Savannah Abend Zeitung. (Savannah [Ga.]) 1871-1887, July 17, 1872, Image 1

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Savannah Abend Zeitung. Prof. C. I. Banſemer, Redakteur. 2. Jahrgang. No. 13. Kette und Einſchlag. Eine Erzählung aus der Zeit der Baumwollennoth in Mancheſter von I. HF.Smith. (Fortſehuna.) „Dann möchte ich nicht an der Mahl zeit, die Ihnen Sambo darauf kocht, theil nehmen ſagte der Pflanzer. „Sie kennen den Süden nicht. Wet etwas auf ſeine Verdannng hält, darf ſich nicht mit ſeinem Koch verfeinden. Die Neger wiſſen ſo gut mit Giften umzugehen als die Borgias. Ueberhaupt moͤchte ich Ihnen, da ich in ſolchen Dingen einige Erfahrnng beſitze, den Rath ertheilen, vorderhand von jedem Verſuch gegen das Mädchen abzuſtehen.“ Der da nahm dieſen Rath ſehr übel auf und würde ihn wahrſcheinlich zurück— rieten haben, wenn nicht in demſelben Augenblick ein Schreiben eingelanfen, wäre, welches ihn und ſeine beiden Ge—- ſchäftstheilhaber unverweilt nach New·Or leans berief. Bei der beabſichtigten Spe kulation galt es ein feines Spiel; denn Welby mußte den ſchlauen Engländer von der Betheilignung ſeines Verwandten an der Fetenenn überzengen, und dies zugleich in einer Weiſe thun, daß der General nicht dafür zur Verantwortung gezogen werden konnte. Troh ſeiner In— gend war er doch dieſer Anfgabe vollkom— imen gewachſen. Ungefähr eine Stunde vor der Abreiſe traf John Bentley den alten Neger, wel cher in der Veranda ſich der Strahlen der untergehenden Sonne erfreute. „Ihr habt uns hente mit köſtlichen Enten anfgewartet, Sambo,“ ſagte er. „Ja „Maſſa; ſie mach der ganze Weg in Eis. Maſſa Raymond lieb ſehre gut Eſſen.“ „Sonſt hätte er natürlich keinen ſo trefflichen Koch.“ „Ha,“ rief der ſchwarze Schüler, von Vatel ſchmunzend; „ſchätz wohl, er verſteh ein und das ander!“ „Auch außer dem Kochen, Sambo?“ „Ja, nicht nur Kochen,“ verſetzte der Neger, ſich würdevoll in die Bruſt wer— fend. „So ſagt Euer Herr.“ Der Sklave drehte den Kopf ein wenig bei Seite und betrachtete den Sprecher mit einem verſchmitzten, nengierigen Aus druck, welcher an Raymond's Vergleich ung mit der Elſter erinnerte. In ſeiner weißen Weſte und Halsbinde hatte er eine groteske Aehnlichkeit mit dieſem Vogel. „Ihr ſcheint Ench anch auf Pflanzen zu verſtehen?“ „Sambo kenn der Kohl, wenn er ihn ſeh,“ verſetzte der Neger lachend. „Ich habe gehört,“ fügte der Englän— der, die Stimme faſt zu einem Flüůſtern er mäßigend, bei, „daß in den Pflanzungen des Südens Manche gut mit Giften um zugehen wiſſen.“ : „Das der Maſſa ſag?“ fragte der alte Mann ſcharf. „Ja.“ Die Antwort ſchien den Schwar— zen in Staunen zu verſezen. „Ich bin in ſolchen Dingen ſehr wißbegierig nnd möchte wohl Enre Geſchicklichkeit auf die Probe ſetzen.“ „Maſſa Raymond voll Poſſen und Unſinn,“ ſagte Sambo. „Er mach nur Spaß.“ „Nein er ſprach im Ernſt.“ Sambo nichts weiß von ſolche Ding.