Savannah Abend Zeitung. (Savannah [Ga.]) 1871-1887, June 26, 1872, Image 1

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Savannah Abend Zeilung. Froſ. C. I. Banſemer, Redakteur. 2. Jahrgang. No. 10. Kette und Einſchlag. Eine Erzählung aus der Zeit der Baumwollennoth n 4 in Mancheſter : von I. F.Smith. (Fortſetuna.) „Was meint die britiſche Fleder maus da, die freie und erleuchtete Gemein~ ſchaft dieſes ete und freien Landes trage ſich mit Vorurtheilen?“ brüllte der Kentuckyer. „Er hat ganz höflich geſprochen,“ be merkte der Kleine. Manl, Ben.“ „Ich kann nicht begreifen, wie Euer Landsmann meinen Begleiter für einen Neger halten konnte, fuhr Bentley fort. „Er hat eher den ſpaniſchen Typus; und ſelbſt wenn die Vermnthung richtig gewe ſen wäre, ſo ſehe ich keine Berechtigung, ihn zu beſchimpfen.“ Die Antwort darauf war von Seiten der Amerikaner eine Salve von Flüchen und die Erklärung, ſie wůrden jedeim Nig— ger, der ſich unterſtünde, mit ihnen an denſelben Tiſch zu ſitzen, das Meſſer in den Leib rennen. 1 dch glaubte, ihr kämpfet für ihre Be— freinung.“ „Freiheit mögen ſie haben, ſo viel ſie wollen,“ entgeanete der Eiſenfreſſer. „Je der echte Amerikaner liebt die Freiheit; aber es iſt ein allmächtiger Unterſchied zwiſchen der Befreiung ſolcher Kreatnren und den Umgang mit ihnen. Das iſt eine Logik, die ihr blinden Britiſchen frei lich nicht begreift Hab' ich nicht recht, Ben?“ „Vollkommen.“ „Ich habe nicht umſonſt im Harvard— College ſechs Monate Klaſſiker und Trig— aomith ſtudirt nicht wahr, Ben ? Waͤ rum antwortet Ihr nicht, alter Alligator?“ „Ja wohl; die Schule hat Euren Va— ter ſechshnndert Dollars gekoſtet.“ „Wie wißt Ihr dies?“ „Weil ich ſie ihm borgte und er ſtarb, ohne ſie mir heimzuzahlen.“ Dieſe Erwiedernng hatte einen Streit zwiſchen den beiden Kentuckyern zur Folge in deſſen Verlanf Bentley mit Lin daͤs Rauchzimmer verließ. Der Fremde Gen tleman, der ſich ihrer ſo freundlich ange nommen, folgte ihnen. „Darf ich Sie fragen,“ ſagte Bentley, „wenn ich nicht ſo faſt für den Dieſt, als für die freundliche Art, in welcher er ge— leiſtet wurde, verpflichtet bin ?“ Der Fremde überreichte ſeine Karte „Mr. Erneſt Welbh ſehr erfrent, Ihre Bekanntſchaft zu machen. Erlauben Sie mir, Ihnen meine Karte anzubieten.“ „Ich habe keine Karte, beabſichtige aber mir welche drucken zu laſſen,“ bemerkte Lin. Der Amerikaner lächelte. Es wurden zwiſchen den Dreien noch einige Komplimente gewechſelt; dann trennten ſie ſich mit dem Verſprechen, am andern Tag wieder zuſammen zukoömmen. Neunundfünfzigſtes Kapitel. Zwiſchen John Bentley und dem jun gen Amerikaner der mit einer gewiſſen chniſchen Ader eine gute Bildung verband entwickelte ſich bald ein vertrauliches Ver hältniß; es entſchädigte den engliſchen Fabrikanten einigermaßen für den Um— gang für den gemeinen Zigeuner, den er ſich ſtets als eine mit ſeinem lebenden Leib zuſammengefeſſelte Leiche denken mußte. Noch vor Ablauf eines Monats hatte er ſchon hundertmal beklagt, daß dem Bo—~ wiemeſſer des Kentuckyer Einhalt gethan worden war; denn Lin's Tod würde ihn von einem Kameraden befreit haben, deſ ſen ſtetige Rähe ihm jeden Tag, jede Stunde verbitterte, und der auf alle im Sinn der Humaniſirug an ihn gerichtete Vorſtellungen um ſo mehr mit rohem Troh antwortete, als er ſtͤndig die Erin nerung an ſeine ertnbur in der Brandyflaſche zu erträͤnken Sorge trug. Erneſt Welby bemerkte die Disharmonie in dieſer Genoſſenſchaft, äußerte ſich aber nie darüber, da in Amerika der allmäch tige Dollar häufig genug zu ähnlichen un— gleichen Verbrüderungen Anlaß gibt. „Sind Sie noch immer der Meinung,“ ſagte Bentley eines Tages zu ſeinem Freund, „daß der Süden aus dieſem Kampf ſiegreich hervorgehen wird?