Savannah Abend Zeitung. (Savannah [Ga.]) 1871-1887, July 10, 1872, Image 2
Kurze Notizen.
2 21—
zDeutqland. Im Sheoht der Milr
tärberwaltung, iſt das Erlernen des Schwim~
meno in leptrer Zeit mehrfach erwogen worden.
Man iſt bisher darauf bedacht gewe ſen, vornͤmlich die
Vioniere und Füuſilier · Batalllone ͤm Schwimmen
unterichten zu laſſen; jetht dehnt ſich dieſer Unterricht
auf alle Truppengattungen aus. Rachdem die vom
Berliner Turnlehrer Auerbach erfundene Schwimm~
lernungomethode gepruft und prattiſch jeyt zur An~
wendung gebracht worden iſt, tritt eint neue Erfin~
dung hinzu, die ihrer Idee nach originell iſt.
Man dente ſich ein Karouſſel; an den eiſernen Stan~
gen, an welchen ſonſt die Pferde und Gondeln haͤngen,
ſind breite Gurtt angebracht, in welche ſich die Zog~
linge in horizontaler Lage legen. Die Uebungen
werden von allen Lernenden nach dem Kommando des
Zahlens 1,2, 3 gemeinſchaftiich gemacht. Durch
die gleichmaͤßige Agitation ſetht ſich das Karouſſel in
Bewegung und bringt auf dieſe Weiſe eine ſchnelle
Rotation hervor. (Danz. Dampfboot.)
Eine ſehr hübſche Illuſtration des Verhältniſſes
awiſchen Lehrer und Gemeinden an vielen Orten wird
aus einer unweit von Poſen gelegenen Ortſchaft mit~
getheilt. Dort beſindet ſich vor dem Schulhauſe in
einem Thurme eine Glocke, mit welcher die Kinder
zur Schule gerufen werden. Als durch den haͤufigen
Gebrauch der Strick, an welchem die Glocke gezogen
wird, reparaturbeduůrftig war, wendete ſich der Lehrer
an den Ortoſchulzen und die Schulvorſteher mit dem
Antrage, einen neuen Strick zu beſorgen, worauf ihm
jedoch der Beſcheid wurde, daß derjepige, welcher
denſelben zum Lauten benuhte, auch fuür Anſcha ffung
eines andern zu ſorgen habe. Der Lehrer, welcher
ſich dazu nicht verpflichtet fuͤhlt, ſann auf Abhilfe; er
nahm ein Strohband und befeſtigte es an dem abge~
riſſenen Stricke. Da ertoönte an einem Tage zu einer
ungewohnlichen Zeit die Schulglocke. Erſchreckt eilen
die Bewohner mit blaſſen Geſichtern aus ihren Wohb~
nungen, um zu ſehen, ob Feuer oder welche andere
Gefahr ihr friedliches Dorf bedrobe. Aber, o Stau~
nen ! Ein maͤchtiges Schwein ſteht unter dem Thurme,
hat die mit Kornen gefullten Aehren des Strohbun~
des im Maule, zerrt an demſelben und ſchlͤgt es ſich
wolluſtig um die Ohren. Alles iſt emport. Gin
ehrbarer Kreis der einflußreichſten Maänner des Ortes
tritt zuſammen, um über dieſen unerhörten Vorfall
* Beſchlůͤſſe zu faſſen. Fama erzahlt, ſie ſeien nach
langer Berathung daruůͤber einig geworden, die
Veranlaſſer dieſes Vorfalles ſtreng zu beſtrafrn, die
erſchrectten Dorfbewohner aber zu belohnen. Das
Schwein ſei dem Eigenthuümer zu confisciren, zu
ſchlachten und zu verſpeiſen, der Lehrer aber als
ein Verſchwender zu erklren und ſeine Anträge um
Gehaltserhoͤhung fuͤr immer zurůck zu weiſen, weil
er am Stroh gefuüllte Aehren gelaſſen habe.
Aus Memel wird geſchri~ben: Unſer reſp
der Nachbarkreis Heydekrug iſt reich an eriminellen
Produkten Heute erfahren wir eine neue Schauer~
ihat aus Stankißlen, Kreis Heydekrug. Der dortige
Lehrer wurde vor einigen Tagen vermittelſt Einbruchs
beſtohlen. Die Spur der Diebe führte nach einem
unweit gelegenen Roggenfelde und bier fand der
Lehrer am Morgeu nach der That ſeine entwendenten
Sachen, in verſchiedenen Sacken verpackt, vor., Es
lag ihm nun nicht allein an den Sachen, ſondern auch
an der Entdeckung der Thaͤter und kam er zu dem
richtigen Schluſſe, daß dieſelben ihren Raub wobl erſt
zur Nachtzeit holen wuͤrden. Unſer muthiger Lehrer
fühlte ſich ſtark genug, um in der derauf folgenden
Nacht ſowohl ſein Eigenthum zu ſichern, als auch die
Thaͤter dingfeſt zu machen und begab ſich, unbewaffnet
ganz allein nach dem Verſtecke. Er brauchte nicht
lange zu marten. Mitternachtlicher Weile betrat ein
robuſter Mann in Begleitung eines ebenſo kraͤftigen
Frauenzimmers das Feld. Der beherzte Lehrer rief
ſie an, aber ſtatt zu weichen, packte der Räuber den
erſteren und warf ihn mit kräftiger Fauſt zu Boden,
indem er dem Frauenzimmer ein aufgeklapptes Meſſer
zureichte. Waͤhrend nun der Lehrer von den Bandi—
ten niedergehalten wurde, bearbeitete das Weib den
Körper des Lehrers mit dem Meſſer nach Kräften,
bis ſie glaubte genug gethan zu haben. Der Lehrer
war ſcheintodt. Nach einiger Zeit erwachte er uud
nahm alle ſeine Kraͤfte zuſammen, um ſeinen Geiſt
in ſeiner Behauſung aushauchen zu koönnen. Er
kroch auf Vieren nach dem freien Felde und winkte,
da er der Sprache nicht maͤchtig war, einem Arbeiter
zu, der indeß dies Signal nicht beachtete. Nach wei
terem Fortſchleppen gelang es dem Lehrer einen
Fuhrmann durch Zeichen herbeizurufen, wonächſt die ~
ſer, die Lage des Lehrers fofort erkennend, denſelben
ſofort nach Hauſe ſchaffte. Hier verſammelte ſich als~
ſobald die Dorfjugend um ihren allgemein beliebten
ſterbenden Lehrer. In dieſen Trauerkreis wurde auch
eine im Roggenfelde gefundene Muͤhze gebracht und
als Jemand die Frage richtete: „Kinder, kennt
denn Niemand dieſe Müͤte ?“ antwortete ein Knabe:
„die gehoört ja meinem Vater.“ Darauf hin beſuchte
man den letteren, fand ibn ſowie ſeine Frau mit
blutbefteckten Kleidern vor und verhaftete beide. Als
di es wůrdige Paar Behufs Recognition dem Lehrer
vorgeführt wurde, war derſelbe ſeinen maſſenhaften
Wunden bereits erlegen. Wir hoffen, daß das Ge
richt auch ſonſtige Beweismittel herbeiſchafen wird,
um die ruchloſen Thater zu uüberführen.
