlichen Familie iſt dabei betheiligt; denn die Nationen ſind nur die Glieder einer einzigen Famtilie, und England, der nächſte Verwansdte des angeſchuldigten Volkes, muß in ſeinem Urtheil doppelt vorſichtig ſein. Gott ſei Dank, bis zur Stude hat ſich das Mutterland wenig vorzuwerfen. Seine Fabriken ſind in Noth gekommen aber es hat wacker Stand gehalten; ſeine Beweggründe wurden boöswillig gedentet aber die Zeit wird die Wuhrheit an's Licht bringen. Nein, und hundertmal nein; das chriſtliche England hat ſich nicht gefreut über das Blutvergießen, das ſeine Abkömmlinge mit ſolchem Eifer betreiben. Den amerikaniſchen Zwiſtigkeiten gegen über kennt es nur e in Gefühl, das des Schmerzes über die ſchrecklichen Metze leien, welche einen ſo ſchönen Theil von Gottes Erde verödeten; es beklagt die Drohnngen, welche ihm von wuthenbrann ten Menſchen zugeſchlendert und zuge heult werden, und ſtellt ihnen die ruhige Verachtung, die geduldige Nachſicht gegen— über, welche anus dem Bewußtſein der eigenen Kraft quillt. Ja noch mehr, Eng land wird in ſeiner Weißheit eine Colli ſion vermeiden, ſo lang es mit Ehren ge ſchehen kann. Sollten aber die Einge bungen eines ungeordneten Stolzes, die Rathſchlaäͤge fanatiſcher Demagogen un— glücklicherweiſe das Uebergewicht.behaup len und gewaltſam den Kampf herbeißüh ren, ſo moöͤgen ſich die mnthwilligen Ver anlaſſer in Acht nehmen; Englands Arm wird um ſo ſchwerer auffallen, je länger es an ſich hielt, bis ihm ſeiner Würde als Nation das Gebot auferlegte, zuzuſchlagen. Wer mie in Amerika geweſen iſt, kann ſich kaum eine Vorſtellung machen, wie es dort an einer Table d'hoͤte zugeht Die Hotels gleichen Karavanſereien, in denen Reiſende aus allen Ländern ſich begegnen man hört jede Sprache, die in Europa geſprochen wird, ja nicht ſelten auch die des Orients. Die Räumlichkeiten in Aſtor Houſe grenzen für einen Europäer an's Wunderbare: mann könnte eine ganze Armee darinunter bringen. Beim Eintritt in den Speiſeſaal eines Gaunſthanſes läßt der echte Yankee ſeine Menſchheit vor der Thüre zurück. Seine Redſeligkeit iſt verſchwunden; nur das Thier iſt noch vorhanden und gekommen um zu eſſen, nicht nm zu ſprechen An der Bewirthung kann man nichts ans ſetzen; aber es geht Alles viel zu ſchnell, als daß man des Genuſſes froh werden könnte. Ein Mittagßmal in einem euro— päiſchen Poſtgaſthans währt eine Ewig keit in Vergleichung mit dem in einem amerikaniſchen Hotel. Das Rennen der Kellner, das Wechſeln der Teller, das Ge~ klapwper der Meſſer und Gabeln, das Rufen nach dieſem, das Schreien nach je nem, das Knallen der Champagner· und Sodawaſſerpröpfe Alles dies bewirkt eine Vewirrung, gegen welche die von Babel Ordnung geweſen ſein muß. Und ſo treibt man's in Gegenwart von Damen die indeß wir müſſen ihnen die Gerech tigkeit widerfahren laſſen eben ſo rüůh rig ſind als die männlichen Gäſte, wenn es darauf ankommt, ihren inneren Men— ſchen zu reſtanriren. Es iſt erſtaunlich, welchen Takt und welche Entſchiedenheit ſie dabei an den Tag legen. John Bentley und ſein Mitflüchtling konnten kaum ihre Ueherraſchung verber— gen, als ſie dieſem außerordentlichen Schauſpiel zuſahen. Sie waren in Man cheſter wohl mit vielen Amerikanern in Berührung gekommen, und hatten ſich an ihrer ſeltſamen Ausdrucksweiſe und ihrem Benehmen unterhalten, gelegentlich auch mit ihnen geſpeist, aber in ihrer Heimat nahmen re ſich ganz anders aus. „Die leibhaftige Menagerie,“ flüſterte Lin. „Bost! Die Sache leidet das Athmen nicht.