“ „Ich muß wohl, denn dem Süden iſt es Ernſt mit der Sache,“ „Dem Norden nicht ?“ „Schrecklicher Ernſt; aber es iſt nur der Ernſt des Spielers, der ſeinen letzten Dollar auf eine Karte ſetzt. Bei den Südländern verhält ſich die Sache ganz anders: Sie ſehen hell genug, um der angeblichen Urſache des Haders, die nur ein Vorwand, keineswegs aber der Grund iſt, Gleuben zu ſcheuten. Die Vnion wie unſere Väter ſie gründeten, hat längſt in Allem mit Ausnahnie des Namens zu beſtehen aufgehört; der Ehrgeiz unſerer Baumſtumpenredner und Mlttitec die aus u arnen cine Nation ma— chen wollten “hat ſie zerſtört“ Mit ri digem 3uwarten wütrden ſie vielleicht ihren Zweck erreicht haben und es ſtünde dann beſſer um die Welt; ſo aber wollten ſie dem jungen Rieſen Hoſen anziehen, ehe er noch recht den Windeln entwachſen ſwar; denn Amerika befindet ſich trotz ſei— ner Geſundheit, Lebensfülle und Glieder kraft noch im Zuſtand der Kindheit, und iſt in der großen Familie der Voͤlker das jůngſtgeborne, das ſeine Amme zum Haupterben machen möchte.“ „Gleichwohl erſcheint mir dieſer Ehr geiz als edel, bemerkte Bentley. „Iſt aber deßhalb nicht minder abge~ ſchmackt,“ verſetzte der Amerikaner. „Die ſer Traum, oder wie ſie es nennen wollen, iſt und war das große Ziel des Ehrgeizes unſerer Nordiſchen. Durch ihren Wohl-~ ſtand geblendet, vergaßen ſie, daß Beſtre bungen fehlſchlagen und Unglüůceksfälle ein treten können ſie machten fort im Konzen triren, Zeutraliſiren und Anſichreißen, hoffend, die Züůgel eines idealen Reichs in ihre Hand zubringen, und ſahen ihren Irrthum erſt ein, als der Süden ſich wi— derſpenſtig erwies.“ ; „Und die Sklavenfrage ?“ Welby lachte verächtlich. „Iſt dies eine Antwort?“ fügte der Engländer etwas ärgerlich bei. „Ich will Ihnen mit einer anderen Frage darauf dienen. Wo wird der Ne— ger am meiſten verabſchent? In den Nichtſklavenſtaaten. Die größten aboli— tioniſtiſchen Schreier meiden die Geſell— ſchaft des freien Schwarzen und werden nie zugeben, daß er Eigenthum beſitze; ja ſie verweigern ihm ſelbſt die einfachſten Menſchenrechte. Der Neger lebt unter ihnen wie in einer Paria, und hat ſeine ab— geſonderten Plätze in der Kirche, im Thea— ter und auf den Eiſenbahnen. Nur der Markt macht hievon eine Ausnahme, denn hier ſchwindet für den Amerikaner aller Farbenunterſchied, und er läßt ſich herab, auch vom Schwarzen zn kanfen oder ſein Geld zu nehmen.“ „Aber ihre Betheurungen ihr an die Fahne genagelter Abſchen vor der Skla verei?“ „Steckt nichts dahinter, kann ich Ihnen ſagen. Mehr als zwei Drittheile des im Sklavenhaudel thätigen Kapitals ſtammt aus den Nichtſklavenſtaaten. Sehzen Sie ſtatt des Aushängſchildes Abolition, Union, die Worte Tari, Herrſchaft, ſo haben Sie den Kern der Nunß. Verſtehen Sie mich?“ „Vollkommen. Aber ich hoffe, Sie wenig ſtens theilen nicht das Vorurtheil Ihrer Landslente gegen die farbige Raſſe?“ „Ich verabſchene ſie,“ entgegnete Erneſt Welby kalt. „Ich weiß wohl, daß ich vom philoſophiſchen Standpunkt ans un— recht habe; aber nichts wurzelt ſo tief als ein Vorurtheil, trotzdem, daß es nur ein Gewebe von miteinander im Widerſpruch ſtehenden Abgeſchmacktheiten iſt. Faſſen Sie zum Beiſpiel ihr Mutterland in's Auge. England zahlte zwanzig Millio— nen Pfund Sterling und hält noch im— mer eine zahlreiche n um den Skla— venhandel zu unterdrücken.“ „Es iſt dies eine von ſeinen ehrenvoll~ ſten Thaten,“ bemerkte John Bentley. „Dabei gibt es jährlich fünfzig Millio— nen für von Sklaven gebaute Baumwolle aus,“ fügte der Amerikaner trocken bei. „Iſt dies die Konſequenz der ehrenvollen Handlung?