Savannah Abend Zeitung. (Savannah [Ga.]) 1871-1887, July 03, 1872, Image 2
Kurze Notizen.
Dentſchland. Die Geſehverl te, in welcher
die Jeſuiten des Bürgerres erlu tig ertl per~
den, paſſtrte die dritte Leſung mit 181 gegen 9.
Der Miniſter Delb de r bar nittag
die Seſſton des Reichotaged fuůr geſchloſſen.
Offiziell wird aus Port au Prince gemeldet,
daß die deutſchen Kriegoſchiſſe „Vineta“ u. „Gazelle“
am d. M Beſth von zwei haytiſchen Corvetten
nahmen und ſie ſo lange behielten, bis eine zur Ent~
ſchadigung von deutſchen Kaufleuten geforderte Summe
bezahlt war. Blut wurde nicht vergoſſen.
München. Aus allen Theilen Baierno
laufen Berichte über ein am Pfingſtſonntag ſtattge ~
dabtes fn drran dat der Blib
eingeſchlageu, reſp. gezundei und in vielen Gegenden
wurde durch gleichzeitigen Hagelſchlag den Feldfrüͤch
ten unberechenbarer Schaden zugefugt, ſo namentlich
in Erlangen, Rürnberg, Regenoburg, Eſchenbach,
Kirchenthumbach, Kaisheim, Kihingen, Miltenberg,
Marktſtift, Marktbreit. Einersheim, Volkach, Schluͤſ~
ſelfeld, Schweinfurt und Ebenhauſen. Lichtenfels,
Eiching und Miltenberg waren ſchon am) Freitage
vorher durch ein Hagelwetter heimgeſucht worden.
Ueberall waren die Schloſſen von ungewohnlicher
Groͤße und richteten an Feldfruͤchten, Baͤumen, Wein~
reben, Hopfen und Fenſterſcheiben großen Schaden an.
In Michelau ſchlug der Blitz in ein Haus ohne zu
zuͤnden. In Mitltenberg ſchlug der Blitz in ein Haus
und zündete, das Feuer wurde aber raſch gelö ſcht.
—Tübingen. Das am 19. Mai tobende
Gewitter hat auch uns ſchwer getroffen. Der Hagel
ſiel ſo maſſenhaft, daß der Boden binnen Kurzem
mit Koörnern von der Große einer Haſelnuß bis zu
der eines Taubeneies mehrere Zoll hoch bedeckt wurde.
Viele Bogel, ſogar Gaͤnſe wurden getoͤdtet. Der
ſchöne Segen der Obſtbaͤume, Gaͤrten, Weinberge ~e.
iſt faſt ganz vernichtet, Tauſende von Fenſterſcheiben,
ſind zertrümmert und der Schaden an den öffentlichen
und Privatgebaͤuden beträgt viele tauſend Gulden.
Rom, 26. Juni. Der Papſt empſing heutt
die Mitglieder des deutſchen literariſchen Clubs und
machte bei dieſer Gelegenheit folgende Bemerkungen:
Die Verfolgung der Katholiken hat in Deutſchland
begonnen, doch dieſelben zeigen Muth in dieſer Prů~
fung, ſit haben die deutſche Regierung benachrichtigt,
daß die Berfolgung der Kirche Thorheit iſt. Die
Kirche ſagte der Papſt ferner bleibt Siegerin.
Wir haben den Fürſten Biomarct gefragt, wie es
fommt, daß die fruher zufriedenen deutſchen Biſchbfe
nach der ausdrůcklich geͤußerten Anſicht der deutſchen
Regierung, ploblich in gefahrliche Verſchwoörer umge~
wandelt ſind? Bis jeht iſt die Frage noch nicht
beantwortet worden. Laſſet uns zu unſerem Vater
im Himmel beten, daß ein Stein ſtürzen möge,
welcher im Stande iſt, den Coloß zu ſtürzen.
Der Conflikt der preußiſchen Regierung mit den
Biſchöfen gewinnt an Schäͤrfe. Wie mitgetheilt
wird, gedenken jetzt ſaͤmmtliche Erzbiſchöfe und Bi—
ſchoöfe des preußiſchen Staates das Verhalten Namc~
zanowoki's und des Biſchofo von Ermeland bezuůglich
der Altkatholiken und der Erkommunikationen in cor~
pore nachzuahmen. :
Die Convention der demokratiſchen
Partei in Georgia, tagte am 26. Juni in At~
lanta. Z3wei und zwanzig Delegaten wurden zu der
demokratiſchen National~ Convention in Philadelphia
gewählt. Den Delegaten wurde keine beſondere In~
ſtruktion gegeben. Es ſteht ihnen frei nach ihrem
eigenen Gutdünken zu handeln.
Die Grand-Jury in ihrem lehten Bericht,
ſpricht von der Nothwendigkeit, ein neues Gefaͤngniß
zu bauen. Die eine Haͤlfte der Koſten ſoll die Stadt,
die andere Haͤlfte das County tragen.
Den armen Strobhdach oder Strohbach,
aus Alabama, deſſen wir in der vorhergehenden
Nummer erwähnten, geht es wahrlich ſchlecht. Wir
haben faſt keines unter unſern Wechſelblaͤttern, das
ſich nicht uüͤber den Kerl luſtig macht. Als Abgeord~
neter von Alabama, verſprach er dem Praͤſidenten
die 800,000 Stimmen der Deutſchen in den Ver.
Staaten. Den Lobn den er dafur einerntet, wun~
ſchen wir allen Feinden des Suüdens. Strohdach
oder Strohbach, war deutſcher Winkeladvokat in
PVittsburg, verkaufte ſpaͤter ſeinen Landoleuten in der
Panlee-Armee ſchlechten Whiolev, trennte ſich von
Sherman's Troß in Atlanta, und zog ſpaͤter nach
Alabama. Die allgemeine Stimmung iſt, daß das
Deutſchthum, wo dieſer Strohdach die Hirtenrolle
ſpielt, noch in arger Finſterniß irrt.
Es wurde von Einigen die Meinung ausge~
ſyrochen, daß die Arbeiterbewegung in New Yort von
den Fabrilanten der Neu~England~Staaten angeregt
ſei. In Philadelphia ſind die Verſuche obiger Art
bioher erfolglos geblieben.
New~York, Baltimore, Waſhington, St. Louis,
baben Cinladungen an die deutſche Capelle in Boſton
geſandt.