“ Bentley zog ſeine Börſe heraus, durch deren Netzwerk eine Anzahl von Gold— ſtůcken ſichtbar wurde. „Das ein Neſt von ſehre ſchöne Vögel, Saͤr,“ ſagte der Neger, einen ſehnſůch— tigen Blick danach hinwerfend. „Die nicht hecken bei uns. Seit der Krieg nichts als Schein und Noten. Weiße Gentleman komm und bleib bei Maſſa Raymond; aber er gib nichts als ein ſchmutzig Papier, mit fünf oder zehn Dol lars gedruckt darauf. In New-Orleans krieg nicht mehre dafür als drei.“ „Und das Gift, Sambo? Ihr verſteht wohl, was ich meine.“ „Das Muno?“ flüſterte der Schwarze. Obſchon der Engläͤnder dieſen Namen nie gehoört hatte nickte er doch mit dem Kopf. „Es koſt ſehre theuer. Zehn Goldſtück zum wenigſt.“ Der Verſucher zählte ſie ihm vor. „Puh!“ ſagte der alte Mann tief auf~ athmend. ee will alſo wirklich?“ Ja. „Und was damit thun?“ 810ß ein Experiment machen. Wie geſagt ich bin wißbegierig.“ „Aber doch nicht hier?“ Gewiß nicht. Ich kann ſelbſt noch nicht ſagen, wo oder wann ich Gebrauch davon machen werde.“ „Wenn Ihr es thun,“ ſagte der Neger mit einem wilden Blick,„ſo mach Sambo auch Periment. Ihr ſeh die Bäum dort am End vom Garten?“ Ja.“ „Ihr dort warten auf mich, bis ich komm.“ Sambo ging gemächlich nach der Hin— terseite des Hauſes und Bentley in die angedeutete Richtung. Er hatte dem Ne~ ger einigermaßen die Wahrheit geſagt, denn er verband mit der Erwerbung des Gifts keinen beſtimmten Entſchluß, ſon— dern wünſchte einfach in den Beſitz einer Waffe zu kommen, die ihm vielleicht eines Tages nüůtzlich werden konnte. Nach einer Viertelſtunde kam ihm der Neger nach. Das ganze Geſicht des Sklaven er— ſchien verändert zu ſein, denn ſtatt des ge~ wöhnlichen, unbeküͤmmerten, lachenden Ausdrueks ſah man jetzt darin Furche an Furche. : „Ihr doch nicht treiben Spott mit mir?“ ſagte er. : „Im Gegentheil; es iſt mir vollkommen Ernſt.“ Sambo übergab ihm ein Tütchen voll feinen, orangefarbigen Pulvers, wie es dem Engländer ſchien aus den Blumen— kronen einer getrockneten Pflanze bereitet. Die Züůge des Negers ſtrahlten als ihm der bedungene Preis gereicht wurde. „Wie wendet man es an?“ fragte der Käufer. Ihr das nicht wiß? Golly, wie dumm doch weiße Mann. Ein klein Pris, halb ſo groß wie Schnupf bak in ein Glas Wein oder Taß Kasse, und das Blut lau fen zu Hirn das ſein Plerxie.“ „Ich verſtehe Apoplerie,“ ſagle der Engländer. „Plexie Apumplexie, all ein Ding. Wenn ſehre lieb Freind, und er rauch, reib Cigarr, und Blut laufen ebenſo.“ „Der Zigeuner raucht ohne Unterlaß,“ dachte Bentley, als er dem Hanſe zuging. Ein halbe Stunde ſpäter befanden ſich die drei Aſſoſeie in der Banumwollenſpeku— lation auf bdem Weg nach New Orleans. Der zweite Angriff ans Blanche durch dieſelbe Perſon beunruhigte Sam ernſtlich uud er durchſtreifte Abend um Abend die Wälder oder wanderte am Flußufer hin, in der Hoffnung, dem Suchrken zu begeg nen. Er war bei dieſen Ausflügen nicht allein, ſondern wurde in der Regel von mehreren jungen Farmern ans Mr. Auſtin's Gemeinde begleitet, welche, ab— geſehen von ihrer Zuneigung zu dem der ben Engländer, die ihrem Geiſtlichen in ſeiner Nichte zugefügte Beſchimpfung ſehr empfindlich