“ —— „Nothwendigkeit,“ verſetzte Bentley, „Nothwendigkeit.“ „Die für uns alle Geſetz iſt,“ ſagte Welby. „Sie ſteht zu hoch, um über— ſprungen zu werden, und iſt zu ſtark, als daß man beim Anrennen gegen ſie etwas Anderes als Kopfbeulen erzielte. Eng— land hat ſich weißlich deſſen enthalten; es konnte zwar den Untergang ſeiner weſtin diſchen Beſitzungen für eine Idee auf's Spiel ſetzen, nicht aber ſeine Arbeiter auf dem heimathlichen Boden verhungern laſ jen. Da Bentley ſich durch den ſarkaſtiſchen za des Sprechers verletzt fühlte, ſo ſuchte er einem anderen Gegenſtand Bahn zu brechen, indem er ſeinen Freund fragte warum er bei ſolchen Grundſätßen ſich nicht der Nordarmee anſchließe. „ragen Sie dies im Ernſt?“ „Allerdings.“ „So will ich Ihnen eben ſo ernſt ant worten. Ich warte auf Gelegenbeiten mein Glück zu machen, nund obſchon ſie täglich, ja ſtuͤndlich an mir vorübergleiten kann ich ſie nicht faſſen, weil es mir an zu~ reichendem Kapital fehlt. Mein Eigen thum liegt in einem Grenzſtaat; vor dem Krieg hätte ich darauf eine Million auf nehmen koöͤnnen, während es jetßt kaum den zehnten Theil dieſer Summe werth iſt da man auf der Börſe von Land nichts wiſſen will. In die Armee tritt ůber haupt kein fähiger Kopf, und MeClellan macht vielleicht die einzige Ausnahme. Die Klugen ſind viel zu ſehr vom Geld— machen in Anſpruch genommen.“ „Sie glauben alſo, daß ſich etwas ver dienen ließe?“ „Ha, ich könnte, wie die Spekulanten in Vauſteer binnen Jahresfeſt mein Kapital nicht nur verdoppeln, ſondern verdreifachen.“ Es folgte nun eine lange Unterhaltung in welcher Welby einen fein enterdagtn Plan entwickelte. wie durch Miethung von einer Anzahl Schiffe in New-Orleans Banumwolle n New-ork geladen wer-~ den könnte; habe man die Fracht einmal auf hoher See, ſo ſei es leid damit nach Liverpool zu ſteuern. „Möoglich, aber gefährllich,“ ſagte ſein Zuhörer „Sie vergeſſen die noͤrdiſchen Kreuzer.“ Savannah, Ga., den 26. Juni 1872. „Denen kann man ausweichen.“ „Und General Butler in New Or leans?“ „Er wäre zu beſtimmen, daß er an der Spekulation Theil nimmt oder die An gen zudrückt.“ „Iſt Ihnen dies Ernſt?“ „Sie fragea ſehr nengierig,“ entgegnete der Amerikaner lachend· „und ich důrfte nur darauf antworten, wenn Sie Luſt hätten mit anzuſtehen. Doch laſſen wir das,“ fügte er ploötzlich nachdenkſam bei. „Das Vergnügen Ihrer Geſellſchaft hat mich unbeſonnen gemacht. Ich ſpreche nicht ſo unverholen bon meinen Angele genheiten; aber die Offenheit iſt anſteckend und ich vergaß für einen Angenblick, daß Sie kein Spekulant ſind.“ „Das weißt Du nicht gewiß,“ ſagte John Bentley im Geiſt. Am andern Tag kam er mit einigen der erſten Kaunfleute von New-York zu ſammen und berührte gelegentlich ſeine Bekanntſchaft mit Erneſt Welby. Man ertheilte demſelben das Lob großer Ta— lente und eines tadelloſen Rufs. „Nur Schade,“ meinte einer der Auskunft geber, „daß ihm nicht Kapital genug zur Verfügung ſteht. Bei ſeiner Stel lung könnte er ſich Millionen erwerben.“ „Warum ſtreckt man ihm nicht vor?“ fragte der Engländer. „Auf Land nicht, wenn am Gold ſech— zig Prozent Agio verdientt werden kann,“ lantete die Antwort. „Auch begreife ich nicht, warum ſeine Stellung güůnſtiger ſein ſoll als die von Anderen.“ „Meinen Sie, ſeinr Verwandſchaft mit dem General Butler ſei für nichts anzu— ſchlagen?