“ „Sind Sie nie zu Liverpoo“in dem zoologiſchen Garten geweſen?“ fügte drr Zigenner bei. „Ich kenne den alten At— kins wohl. Nichts geht über die Bären zur Fütterungszeit “ ; So kurz auch dieſe Bemerkungen wa— ren, mußte doch der Sprecher die Wahr— nehmung machen, daß er damit einige ſehr einladend ausſehende Schüſſeln verpaßt hatte, und begann nun bei den übrigen hurtig zuzulangen, indem er ſich nach dem Beiſpiele der zwei ihm gegenüberſthenden Nachbarn richtete, von denen Einer ein langer, derbknochiger Keutuckyer, der An dere ein kleines, ſchmächtiges Männchen mit derPhyſiognomie einer Krenzzucht von Fuchs und Wieſel war. „VBen,“ ſagte der Kenutuelyer, ſeinen Nachbar auſtoßend, „ſoll mich der Henker holen, wenn ich nicht glanbe, daß jener Kerl ein Nigger iſt.“ Der kleine Mann betrachtete Lin zwei felhaft.“ „Was iſt Eure Anſicht von dem Bur ſchen? „Kann ſeine Nägel nicht ſehen,“ verſetzte Ben. Lin ſchante umher. Es fiel ihm nicht en! ein, daß dieſe Bemerkungen ihm gelten konnten; aber John Benntley be— ͤrif beſſer und erroöthete leicht. Er kannte die Macht des Vorurtheils und wußte wohl, daß ein Gaſt, der nur eine leichte Beimiſchung von ſchwarzem Blut in ſeinen Adern trug, an jeder amerika— niſchen Wirthstafel Gefahr lief, mit Hohn und Spott, vielleicht gar mit Fußtritten fortgetrieben zu werden unter demn Grin— ſen der ſchwarzen Aufwärter, welche die Halbzucht ſogar noch mehr verabſchenen als die Weißen. Zum Glück verlief das Mittageſſen ohne weiteres Geſpräch, und die übel zu ſammenpaſſenden Gefährten zogen ſich nach dem Rauchzinmer zurück, wohin ihnen die beiden Gentlemen aus Kentucky folgten. Vor dem Speiſeſaal machten Letztere einen Augenblick Halt, um nach Sättigung ihres thieriſchen Elements das menſchliche wieder anzulegen. John Bentley beſtellte für ſich und Lin Sherry eobbler. „Minz luleppe!“ brüllte der lange Kentuckyer. „Rum Punſch !“ rief ſein kleiner Lands-~ mann. „Und wohlgemerkt, wir verlangen vor ljenem Nigger bedient zu werden,“ fügte der Rieſe bei. Ich bitte mir die Frage zu erlauben, wel— chen von uns Ihr mit dieſem Ausdrucek bezeichuet,“ ſagte Mr. Bentley mit mög— lichſter Ruhe in ſeiner Stimme, obſchon ihm vor Entrüſtung das Blut kochte. OHer Gentleman von Kentuckh begann ſihn von unten bis oben zu muſtern, jagte eine Rauchwoltke durch ſeine zähne und ſpie ein· oder zweimal aus, ehe er antwor— tetete ; ; 1 „Ich kalkulir, Ihr jeid ein Weißer,“ ſagte er. „Natürlich.“ ~ „Dann könnt Ihr nicht gemeint ſein, ſchätz ich.“ „Etwa ich?“ ſragte Lin, deſſen Farbe, in der Wuth noch dunkler wurde. „Ja wohl,“ verſetßte der grob tnochige Beigel „Läßt Euch anſehen zeigt Eure Naͤgel.“ „Naägel?“ wiederholte der Zgigenner, der nicht verſtand. „Habt Ihr keine?“ „Ja und Fäuſte dazu, wenn Ihr mich noch weiter reizt.“ ; „Was meinſt Du, Ben?