nahmen. Auch die treuen Neger bildeten jeden Abend einen regel mäßigen Schildwachenkordon um das Pfarrhaus, ohne daß deſſen Inſaßen et was davon wußten. Der würdige Miſſionär zog die Gefahr in ernſte Erwägung. Er kannte die wil den Leidenſchaften des Südens zu gut, als daß ſich ihm nicht bald die Ueberzen— gung aufgedrungen hätte, es ſei am beſten wenn ſeine Nichte ohne Säumen mit ihrem Mann nach England aufbreche. Auch Mrs. Glyde drang auf die Abreiſe; denn ſeit ſie John Bentley in der Gegend geſehen fürchtete ſie, er moöchte ihrem Bruder be— gegnen, von deſſen gerechtem Zorn gegen den Verräther an Willie um ſo mehr zu beſorgen ſtand, als Sam nicht zweifelte, daß ſein Bruder auch ſein Erblinden dem falſchen Freunde zu danken habe. Da von New Orleans alle Wochen ein Dampfboot nach Havre abging, ſo lag der Abreiſe kein Hinderniß im Weg; doch un terließ bis auf die letzte Zeit Sam weder ſeine Nachforſchungen, noch ſeine Wach— ſamkeit. Den Tag vor dem beabſichtig— ten Aufbruch ging ihm durch ein Neger, welcher in dem Kahnführer einen Angehö— rigen von Mr. Raymond's Haushalt er kannt hatte, ein Wink zu, welcher iha be— wog, der Nachbarpflanzung einen Beſuch zu machen. Auf dem Weg dahin befragte er einen jungen Farmer ůber den Charakter des Pflanzers. „Er iſt ſo ſo,“ lautete die Antwort; „ſchlimm und gut unter einan der. Ein Mann in den Vierzigen, und wie die meiſten Pflanzer ein großer Lieb. haber von farbigem Frauenvolk, dabei aber. ein Mann von Ehre, denn er hat erſt im letzten Herbſt den Oberſt Sereecher und vorher zwei andere im Duell erſchoſ— ſen. Um ſein Eigenthum zuſſichern, leiſtete er dem Norden den Eid; doch dies kann ihm Niemand zum Vorwurf machen.“ Mr. Raymand empfing ſeinen Beſuch mit der Leutſeligkeit des gebildeten Süd— länders, die ſo ſehr gegen das lauernde, abſtoßende Weſen des Yankee abſticht. Da eben das Lunſch aufgetragen wurde, ſo lud er Sam, ohne abzuwarten, was er wollte, ein, daran theilzunehmen. „Ich muß zuvor wiſſen, ob ich dieſes Haus als renn oder als Feind verlaſſe.“ „Zum Teufel, verlaſſen Sie es, wie Ihnen beliebt; das iſt gleichgültig,“ ent gegnete der Pflanzer, ſich ſtolz aufrichtend. „Sie wollen nicht? Gut, ſo muß ich Sie für eine Minute um Geduld bitten. Er ließ die aufgetragenen Schüſſeln mit der Weiſung, ſie naͤch einer halben Stunde n ſerviren, wieder fortbringen. „Jett n ich Ihnen zu Dienſten.“ „Sie haben in letzter Zeit Gäſte bei ſich gehabt?“ Fat findet mich ſelten frei davon. Einer davon war ein Engländer, ein John Bentley.“ „Welchen Namen haben Sie genannt?“ „Mr. John Bentley, ein Baumwollen fabrikant, wohlbekannt auf der Börſe von New-Orleans.“ „Dieſer Schurkẽ hier!“ rief Sam. „Erlauben Sie mir, Sie daran zu erin nern,“ bemerkte der Pflanzer im Tone größter Höflichkeit, „daß Sie von dem Herrn ſprechen, der kürzlich noch mein war.