“ Dies war ein Umſtand, den ſein neuer Freund verſchwiegen hatte, und der Welt mann dachte um dieſer Vorſicht willen nur um ſo beſſer von ihm. Nach Ablauf einer Woche verſtändigten ſie ſich mit ein ander zu einer Reiſe nach New ·Orleans. Bentleh hätte ſich dabei gerne der Geſell— ſchaft ſeines Mitſünders entzogen; aber Lin hatte die Beſprechungen der Beiden belanſcht und wollte ſich von der Speku— lation nicht ausſchließen laſſen, indem er im Veweigerungsfall mit Veröffentlichung des Planes drohte. Vor Antritt der Act ſchrieb Bentley abermals an ſeinen Rechtsfreund, um ihn von ſeiner Aufent— halisveränderung in Kenntniß zu ſetzen. Wie konnte er auch ahnen, daß Mr Twiſ ſelton bereits auf dem Wege war ihn aufzuſuchen ? Als Sam und Beſſie in Amerika an langten, fanden ſie Walter Glyde als Haupt· buchhalter in einer Handelsfirma von Wallſtreet. Mehrere Jahre ging Alles gut, denn Glyde hatte einen ſchönen Ge· halt und wurde pünktlich bezahlt. End lich aber barſt die Seifenblaſe, und das Haus fallirte mit einer ungeheuren Summe die armen Ausgewanderken ſahen ſich alſo mit einer Zugabe von zwei Kindern in dle wildfremde Welt hinausgeſtoßen. So lang jedoch Jugend und Geſnndheit nach hält, wirkt die Hoffnung als mächtiger Sporn. Duch Sparſamkeit hatten ſie ein kleines Kapital zurückgelegt, das ſie befähigte, vierzig Miles von Cineinnati eine Farm zu erwerben. Der Platz ber fand ſich faſt in einer Wildniß. Sie hat ten in ihrer Nähe nur wenige Nachbarn, und aus dem alten Lande nur einen einzi gen, Namens Auſtin deſſen Geſellſchaft allgemein gemieden wurde, weil er dem Kaſtenvorurtheil zum Trotß den Schimpf auf ſich geladen, ein ſehr ſchönes und be gabtes Mädchen, in deſſen Adern noch eine leichte Beimiſchung afrikaniſchen Blu— tes kreiste, zu ehe lichen. Allem Anſchein nach war das Paar ſehr glücklich, und der Engländer ſetzte dem hochmüthigen Naſerümpfen der echtgebornen Amerika ner Gleichgültigkeit oder wohl gar Ver achtung entgegen. Er hatte ein einziges Kind, eine liebenswürdige Tochter, welche um die Zeit, als die Familie Glyde im Buſch anlangte, fünfzehn Jahre zählte. Gegen den Charakter Mr ſelbſt konnte mit Grund keine andere Bemäkelung vor gebracht werden, als daß er ſehr geizig war. Sam gab ſeinen Dienſt in New - Hork ans, um ſeinen Verwandten nach ihrem neuen Wohnplatz zu folgen, wo er ihnen durch ſeinen kräftigen Arm nüßtzlich zu werden hoffte. „Was liegt daran, wenn ichs in dieſer verhenkerten Stadt auch vorwärts bringe?“ ſagte der wackere Burſche, als Beſſie und Glyde ihm vor— ſtellten, er möge in New-York bleiben, wo es ihm gut gehe. „s iſt hier doch nicht wie in Mancheſter “ Man ſieht, ſeine Ideen von Amerika hatten eine große Um— wandlung erlitten, und durch die Beſchau ung in der Nähe ihren Sowun~ verloren. „Und was würden Willie und Nelly ohne mich anfangen?“ fügte er bei und ſtrei— chelte die Koöͤpfe der Kinder, welche ſofort erklärten, daß auch ſie in New · York blei er wollten, wenn Onkel Sam nicht mit— gehe. Wir müſſen uns in der Geſchichte unſe rer Freunde im amerikaniſchen Urwald kurz faſſen. Die nächſte Kirche war acht Miles von ihrer Farm entfernt. Als ſie das erſte Mal tſrnentl bewirkte Beſ ſies Hut und der Schnitt ihres Mantels einen wahren Sturm von Aufregung un ter dem weiblichen Theil der Gemeinde, während die Männer ihrerſeits ſich ůber Glyde den Kopf zerbrachen, und aus ſei— nen feinen Händen, wie auch aus den Handſchuhen und dem Ring, den er trug, ſeiner Feldwirthſchaft eine ſchlechte Prog— noſe ſchöpften. Nur Sam kam ihnen als der rechte Burſche für den Wald vor, und einige der Jüngeren meinten, ſie moͤchten wohl auch jeine Kräfte im Fauſtkampf er proben. Nach dem Gottesdienſt, in wel— chem unſere Neulinge durch das Schau— ſpiel