Der „Havannah Kopublican“ citirt aus der
„New Pork Tribune“, daß die franzoſiſche Muſikca
pelle in Boſton den Sieg davon getragen habe.
Wenn die Herren nun auch gerade nicht Muſikkenner
ſind, ſo kennen ſie doch wenigſtens ihre Leute.
Die groößte Zahl der Zuhorer bei den Conzerten
in Boſton ſoll bis auf 70,000 Petſonen geſtiegen ſein.
Der geſammte Chor beſteht aus 20,000 Mitgliedern,
dazu haben ſich 185 Geſellſchaften, meiſtentheils Ver
eine in Neu England, zuſammen gefunden. 104 von
dieſen ſtellte Maſſachuſetts, fünf oder ſechs gehören
nicht zu den Neu England Staaten. Aus allen die~
ſen iſt ein Elite-Corps von 150 Stimmen ausge
wahlt, die mit nichts als ihren Auffuüͤhrungen beſchaͤf~
tigt, durch keine ſozialen Zerſtreuungen (Commerſe)
in Anſpruch genommen, die ganze Zeit zwiſchen den
einzelnen Conzerten mit Einůben und Wiederholen
der von ihnen zu beſtreitenden Nummern verbringen.
Das eigentliche Orcheſter beſteht aus 850 Mann,
welche aus allen Theilen der Union herbeigerufen
wurden. Zu dieſem geſellen ſich 27 Militaͤr·Capellen
darunter die deutſche, engliſche franzoſiſche, ruſſiſche
und amerikaniſche „National Marine Band.
ln New PHork eingetroffene Pariſer Briefe be
ſtͤtigen die vor einigen Wochen vom „London Daily
Telegrapb“ gemachte, damals als Senſationsnach~
richt verſchrieene Angabe eines von Deutſchland an
Frankreich geſtellten Ultimatums mit Bezug auf den
Praͤſenzſtand des franzoſiſchen Heeres. Es lag im
Plane, die Staärke der Armee auf 760,000 Mann zu
bringen; Deutſchland fordert einen Friedensſtand
von 376,000 Mann. Thiers ſowohl wie die Natio~
nalverſammlung in uüberwiegender Majoritaͤt haben
der in kategoriſcher Form geſtellten Forderung des
ſiegreichen Nachbarvolkes ſich gefügt.
ln den Ver. Staaten werden taͤglich 230,000
Gallonen Spirituoſen verkauft. ;
Dem Prinzen Alexis hat ſeine Reiſe in den
Ver. Staaten 5200,000 geloſtet. ;
Das Gerücht sagt, daß Miß Chriſtine
ſich in der leten Woche des Juli, in London mit
Herrn M. Auguſt Rowzam, einem stokhroker in
VParis, verbeirathen werde.
Die Nachrichten aus Madrid melden, daß Dr.
Howard in Freiheit geſetzt worden iſt.
Morgen, am 4. Juli, wird eine Regana in
Auguſta ſtattſinden.
—— ——— —— —— —— ———
Umter den Gefangenen iburn Staats·Ge~ ſ
fangnih, entſtand eine Rebellſon/ wurde aber bald |
durch eñtrgiſche Maßregeln un drüct.
D entaniſde diaggt beleidigt · Nit ſ
ſen Worten ngen nehrere Zeltungen die Nach
dicht, daß det anadiſch „Stella Marie“, einſ
hi merilaniſches Fab er : den, Jga es B iß“ wegge~
ſommen habe, weil er gegen bie Cͤnada-Geſehe han~
delte. Das ſind die natrlichen Folgen, wenn ein
Volt, die Rückſichten die es andern Nationen ſchuldig
ſt, muthwillig auo · den Augen verliert —————
T
Ueberſchwemmungen in Perſien und
Italien.
Bagdad, (in Meſopotamien) 30. April.
Waſſer, nichts als Waſſer, über uns und unter
uns! Seit Jahren hat Bagdad nicht ſo viel Waſſer
zu ſehen belommen wie dieſes Jahr; Schute kennt h
der Bagdader, der ſeine Naſe nie aus dem Weichbild
ſeiner Baterſtadt geſteckt hat, gar nicht, und ſein Re~
gen iſt ihm in der Regel ſehr ſparſam zugemeſſen, ſo
daß ihm der heurige Winter mit ſeinen Schauerregen,
Plahregeu und Strichregen als ein achtes Weltwun~
der erſchien, oder vielmehr erſcheineu mußte, wenn er
überhaupt etwas von den ſieben Weldwunderm wüußte.
Den Bauern geben dieſe Regengüſſe die ſchönſten
Hoffnungen auf reiche Ernte; mit doppelten Eifer
pfluügten ſie, ſaͤeten ſie; dabei ſetten ſie ſehr viel Ver~
trauen auf den Generalgouverneur Midhat Paſcha,
der wirklich auf das eifrigſte um das Wohl des Vol~
kes bekuͤmmert iſt; nur ſcheint es ihm leider an tüch~
tigen Leuten zu fehlen, die ihn in ſeinem Amte tha~
traͤftig unterſtühen; wenigſtens hatte auch diesmal
viel Schaden verhůtet werden können, wenn man zur
rechten Zeit tuchtig eingegriffen hätte; ſo aber kam
das Unglüůck herangeſchlichen; die Kornfelder wurden
von den erbarmungoloſen Fluthen des Tigris
überſchwemmt; der Staat ſoll dabei Millionen an
ſeinen Einkuͤnften eingebuüͤßt haben auf wenn ſoll
man jeht die Verantwortung werfen?