Bei der Frobnleichnamsproceſſion in Poſen, iſt
es zu einem bedauerlichen Exceß gekommen. Ein
Fremder, welcher mit ſeiner Gattin in der Naͤhe des
Aufzuges vorüberging und den Hut nicht abnahm, iſt
von fanatiſirten Prozeſſtonszüglern gemißhandelt und
mit Steinwürfen am Kopf verletzt worden. Wann
wird endlich ſolchem Unfuge geſteuert werden. Wie
kommen Proteſtanten und Juden dazu, derartigen
fatholiſchen Umzügen Ehrerbietung zu erweiſen?
Hoffentlich nimmi die Staatoöregierung aus den an
ſo vielen Orten vorgelommenen Erxceſſen Anlaß, die
Prozeſſionen auf das Innere der Kirche zu beſchränklen.
Wahrend der letten zwei Jabre war ein Mor-~
monenemiſſͤt, Namens Chriſtiau Hanſen, ein Däͤne
von Geburt, ſehr erfolgreich in der Anwerbung von
Proſelyten in Dänemark, Norwegen und Schweden.
Im Auguſt vor. Jahres expedirte er von Gothenburg
aus zwei Schiſfe mit 700 Auswanderern, meiſtens
Frauenzimmern, via New York nach der Salzſeeſtadt
Die ſchwediſch“norwegiſchen Beboörden legten ihm
wenig Hinderniſſe in den Weg, aber als er auf der
daniſchen Inſel Falſter das Geſchaft fortſeten wollte
wurde er arretirt und ausgewieſen. Er ging nun nach
Warnemünde, dem Vorhaſen von. Roſtock, wo er durch
ſeine Verheißungen von ewigen Glüück und falſche
Vorſpiegelungen ſchon binnen zwei oder drei Wochen
ungefͤhr 150 Menſchen bewogen batte, ibm nach dem
gelobten Lande zu folgen. Er ſelbſt wollte führen,
aber wenige Tage vor der Abreiſe wurde er von der
Roſtocker Polizei erwiſcht und vom Polizeirichter zu
50 Stockprůͤgeln und 6 Monat Gefängniß, abwech~
ſelnd jeden andern Tag bei Waſſer und Brod, verur
tbeilt. Hanſen proteſtirie ganz fürchterlich uud tele
graphirte an Bancroft, den Geſandten der Vereinigten
Staaten in Berlin, aber ebe Antwort kam, van
ihm ſchon die ͤ0 Stoctprügel aufgemeſſen und er in's!
Zuchthaus nach Büthzow abgeführt. Bancroft weigerte
ſich etwas für ihn zu thun, und ſo muß der Mormo~
nenapoſtel und „Elder“ Hanſen ſeine 6 Monate aus
dienen. 1
Frantreih. VPario, 26. Jum Die ſeit einiger
Zeit zwiſchen der deutſchen und ranzoſiſchen Regie ~
auf die R en Truppen be~
ſetten den Landediheile ſind zum Abſchluſſe
gedichen. Die von Deutſchland geſtellten Bedin~
gungen ſind ſehrt günſtig und“ ſind ſowohl von M.
Tiers wie auch von ſeinem Cabinet einſtimmig gebil~
ligt worden. Wahrſcheinlich wird die Räumung
ſofort beginnen. Die Regierung kündigt an, daß
ſte naͤchſtens eine neue Anleihe von drei Milliarden
auf den Markt werfen werde und fordert zu Subſcrip~
tionen auf.
Ultramontane. Belanntlich iſt in Deutſch~
land zwiſchen der Regierung und den verwandten
geiſtlichen Orden ein heftiger Stuait entbrannt.
Dieſer Zwiſt hat ſich ſelbſt in die Kaſernen einge~
ſchlichen, wodurch es nethwendig wurde, den Feld~
propſt Ramszanowoki, der an der Spihße der Militäͤr~
Geiſtlichen in der Armee ſteht und deſſen Amt mit
der Würde eines Biſchofs darf verglichen werden, zu
ſuspendiren. Demgemͤß wurden ihm ſaͤmmtliche
biſchöfliche Inſignien, die Amtsoſiegel, und das ge~
ſammte biſchofliche Kircheninventar, welches aus
Staatsmitteln angeſchafft worden war, abgenommen.
Es wird unſeren Leſern intereſſant ſein zu ſehen, was
für Gegenſtaͤnde zur amtlichen Ausrüſtung eines
Praälaten gehören, und deshalb entnehmen wir der
„Spener. Zeitung“ das Folgende: Dem ſuspen~
dirten Feldyropſt Ramszanowstki ſind vorgeſtern, wie
die „Germania“ berichtet, ſͤmmtliche biſchöfliche In~
ſignien, u. A. auch die Amtsſiegel und das geſammte
biſchöfliche Kircheninventar, welches aus Staatsmit~
teln angeſchafft worden war, abgenommen worden.
Nut das Kreuz und der Ring, welche ihm ſelbſt an~
gehoören, ſind ihm noch geblieben. Folgende einzelne
Gegenſtaͤnde ſind von der Militrbehoörde eingefordert
worden: 1. Ein Miſſale. 2. Ein Evangelium
nebſt Epiſteln. 3. Eine Ceremoniale. 4. Ein
Pontificale Romanum. 5. Ein Velum humerale
von weißem Epingle mit reicher Stickerei in Gold und
Seide. 6. Ein Velum humerale von weißer Cote
satine mit reicher Stickerei in Gold und Seide. 7.
Zwei Vala humeoralia, von weißem Epingle. 8.