überraſcht wurden, daß die Männer wegen der Hitze die Röcke abnahmen und hemdärmelig der Predigt zuhörten, kam Auiſtin auf Walter zu und begrüßte ihn als Nachbar. Mrs. Auſtin und ihre Tochter blieben ſchüchtern bei Seite ſtehen, da ſie ihre Stellung in der Geſellſchaft kannten. Die kleine Nelly und ihr Bruder be trachteten die zwei fremden Frauenzim mer aufmerkſam und wunderten ſich ohne Zweifel, warum die Aeltere nicht mit der Mama ſprach, und die Jüngere ſich nicht erbot mit ihnen zu ſpielen. In ihrer Unſchuld wußten ſie nichts von dem Un— terſchied der Farben in ihrer Anwendung auf die ſchwächſten Schatten hinaus, da ſie nie von ſo unchriſtlichen Vorurtheilen gehöͤrt hatten, und bei ihrer lugend ſie anch nicht verſtanden haben würden. Endlich faßten sie ſich ein Herz, eilten auf die Baumgruppe zu, unter welcher Mrs. Auſtin und Blanqhe gegen den Sonnen— brand Schirm geſucht, faßten Letztere am Kleid und forderten ſie auf, mit ihnen ein Spiel zu machen. „Welche liebliche Kinder!“ rief die Mut ter, während die Tochter ſich niederbeugte und die kleinen Wildfänge küßte. „Ich ſehe, unſer junges Volk hat bereits Freundſchaft geſchloſſen,“ bemerkte Glyde, nachdem er Beſſie und ſeinen Schwager dem Farmer vorgeſtellt hatte. „Wollen wir nicht auch unſere Frauen miteinander bekannt machen?“ Mr. Auſtin ſchien zu zögern, doch nur für einen Augenblick. „Es iſt vielleicht beſſer, wir unterlaſſen es,“ entgegnete er ruhig. „Die Großmutter von Mrs. An ſtin war eine Mulattin, und Sie können ohne Zweifel das beſtehende Vornrtheil“ „Es iſt abgeſchmackt genng.“ „Vielleicht haben Sie recht; aber es ge~ hört in dieſem Land große geiſtige Kraft dazu, ihm zu trotzen, und ich möchte kein jolches Opfer verlangen. In Enropa würde meine Frau, die ſich gut auf Mnu. ſik und Sprachen verſteht und ſehr beleſen iſt, wegen ihrer Schönheit bewundert und um ihrer Talente willen geſchätzt werden; aber hier hielte ſelbſt die roheſte und unge— bildelſte Weiße ſich für beſchimpft durch den Umgang mit ihr.“ „Das ſieht den ſauberen Lankees gleich,“ rief Sam entrüſtet. „Dieſes Gefühl beſchränkt ſich nicht bloß auf Amerika verſetzte Auſtin. „Ich habe Engländer gekannt, die es theilen.“ „Dumm genug von ihnen,“ meinte der ehrliche Burſche. Weſſie ging in der Ueberzeugung, daß Walter ihr Benehmen billigen würde, auf Mrs. Auſtin zu und bot ihr die Hand hin. „Unſere Kinder haben ſich bereits befreundet,“ ſagte ſie. „Wollen wir nicht ihrem Beiſpiel folgen?“ „Ich fürchte, es geht nicht,“ verſetzte die Angeredete. „Es iſt ihnen wahrſcheinlich nicht bekannt, daß ich —“ „Ich, weiß daß ich mich in einem ſeltſa men Land befinde,“ entgegnete Beſſie, „deſſen Bewohner ſich mit thoöͤrichten Vor— urtheilen tragen. Doch ich bin Englän— derin mit Leib und Seele und gedenke es zu bleiben.“ ~ „Ach, Sie ſind eine Fremde und wiſſen nicht, was Sie auf ſich nehmen. Es wäre unedel von meiner Seite, ſo ſehr ich mich auch zu Ihnen hingezogen fühle, denn ich habe keine Freundin, mit der ich Umgang pflegen kann.“ Die Aufregung erſtickte ihre Stimme. Beſſie war gerührt von ihrer Verlaſſen heit, und ihr Herz empörte ſich gegen das ſoziale Unrecht. Sie nahm Mrs. Auſtin bei der Hand und erklärte, daß ſie ſich glücklich fühle, in der Wildniß eine Schwe ſter gefunden zu haben. Mit innerlichem Stolz war Glhde ein Zeuge dieſer Szene. Voͤn dieſem Tage an entwickelte ſich zwiſchen den beiden Familien eine innige Freundſchaft. Mr. Auſtin erwies ſich dem neuen Anſiedler als ein ſehr werth— voller Berather, und Blanche fühlte ſich glůcklich bei dem eingetretenen Wechſel da ſie nie zuvor ihre