“ „Wie anders ſoll ich einen Menſchen Savannah, Ga., den 17. Juli 1872. RR——— nennen, der ſich unter der Meske der Freundſchaft in das Vertrauen eines arg loſen Jünglings meines Bruders einſchlich, ihm eine von ihm gemachte c findung die Frucht vieljaährigen Nachdenk~ ens, ſtahl, durch ſeinen Ruin zu Vermö gen kam, und zuletzt, als ſeine Handlungs~ weiſe in offener Gerichtshalle der allgemei· nen Verachtung preisgegeben wurde, einen andern Schurken beſtach, dem Opfer ſeines Verraths das Augenlicht zu rauben?“ „Ich muß ſagen, - Mr. Mit wem habe ich die Ehre zu ſprechen?“ „Ich heiße Hannan“ „Ich muß ſagen, Mr. Hannan, daß in dieſem Fall das Wort ganz paſſend ge· wählt war.“ „Doch von ihm wollte ich nicht ſprechen ſondern von einem andern ihrer Gäſte, einem ſchmächtigen, ſchwärzlichen jungen Menſchen einem von jenen lockeren Burſchen, denen es Vergnügen macht, die Ehre Anderer zu kränken und dam mer zu bringen über aufrichtige Herzen.“ „Sie meinen vermuthlich Erneſt Welby?“ „Wenn dies der Name des Wichtes iſt, den ich beſchrieben“. „Die Beſchreibung der Perſon paßt vollkommen. Im Uebrigen —“ „Wir wollen nuns nicht ans ſeinen Werth oder Unwerth einlaſſen,“ unter brach ihn der Engländer. „Würden Sie wohl die Güte haben, mir ſeine Adreſſe mitzutheilen?“ „Das kann ich nicht.“ Sein Gaſt faßte ihn ernſt in's Aune „Ans das Wort eines Ehrenmannes?“ „Auf Ehre,“ verſicherte Mr. Raymond. „Er Mr. Bentley und noch ein Gaſt, deſ~ ſen Namen ich vergeſſen habe, ſind vor ein paar Tagen nach New Orleans abge— gangen. Bei Welby kann ich wohl an Seitenſprünge .glauben, denn er hatte während ſeines Hierſeins ein Abentener. Eine gelbe Dirne, welche ſeine —“ „Halt die Dame, von der Sie ſpre~ chen, iſt meine Fran.“ Der Pflanzer erhob ſich von ſeinem Stiuhl und machte eine ſteife Verbengung. Der Grdanke einer Ehe zwiſchen einem Weißen und einer Perſon, die, wenn auch noch ſo wenig, Negerblut in ihren Adern hatte, empörte ſeine Gefühle ſo ſehr. daß er ſeine Einladung zu berenen begann. Sie wurde nicht wiederholt. „Ich bin zu lang in Amerika geweſen,“ ſagte der Engländer mit ruhiger Würde um Ihre oder meine Zeit mit dem eitlen Verſuch zu vergenden, Ihnen ein Vorur— theil auszureden. In nächſter Zeit reiſe ich nach England ab.“ „Darau thun Sie ſehr wohl,“ verſetzte der Pflanzer trocken. „Wo die liebliche und begabte Fran,“ fuhr Blanche's Gatte ſtolz fort, „der in Amerika eine ſo ungerechte Behandlung widerſuhr, um ihrer Talente willen be— wundert und wegen ihrer Tugenden ge achtet werden wird.“ Zwti Tage ſpäter brachen die Gäſte des Pfarrhauſes nach New-Orleans auf. Dreiundſechzigſtes Kapitel. Der ehrwürdige Eduard Auſtin fand bei ſeiner Ankunft in der unter militäri ſcher Willkürherrſchaft blutenden Königin des Südens mit ſeinen Begleitern ein Unterkommen in dem Haus eines befreun deten Miſſionärs, wo ſich den Frauen mehr Ruhe, Abgeſchiedenheit und Sicher heit vor offener Gewalt bot, als in dem bewegten Treiben eines Hotels. Die Rei ſenden hatten indeß noch keine paar Stun den in der Staat zugebracht, als Sam ſchon auf den Weg machte, um John Bentley und Erneſt Welby aufzuſuchen. Dem Bruder und Gatten lag es ob, eine doppelte Unbill zu rächen, und