“ „Kann's noch nicht ſagen,“ verſette der Kleine. „Rechne, Ihr habt diesmal Un—- recht hat zuviel Mundwert für einen Nigger.“ Muß ich mir dieſen Schimpf gefallen laſſen?“ rief Lin. „Ich bin ein Englän— der.“ „Das wollen wir bald ſehen.“ Der Kentuckyer faßte Lin's Handgelent, wäh— rend der Kleine ihin die Fingernägel, das untrüglichſte Zeichen afrikaniſcher Abtkunft beſichtigte. „Kein Zeichen,“ ſagte der Kleine. „Ausgewaſchen altes Roß.“ „Schatz wohl, s iſt nie dageweſen.“ „Ich ſage Ench, ich bin ein Englaänder,“ wiederholte Lin. „Alles recht,“ rief der Rieſe, ihn loslaſ ſend. „Trinten wir darüber.“ Der Zigeuner antwortete darauf mit einem wüthenden Schlag gegen die Schläfe des Sprechers, ſo daß dieſer zu Boden ſtürzte. Der Kentucther war jedoch im Nu wieder auf den Beinen, grillte wie wie eine wilde Kahe und ſtürzte auf ſeinen Angtreifer los. Lin ein tüchtiger Fauſttampfer, verſetzte ihm einen Stoß, der ihn gegen die Wand ſchleuderte. „Gebt mirx Euer Meſſer, Ben,“ brüllte der unyold. Der Kleine reichte es ihm ruhig hin. „Ein Britiſcher ſeid Ihr ? Deſto beſſer. Will einmal einen Britiſchen zuſtutzen wie einen Zaunſtecken. Ho!“ „Wehrt Euch,“ rief ein anſtändig aus ſehender junger Mann, der dem Streit ruhig zugeſehen hatte, „wenn Ihr Eng land wieder ſehen wollt.“ Zugleich gab er Lin einen Revolver in die Hand. Der Zigeuner ſchlug auf den Rieſen an und rief: „Noch einen Schritt, und ich gebe Feuer.“ „Wie weiß ich, daß Ihr's nicht doch thut, wennn ich halte?“ fragte der Ame— ritauer mit überraſchender Ruhe. „Wir morden nicht in unſerm Land,“ verjetzte Lin. „Vas wußte ich nicht. Ihr ſeht mir eher nach dem Gegentheil aus. „Laßt lieber Euren Streit fallen,“ ſagte der Geuntleman, der ſo gelegen Lin zu Hülse gekommen war. „Es iſt nicht ſchön von Euch geweſen,“ entgegnete der Kentuckyer, „daß Ihr einem echtgevornen Amerikaner abgeſtanden ſeid einem Bürger des größten Landes auf Erden oder ſonſt wo anders. Wer ſagt nein dazu?“ „Er iſt ein Fremder.“ „Ihr hättet meinen Freund ihu ruhig abbowien laſſen ſollen,“ bemerkte der Kleine „Euer Freund hat ihn beſchimpft.“ „Ich wollte ja mit ihm trinken. Ich bin für Freiheit über die ganze Welt. Wenn der Burſch ein Britiſcher und kein Nigger iſt, ſo ſoll er zu mir herſitzen und mit mir diosputiren.“ Mit dieſen Wor—~ ſten warf ſich der Rieſe in einen Stuhl, legte das Bowiemeſſer auf den Tiſch und ließ demſelben ſeine Beine nachfolgen. Bentley betrachtete den Fremden fragend. „Er kanns ohne Gefährde thun,“ ſagte dieſer. „Der Mann iſt zwar ein Polterer, der nicht mit ſich ſpaſſen läßt; aber er wird ſein öffentlich gegebenes Wort in Ehren halten.“ „Seid Ihr ein echter Amerikaner?“ fragte der Kentuckyer den Sprecher. „Von Pennſylvanien,“ verſetzte der Friedenſtifter. „Ah, wo die Quäker herkommen, kal— kulir ich?“ Da John Bentley viele ernſte Gründe hatte einen Streit zu vermeiden, der ſeinen Namen in die Zeitungen bringen konnte, ſo ließ er Cobblers, Minz Julep und Ci garren herbeiſchaſffen. „Dies iſt unſer erſter Tag in New York, bemerkte er. Für Lin hätte es leicht auch der letzte werden können. „Wir verſtehen uns noch nicht auf den Ton der amerikaniſchen Ge— ſellſchaft, und möchten weder gegen ihre Gefühle noch gegen ihre Vorurtheile ver ſtoßen.