Zwei leinene Cingula. 9. Eine vollſtändige Capelle
von weißem Seidendamaſt mit ächt goldgewirkten
Beſaͤthen nebſt Carton. 10. Eine desgleichen von
rothen Seidendamaſt mit goldgewirkten Beſähen nebſt
Carton. 11. Z3wei Gremialien von Seidendamaſt
mit Goldſpitzen und ſeidenen Ouaſten. 12. Zwei
Paar violette Tibialen. 13. Ein Paar rothe Chi~
roteken mit Goldſtickerei. 14. Ein dio rothe San~
dalen mit Goldſtickerei. 15. Zwei geſtickte Mitren,
1 von Gold~ und Ivon Silberſtof. 16. Eine ſei~
dene Mitra. 17. Eine Garnitur goldener Dalma~
til -Ouaſten mit Schnur und Knebeln. 18. Vier
Talare für Meſſediener. 19. Vier Rochottes für
Meſſediener. 20. Ein Biſchofoſtab mit vergoldetem
Knopf nebſt Kaſten. 21. Ein ſilbernes Lavacrum,
Kanne und Becken. 22. Ein ſilberner Teller. 28.
Ein desgl. 24. Ein ſilbernes Chrismatorium mit
Teller. 26. Ein Scepter. 26. Ein Griffel. 27.
Eine Scheere mit ſilbernem Griff und vergoldeter
Stahlſchneide. 28. Ein electroplattirter Handleuch~
ter. (Iſt geſtohlen und noch nicht erſet.) 29. Ein
verſilbertes Weihrauchfaß nebſt Schiffchen und Löffel.
30. Ein verſilberter Weihwaſſerkeſſel nebſt Wedel.
31. Ein vergoldeter ſilberner Kelch mit Stei-~
nen und Emaille nebſt Etuis. 32 Ein Paar ſil—
berne Meßkännchen nebſt Teller und Etuis. 33.
Drei zinnerne Oelbüůchſen. 4. Ein dedes Epis
copi nebſt drei Sedilien von Eichenholz, erſteres mit
drei loſen Sipkiſſen, lethtere mit rothen Sihpolſtern.
35. Ein vollſtäͤndiges Capelle-Ornat mit violettem
Seidendamaſt mit golddurchwirkten Beſätzen u. ſ. w.
nebſt Carton. 86. Ein violettes Gremiale. 37.
Ein Paar weiße geſtickte Biſchofs ·Handſchuhe. 38.
Ein Paar desgleichen violette. 39. Ein Paar vio—~
lette geſtickte Sandalen. 40. Ein Paar weiße ge
ſtictte Sandalen. 41. Eine ſchwarze Biſchofoöca
pelle nebſt Carton. 42. Eine weiße Caſel. 13.
Ein Paar Meßkännchen mit Teller. 44. Eine
Stola violeit und weiß. 15. Eine desgl. 46.
Sechs Miniſtrantenroöcke. 47. Vier leinene Chor
röcke. 48. Sechs leinene Alben mit Spitzen. 19.
Zwölf Humeralien. 0. Zwöolf Purificatorien. 51.
Zwölf Lavabo. 52. Zwolf Corboralien. 3.
Zwoölf Handtücher. 4. Zwölf Cingula. 0.
Eine Kiſte. 56. Ein Brüſſeler Teppich.
Ueber das Naturereigniß, welches am 22.
Mai in den Kreiſen von Riga, Wenden und Wolmar
ſchwere Verheerungen anrichtete und “ Menſchen töd
tete, erfahren wir noch folgende Einzelheiten aus einer
Correſpondeaz der „Rig. 3tg.“ aus Allaſch, 14. Mai
„Schon der Abend des 21. Mai war ein kühler (8
Grad R.) und eben ſo war der Morgen des 22. Mai
tühl mit ziemlich ſtarkem Oſtwinde, der ſich bis 2
Uhr Nachmittags allznaͤhlig ganz legte und einer
großen Stille und drückenden Schwuůle Platß machte.
Der ganze Horizont umzog ſich mit dicten, ſchweren
Gewitterwolken; beſonders aber kamen dieſe aus S.
W., bis endlich zwiſchen 4 und ~ Uhr Nachmittags
ſie ſich wie zu einem ſtarken Gewitter zuſammengezo~
gen hatten und in einen ſtarken Platregen mit einem
oder zwei leichten Gewitterſchlägen und einen einige
Minuten anhaltenden ſtarken Sturm losbrachen.
Kaum war dieſes nur kurze Zeit anhaltende Unwetter
vorüher, ſo bemerkte man in einiger Entfernung, aus
S. W. kommend, eine dunkelgefärbte Wolke, gleich
einem großen Rauche anfſteigen, und hielt ſie anfͤng~
lich auch fuͤr den Rauch eines vom Blitz getroffenen
Gebäudes; doch bald bemerkte man, daß ſie ſich fort
bewegte, und zwar von S. -S. ~W. nach N. ~N.~0.,
immer ibre Geſtalt, oben breit und nach unten ſpihig
zulaufend, ſo wie ihre ſchwarze Färbung beibehaltend.
Es hatten ſich zur Beerdigung eines Kindes einige
Leute auf dem Kirchhofe befunden, und kaum war die
Feier voruüber, ſo bemerkten ſie, daß eine ſchwarzr Ge~
witterwolke mit fürchterlicher Geſchwindigkeit heran~
rückte. Um ſich vor derſelben zu ſchuüten, wollten ſie
das etwa 20 Faden vom Grabe entfernt liegende
Bahrenhaͤuschen erreichen, doch vergebens, im ſel~
ben Augenblicke erfaßtc ſie die Windhoſe, bob die
Menſchen vollſtäͤndig in die Höhe, um ſie weit weg zu
ſchleudern; andere, die bereits niedergefallen waren,
wurden auf der Erde wie Balle gerollt, noch andere
durch auf ſie fallende Steine und Baume ſofort er~
ſchlagen. Ein 12jaͤhriges Mädchen, das bei der
Beerdigung zugegen war, wurde vom Winde etwa 30
Faden weit geſchleudert und ſo zu Boden geworfen,
daß der Hirnſchadel, beide Schultern, wohl auch das
oea gebrochen wurden, und es als verſtümmelte
Leiche der Mutter wiedergegeben wurde. Ein Weib,
das auf der Huͤtung war, wurde ſofort erſchlagen,
und ein Maͤdchen das auf dem Felde Kartoffeln ſteckte
dermaßen verſtümmelt, daß es am Abend des andern
Tages ſtarb.