er kehrte erſt ſpät nach einem langen erfolgloſen Gang in ſein Quartier zurück. Er las in dem ängſtlich forſchenden Blick ſeiner Schweſter, daß ſie die Urſache ſeiner langen Abweſenheit ahnete, und ſich einer Frage nur aus Furcht für Blanche enthielt, de ren Nerven noch immer in einem hohen Grad angegriffen waren. „Sei vorſichtig ſei klug,“ flüůſterte ſie ihm zu, als ſie ihm gute Nacht wünſchte. „Bedenke, daß eine Fran und eine Schweſter mit ihren Kindern Deines Schutzes bedürfen.“ „Fürchte nichts.“ „lch fürchte für Dich, Sam, in dieſem geſetzloſen Lande, und für ein Weſen, das mir faſt eben ſo theuer iſt wie Du. Eine plötzliche Er— ſchütterung könnte ſie tödten.“ „Du wirſt mich doch nicht überreden wollen,“ verſetzte Sam lachend, „daß Blanche das gen brechen würde, wenn ihrem alten Mann etwas zuſtieße?“ „Es würde brechen, wenn ſie den Vater ihres unge— borenen Kindes verlöre,“ entgegnete Beſ ſie in demſelben halblauten Tone. „Was?“ rief Sam. „Kein Wort mehr darüber. Es ſollte ein Geheimniß bleiben, bis wir unter Segel gegangen wären; aber Du haſt mich ſo geänſtigt, daß ich ſprechen mußte.“ Außer un vor Freude um— ſchlang der ehrliche Burſche die Sprecherin mit den Armen, hob ſie vom Boden auf und herzte und küßte ſie „Du mußt mich nicht verrathen,“ fügte Mrs. Glyde bei, ſobald ſie vor dem Ungeſtüm ihres Bruders wieder zu Wort kommen konnte. „Keine Sylbe kein Wink!“ Und zum Beweis, wie ernſt es dem glücklichen Gat ten mit dem Worthalten war, ſtürzte er ——— lauf das Sopha zu, auf welchem Blanche ſaß fiel vor ihr ans die Kniee nieder und begann ihre Hände mit Küſſen zu bedecken. O, Beſſie! Beſſie!“ rief die junge Frau, nund ein glůhendes Roth überflog ihr Ant ſlit „hällſt Du ſo Dein Verſprechen?“ „Es war das einzige Mittel, ihn in den Schranken der Klugheit zu erhalten,“ ver ſſetzte ihre Schwägerin lächelnd. „Die Männer ſind ſo ungeſtüm.“ —,„Wird es wirtken?“ „Ja, und Tauſendmal ja,“ ſrief Sam, an der Seite ſeiner Gattin Platz nehmend, „beſſer als eiſerne Ketten ſund Riegel. Willie wird mir vergeben,“ fügte er im Geiſte bei. Inzwiſchen waren Bentley und ſein Geſchäftsfreund nicht müſſig geweſen. Sie hatten im Hafen ein liverpooler Schiff, die Schlange unter dem Kommando des Kapitän Drake, aufgefunden Der derbe Mnen war mehr als die Hälfte ſeines Lebens im amerikaniſchen Handel beſchäf tigt geweſen und ſehnte ſich nach einer Fracht, über die er um ſo mehr ſelbſtſtän— dig abſchließen konnte, da ihm ein Mit eigenthumsrecht an das Schiff zuſtand. Als Bentley, den er gut kannte, den erſten Wintk über ſeinen Plan gegen ihn fallen ließ, erklärte er ernſt, daß er ſich mit ſeiner Frau darüůber berathen müſſe. „Und was ſzum Henker hat Ihre Frau damit zu ſchaffen?