“ (Fortſetung folgt.) Ausbruch des Veſub's. .Dies furchtbare Ereigniß erſchien mcht unerwartet; denn alle durch die Er fahrung angegebenen Vorzeichen waren zuſammengetroffen, um eine ungewöhn liche Kalaſtrophe zu verkünden. Ein un— t Brauſen war zu hören, Brun— nen verſiegten, Waſſerdämpfe zerriſſen an einigen Stellen die Rinde des Berges und ſchlenderten große Schlackenmaſſen empor. Dann ſtieg eine Feuerſäule über den Krater, und dieſe Säule, ſie mag ant ihre tauſend Fuß aufgeſchoſſen ſein. Dann ergoß ſich ebenſo gewaltig als plötzlich hier und dort nach vielen Seiten der Strom dunkel glühenden, fenrig flůſſigen Heſteiner Und eine Anzahl von Men— ſchen, die theils gekommen waren, um von nächſter Nähe das erhaben ·furchtbare Schauſpiel zu betrachten, theils ſich be mühten, einen Reſt ihrer Habe vor der Feuersfluth zu retten, ſtarb, wie die bi— bliſche Korah geſtorben iſt, indem ſich die Erde unter ihren Füßen öffnete und ſie dendes Waſſer über ſie ergoß. Noch wiſ ſen wir nicht, ob die Wuth der Elemente ſich gebrochen oder ob nicht vielleicht eine jener großartig· ſchanerlichen Kataſtrophen im Anzuge iſt, die Hereulanum und Pom— peji begruben und die uns Plinins in ſo anſchaulicher Weiſe geſchildert hat. Es hat in dem Inneren unjſeres Conti— nents in den letzten Monaten gewaltig ru— mort. Anus allen Ecken und Enden ka— men Berichte über Erdbeben. Zuerſt in Ungarn, dann in Heſſen, dann nöͤrdlich in Böhmen und in Sachſen bis zum Thü— ringer Walde und ſpäter noch innerhalb des illyriſchen Dreiecks. Die Vorſtellun. gen, welche die Wiſſenſchaft aus einer Reihe von Thatſachen ſich bezüglich des Zuſtandes unſerer Erdinnern gebildet hat, laufen darin zuſammen, daß die Maſſen in einer Tiefe bon einigen Meilen ſich im feurigen Zuſtande, in einem Zuſtande größter Erhitzung befinden. Es iſt ſchwer ſich eine Vorſtellung von den Tempera turen zu machen, die da innen herrſchen müſſen. Die intenſive irdiſche Verbren nung, die wir kennen, iſt die des Sauer— ſtoffs und Waſſerſtoffs, und die Tempera— tur einer reinen Waſſerſtoffgasflamme iſt etwas über 5000 Grad. Nimmt man aber mit der Theorie an, daß die Erde aus einem nebeligen Stoffe ſich verdichtet hat, ſo würde die aus dieſer Verdichtung hervorgehende Wärme hinreichen, um eine Temperatur von 25 Millionen Gra—- den zu erzeugen. Das geht über das menſchliche Vorſtellungsvermögen weit hinaus. Die Exiſtenz von Vulkanen aber, die Geſteine in flůſſigen Zuſtand hinaus ſchleudern, zu deren Schmelzung unge mein hohe Temperaturen nöthig ſind, iſt nicht der einzige Beweis dafůr, daß ſich das Erdinuere thatſächlich im fenrigen Zuſtande beſindet, man hat eine regel mäßige Zunahme der Wärme mit der Zu— nahme der Tiefen, zu denen man in der Erde vorgedrungen iſt, beobachtet und die Arbeiter in den tiefſten Kohlenſchächten Englands müſſen ſich entkleiden, weil die Waͤrme bereits zu groß iſt, als daß ſie ein Kleid vertragen könnten. Das Ausſtrö men heißer Quellen bietet einen weiteren Beweis für die von der wiſſenſchaftlichen Theorie behanptete Thatſache. Wo