Der Gouverneur hatte alles mögliche gethan, um
dieſer drohenden Kataſtrophe vorzubeugen : ſchon vo—
riges Jahr hatte er Abzugokanaͤle graben, Dͤmme
und Wälle aufwerfen laſſen, und jetzt ließ er unaus~
geſetzt Vorkehrungen treffen; aber troßzdem trat die
Calamitãt ein, welche ſo viele Leute namenlos elend
machen ſollte. Als von der perſiſchen Grenze und
von Diarbelir ein Telegramm üůber das andere ein~
traf, mußten die Ingeniere von einem Punkt zum
andern fſliegen, aber es war zu ſpͤt; die Dͤmme
konnten den Waſſermaſſen nicht Stand halten; dieſe
brachen ſich Bahn und ergoſſen ſich ungeſtüm über die
Actergefilde und verwandelten ſie in einen greßen
Waſſerſpiegel. Gerade der Damm war durchbrochen,
den die Jugenieure vorher als dringend einer Repara~
tur bedürftig bezeichnet hatten. Das fünfte und
ſechſte Infanterie-Regiment, welches draußen beim
Niemrods-Thurm campirte, wurde von den wie ein
Geſpenſt heranſchleichenden Waſſerſluthen bei nacht~
licher Weile umzingelt und einige Tage lang von
allem Verkehr mit Bagdad abgeſperrt; kein Menſch
wagte es, ſeine geſunden Gliedmaßen dem durch—
weichten und kniehoch uüberſchwemmten Erdreich an~
zuvertrauen; eine Compagnie Soldaten, welche ſich
wegen der Unruhen an der perſiſchen Grenze in
Chanakin befand, rettete ſich auf die Palmbͤume, auf
denen ſie zwei Tage bleiben mußten, wahrend viele
ihrer Maulthiere umkamen. Selbſt in Bagdad
war man nicht ohne Sorgen vor der Ueberſchwem~
mung und man traf bereits Vorkehrungen; die in den
Serdebs (den unterirdiſchen Sommerwohnungen)
befindlichen Gegenſtaände wurden eine Etage höher
geſchleppt; das Waſſer kam jedoch nur bis an die
Fenſter des Serai, welches nahe am Fluße liegt, alſo
doch weit genug, um den Bagdadern Schrecken und
Furcht einzuflößen. Auch ans dem Fluſſe ſelbſt ging
allerlei Unheil vor ſich; die beiden Bruücken welche den
Verkehr auf den beiden Tigrisufern nnterhalten,
wurden von den Fluthen weggeriſſen und ſo war der
Berkehr lediglich durch die runden Pechboote zu ver
mitteln, von denen mehrere umſchlugen, wobei gegen
zwanzig Menſchenleben verloren gingen.
Jett, nachdem das Waſſer ſich verlaufen bat, laäͤßt
der Paſcha die Leute Reis ſaͤen, welcher in dem feuch—
ten Boden ſehr gu gedeihen wird. Es thut aber
auch noth. Die Armuth und das Elend iſt bereits
ſo grenzenlos, daß Mütter ibre Säͤuglinge auf die
Straße werfeu, um ſich ihrer zu entledigen. Nur ein
Beiſpiel. Eine Bettlertn bittet Voruͤbergehende um
ein Almoſen fur ſich und ihr ausgehu gertes drei~
jaͤhriges Kind, welches mit ſeinen ausgetrockneten,
vfeifenrohraͤhnlichen Aermchen, ſeinem gelben Geſicht
und ſeinen eingefallenen Augen einen herzzerreißenden
Anblick gewährt; als die Bettlerin ſah, daß ihr
Flehen die Voruübergehenden kalt ließ, warf ſie, mit
einem Fluch auf den Lippen, das Kind heftig auf
das Straßenpflaſter, wo das Geſichtchen ſogleich von
Blut überrieſelte; die Mutzer ging von dannen, das
Kind nicht weiter beachtend, welches liegen blieb und
erbäͤrmlich wimmerte; wie ich ſpaͤter erfubr, ſoll eine
mitleidige Türkin das Kind aufgehoben und adoptirt
haben. Aehnliche Scenen ſollen wiederholt vorge
kommen ſein. Mord und Diebſtahl, die Kinder des
Hungers und des Elends, ſind an der Tagesordnung,
wie ſich dies von ſelbſt verſteht. Einen Nachtwächter
fand man dieſe Woche gebunden und todt auf der
Straße liegen. Eine alte Frau, welche allein lebte
und große Reichthůmer haben ſollte, wurde ſeit einigen
Tagen von den Nachbarn nicht geſehen; man erbrach
das Haus, und fand die Frau ermordet im Bette
liegen, ihre leeren Kiſten und Kaſten neben ſich. Die
Wittwe eines penſionirten Paſchas wurde mit einem
Stilet mehrfach verwundet, doch ſoll dies ein Fall der
Privatrache geweſen ſein. 7
Dieſer Unſicherheit des Lebens und Eigenthums
dürfte nun ſchwer ein Ziel zu ſetzen ſein; denn Rie—
mand wagt es einen Verbrecher zu verrathen, Nie~
mand würde gegen ihn zeugen und ſich ſeiner Rache
au oſepen. Die offentliche Meinung geht ſogar ſo
weit, ſich gegenſeitig im Vertrauen mitzutheilen, daß
die Organe der öoffentlichen Sicherheit die Helfers
belſer der Verbrecher ſind. (Augob. Allg. 3ig.)
—ltalien Wer jemals die Gegend Poleſine
die Rovigo bereiſt bat, muß den Eindruck von ihr ge
nommen baben, daß über ihr beſtändig ein Damok
lesſchwert am dünnen Faden hängt. Hoch über dem.
Neveau der Gemarkung, von grünbewachſenen Dͤm
men eingeſchloſſen, treibt der hier faſt 400 Meter
breite Po ſeine Gewaſſer dem Meere zu. Dem prü
ſenden Auge erſcheinen ſie den ſchweren Waſſermaſſen
ſich entgegenſtemmenden Erdmauern aur als eine
ſchwache Schuhwehr, deren Durchbrechung unermeß~
liche Verwuſtung im Gefolge haben mͤſſe. Dennoch
waren ſeit dem lehtem Dammbruche etwa hundert
Jahre verſloſſen, und im Vertrauen auf die Feſtigkeit
der Einfriedung hatte ſich vor einigen Jahren eine
|Actiengeſellſchaft gebildet zur Urbarmachung der zwi
ſchen dem Po und dem Valli di Comacchio liegenden
Laändereien. Aber am Abend des 28. Mai trieb der
in der Regel langſam anſchwellende Eridanus ſeine
Fluthen plbtlich zu ungewohnter Höhe und ſprengte
ſeine Feſſeln in der Gegend zwiſchen Guardo~Ferra
reſe und Ro. Bald zeigte der rechte Damm eine 100
Meter weit klafende Lüuctke und die wůthenden Flu—
ihen ergeſſen ſich über dao ihnen widerſtandlos Preis
gegebene Flachland. In kurzer Zeit ſtanden Re
Guarda~Ferrareſe, Bocca, Ruina, Cologna, Copare
unter Waſſer, und den Bewobhnern gelang es
Mube, das nacte Leben zu detten. Die ganze von
ſra Noth !betroffene Bevolkerung beziffert ſich auf
411,000 Seelen. Die meiſten haben ſich nach Ferrara
geflůchtet, wo ter Baracken untergebracht ſind.