Außer dieſen genannten Todesfallen kamen noch
andere ſtarke Verleungen vor, wie ein Oberarmbruch,
ſtarke Verwundungen am Kopfe und Oberkoörper, ſo
daß im Ganzen drei Todte und fünf Schwerverwun
dete waren. Kaum iſt man im Stande, ſich auch
|nur'einiger Maßen einen Begriff von der Staͤrke der ſ
Windboſe und deren Berwuůſtungen zu machen. Ab~
geſeben davon, daß auch der ſtärkſte Baum ibr nicht ;
widerſteben koönnen, oiele ganz entwurzelt, viele in der !
Mitte gebrochen und alle durch einander geworfen und /
; viele Daͤcher abgetrngen ſind, iſt z. B. die den Kirch
h hof umgebende, Kalk gemauerte, Fuß hohe Feldſtein l
mauer dermaßen demolirt, als ob ſie mit Karttſchen
zerſchoſſen worden, ja Steine von 2 bis 3 Fuß im
Durchmeſſer ſind bis zu 10 Faden Entfernung ge~
ſchleudert worden. Ein Pferd, das vor
hofe angebunden war, iſt mit dem Wagen überzdie
Fuß bohe Mauer etwa 20 Faden weit in den Kirchhof
hineingeworfen worden, wobei das Pferd geſund ge~
blieben, der Wagen aber zerſchmettert worden iſt.
Aller Ausſagen ſtimmen darin ůberein, daß ſie vom
Winde gehoben worden ſind, was auch der Umſtand
beweiſt, daß alle Verletzungen am Kopfe und am
Oberkoörper ſind. So weit es möglich geweſen, die
Richtung der Windhoſe zu verfolgen, ſo hat ſie, aus
S. S. ~W kommend, anfaͤnglich hier eine Breite von
circa ʒ Werſt gehabt, hat ſich aber auf 92 Werſt Ent
fernung ſchon auf eine Breite von circa ẽ Werſt aus~
gedehnt und dann mehr die Richtung nach Oſten ein~
geſchlagen.. Waſſerlöcher, die uur im heißeſten Som~
mer trocken ſteben, ſind von der Windhoſe bis auf den
leyten Tropfen ausgeleert worden. So weit die Er
innerung der Ldute reicht, hat es dabei weder geregnet
noch gehagelt, noch gewittert. Nachdem die Windhoſe
voruüber war, trat eine Schwüle und Wärme ein, die
kaum zu ertragen war und ſich erſt nach Mitternacht
verlor. Wie das Gerücht geht, ſoll die Windhoſe bis
nach Wolmar hinaufgezogen ſein und namentlich im
ſegewold'ſchen Kirchſpiele arg gewüthet haben. Seit
dem 10. Mai iſt die Witterung ziemlich kuühl mit etwas
Regen geweſen, bis der Servatius am 13. Mai wie
gewöhnlich einen ziemlichen Nachtfroſt brachte.
Die klatholſchen Orden und der Staat.
(Aus der „Spener'ſchen Zeitung.“)
Durch die Jeſuitendebatte iſt die Anf
merkſamkeit auf die katholiſchen Orden
überhaupt undſauf die Nothwendigkeit einer
legislativen Regelung ihrer Stellung im
Staate hingelenkt worden. Es iſt ein
nicht geringes Verdienſt des Prager Pro
feſſors v. 2 chulte, daß er in einer be
ſonderen Schrift nicht nur die bei der Be
urtheilung jener Inſtitute in Betracht
kommenden kirchen- und ſtaatsrechtlichen
Fragen erörtert, ſondern namentlich eine
Menge von ſtatiſtiſchen Materialien zu—
ſammengeſtellt und verarbeitet hat, die
nicht Jedem ſo vollſtändig zugänglich
ſind und zu deren richtiger Verwendung
eine Kenntniß der Verhältniſſe gehört wie
ſie ſelbſt manche katholiſche Theologen und
Canoniſten nicht beſitzen dürften Aus
dieſen ſtatiſtiſchen Daten und juriſtiſchen
Eroͤrterungen, ergeben ſich, ſcheint uns,
ganz von ſelbſt folgende Saͤtze:
1) Die Zahl der Mitglieder der Orden
und der ordensähnlichen Congregationen
iſt in Deutſchland und ſpeciell im Rhein
land und Weſtfalen im Verhältniß zur
Bebölkerung zu groß und hat in den letz—
ten zehn Jahren in viel zu ſtarker Pro—
reſſion eronmen Es beſtehen in
renen über 600 klöſterliche Inſtitute
mit etwa 6000 Mitgliedern. Neun Zehn—
tel dieſer Inſtitute ſind erſt ſeit 1849 er
richtet worden. Die Zahl der Mitglieder
hat sich in den letzten zehn Jahren um
mindeſtens 2000 vermehrt. In den vier
rheiniſch· weſtfäliſchen Diöceſen Köln, Trier,
Münſter und Paderborn, die etwas über
34 Millionen Einwohner haben, giebt es
außer 45800 Wennriſtlieben gegen 300
Ordeusprieſter, gegen 400 Ordensman—
ner die nicht Prieſter ſind und etwa 4000
Mitglieder weiblicher Orden. Es kommnt
in dieſen Diöceſen durchſchnittlich je ein
Prieſter oder Ordensmann auf 332 männl—
iche Katholiken überhaupt, auf 166 männ—
liche Katholiken über 20 Jahre (in Bahern
ſogar auf 218 reſp. 109,) und je eine Or
densfran auf 210 (in Bayern auf 237)
erwachſene Franenzimmer. Für einzelne
größere Städte ſtellen ſich noch abnormere
Verhältniſſe heraus: in Köln iſt jeder 215.
Katholik eine „geiſtliche Perſon“ (Prieſter
oder Mitglied eines Ordens,) in Aachen
jeder 110. in Münſter 61, in Paderborn
jeder 33. Werden die Unmündigen ab-·
gerechnet, ſo iſt faſt jede 20. erwachſene
Perſon in Münſter, jede 10. in Padeborn
eine geiſtliche. Uebrigens haben ſeit 1848
die Mannsorden, mit Ausnahme der de
ſuiten in Deutſchland es nicht zu ſonder
lichem Aufſchwung bringen können; die
Zunahme kommt faſt ausſchließlich auf
die Jeſuiten und der weiblichen Orden.