die Waſſer in den inneren Faltungen der Ge— ſteine bis zu einer beträchtlichen Tiefe niederſinken können, müſſen ſie in derſel ben hohe Temperaturgrade erlangen. Man iſt ſo zur Vorſtellung gelangt, die insbeſondere von Falb vertreten wird, daß der feurig ·flůſſige Inhalt der Erde wie ein Nußkern in der Schale ſteckt, oder I. Stern., Herausgeber. Laufende Nummer 61. Ivielmehr wie der ſüße Inhalt eines Li queurbonbons in der Zuckerhůlle. Und des weiteren wird derſelben Theorie zu ſfolge behauptet, daß ſie, wie die auf der Oberflaͤche der Erde beſiudlichen Waſſer—- maſſen durch die Einwirkung der Anzie hungskräfte des Mondes eine Ebbe und Fluth zeigen, ebenſo auch die im Innern befindlichen Feuermaſſen denſelben An ziehungskräften gehorchend eine Fluth und ſeine Ebbe zeigen müſſen. Was aber ge ſchieht bei einer Fluth? Die Flüſſigkeit ſteigt hoch an. Nun iſt aber die innere Flüůſſigkeit eingeſchloſſen und muß dann gegen die harte Rinde anſtoßen, woraus Erdbeben entſtehen. Iſt aber irgendwo Jein Spalt, der hinabreicht in das Feuer helement, dann ſteigt daſſelbe in ſolchem Falle ans, und es treten, indem es Waſ hſermaſſen und entzündlichen ſchmelzbaren Stoffen auf ſeinem Wege begegnet, alle ſdie Erſcheinungen auf, die wir an den Vulkanen beobachten. Die hochgeſpann ſten Gaſe und Dämpſe ſchleudern dann init der Kraſt, gegen die die Wurſfahigkeit der ſtärkſten Armſtrongkanone ein Kin— derſpiel iſt, ungehenere Felsblöcke in die Höht und in das Toben des inneren Feuer— kampfes miſcht ſich das Spiel elektriſcher Erſcheinungen, Blitze durchzucken die Rauch und Fenergarben, heftige Ge— ſwitter treien auf und manchmal geſchieht ſes, daß ein Aſchenregen viele Meilen im ſUmtreiſe von dem Centrum des Aus— bruches auf Land und Meer fallt, den Tag zur Nacht verwandelnd. Die grüne Pflanzendecke, das unendlich reiche Thierleben und der Menſch ſelbſt, das denkende Weſen, ihnen allen iſt eine Schlacke die Heimath. Denn was an— ders iſt die Erdrinde, als eine Schlacke des feurigen Erdkernes? Höchſtens noch der Schlamm und der Niederſchlag von Ge wäſſern und von chemiſchen Proeeſſen, die ſich eingeleitet haben und ſich in unun— terbrochener Reihenfolge fortſetzen. Jene vnltkaniſchen Kräfte, die einſt die ganze Welt breherrſchten, ſie ſind noch vorhanden. Noch arbeiten ſagt der große Natur— forſcher Hehmholz in ſeinem Buche über ſdie Wechſelwirkung der Naturkräfte dieſelben Kräfte der Luft, des Waſſers ſund des vulkaniſchen Innern an der Erd rinde weiter, welche frůhere vulkaniſche Re volutionen verurſacht und eine Reihe von Lebensformen nach der anderen begraben ſhaben. Sie werden wohl eher den jüng—- ſten Tag des Menſchengeſchlechts herbei führen, als die weit entlegenen Veränder ſungen am Himmelsraum an der Sonne und an den Geſtirnen, und uns zwingen, vielleicht neuen vollkommneren Lebens— -1 t ſformen Platz zu machen, wie uns und lunſeren jetzt lebenden Mitgeſchöpfen einſt ſdie Rieſeneidechſen und Mammuths Plah ſgemacht haben.. —neberfhwenm gen baben in den Elb niedrungen große Berrern angerrichtet. Auch in Oberſchwaben haben Ueberſchwemmungen ſtattgefun~ den. Der Neckar iſt faſt in ſeinem