Tagtaglich langen neue Flüchtlinge auf Barten au
Ferrara hat ne o eidigungs~
zuſtand geſett, um die ~ ſer abzu~
wehren. Nilerweile ſoe ni ſich der das Land be
deckende neue See einen Ausweg nach hem Meer
bahnen zu wollen. Die Hauptader ſteht bereits bei
Meſola. Es iſt ůbrigens notoriſch, daß im Venetia—~
niſchen die Waſſerbauten viel ſorgſamer bewacht wer~
als in der Provinz Ferrara, in Folge der ungleich
beſſeren öſterreichiſchen Geſetzgebung.
—— ——
„St. Louis iſt höchjt liberal“. Der groß~
artige Eurtn der den Sangern von Porkovolis in
der Metropole des Miſſiſſippi Thales zu Theil wurde,
hat einem hochſt Aib t republikaniſchen Dichter—
Genie zu einein e Jammer- Schauer~ und
Trauer ~Gedicht in zwei Geſaͤngen Veranlaſſung gege~
ben, deſſen erſter Geſang wir hier folgen laſſen.
Der Empfang.
Sanger von Schweinſtadt, ich heiß nns willkommen
An der Miſſiſſippi bluͤhendem Strand
Freue mich, daß Wir ſo zahlreich gekommen,
Drücke zum Gruße Euch liebend die Hand.
Fielen zu Hauſe die Biſſen oft ſchmal,
Wiſſet: „St. Louis iſt höchſt liberal!“
Scheuchet binweg jetzt die Sorgen und Klagen,
Macht's Euch bequem und thut wie zu Haus,
Sollte jedoch ſchon der Hunger Cuch plagen,
Zei ed raon und ſogleich kommt der Schmaus.
Lans mich Euch ſagen, ein anderes Mal,
Wiſſet: „St. Louis iſt bochſt liberal!“
Jubelt und ſingt und ſchießt Purzelbäume,
Denn Eurer wartet ein feines Ouartier,
Storen die Wanzen vielleicht Eure Traͤume,
Goͤnnt ihnen freudig dies kleine Plaiſir.
An dieſer Wanzen unendlicher Zahl
Seht ihr'os: „St. Louis iſt hoöchſt liberal!“
Wonnige Stunden „verſpricht“ uns St. Louis,
Und im Verſprechen bietet man's nit,
Eine Million verſprach es im Hui
Germania's Wunden zu ſtopfen damit.
Ob es bezahlt ward, das iſt ganz egal
Wiſſet: „St. Louis iſt n liberal!“
Sänger von Schweinſtadt, ich heiße willkommen
„Mich“, „Euch“, und „Alle“ zum ſre Feſt,
jhi: Ihrt Euch gleich ein wenig beklommen,
enkt, daß den Sangern der Mud nje verlaͤßt.
„Es lebe St. Louis ! Es lebe dreimal die Stadt,
Die ſich zeiget ſo furchtbar liberal!“
—— ——
Nobles Pathengeſchenk. Das Teufgeſchent
welches nach italieniſcher Sitte der Prinz Humbert
der Kronprinzeſſin von Deutſchland am Tauftag ihres
Kindes überreicht hat, beſteht in einem volſtäͤndigen
Schmuck aus Gold, Perlen und Rubinen, der in
einer Kiſte römiſchen Styls eingeſchloſſen iſ. Dieſe
ſelbſt iſt aus vergoldeter Bronze und feinſter Moſait
in Nachahmung jener der beſten Zeiten wie. B. der
capoitoliniſchen Masken, zuſammengeſett. Das Ganze
wurde nach einer der eleganteſten Zeichnungen deo
Herzogs v. Semoneta ausgefuͤhrt. Der Schmuct iſt
zuſammengeſeht 1) aus einer königlichen ſozenannten
St. Adelbeitskrone, welche naͤmlich aus Kreuzen und
Scheiben, die mit Einſchnitten verſehen, gebildet iſt;
beide haben goldenen Grund uud Einfaſſung, ſind
mit Perlen und Rubinen beſetzt, und ſͤnnen vom
goldenen Reif abgenommen werden, welcher blos mit
Rubinen beſeht iſt, um ſelbſtſtͤndig als Spangen zu
dienen. 2) Einer Halsokette von grehen grauen
Perlen der ſchönſten Qualitãt, welche voa einem gol—~
denen Reif herabhängen, der, ähnlich nie die Krone,
mit Rubinen beſetzt iſt; ſie werden durq lange Gold~
ſtͤbchen in der Art von Stielen gehalten. 3) Einer
breiten Spange, welche aus Gold urd Edelſteinen
ſehr reicher Arbeit, ſowie die Krone und Halskette ge~
ſchmückt iſt; ſie gleicht ganz einem Schildchen, die an
der berühmten pala d'oro in St. Marce zu Venedig
zu ſehen iſt. 41) Endlich aus einem Pear Ohren~
gehaͤnge, welche aus zwei großen birnenfoörmigen
Perlen beſtehen, die mit Gold und Rubinen geſchmüct
ſind. Der ganze Schmuct trägt den Charakter des
10. Jahrhunderto, und toöͤnnte als in ravennatiſchen
Styl bezeichnet werden. Die umſchließende Kiſte iſt
im Style der Arbeiten aus der Zeit der Antonine ge
halten, der beſten der rein romiſchen Kunſt. Die
Arbeit geht aus der Werkſtatte des berühmten Ca
ſtellani hervor.
Von einer Modedame tann man bei der
gegenwaärtigen gedrücktten Lage des Landes und beil
der in Folge deſſen eingetretenen gedrücktten Lage
ihrer ſelbſt erwarten, daß ſie etwa folgende Summen
jaͤhrlich fuür Bekleidung ihrer Perſon verausgabt:
Hüte 96 L, Coiffures 72 L, falſches Haar 20,
Corſets 10 L, Waäſche 200 L, Schuhe 48 L, Hand—
ſchuhe 40.L, Kleider 0 L; macht fur den benei
denowerthen Gemahl eine Summe von 1282 1.
Schmudthſachen ſind nicht hierin einbegriffen, aber es
iſt angenſcheinlich, daß weniger als 1000 L ſich nil
dem Reſt der Ausſtattung nicht vertragen würden.