2) Was den Nußtzen der Orden für die
Bevölkerung betrifft, ſo erklärt Herr v.
Schulte, es exiſtire in Deutſchland kein
Bedürfniß für die Errichtung von Manns
orden, gleichviel welche Zwecke ſie verfol
gen, zumal in den deutſchen Dioͤceſen die
Weltgeiſtlichkeit unbedingt zahlreich ge
nug in manchen überzahlreich iſt. Dage—
gen entſprächen einem vorhandenen Be~
dürfniſſe die weiblichen Orden, welche ſich
mit Krankenpflege, und bis zn einem ge—
wiſſen Grade diejenigen, welche ſich mit
Unterricht (2) beſchäftigen. Unter dem
nationalöconomiſchen Geſichtspunkte ſtel—
len ſich die weiblichen Ordensinſtitute auch
als Verſorgungsanſtalten dar: man darf
annehmen, daß mindeſtens 6000 Mädchen
in ihnen eine Erxiſtenz finden, welche ſonſt
dem Elende oder doch einer kümmerlichen
Exiſtenz preisgegeben ſein würden. Da
die große Mehrzahl dieſer Inſtitute ohne
bedeutendes, viele ohne jedes Bermögen
ſind, läßt ſich auch nicht behanpten, daß
durch dieſelben eine nutzloſe Bindung des
Capitals, alſo eine Schädigung des Natio
nalvermögens eintrete. Emnzelne Orden
freilich, namentlich die Jeſuiten, obſchon
ſie erſt ſeit 20 Jahren in Deutſchland
wieder anſäſſig ſind, haben ein großes
Vermögen erworben. Aunch iſt es irrig,
wenn man meint, der Elementarunterricht
würde durch Ordensperſonen billiger er
theilt, als durch weltliche Lehrkräfte. Was
jene der Gemeinde weniger koſten,
wird durch die freiwilligen Geſchenke der
Gemeindemitglieder mehr als aufgewo—
gen.
3) Die neueren Orden, namentlich die
ſeit der Gründung der Geſellſchaft Jeſu
entſtandenen, unterſcheiden ſich von den
älteren durch eine größere Centraliſation
ſund einen internationalen Charakter.
Waährend die Mitglieder der älteren Or
ſden (Benedietiner u. ſ. w.) regelmäßig
ſeinem beſtimmten Haunſe oder doch einer
beſtimmten Pravinz angehören und nicht
gegen ihren Willen verſetzt werden können
gehören die Mitglieder der Geſellſchaft
Jeſu und der nach ihrer Analogie einge
richteten Orden teinem einzelnen Hauſe
ſund keiner beſtimmten Dioceſe, ſondern
nur der ganzen Geſellſchaft an, nnd ſtehen
dieſelben dem Generalobern zur unbeding~
ten Verfügung. Die meiſten in Deutſch
land Orden ſtehen
unter italieniſchen (römiſchen), einzelne
unter franzoöſiſchen Obern; von den weib—
lichen· Orden haben einige ihre General-
Oberinnen in Frankreich, die meiſten und
verbreitetſten tt Lengrtaenen he
ben einheimiſche Oberen.
4) Die katholiſchen Orden erſcheinen
vom abſtracten Standpunkte aus dem
Staate gegenüber entweder als Vereine
oder als eine Anzahl von Individuen,
welche zuſammenwohnen. Rechtsperſön
lichkeit hat in Dentſchland mit wenigen
Ausnahmen weder der Orden als Ganzes
noch das einzelne Ordenshaus. So
lange die Orden aber von dem Staate
keine Anerkennung und keine Privilegien
begehren, hat der Staat weder Recht noch
Pflicht, ihnen prineipiell entgegenzutreten
oder ſich in ihre Angelegenheiten zu miſchen.
(Herr von Schulte will aber mit dieſein
Sate, wie er S. 59 erklärt, dem Staate
nicht verwehren, Geſellſchaften, deren Sta
tuten und Maximen unmoraliſch ſind, wie
die der Jeſuiten, zu verbieten und die
Niederlaſſung rn ſowie den Eintritt
in dieſelben mit Strafen zu belegen)
Thatſächlich genießen indeß die Orden, ob-~
ſchon ſie keine ſtaatliche Anerkennung be—-
ſizen, Rechte welche über die gewöhnlichen
ſtaatsbürgerlichen Rechte weit hinausge
hen, und mit Rückſicht darauf und auf
die große ſociale Bedeutung der Orden iſt
der Staat berechtigt und berpflichtet die—
ſelben ſeiner Aufſicht zu unterſtellen. Herr
von Schulte ſpricht ſich darum für den
Erlaß von beſonderen Geſetzen über das
kirchliche Vereins- und Genoſſenſchafts
weſen aus, bei welchen von folgenden
Prineipien auszugehen wäre:
a. Der Staat muß in Kenntniß bleiben
von den Mitgliedern jeden einzelnen Hau
ſes; Fremde dürfen nur unter Beobach—
tung der polizeilichen Vorſchriften aufge
nommen werden. Es muß dafür ge—
ſorgt werden, daß das Individuum ſeine
geſetzliche Freiheit behält. Insbeſondere
muß die Aufnahme Minderjähriger ohne
Zuſtimmmung der Eltern verboten und
den Eltern das Recht gewahrt werden,
ihre Kinder auch nach dem Eintrit ohne
Zeugen zu ſprechen.
b Kraänkenhäuſer, Waiſenhäuſer, Schul~
loeale, die Loealitäten der Penſionate u.
dgl. müůſſen der regelmäßigen ſtaatlichen
Aufſicht insbeſondere in ſanitätspolizeili—
cher Hinſicht unterworfen bleiben.
c. Der Staat darf nicht dulden, daß
zum Ertheilen von Unterricht Perſonen
genommen werden, welche ihre Befähi—
gung nicht nachgewieſen haben; Unter—
richtsplan und Schulbücher müſſen eon~
trolirt werden. In dieſer Beziehung hat
die bisherige ſtaatliche Schulaufſicht durch
zu große Nachſicht viel gefehlt. Es iſt
Thatſache, verſichert Herr v. Schulte,
daß geprüfte Nonnen, ſelbſt wenn auf
ihren Namen die Schule anerkannt wor—
den war, ſeitens der Oberinnen durch un—
geprüfte erſetzen wurden, wie das leicht
conſtatirt werden kann, wenn der Staat
einfach unterſucht, welche Perſonen ge—
lehrt, und welche die Prüfung gemacht
haben.