Mutter ſo heiter und zu frieden geſehen hatte. Die Familien ka—- men faſt jeden Abend zuſammen. Die Männer unterhielten ſich über Erlitt die Ausſichten der Ernte und den Stand des Marktes; die Frauenzimmer ſpielten Kla vier und ſprachen von Büchern, von Haus haltungsangelegenheiten oder von Eng— land, das fůr gian und ihre Mutter ein unerſchoͤpfliches Intereſſe hatte, Dort wußte man ja nichts von dem Vorurtheil das ſie in der neuen Welt aus der Geſell ſchaft verbannte. Nur eine Perſon fühlte ſſch bei ſolchen Zuſammenkünften unglücklich und nicht an ihrem Platz wir meinen Sam, der bisher allen Verſuchen ſeiner Schwester und ſeines Schwagers, einen bildenden Einfluß auf ſeinen dt zu üben, Wider—- ſtand geleiſtet hatte. Der arme Burſche war noch ſo rauh und ungehobelt, wie zur Zeit ſeines Auszugs aus Lancanſhire, aber auch eben ſo mannhaft und ehrlich, N UIN ER AM EAN N da ſich ſein Sinn in gleichem Maß gegen das Beiſpiel und die Laſter der neuen Welt unzugänglich verhielt. „Willie hat recht und die Mutter un— recht,“ ſagte er, wenn er an der Unterhal— tung nicht theilnehmen konnte. „Es iſt doch etwas Schönes darum, wenn man aus den Büchern etwas gelernt hat, und nicht ůberall daſtehen muß wie ein Ochſe.“ (Fortſetzung folgt.) Ueber Feſtlichkeiten am Hofe. Von H Uhr ab füllt ſich die BilderGal— lerie von Minute zu Minute. Da iſt die Armee in allen Waffengattungen, Graden und Uniformen vertreten, da erſcheinen, in reich geſtickten Civil· Uniformen mit den großen Bändern, die Männer, die das Staatsſchiſff leiten, die Miniſter, die Staatsſekretäre und die Räthe erſter und zweiter Klaſſe, die Einen gebeugt von der Laſt der Jahre wie der Ehren, die andern noch jung, růͤſtig, in der Maienblüthe der Hoffnungen auf die Carriere, welche ihnen noch bevorſteht. Dazwiſchen kommen die rothen Johanniter- und die ritterſchaft— lichen Uniformen zum Vorſchein, die Ta lare des Reetors und der Decane der Univerſität, und mitten in dieſer gold—~, ſilber- nnd ſternenglänzenden Welt thut es dem Auge wohl, einen Ruhepunkt in einem ſchwarzen Frack zu erblicken. Auch. dieſe sind in ziemlicher Anzahl vorhanden, manche mit den Ketten der Gemeinde— Vertreter geſchmückt, viele mit einigen ſchüchternen Orten, andere auch ohne dieſe e Es ſind die Mitglieder der Magiſtrate und Stadtveroͤrdnetenver ſammlungen von Berlin und Potsdam, Mitglieder der Akademie der Künſte und Wiſſenſchaften, die Aelteſten der Kanf mannſchaft, Mitglieder des Herren oder Abgeordneten Hanſes und auch ſonſt Per ſönlichkeiten, deren Schwerpunkt nicht in Amt und Würden des Staates, ſondern im idealem Bereiche der Künſte und Wiſ ſenſchaften liegt. Die Converſation iſt ziemlich lant, die Bewegnng die unge— zwungenſte, man hat ſich lange nicht ge— ſehen, man ſchütte:t ſich die Hͤnde, man nimmt inzwiſchen von den ſilberſtrotzen den Jägern und Lakaien eine Taſſe Thee, man beſieht ſich die nen angebrachten Bilder das Krgunasbild von Menzel. das Bild von Bleibtren aus dem Tage von Königgrätß, man läßt ſich auf den goldenen, mit Gobelins ůberzogenen Fau— teuls nieder und erfreut ſich an den blüů— henden, duftenden Hyazinthen, die auf den gobelinbehangenen Tiſchen aufgeſtellt ſind. Andere wieder bilden eine Chaine, welche die Damenwelt nach dem Weißen Saale hin paſſiren muß, und ſind im Geiſte froh, daß ſie die koſtbaren Toiletten die da vorůberrauſchen, nicht zu bezahlen brauchen. Ebenſo lebhaft und noch weit intereſſanter iſt es im Weißen Saal, denn dort iſt die Region des „ewig Weiblichen, das uns Alle bändigt“, ver ſammelt. Junge Frauen und Mädchen, denen die Friſche und Luſt der