Dies iſt allerdingoõ das Budget einer ſelbſtſtaͤndigen
Modedame, wie ſie im Buche ſteht, oder, um mich der
Worte meines Gewähromannes zu bedienen, „une
dne clegante mais honnete“. Um zu ſehen, was
wirklich Geldausgeben heißt, müſſen wir zu Denje
nigen gehen, die ſich darauf beſchraäͤnken, „dames
elegantes“ zu ſein. Hier tennt die Verſchwendung
gar keine Grenzen, und ich will nur beiſpieloweiſe
anführen, daß eine dieſer ſuperlativ elegauten Damen
in einem Jahr mehr als 1000 O für die friſchen
Blumen in ihren Zimmern ausgiebt.
——
Vorn oder hinten. Ein engliſches Blat
riacht folgenden Witz über die gegenwärtigen Frauen~
huͤte: „Ein luſtiger Bruder hatte ſeine Seele dem
Tenfel verſchrieben unter der Bedingung, daß dieſer
ihn zu einer beſtimnten Zeit holen dütſe, wenn er ihm
nicht eine Frage von dreien vorlegen konne, die ſeine
hölliſche Majeſtaͤt nicht zu löſen vermoöͤge. Die Zeit
kam heran und mit ihr ſtellte ſich Mr. Satan pünkt~
lich ein um ſeinen Schützling in Empfang zu nehmen.
Dieſer aber hatte noch keine rechte Luſt und wollte ſich
von ſeinem Rechte, ſich von einem unauſloͤsbaren
Raͤthſel lostaufen zu töͤnnen, Gebrauch machen. Er
legte alſo dem Teufel eine Frage über Theologie vor,
die dieſer lachend beantwortete. Auch die zweite
Frage loöſte der kluge Satan ohne alle Mühe. Nun
trat dem Verkauften der Schweiß auf die Stirne,
denn es ſtand ihm nur noch eine Frage zu Gebote und
löſte der Teufel ſie auch, ſo mußte er ohne weitere
Gnade mit ihm abmarſchiren. In dieſem kritiſchen
Moment kam die Frau des Vertaufteu in's Zimmer
mit einem neuen Modehut auf dem Kopfe, als ſie die
Verzweiſlung ihres Mannes ſah, ſagte ſie lachend:
„Ich tkann dem Teufel eine Frage vorlegen, die er
ſtcher nicht beantworten kann: er ſoll mir ſagen,
welches an meinem Hute der vordere und welches der
hintere Theil iſt?“ Mr. Satan beſah den Hut von
allen Seiten, allein je laͤnger er ihn betrachtete, deſto
unſicherer wurde er. „Das findet der Teufel nicht
aus“, ſagte er ſchließlich und verſchwand. Der
Mann war gerettet.
—— ——
Das Weltfriedens Muſitfeſt in Boſton.
Ueber die erſte Feſtwoche berichtet der
Correſpondent des „N A Journals:“
„Eine Feſtwoche des Boſtoner Weltfrie
dens Muſikfeſtes hätten wir hinter uns,
nnd will ich einige Rückblicke ans daſſelbe
werfen, Die Deutſche Kunſt hat in allen
Branchen den Sieg davon getragen; die
großartige und mit Stimme überreich be
gabte Sängerin Madame Peſchka· Leut~
ner, ein Phaͤnomen, gebildet in ganz aus
gezeichneter Schnle dabei eine herzig-
öne hat wohl die Ehre ver—
jent, det Stern des Muſikfeſtes genannt
n werden, wenn wir kritiſch referiren ſo
wohl, ãls rapportiren, wie,Publikus“in
gelin è Raſerei verfiel; es wͤre zu wütn
ndei dieſes herrliche Talent, mit einer
Stimme, deren Umfang noch nie erreicht
wurde, vom viermal geſtrichenen Ges bis
zum tiefen G (unter der Linie), alſo bei
nahe 3 Ottaven, guch die New Horter Ge~
ſangsfreunde entzücken wůrde.
Nach ihr muß ich der Grenadier-Garde
Kaiſer- Franz Regiments· Muſik die Ehre
geben ſie wurden mit großer Emphaſe
empfangen, ſpielten ſehr virtnos und be
ſiegten durch ihre Präciſion, Sicherheit und
eminente Fertigkeit die beiden Mitbewer
ber im Siegesringen· Dieſe beiden, das
franz. Garde ue Muſikceorps
bläſt ſehr effektvoll, entwickelten in mehre~
ren Piecen ganz großartige Momente,
aber eine gute Portion von Leichtigkeit
ließſie über Praciſion und Takteinheit hin
wegſehen. Die engl. Gardemuſiker blieſen
mit mehr Gefühlswärme und Gemüths
tiefe: ſie wnrden Beide verdienterma—
ßen ſehr ausgezeichnet, aber die Preußen
haben geſiegt darüber iſt ſelbſt die hie
ſige Preſſe den Deutſchen von jehern—
ünſtig einig geworden. Nächſt Die—
-2 nenne ich eine andere muſikaliſche Be
rühmtheit: Johann Stranß, den Beherr—
ſcher tanzluſtiger Beine der ganzen Welt;
in welches tn der Erde wäre nicht ein
Walzer von Strauß gedrungen? Seine
Aufñahme hier war coloſſal an Beifall
und ehrenvoll für ſeine und für die Kaſſe
der Entrepreneurs. Franz Abt hatte
gleichen effektwollen„Sueceß“ mit ſeinem
Liede: „Wenn die Schwalben heiniarts
ziehn,“ das von eirea 10,000 Sangern
und 1100 Muſikern exekutirt wurde, und
eine Wirlung auf das Publikum, das
ſehr bewegt zuhörte, ausübte, wie uoch
kein ſo herzliches, einfaches Lied erzielt
hat. Abt kann ſich ůber ſeine großen und
ehrenvollen „Succeſſe“ nuͤr freuen. Ein
wackerer Berliner Pianobirtuos, Franz
Brendel auch er geſiel ganz außerot
dentlich und mußte gewöhnlich eine Da
capopiece zum Beſten geben; darin ſind
die Veſucher des Muſikfeſtes eigen, ſie
wollen für ihre 5 Dollars Entree auch ge
nüůgenden Ohrenſchmanus. Jedes Conzert
dauert in der Regel von 3 8 Uhr.
Von den Amerikanern nenne ich Wm.