Die mit dem Oeffentlichkeitsrechte ver—
ſehenen Schulen der Nonnen ſtrenge zu
beaufſichtigen, iſt der Staat um ſo mehr
berechtigt und verpflichtet, als in dieſen
Schulen leicht der Schwerpunkt in den
Gehorſam gegen Pfarrer, Biſchopf und
Papſt gelegt, eine einſeitige frömmelnde
Richtung verfolgt und ein Geiſt genährt
werden kann, der dem Staate feindlich iſt.
d. Es iſt unbedenklich, (?) Schulen,
Spitälern, Waiſenhäuſern u. ſ. w. unter
Erfüllung der geſetzlichen Vorſchriften die
Rechtsperſoöͤnlichteit zu verleihen. Es
muß aber geſetzlich beſtimmt werden, daß
eiuer geiſtlichen Genoſſenſchaft nur mit
Staatsgenehmignng irgend ein rechtlich
anerkanntes Inſtitut zur Leitung anver—
traut werden darf.
5) Die vorſtehenden Beſtimmungen
ſind ſo gerechtfertigt, ja ſo ſelbſtverſtänd~
lich, daß ihre geſetzliche Fixirung keine
Schwierigkeiten bieten kann; die Haupt
ſache wird bei ihnen die gewiſſenhafte und
conſequente Durchfůührung durch die Or—
gane der Regiernng ſein. Schwieriger
uud complieirter aber darum nicht min—
der nöthig, iſt die geſetzliche Regelung
der vermögensrechtlichen Angelegenheiten
der Orden. Daß dieſelben vom Staate
nicht anerkannt ſind und alſo nicht die
Rechte juriſtiſcher Perſonen beſitzen, iſt
ihnen thatſächlich hinſichtlich des Vermö
genserwerbes eher förderlich als hinder
lich. Der Orden erwirbt jetzt auf den
Namen eines Mitgliedes. Was ein
Mitglied ihm zuwenden will behält es,
darf aber darůüber nur nach Weiſung des
Obern verfügen. Zur Sicherung des Or
dens für den Todesfall bieten ſich Mittel
genug: Schenkungen unter Lebenden,
Teſtamente, Scheinkaͤufe n. ſ. w. Gegen
den eivilrechtlichen Eigenthümer ſichert
man ſich durch einlnſtrument beim Ein—
tritte oder dadurch, daß mehrere Mitglie-
Käufer oder Erbe werden, mit Klanſeln,
welche die Dispoſitionsfreiheit der Ein-~
zelnen aufheben. Der Orden braucht
nicht als Eigenthümer zu gelten. Will der
Graf H. den Jeſuiten ein Gut ſchenken
der Biſchof S. dieſelben gegen die Polizei
einführen, ſo verpachtet er einem Jeſuiten
oder, damit ſie nicht als Verein erſcheinen
zweien, dreien, um eine Scheinſumme.
Verträge dieſer Art, Erbſchaftszuwendun—
gen an Orden durch Einſetzung eines einzel
nen Ordensmitgljedes als Erben u.dgl. ge~
hören zu den uauedes alt Dingen. Dem
gegenůber ſchlägt Herr von Schulte vor,
durch ein Geſetz zu beſtimmen: Wer noto—
riſch ein feierliches Ordensgelübde abgelegt
hat, iſt unfähig, Eigenthum zu erwerben
und für ſich zu beſitzen, ſowie ein Staats—
oder Gemeindeamt zu bekleiden oder ein
Wahlrecht anszuůnben. Wer notoriſch ein
ſog. einfaches Gelübde in einer geiſtlichen
Genoſſenſchaſt abgelegt hat, befindet ſich
für die Dauer des Gelnbdes in gleicher
Lage; ſobald jemand gerichtlich erklart, er
betrachte ſich durch ſein Gelůbde nicht mehr
gebunden, tritt er in ſeinevollen bürgerli—
chen und ſtaatlichen Rechte wieder ein.
Alle Rechtsgeſchäfte ſind ungültig, welche
den Zweck haben, nicht anerkannten Ge—
ſellſchaſten Vermoögen zuzuwenden.
——
Aus De d. —Graudenz—
Huus Deuſolenr G 2d welche
das Feſt der weſtprenßiſchen Landwirthe
der hieſigen Gewerbeausſtellung zuführte,
iſt verrauſcht. Sie hatte ihren Höhepunkt
am Sonnabend erreicht, an welchem Tage
nebeu der landwirthſchäftlichen Ausſtel—
lung das Wettrennen eine ungewöhnliche
Anziehungskraft ausübte. Ein ſolches
Wogen und Wagenraſſeln auf den Straſ
ſen, die an dieſem Tage an die belebteſten
Theile Berlins erinnern konnten, hat
Graudenz vielleicht noch nicht erlebt. Das
Wetter begünſtigte die Feſtlichkeiten in
ausgezeichneter Weiſe. Ein kräftiger Ge~
witterregen, der zur Mittagszeit Einſpruch
zu erheben drohte, diente nur dazu, der
Luft eine angenehme Friſche zu geben und
den Staub zu bändigen, ſo daß für das
Pferderennen ein beſſeres Wetter kaum
gedacht werden konnte. Die Zahl der
Wallfahrer, die in der vierten Stunde zu
Fuß, zu Roß, zu Wagen nach dem großen
Exercierplatz hinzogen, war eine unge—
heure. Das bedentende Geviert des Renn
platzes ſah man auf drei Seiten von einer
dichtgedrängten Zuſchauerreihe beſetzt,
während in der Mitte eine ſtattliche Rei—
terſchaar, die Actionäre des Unterneh—
mens, Poſto gefaht hatte. Concertmuſik
der hieſigen Militär·Capelle, ging dem
Rennen boran. Ob der Verlauf deſſel—
ben alle Erwartungen befriedigt hat, müß
ſen wir freilich dahingeſtellt bleiben laſſen
denn die Zahl der Theilnehmer an dem
modernen Turnier war nicht erheblich,
die Momente der Spannung verfloſſen
ſehr ſchnell und der weſentlichſte Theil der
Steeple·Chaſe ſpielte auf dem Terrain
zwiſchen Rehkrug und Gatſch, welches den
Fußgängern zu entlegen war. Außerdem
erhob ſich manche berechtigte Klage ůber
das ungenügende Arrangement der Sitz
pläte. Immerhin war der Anblick des
Geſammtbildes ein hochintereſſanter, na-~
mentlich für den, der es nicht ſcheute, den
Schauplatz der Steeple· Chaſe aufzuſuchen.