Jugend aus den roſigen Zügen, aus den glänzen den Augen ſchaut, und dazwiſchen die ernſtere Region der Müůtter und Standes- Damen, die vielleicht das ſilberne oder goldene Jubeleum dieſer Feſte feiern kön nen. Das glänzt, das blitzt, das rauſcht, das lächelt und fächelt, das ſchwirrt und ſummt Deutſch, Franzöſiſch, Engliſch, Italieniſch, Spaniſch, bis die üblichen drei Schläge auf den Boden ertöunen. Stille! Der Kreis um den Thron lichtet ſich, die Damen theilen ſich, ſie tre~ ten wie auf Commando rechts und links des Thrones, ſie treten auf die gegenüber~ liegende Seite und gruppiren ſich da. Jede hat ihren Rang, jede weiß ihren Platz. Die Spitze des Hofzuges, der Pagen Gouverneur, erſcheint, dann der ůbliche Vortritt und dann Ihre Majeſtä ten. Der Kaiſer führt die Kaiſerin. Ein Begrüßen der Geſellſchaft nach allen Sei— ten und dann geht der Kaiſer auf die Damen zu. Die Erſte in der erſten Reihe links des Thrones ſteht an der Spitze der Damen des diplomatiſchen Corps: es iſt die öſterreichiſche Botſchafterin, welche der hohe Herr zuerſt begrüßt, dann die ruſ ſiſche, dann die Geſandtinnen und die Gemalinnen der „Chefs de Miſſion“, die in erſter Reihe ſtehen. Darauf reicht der hohe Herr über die erſte Reihe hinůber cͤner Dame die diamantſtrahlend, in ſtol~ zer Schönheit aus dem Kreiſe hervorragt, die Hand; es iſt die Herzogin von Oſſunna und Infantado. Von den Damen des diplomatiſchen Corvs zu den Herren übergehend, begrüßt der Kaiſer die Reihe der gend egrnd Geſandten, dann die Damen der Miniſter und Wirkl. Geheim— räthe, an ihrer Spitze die ſchoöne, grazioöſe Baronin v. Schleiniß. Gleichzeitig mit der Tournee des Kaiſers hat die Kaiſerin die ihrige bei den Damen rechts vom Throne begonnen; dort ſtehen die Für ſtinnen des Landes, an deren Spitze die Herzogin von Ujeſt. Sobald der Cerele beendigt, treten die Allerhöchſten und Höchſten Herrſchaften zur Polonaiſe an; vom Orcheſter herab ertönt der Feſtmarſch aus „Catarina Cornaro“; der ceremo nielle Rundgang vor dem Throne beginnt. Den Menda gehen nach üblichem Brauche der dienſtthuende Flüůgel Adju— tant und die dienſtthuende Hofdame voran; diesmal Prinz Anton Radziwill und die Gräfin Hohenthal. Der Kaiſer I. Stern, Herausgeber. Laufende Nummer 62. reicht nach der Kaiſerin der Kronprinzeſſin hierauf der Prinzeſſin Karl und der Her zogin Wilhelm und dann den Botſchaf uen die Hand, die Kaiſerin nach dem Kaiſer dem Prinzen Arthur von Cngland und dann den VBotſchaftern, von dieſen zuerſt den Grafen Karolyi, dann Herrn v. Oubril, zuletzt dem Grafen von Gontaut Biron. Von den Mitgliedern des Kö nigshanſes ſind anweſend: der Kronprinz, er trägt die iniform des Paſewalker Cui raſſier Regiments, die ſeine edle männliche Erſcheinung beſonders gut kleidet, da rüber das dunkelblane Band des Hoſen bandordens, dann Prinz Karl, Prinz Friedrich Karl, Prinz Albrechts Sohn, Prinz Alexander, Prinz Adalbert. Aber von den hohen Herren nimmt nur Prinz Albrecht (Sohn) an den Rundtaänzen Theil, von den Prinzeſſinnen nur die Herzogin Wilhelm. Während die junge Welt vor dem Throne ſich munter und flink im Tanz dreht, machen der Kaiſer und die Kaiſerin die Runde in den an— grenzenden Sälen. Für die Meiſten iſt dieſer Ball ein Vergnügen, für die Feſt geber aber die Erfüllung von Verpflich tungen, die das Diadem mit ſich bringt Jeder, der zu dieſen Feſten gezogen wird, bringt innerlich den Anſpruch mit, nicht nur daß die Herrſchaften mit ihm ſprechen, ſondern daß ſie ihm beſonders etwas Verbindliches ſagen. Das Kaiſerpaar iſt in dieſem Streben wahrhaft zu bewundern. Jedermann, dem es