ganzen Laufe ausgetreten. ln Heſſendarmſtadt, zwiſchen Bens heim und Roßdorf und weſtlich bio ͤach Pfungſtadt. ſhat ein Unwetter am 18. Mai, viel Verberrungen an gerichtet. Ungeheuere Waſſerfluthen, welche gleich zeitig mit Schloßen von der Groͤße einer Haſelnuß bis zu derjenigen eines Hühnereies, vom Himmel ſtürzten, haben in den erwähnten Gegenden die ge ſammte Getraide -Obſt-Wein- und Reps-Erndte vernichtet. Die Bergſtraſſe mit ihren Weinbergen, der vordere Odenwald und die von Darmſtadt nord weſtlich gelegene Sandgegend wurden beſonders heimgeſucht. Die Noth an einzelnen Orten iſt ſo get daß die geaͤngſteten Vewohner Sturm läuteten. aͤuſer ſtürzten ein, Vieh ertrank in den Ställen, und ſman fürchtete auch füͤr Menſchenleben. Hier ſpeziell hin Darmſtadt, durchbrach der Damm ſeine Eindaͤm mng, und verwandelte ſo, ein Bild der grauenhaf~ ſten Zerſtoörrung hinterlaſſend, das Blumenthal'ſche Stadtviertel in einen tiefen, weithin ausgedehten See. ————— ; Zur Geſchichie der Nadel. Die Nadel ſtammt erſt aus dem 15. Jahrhundert. Erſt ſum 1410 begannen die Nadeln die Dornſtacheln zu verdrängea, deren ſich arme Leute zum Befeſtigen ihrer Gewaͤnder bedienten und die ſilbernen und gol— denen Stifte, welche die Reichen zu gleichem Zwecke anwandten. Der Erſinder der Nadel war ein Drahtzieher in Pario, Tourangeau mit Namen. Die Schwierigkleit der Herſtellung machte anfänglich die Nadeln zu ſeltenen und toſtbaren Dingen, und ihres hohen Preiſes halber, waren ſie ein Gegenſtand den man ſonſt nur auf furſtlichen Toilettentiſchen be-~ gegnete. —So rrin eine Büůchſe mit Nadeln unter tden Gaben, welche die Tochter Ludwigso des Elften von Frankreich bei ihrer Vermählung als Nitaiſt er~ »hielt, und der bio auf unſere Tage getommene Aus~ drud „Nadelgeld“ weiſt ſchon darauf hin, wie einſt ; dieſer ſo ordinaͤre Gegenſtand eine beſondere und ſteto mit hohen Zahlen angeſetzte Rubrit in der Summe jder einer Frau ausgeſetten Gelder bildete. Zu dieſer Zeit brachte ſie die ſchoöne und ſpater ſo maleiide Anna Boleyn mit aus Franlreich und vielleicht iſt das noch hente im Volke verbreitete Vorurtheil, es bringe Unglůck, Jemandeu eine Nadel zu ſchenken, denn dieſelbe „ſtech· die Liebe ab“, auf die bejam~ „ſmernswerthe Fuͤrſtin zurückzufuͤhren. ~ —— —— ——— “ Ein Mutterherz. ; Schlaͤgt noch ein treues Mutterherz In Lieb' und Sorg' fůr Dich, Das jeden herben Erdenſchmerz Dir lindert ſanftiglich, ; So lenke Deiner Schritte Lauf In Gottes ſchoöͤne Welt Und ſend' ein Denttre hinauf : Zum lichten Himmelszelt! ; Und haſt Du dieſes hehre Gut Gebettet ſchon zur Ruh, ; Und drückteſt, ſchwach und klein an Muth, ; Die treuen Augen zu, ; ; Zu ihrem Gradbe ſollſt Du geh'n ; ; Und Blümlein pflanzen d'rauf, Dann wird es grüßend Dich umweh'n, Den Muth Dir richten auf! 1 Tritt nicht darauf! ~ Stellt ſich ein Blůmlein Deinem Lauf ; Im Frühjahr hold entgegen, So achte ſorgſam wohl darauf, ; Stor' nicht Dſeinaſeinsregen, Tritt nicht darauf, tritt nicht darauf! e Und findeſt Du ein Herz wo auf, Das treu Dir iſt ergeben, : An dieſer Stelle bemm' den Lauf, e Möogſt Du's zu Dir erheben, r Tritt nicht darauf, tritt nicht daranf!