Das Durcheinanderſauſen der Wagen
und Reiter, die gegen Ende derſelben mit
den Rennern um die Wette das Endziel
j gewinnen ſuchten, war ein unbeſchreib—
iches. Es iſt faſt ein Wunder, daß Alles
ſo glüůcklich von Statten ging, denn einige
leichte Verletzungen abgerechnet, die ein
Mann aus dem Zuſchauerkreiſe und einer
der Renntheilnehmer davon trug, iſt kein
Unfall zu beklagen.
(uebergriffe der Kleriſei.) Die „N.A.3.“
ſchreibt: „Die von dem Herrn Biſchof
von Paderborn ſeiner Zeit ausgeſprochene
Anſicht, daß er nicht nur über die Katho—
liken, ſondern auch über die Proteſtanten
ſeiner Diöceſe Biſchof ſei, hat nicht verfehlt,
allgemeines Aufſehen zu erregen und ent
ſchiedene Proteſte hervorzurufen. Daß
man es hier nicht mit der Anſicht eines
Einzelnen, ſondern mit einer neuen An
maßung der kirchlichen Gewalt überhaupt
zu thun hat, beweiſt der,Civ. Cottolica“
nach welcher die römiſche Kirche das Recht
hat, über Proteſtanten ſogar Kirchenſtra
fen zu verhaängen. Die Beweisſtelle, da—
dirt vom 9. Mai d. I. und lautet: „Die
katholiſche Kirche hat das Recht, mit den
ſchwerſten körperlichen Strafen Chriſten
zu belegen, welche den katholiſchen Geſe—
ßen zuwiderhandeln, namentlich auch
Schismatiker und Häretiker, d.h. Griechen
und Proteſtanten, denn die Kirche iſt nicht
nur ein geiſtiges, ſondern auch ein irdi—
ſches Reich.“ Dabei mag erwähnt wer—
den, daß die „Civilta“ ſchon am 30. April
1869 lehrte: „Es iſt kein Uebergriff,
wenn geiſtige Vorgeſetzte in weltliche
Dinge eingreifen, um nichtig zu machen,
was die weltlichen Geſetze im Widerſpruch
mit den kirchlichen angeordnet haben.
Darum hebt der Papſt auch Verfaſſungen
auf.“ ;
Furchtbares Gewitter in St. Louis,
Mo. Es mochte etwa 12 Uhr geweſen
ſein, als auch das letzte Sternlein vom
Firmament verſchwunden war und das
dumpfe Rollen des Donners in der Ferne
erdröhnte. Bald darnach rieſelte ein ſanf
ter Regen derab und grelle, raſch auf
einander folgende Blitze verſcheuchten für
wenige Angenblicke die Dunkelheit, um
dann die Nacht immer wieder um ſo
ſchwärzer erſcheinen zu laſſen. Es dauerte
nicht lange und der leichte Regenſchauer
hatte ſich in einen Platzregen verwan—-
delt, die Donnerſchläͤge wurden immer
lanter und heftiger und der Zeitraum
zwiſchen Licht- und Schall· Erſcheinung
immer kürzer. Um ein Uhr war der
Kampf der entfeſſelten Elemente in vollem
Gange und währte mehrere Stunden
lang, bis er gegen vier Uhr ſeinen Höhe—
punkt erreichte. Blitz und Schlag folgten
unmittelbar auf einander, von allen Sei
ten des Firmaments zuckten die bläulichen
Strahlen herab und von der Gewalt der
Donnerſchläge erbebten die Häuſer. Dabei
heulte der Sturm und peitſche die Waſſer
maſſen mit unwiderſtehlicher Macht vor
ſich hin. Es war ein ſo furchtbares
Naturſchauſpiel daß ſelbſt den Muthigſten
ein Gefůhl von banger Ungewißheit ůber—
kam und Jedermaun ein baldiges Ende
deſſelben herbeiſehnte. Doch erſt gegen
42 Uhr verminderte ſich der Sturm uünd
gegen 5 Uhr leuchteten wie Anfangs die
Blitze nur mehr aus der Ferne auf. Um
dieſe Zeit ließ auch der Wolkenbruch etwas
nach und als die Dämmeruug der Nacht
ein Ende machte, hatte auch das Gewitter
ausgetobt. Tod und Vernichtung be
zeichneten den Pfad des in ſeinen Schre
cken großartigen Sturmes. Aus vielen
Augen wich der Schlaf und manches Herz
klopfte bebend während der bangen Mor
genſtunden, in welche Blitz um Blitz mit
grellein Licht in das Nachtdunkel hinein
fuhr und Schlag ans Schlag der betäu—
bende Donner dahinrollte. In manchem
Hauſe verſammelte ſich die Familie, ſich
gegenſeitig zu beruhigen, im Gebete Faſ
ſung zu gewinnen ſuchend. Mit jedem
zuckenden Blitze, mit jedem ſchweren Donu—
nerſchlage ſchien auch der praſſelnde Regen
welcher den Sturm begleitete, oder der
Hagel, der mit dem Regen
abwe ſie gn hetaltgugachucn Fen—
ſterſcheiben klirrten und brachen, Bäͤume
wurden entlanbt, Gärten und Felder ver
nichtet, Brůcken, Stege und Straßenüber
gänge weggeſchwemmt, Keller und nieder
liegende Wohnungen überfluthet, Abzugs
kanãle von der Gewalt des Waſſers einge·
riſſen, Schornſteine herabgeſchleudert, ja
ganze Bäume abgebrochen und entwur
zelt und ſelbſt Laternenpfähle umgewor
fen und viele Umzäunungen weggeriſſen.
Die bis jetzt noch ſehr unvollſtaͤndigen
Berichte genügen, um annähernd auf be
trächtlichen Schaden, welchen das Unge
witter angerichtet, ſchließen zu laſſen—
— Ò@ ſ ſ
(Correſpondenz der Charleſton „Deutſche Zeitung.“)
„Ein Mann mit 800, 000 Stimmen!“
Mobile, Alab. 22. Juni.