“ fragte Welby ungeduldig. „Al— lles,“ verſetzte der wohlgezogene Ehemann. „Ich thue nie etwas, ohne ihren Rath ein— zuholen. Geſcheidte Frau ungemein geſcheidt; wäre ohne ſie nie über den Mate inauſͤelomnen “ „lſt die Dame in New-Orleans. „Naturlich,“ antwortete ſder Kapitän „Die Schlange ſticht nie ohne ſie in See“ Er machte ſodann den Gen~ tleman den Vorſchlag, ihn nach dem nicht ſſehr weitentlegenen Boardinghaus zu a2B gleiten, in welchem Mrs. Drake Quar— tier genommen. Dieſe war weit in der Welt herumgekommen, und es gab in den Staaten kaum einen Hafen, den ſie nicht ſchon beſucht hätte; aber das Reiſenhatte ihrem Geiſt keinen Aufſchwung verliehen, der im Gegentheil noch eben ſo tief in Vorur— theilen ſtak, als er ehrlich geblieben war. Namentlich hegte ſie die größte Verach· tung gegen alles Nichtengliſche und ver nie mit den weiblichen Inſaßen der Logirhäuſer, zu denen ſie zeitweilig ihre Zuflucht nehmen mußte, wenn dieſe nicht die Gattinnen engliſcher Kapitäne waren. So kam es denn, daß man ſie den größten Theil des Tages regungslos wie einen eghptiſchen Götzen und ſtumm die Vor gänge beobachtend im Beſuchzimmer ſitzen ſehen konnte. Hiedurch machte ſie ſich at lerdings bei den Damen nicht ſehr beliebt; doch wagte es nicht leicht eine, mit ihr an zubinden, da, Mrs. Drake neben ciuer großen natürlichen Ruhe mit einer ſchar· ſfen Zunge verſehen war und dieſelbe zu ſgebrauchen wußte. Als der Kapitän mit ſſeinen Begleitern eintrat, ſaß ſie eben in der Nähe der Veranda, um vom Hafen her die friſche Seeluft einzuathmen. Außer ihr befauden ſich noch in dem ve ſuchzimmer eine franzöſiſche Kreolin, Ma— dame Eugenie, welche ſchon ſeit drei ſterb— langen Stunden das Piano abquälte die Hausbeſitzerin Mrs. Baze, ihre beiden Töchter und eine weitere Dame, welche in einem Albnm blätterte. Madame Eu— genie fuhr halb theatraliſch zuſammen, ſchante verwirrt umher und ſchloß theil weiſe das Inſtrument, als erwarte ſie die Bitte, daß ſie fortmachen ſolle; da jedoch dies nicht geſchah, ſo ließ ſie den Deckel laut zuſchlagen. ; Mrs. Drake lachte ſarkaſtiſch. „Meine Liebe,“ begann der Kapitän, „ich erlanbe mir, Dir meine Freunde, Mr. John Bent-~ ley und Mr. Erneſt Welby, vorzuſtellen.“ „Mr. John Bentley von Mancheſter?“ fragte die kleine Fran und reichte auf die Bejahung ihres Gatten hin dem Englän— der huldreich die Hand, während ſie gegen den jungen Amerikaner nur den Kopf verneigte. (Fortſetznng folgt.) Milliarden und Millionen. Zufällig befand ich mich vor einigen Tagen auf der Bezirkshaupteaſſe zu Mehtz, um dem Landrentmeiſter einen freund—- ſchaftlichen Beſuch zu machen. Ich weiß nicht, wie sich der Leſer einen Landrent-~ meiſter vorſtellt. Ich für meine Perſon hatte mir, noch ehe ich je einen zu Geſicht bekommen, ſchon im Voraus ſein Bild ausgemalt, wie man ja oft im Leben thut, wenn man irgend eine neue Bekanntſchaft macht. Ein ſtarker, ſtattlicher Mann, der ſchon durch ſeine äußere Erſcheinung im ponirt, freundlich und wohlwollend, aber mit einem vornehmen Anſtrich, natürlich von gewaltigen Rechnungsbüchern und Geldſäcken umgeben, wohl gar in einem Caſſengewoölbe, mit zwei gewehrſchultern den Schildwachen am Eingange . . ... und ganz ſo fand ich den unſrigen. Nur diesmal war derſelbe ſo beſchäftigt, daß er meinen freundlichen Gruß kaum