gelingt, ſich in die Vorderreihe zu ſtellen, und dabei iſt oft ein ſehr eifri— ges und faſt leidenſchaftliches Bemühen zu erkennen, Jedermann wird von den Herrſchaften angeſpyrochen, ohne Unter— ſchied des Ranges, der Stellung und des äußeren Kleides. Ueberall ſinden die Herrſchaften die betreſfende Beziehung, Bemerkung, Frage, Andeutung, und durch den perſoönlichen Antheil, den ſie bei den meiſten Perſonen äußern, gelingt es ihnen jene frohe, befriedigte Stimmung zu er— zeugen, die uns aus der Liebenswürdig~ keit Anderer überkommt. Wie ſtattlich ſchön ſieht der Kaiſer in dem rothen Waſffenrock der „Gardes·du-Corps“ aus! Er trägt heut wieder den Ordeu des Ho— ſenbandes, dem jugendlichen Gaſte aus England zu Ehren, der überdies noch ſein Patbeukind iſt. Gewählt und geſchmack— voll iſt die Conlette der Kayermnn. Die hohe Frau trägt über einer Robe von weißen, ſilbergeſtickten Tüll einen Ueber— wurf von weißen Atlaß, welcher ringsum mit grünem Blätterwerk garnirt iſt, dazn das gelbe Band des Schwarzen Adler- Ordens und einen Schmuck von Smarag— den und Brillanten. Neben der Kaiſerin ſteht ihre Schweſter, die Prinzeſſin Karl, in einer Robe von grauem, goldbeſäeten Tüll, mit einer Tuniea von grauen Atlaß die mit Goldſpitzen und Trauben goldener Beeren beſetzt iſt: dazu Collier und Dia— dem in Brillanten. Die Kronprinzeſſin iſt in einer himmelblauen, mit weißen Spitzen und Roſen garnirten Robe er— ſchienen, die zu den ſchoöͤnen, friſchen Far ben ihrer Züge beſonders gut paßt. Die hohe Frau hat ſich früh zurüekgezogen. Wie das Souper ſervirt wird für eine Geſellſchaft von 1500 Perſonen denn ſo viel waren an dieſem Abend in den Räu—- men verſammelt! In elf Sälen, vom Schweizerſaal an, die Spreeſeite entlang bis hinuůͤber nach den Eliſabeth- Kammern an der Seite des Schloßplatzes, ſind große Buffets errichtet, die alles enthalten, wo—~ nach dem verwöhnteſten Gaumen verlan— kann, in ſolcher Fülle, daß von den leberbleibſeln mancher berliner Hotelbe— ſitzer eine Veteranen·Speiſung in eben ſo hoher Zahl hätte übernehmen können, ohne daß, was noch das Erſtaunlichſte dabei geweſen, ein Einziger hungrig aufgeſtan den wäre. Nach volksthümlichen Begrif fen, verbindet ſich mit dem königlichen Weſen Glanz, Reichthum und Fülle, Wenn der Hof Feſte giebt, dürfen auch nur edle Getränke eredenzt werden, dür fen nur das tiefe Roth edlen Rothweines und die Perlen des Champagners in den Gläſern erglänzen. Für die Alehochſten und Höchſten Herrſchaften, die Botſchaf terinnen, für die Fürſten und rnaen die Geſandten und Miniſter Reſidenten für die activen Generäle der Infanterie und Cavallerie, für die Miniſter und die lre von Wirklichen Geheimen Räthen iſt das Souper in der boiſirten Galerie ſervirt. Bekanntlich war dieſelbe früher die Bibliotheck der philoſophiſchen Köni gin und iſt etwa ſeit 10 Jahren zn dem prachtvollſten Renaiſſance · Speiſeſaal ein gerichtet, den man a 1 denken kann. Die ganze Galerie entlang zieht ſich die Tafel, die mit den ausgeſuchteſten Platten, mit den herrlichſten Schangerichten geziert iſt. Hier wird das Sonper ſitzend eingenom men. Es dauert ungefaͤhr eine Stunde, dann begiebt ſich der Hof an der Spitze der Geſellſchaft nach dem Weißen Saale urüũck, der Cottillon beginnt ſeinen phanta- Ure; Reigen. Gegen 1 Uhr erſchallt vom Orcheſter das Hallali, die Allerhöch ſten und Höchſten Herrſchaften ziehen ſich zurück, Spiel und Tanz ſind aus, und mit der letzten Equipage, die aus dem Schloßhoſe fährt, ſind auch oben die Ker zen des Feſtes erloſchen. LOEWENHERZ, DANIEL & CO., Pu i no Aon ts, No. 85 Nassau Streot, New York.