In Ihrer Zeitung vom 20. d. M. ſah
ich daß Herr Stro hb ach, der Reprä—
ſentant der Neger zu der radicalen Grant-
Nominaitons· Conbention in Philadelphia
dieſen Staat, ganz und gar, für Grant
erklärt; hat hauptſächlich aber alle deutſchen
Stimmen im Staate in Voraus dem
Herrn Cigarrenraucher Grant zum Ge~
ſchenk gemacht hat!. . ·· · Nun kommt je~
doch die Frage: Wer iſt denn eigentlich
der große Mann der ſo viele hundert tau
ſend Stimmen in ſeiner Hoſentaſche he~
rum traägt; wer iſt der Hert Strohbach?“
Dieſe Frage erlaube ich mir Ihnen zu be~
antworten.
Sie wiſſen wohl, daß Alabama im
höchſten Sinne des Wortes, demokratiſch
iſt und daß, im ganzen Staate, nur einige
Kreiſe ſind, wo die Radikalen die Herr
ſchaft haben und das ſind Diejenigen, wo
die Schwarzen die Mehrzahl haben; von
einem dieſer Kreiſe kͤmmt Srohbach, ein
dem deutſchen Volke dieſes Staates bei
nahe unbekannter Mann.
Damit jedoch das Volt ſehen kann,
daß die Deutſchen, ſelbſt in dem Kreiſe wo
ſich Strohbach bewegt, nichts von dieſem
Menſchen hält, der ſolch grobe Unwahr
heiten auf das deutſche Volk ſdieſes Staa
tes ausſpricht, ſo iſt e r von den angeſehen
ſten Deutſchen in „Montgomery“ öffent—
lich als Lůgner erklärt worden.
Hier iſt die Karte:
„Herr P. Strohbach, welchet als Dele~
gat der Radikalen von dieſem Kreiſe zu
der Philadelphia Convention geſandt
wurde, erlaubte ſich, während der Rede
die er in der Verſammlung hielt, die größ
ten Unwahrheiten gegen die plen
Geſinnungen der Deutſchen dieſes Staa
tes auszuſprechen. Die Unterzeichneten
naturaliſirte und deutſchſprechende Bür
ger dieſer Stadt und dieſes Kreiſes, wün—
ſchen es ausdrücklich verſtanden zu haben,
daß Strohbachs Anruf, um die Hülse der
„ſtarken Arme der Regierung“ für un—-
ſere Beſchützung, nur einzig und allein
von ihm ſelbſt herrührt. Wahrheit und
Rechtſchaffenheit verlangen von uns be~
kennen zu müſſen, daß wir völlig Vernei
nen irgend wie Theilnahme, an der un
natürlichen Bemerkung gegen das Volk
dieſer Sektion, zu haben; und daß wir
ganz und gar Verlengnen, in politiſcher
Hinſicht etwas mit dieſem Menſchen im
Gemeinen zu haben:
Joſeph I. Niemann, A. Römer, C. Ganze,
A. Dreiſpring, F. Cruſius, John A.
Haardt, H. Schmiedt, E. Hirſcher, S.
Mareus, C. F. Roemer, S. Marx, F.
Joſt, Val. Opp, C. Kreutzner, John Spar~
renberg, A. C. Koepen, Wm Knautt,
Jas. Bichlee, C. A. Karſch, F. Hinderer,
H. Levh, F. Neuman, John B. Klein,
H. Kraft, I. I. Huchlen, Jacob Strauß,
G. H. Hille, Iſaae Hentz, M. Doßhheimer,
L. Schulein, G. Albright, M. Meyer
H. Straßburger, E. Liebenſtein, A. F
Steffel, John Berger, S. A. Meerſtief,
Ch. Goldſticker, D. Weil, S. Fight, Louis
Götter, I. Ruppenthal, S. Schaſſler, S
Jacobi, A. Schaſſler, Ino Getzen, Lonis
Rich, S. Corzelius. H. Bellingrath, I.
Brockholdt, C. P. Sparrenberger, Peter
Schwarz, Morris Light, Jas. Fries.
Die demokratiſchen Zeitungen in Chi
cago, Philadelphia, New York, St. Louis,
Charleſton nu. A. werdeu höflichſt erſucht.
dem Obigen einen Raum zu geben.
Herman.
San Franeisco. 26. Juni 1872.
In Platt's Halle kam es am Montag
Abend zu ſchmachvellen Scenen. Mrs.
Froſt hielt nͤmlich daſelbſt eine Vorleſung
gegen die Frauen Emanceipation. Eine
Anzahl Blauſtrümpfe hatte ſich indeß ein-~
gefunden, welche es darauf abgeſehen hat~
ten, die Rednerin zu unterbrechen und
durch Ziſchen, Grunzen ~e. einen ſolchen
Lärm ansführten, daß Hr. Meeker, Mit
glied der Geſetzgebung, ſich erhob und
Mrs. Emily Pitts Stevens einer der
Haupt · Uehelthäterinnen erklärte, daß ihr
Betragen gemein und unanſtndi ſei; ein
ſcharfer Wortwechſel war die Folge und
es währte längere Zeit ehe die Ordnung
wieder hergeſtellt werden konnte. Als die
Rednerin ihren Vortrag beendet hatte,
trat Mrs. Stevens mit einer Piſtole in
der Hand auf Hrn. Meeker zu und ver
langte, daß derſelbe Abbitte thun ſolle;
die Piſtole war ihr während der Aufre
gung von einem andern Blauſtrumpf,
Namens Churchill gereicht worden. In
der Nähe befindliche Perſonen legten ſich
jedoch ins Mittel und entriſſen dem weib
lichen Wütherich die Piſtole. Die Affaire
erregte allgemeinen Abſcheu und ſelbſt eif~
rige Verfechter der Frauenrechte tadeln
dieſelbe auf das Schärfſte. Die zweite
Vorleſung der Mrs. Froſt geſtern Äbend
war nur ſchwach beſucht; die Polizei hatte
Vorſichtsmaßregeln getroffen, doch hielten
ſich die Blauſtrůmpfe fern.
——
Rüthſeltafel.
Nit B trag' ich oft ſchwere Laſt,
Nit P bin ich ein ſchlimmer Gaſt.
Nit W bin ich der Sorgen Feind,
Doch nur wenn ich mit R vereint
Und oft mach' ich gar viel Verdruß,
Wenn ich mit N erſcheinen muß.
Auflöſung des Räthſels in No. 63:
Großvaterſtuhl.