Wheli, der eine eminente Virtuoſitäͤt in
ſeinen Clavierpiecen mit der linken Hand
lallein) entwickelte; Pianiſtin Mad. God—
dard, die ſich als talentvolle Salonvirtuo—
ſin bewährte und Hrn. Keller, der eine
effektvolle Hymne (Ciniges Deutſchland)
componirte, dieſe Sr. Maj. dem Kaiſer
Wilhelm zuſandte, der die Dedication auch
dankend annahm, und die vom würdigen
Beteranen der Muſik, Keller, in dem vier
ten Conzert aufgeführt und von ihm diri—
girt wurde. Der Chor zählt eirca 10, 000
Stimmen, das Orcheſter der Militärban—
den an oder über 1000 Mann, mit den
Banden 300 Mann mehr, der hrofeſ
ſionelle Chor mit den,Bouquet of hielg
ungefähr 300 Stimmen! das Gebäude
des Coloſſeums faßt im Ganzen Sitze für
die Zuhoͤrer an 26000 Stehplätze
noch an 10,000 Mann Raum gebend; die
Akuſtik des colloſſalen und hohen, luftigen
Gebäudes iſt ansgezeichnet, die Banart
ſchr ſolid und feſt, der Styl elegant, die
Ausſtattung mit den Fahnen der ganzen
Welt, mit den Wappen aller Staaten
prachtvoll und für ſonſtige Anſtalten, wie
Poſt, Telegraph, Polizei, 100 Mann ſta
biler Fenerwehr mit 100 Dampfſpriten,
Waſſer Waſheabinet iſt beſtens und mit
groter Verſchwendung an Raum geſorgt.
An der über 110 Fuß langen„Bar“ un—
ſter der Conzerttribüne, unſichtbar dem
Publikum, aber dieſem zugänglich, befin
den ſich wohl über 40 Aufwärter, 1 Du
gend Zahlkellner, die jeden Tag eirca 2
300 Faß Bier aus der Pfaff ſchen Brau—
erei berzapfen. Superintendent dieſes
großen Etabliſſements iſt der früher in
New Yort domizilirte Hr. Knappe, dort
Lebensversicherungsagent, hier ſeit Jahren
ſecin wohlhabender Reſtaurateur. · Gegen
über dieſer wohltätigen Anſtalt beſinden
ſſich noch 3 oder 4 gleich lange,„Bars“ au
denen Kuchen, Butterbrod, Kasse oder
Thee verabreicht wird Wein und Spi
rituoſen ſind ſtrenge verpönt verſteht
iͤ von ſelbſt hier. Dabei gibt es noch
kleine Conditoreien in Fülle, Buchhand
lungen, Apfelſinnenhändler und auf dem
Feſtplatze eine Unmaſſe von Eß- und
Trinkbuden, Carrouſſel, Schaukeln Schieß
buden, ſowie ein ungehenrer Luftballon
von 30 Ellen Durchmeſſer, der nach Au—
kündigung ans dem Schilde 100,000 Fuß
Waſſerſtoffgas enthält. Der Ballon, ein
fwahres Monſtrum und Wunder von
Kunſt und Solidität, liegt an 2 Seilen
Idie durch eine Dampfwinde das Steigen
lund Fallen des Ballons reguliren. Die
Gondel iſt ſehr bequem für 20 eomforta~
ble Setze eingerichtet; er ſteigt in der Re—
gel 1500 Fuß hoch, ruht dort ſich immer
drehend, und geht wieder herab; zu der
Fahrt hinauf und herab wird Stunde
inceluſive der Ruhepauſe auf dem höch-~
ſten Punkte gebraucht; die Fahrt ko—
ſtet 1 Dollar, rentirt ſich ganz enorm und
die Gondel iſt faſt immmer auf Stunden
him Voraus beſtellt.
VBoſton, 23. Juni. Das heutige „„sa
fered Concert““ war nur von 10,000
112, 000 Perſonen beſucht. Die Bänke für
den Chor zeigten große Lücken; über
5000 Sänger fehlten auch einige hundert
Orcheſter Muſiker glänzten durch ihre
Abweſelheit. Es heißt jedoch, dies habe
darin ſeinen Grund, daß Viele, die in
ihre Heimath in der Fähe für den Sonn—
tag gereiſt waren, keine Gelegenheit zur
Rücktehr hatten; ſie bedachten nicht, daß
fam Sonntag keine Bahnzüge fahren.
Das Programm kam zu allgeneiner
3ufriedenheit zur Ausführung. Die her—
vorragenden Theile deſſelben waren: der
Geſang der Frau Peſchka Leutner, die
ſßortraͤge des dentſchen Horn -Quartetts.
IHrn. Arbuckel's Cornet· Solo und der
Chorgeſaung. Frau Lentner ſang die Arie
der Königin der Nacht aus der „Zauber—
fflöte“ und erregte durch die Geläufigkeit
ihrer Triller und Fiorituren einen immen ſ
Beifallsſturm. Das kaiſerlich deutſche
Sͤnger Cornet-Quartet nußte zwei Mal
acapo blaſen. Auch die Reger erndeten
jel Beifall. Während dieſer Woche wer
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eben werdͤn Der Eintrittspreis iſ
nochmals heruntergeſetzt Beim Erſcheinenſ
der Garde · Capelle brach ein Beifallstoſen
aus wie Dounerton und eerbrauj
s Coiſſtem bar heute ůberfüllt —AI
les wollie dieDeutſchen“ hören, und da.
der Ruf der Peſchka - Lentner bereits bisf
zur „kleinſten Hütte“ gedrungen, ſo war der
Verkauf von eirca 24,000 Tickets eine er—
freuliche Thatſache für den Triumph der
deutſchen Kunſt. Noch vor dem Kriege
1566 in Germany wurden die damn.
med Dutehman bon der iriſch · engliſchen
Bevölkerung hier verſpottet und verhöhnt
jetzt, nach dem glorreichen Kampfe
mit La France ſchließen dieſe Stämme
ihre Werkſtätten und kaunfen 85 Tiekets,
um die dentſchen Muſiker zu hören, die
ihrem kapferen Grenadierregimente tapfer
im Kampfgefielde voranſchritten; und wer
von den Anglo- Iren kein 85 Ticket erriů
gen konnte der ſaß um's Coliſſeum herum
auf Mutter grüner Erde und die Zahl
dieſer Brüdet Naſſaner und Freiberger
überſtieg geſtern 20,000 Koöͤpfe. So ändern
ſich die Zeiten, die Franzoſen durch ihr
rüdes Benehmen verhaßt, und die Dent
ſchen beliebt und geſucht, aber auch ge—
fürchtet.
So muß es kommen, ſagt Schnabel.