flüch— ſtig erwidern konnte, mich aber trotzdem ſzum Bleiben einlud, um mir etwas zu ſzeigen, das ich, wie er ſagte, wahrſcheinlich ſnoch im Leben nicht geſehen hätte. Und er hatte ganz Recht: das Schauſpiel, das ſich mir darbot, war mir ebenſo nen wie ſintereſſant. Es wurden nämlich gerade auf der Haupteaſſe zehn Millionen em~ ſt32 J ſpfangen, die am Morgen mit der Eiſen bahn angekommen waren. Wie ſich das leicht hinſchreibt und noch leichter lieſt: zehn Millionen! Und welch kleines Sümmchen im Vergleich zu einer Mil liarde, oder gar zu den fünf Milliarden, die Frankreich an nuns bezahlen muß l(ich ſage nicht ohne Selbſtgefühl „uns,“ als bekäme ich anch meinen Theil davon) und doch wiederum, welche Maſſe Geldes dieſe zehn Millionen, wenn man ſie ans einem Hansen ſieht! Zehn zweiſpännige große Gepäckwagen hielten bereits im in neren Hofe des luſtizpalaſtes, in deſſen unterem Stockwerke die Bezirkshaupteaſſe mit ihren Bureaur liegt, und zehn andere kamen langſam hereingefahren, alſo im Ganzen zwanzig. Jeder Wagen hatte außer dem Kutſcher vier Soldaten zur Bedeckung, zu je vier Wagen gehörte dann noch ein Corporal; und zwei Un— teroffieiere und ein Feldwebel befehligten den Zug, der auf dieſe Weiſe ſehr eine mi litäriſchen Provianteolonne glich. So waren ſie auch vom Bahnhofe durch die Stadt gezogen, langſam und im Schritt denn ihre Laſt, die wir gleich näher kennen lernen werden, war ſehr bedeutend. Die franzoöſiſche Bevölkerung blieb ans den Trottairs ſtehen, oder eilte an die Fenſter um den ominöſen Zug paſſiren zu ſehen .Unſer Geld! moögen wohl viele ge— dacht oder auch halblaut, oder da, wo ſie unbelauſcht waren, ganz lant nnd mit einem Fluch geſagt haben. . .unſer Geld! Jawohl, ihr guten Leute, ener Geld! aber wer trägt anders die Schuld daran als ihr ſelbſt? Und dann iſt auch dies ſcheinbar ſo bittere, ſchickſalsharte Wort im Grunde nichts weiter als eine Phraſe, wenigſtens für die neuen Reichs laude; denn dieſe Gelder, die von Paris als franzoöſiſche Kriegseontribntion nach Berlin gegangen ſind, kommen direet von dort hierher zurück, um hier im Lande als Entſchäͤdigungsgelder für die durch Be ſchießung, Brand oder ſonſtige Zerſtörung entſtandenen Kriegsſchäden verwendet zu werden, wobei man ſogar diejenigen be— růckſichtigt, die durch bloße Reqguiſitionen und durch die ſpäter ausgebrochene Rin— derpeſt gelitten haben, und natürlich ſtets lin ſehr liberaler, generöſer Weiſe. In Straßburg allein ſind auf dieſe Weiſe be— reits über vierzig Millionen Franken zur Vertheilung gekoömmen und in der näch ſten eun oer von Metz gegen zwölf Millionen. Doch das nur nebenbei; ich wollte es hier nur als einen neuen Beweis anführen, daß die „ſo ſchwer heimgeſuchte“ Bevölkerung der Reichslande, wie ſie ſich noch immer ſo gern neunt, auch in dieſer Beziehung nicht über Härte oder Rück— ſichtsloſigkeit zu klagen hat. Doch zurück zu unſeren zehn Millionen, Sie werden bereits abgeladen, und wenn wir anders helfen wollen, ſo ſind wir ganz willkommen; denn wenn