Als ſich der Beifallsſturm beim Begrü—
ßen der Capelle etwas gelegt hatte, nahm
die Mannſchaft ihre pompöſen Helme mit
rothen Büſchen ab und begann mit einem
Potponri ůber Motibe von Meyerbeer's
Propheten; nach dieſer Nummer folgt die
Onverture zu „Oberon“ von Weber.
War ſchon nach dem Potpourri der Bei—
fall einſtimmig, ſo verdiente die Steiger
ung des Beifalls die Capelle in hohem
Grade, denn ſchöner und effektvoller wird
dieſe herliche Ouverture wohl nie wieder
gehört werden. Die dritte Nummer war
eine Seleetion über die „Manzanilla—
Baumſeene“ aus Meyerbeer's Afrika—
ſnerin. Anch dieſe Nummer wurde mit
Beifall überſchüttet.“ Aber iſt eine Stei
gerung beim Beifallstoſen wohl möglich?
Na Sie hätten hören ſollen, wie Bob,
Jonathan und John Bull und Mace Iron
ſich jnbelnd erhoben, als der,Jankee Doo
dle und KRule Britania“ ertoͤnte; die
Capelle mnßte noch einmal repetiren, und
wollte abmarſchiren, das aber verhinderte
hein ungehenerer Cheers Bis da gab
Saro den Muſikern einen Wink, ſie ſehten
die Helme ans und ſtellten ſich in Front
dem Publikum gegenüber und ans das
erſte Zeichen ertöͤnte markig und impoſant
„die Wacht am Rhein“ das, Lied
das die Deutſchen zum Siege geführt
hatte; es war ein feierlicher Augenblick;
nach jedem Berſe dacapo die deutſchen
Zuhörer ſangen mit und mit den groöͤß~
ten Dankeshuldigungen mit Tuſch und
Donnerton der Rieſeitorgel begleitet zogen
die Dentſchen ab.
Nun zu Franz Abts erſtem Auftreten
ſin Boſton. Sobald derſelbe erſchien, er
hoben ſich die ſäͤmmtlichen Sänger und
Sängerinnen an 10,000 Stimmen
zählend von ihren Sitzen und begrüß—
ten freudig ihren Geſangsmeiſter, den
„Liebling der Kamöne“ würde Göethe ihn
genannt haben, und das war ein echter
und wohlverdienter Sängergruß, in den
das Publikum mit energiſchem Ausdruck
lebhaft miteinſtimmte. Abt dirigirte ſein
laltes„Wenn die Schwalben heimwärts
zieh'n (wie es im Engliſchen heißt: When
vhe Swallows homeward fy,) welches von
dem Geſammtchor, Orcheſter und Orgel
exekutirt wurde. Der Sopranz und Te
nor des großen Chores ſangen die erſten
beiden Verſe mit Orcheſter, und im drit
ten Verſe ſehte der Geſammtchor und die
Dampforgel Fortiſſimo ein und brachte
durch dieſes Arrangement einen Effekt zu
Wege, der ſo nachhaltig war daß ſelbſt
Abt mit ſichtlicher Rührung dem Publi
kum dankend den Sängern ſeine hohe Zu
friedenheit bezeugte. Ich glanbe nicht
daß Franz Abt jemals in ſeinem Leben ſo
wieder mit dieſen Maſſen von Sängern,
Muſikern, in ſolcher Vollkommenheit ſein
altes herziges Lied wieder hören dürfte.
1— ; ;
Ein Winter im Salzkammergut. Aus
dem „Hotel Schafberg“ in Salzburg, ſen—
det der F P ein Iſchler Freund
„Schneeglocken“ und ſchreibt, wie er vor
geſtern (am Montag) zu Schlitten ans
der See von Strohl in ſechs Minuten
1 St Wolfgang erreicht habe. ,Von da
ging's ohne die geringſte Beſchwerde in
7 drei ein halb Stunden auf die Höhe des
Schafberges, der nicht ſo viel Schnee hat,
wie die Ringſtraße in Wien. Die Luft
unbeſchreiblich rein; zur Stunde, 3 Uhr
Mittags: im Schatten drei, in der Sonne
11 Grad über Null. Der Mondſee iſt
; zur Hälfte zugefroren, die andere Hälfte
teuchtet himmelblau, der Wolfgangſee iſt
bis ans eine kleine Stelle zugefroren Vom
See herauf zu uns auf den Schafberg
dröhnt ein Gepolter, wie wenn kiſtenbela
dene Wagen über ſchlechtes Pflaſter gehen.
Es iſt der See, der ungeduldig gegen die
Eisdecke peitſcht und ſie berſten machen
möchte. Das wäre ein Schauſpiel für
den „Eisſport“! Der blaue Atterſee
glänzt uns diamanthell entgegen. So
unbegrenzt iſt die Fernſicht, daͤß wir dent
lich den „hohen Kaiſer“ bei Kufſtein vor
uns ſehen. Die Haushälter des „Schaf
Hotels“ erzählen Wunder von dem Nord—
licht der vergangenen Nacht.“
j
Pius' IX. Geſundheitszuſtand ſcheint
gewiſſermaßen die Sorge zu rechtfertigen,
rile alle Höfe gegenwaͤrtig in Betreff
des bevorſtehenden Conelave durch die
·Ernennung von Geſandten am römiſchen
Stuhle an den Tag legen. In der That
·hatte er vor einigen Tagen eine lange
·Ohnmacht nnd die Aerzte machten die
Beobachtung, daß dieſe Ohnmachten
fimmer länger, logiſcher Weiſe alſo eine
davon kein Ende nehmen werde. Cardi—
ſnal Auntonelli hat allen Mitgliedern des
tdiplomatiſchen Corps ertlärt daß der
Papſt ein für alle Male keinen geiſtlichen
Geſandten, noch einen Diplomaten em
pfaugen könne der zugleich bei ihm und
Mr Fmanuel beglaubigt wäre, da
es ſte Vielen die irrige Anſicht ver
ſtärken und leg timen koönnte, der heil.
Stuhl koͤnne der weltlichen Macht ent—
behren. Vielmehrbetrachte der Papſt
ſich ſtets als legitimer, weltlicher und po—
litiſcher Souverain des Patrimouiums
St Petri, Umbriens, der Mark und der
Romagna, und wolle als ſolcher yonatlen
Höfen betrachtet ſein, widrigenfalls er
deren Vertcetung bei ſeiner Perſon als
ganz üůberflüſſig erachte.
Der Prinz bon dte und die preu
hiſchen Plünderer. Der Prinz-von Wa—
les hat einen Leib-Telegraphiſten in ſeiner
Nähe; der ůber das tegrapyien u Leben
und die großen Thaten des zukünftigen
Königs vom Auslande her Bericht erſtat
tet Die „Daily News“ iſt das dazu
auserleſene Blatt. In der,,DailyNews“
welche auch hente noch weſentlich fran—
zöſiſche Neigungen hat, wurde dieſer Tage
ans Paris telegraphiſch mit Sperrſchrift
gemeldet: Der Prinz habe bei Goupil
die durch Herrn Thiers ans der Kunſt-
Ausſtellung verbannten Gemälde von
Deteille und Ulman beſichtigt, welche
„preußiſche Plünderungsſeenen“ darſtell
ten, „große Bewunderuͤng über beide Ge
mälde, beſonders über das menſne
ausgeſprochen und ſich Photographien
von beiden beſtellt.“ ;
Dieſe äußerſt wichtige Mittheilung ſoll
die franzöſiſche Shmpathien des Prinzen
wieder einmal in's Licht ſtellen und der
hieſigen (Londoner) deutſch ·geſinnten Par
tei, zu welcher auch die Koöͤnigin gehört,
eine Naſe drehen. Der Prinz hat ſich
eben kaum von ſeiner Krankheit erholt, ſo
iſt er auch wieder ganz dert Frühere!
Eine eigentliche Beſſerung iſt bei ihm
offenbar nicht eingetreten.
Der Prinz ſtand bekanntlich ſeit Jah
ren mit ſeiner Mütter auf möglichſt
ſchlechtem Fuße. Daſſelbe war, nur in
erhöhtem rdr mhen ihm und ſeinem
Vater der Fall geweſen. Die Heirath
des Prinzen mit der „däniſchen Roſe“
(Tochter eines deutſchen Vaters und
einer deutſchen Muttet, die aber zu Dä—
nemark hielten) wurde gegen den Willen
der Königin Vietoria durch Lord Palmer
ſton eingefädelt, der ans dieſe Weiſe Eng
land in's däniſche Intereſſe ziehen wollte.
Seitdem hat der Prinz in ſeiner Umge—
bung ſtets dänenfrenndliche, dentſchfeind
liche Geſinnungen an den Tag gelegt.
Gleichzeitig gab er zu wiederholten
Malen eine ſtarke Hinneigung zum 80~
napartismus kund, deſſen Regierungs
weiſe und „geſellſchaftlichen Sitten“ auf
den politiſch deſpotiſch geſinnten, perſoönlich
änßerſt ſinnlich lebensluſtigen Prinzen
eine große Anziehnngskraft ůbten. Auch
darin ſtand er in entſchiedenem Wider
ſpruche mit ſeiner Mutter, die ſeit der un~
angenehmen Berührung, welche ſie noth—
gedrungen mit Ludwig Napoleon bei
Uebergabe des Hoſenband-·Ordens hatte,
ſich beharrlich von näherem Verkehr mit
dem Tuilerien Hofe fernhielt.
Der Sieg Napoleons 111. wäre gleich
bedentend mit einer Bedrohung Englands
geweſen. Und da franzöſelt und bonapär
telt dieſer Thort von einem engliſchen
Thronfolger und ſucht ſogar Hrn. Thiers
in den Schatten zu ſtellen, weil dieſer
3 Bonlevaärds Idee von den deutſchen
Plüůnderern nicht zur amtlichen Anerken
nung will gelangen laſſen! Wahrhaftig,
dem Prinzen von Wales wäre kein Leib—
Telegraphiſt ſonderu ein Hüůter nöthig.
Eine unterbrochene Todtenwache.
Unſern Leſern iſt jedenfalls ſchon von
Hörenſagen das Todtenwache der Irlän
der bekannt.
Es wird dabei ſchlechter Tabak aus
Gypsköpfen geraucht, viel Whiskey dazu
getrunken und man ergeht ſich in Lobeser
hebungen über die Tugenden des Ver—-
ſtorbenen.
Herr lim OHara, ein biederer Jünger
der grünen Inſel welcher in Knorxville ſei
nen Wohnſitz aufgeſchlagen hatte, wurde
ſrorgeſtern zu ſeinen Vaätern verſammelt
und wurde dadurch die iriſche Bevölkerung
des genannten Städtchens nicht wenig in
Aufregung verſetzt.
Da Herr? O'Hara ziemlich „gut ab“
war, ſo fanden ſich Freunde genug ein,
um eine ſtattliche Todtenwache zu ſor—
miren Man konnte am Abend keinen
Sarg mehr bekommen und legte ſomit die
irdiſche Hüůlle des Herrn O'Hara auf ein
Brett, unter das man zur beſſeren Con—
ſervirung des Cadavers drei große Säcke
Eis Lotet hatte.
Die Wache wurde mit Eifer gehalten
ſund geraucht ward, daß man, um in's
gimmer zu gelangen, mit einem Säbel
die Luft hätte durchhauen müſſen. Ge—
lgen Mitternacht, als der Whiskey auf
die Neige ging, drüekte ſich der größte
Theil der Wächter, nur 7, gerade ein Gal
gen voll, blieben znrück. Sie kämpften
ganz gewaltig gegen den „Sandman“
und fielen ſchließlich alle in einen geſun
den Schlaf. Auf einmal plaudanz
geſchah ein fürchterlicher Schlag der
todie O'Haro lag mit offen ſtehenden An
gen und Mund zu ihren Füßen auf dem
der
Ein gräßlicher Schrecken befiel die Wäch
ſter; ſiegtürzten in unbändiger Haſt zur
Thüůre (nd Fenſter hinaus, wobei Licht,
Tiſch und St—ůhle umgeworfen wurden.
Im Hof angekommen, bewaffneten ſich
die Aengſtlichen mit Knütteln und einer ~ :
Miſtgabel, um, falls der Todte wieder er·
wacht ſein ſollte, dieſem zu Leiberzn gehen.
Im Hauſe war übrigens Alles ruhig
Nach etwa einer halben Stunde banden
die Beherzteſten der Haſenfüße eine La—
terne an eine Stange und leuchteten in
das Zimmer.
Da lag der todte O'Hara noch wie
vorhin. Sie ſahen nun auch, daß das
Eis geſchmolzen und in Folge deſſen der
Kerpis auf den Boden gefallen war.
Die Wache wurde bei einem friſchen
Schnapskrug wieder enttttonmen
(Emigrant und Beobachter im Süden.)