auch ſchon viel Hände dabei thätig ſind, ſo kann man deren noch immer mehr gebrauchen. Wir würden indeß Arme und Rücken dabei ge~ waltig anſtrengen müſſen; wir thun deß halb wohl beſſer, nur zuzuſchauen. Die Wagen ſtehen in Reih und Glied, und einer nach dem andern fährt an der breiten Steintreppe vor, die in das Caſſengewölbe führt. Das Geld, lauter Fünffranken ſtücke, befindet ſich in ſtarken leinenen ver~ ſiegelten Säcken, deren jeder zehntauſend Franken enthält, und guf jedem Wagen liegen fünfzig ſolcher Säcke, alſo eine halbe Million. Das Gewicht eines Sa ckes beträgt 50 Kilogramm, gleich 100 Pfund, genan genommen 50ã Kilogrammn hdie fünfzig Säcke wiegen mithin etwas über 5000 Pfund, alſo für zwei Pferde hden ſchweren Packwagen mitgerechnet, eine ganz anſehnliche Laſt. Acht kräftige Arbeitsleute tragen auf dem Rüůcken Sack für Sack die Treppe hinauf, durch den kurzen Corridor und in das Caſſenge ſwölbe hinein; ſie werden beim Aufladen von einem Buchhalter controlirt, beim Eettrheben von einem zweiten, und im Gewölbe ſelbſt empfängt sie der Land— rentmeiſter mit dem erſten Caſſirer. Die Säcke werden ringsum an den Wänden aufgeſtapelt, etwa bis in Manneshöhe, dann wird vor die erſte Schicht eine zweite hgelegt und ſofort; denn draußen fährt immer ein Wagen nach dem anderen vor und wird abgeladen. Im Ganzen bilde— hten dieſe zehn Millionen fünfhundert Säcke. Wer einen von dieſen Säcken ſein nennen dürfte, nur einen! denkt viel leicht mit heimlichem Seufzer mancher von den Umſtehenden, (wer weiß vielleicht auch mancher meiner Leſer) und vollends mancher von den Trägern, für die eine ſolche Summe ein Kröſusſchaß wärc. Führe uns nicht in Verſuchung. . . · aber der Gedanke liegt ziemlich nahe, mit einem ſolchen Säcke, iin Gedränge der auf· und abeilenden Leute und Arbeiter, ganz leiſe ſund unbemerkt, anſtatt nach rechts, nach links zu gehen und durch das offenſtehende Foithor u entſchlüpfen. Wenn die fata— len Laͤe nur nicht ſo verteufelt ſchwer wären! Mit hundert Pfund auf dem Rü cken (und „geſtohlenes Gut wiegt doppelt“ ſagt ein arabiſches Sprůchwort) entſchlüpft ſich nicht ſo leicht und läuft ſich noch ſchwe~ hrer, wenn man etwa verfolgt werden ſollte und nun das Weite müßte. In Straßburg ſoll es aber doch im vori gen Herbſt einmal paſſirt ſein, und man ; ʒ. noch heute darüber, wenn zufällig das Geſpräch darauf kommt. Dort wur- I. Stern, Herausgeber. Laufende Nummer 65. den namli h manchmal fünfzig und hun detr niiltonen an einem Lage empfangen je nigen die dabei betheiligt waren, noct mit Schrecken zurückdenken. Und wirklich hatte ich ein Arbeiter, oder vielmehr ein ſßummler, hinzugeſchlichen, ſich mit in ſßeih und Glied geſtellt und ſich auch leinen Sack aufladen laſſen. Einer von ſden wachthabenden Unterofficirene hatte ſden Patron ſofort bemerkt und auf's Korn genommen, ihn aber gewähren laſſen ſum zu ſehen, wie der Spaß ablaufen ſwürde. Aufgeladen hatte er den Sack doch wie nun weiter und wie damit zum Tempel hinaus gelangen? Er ſaßt ſich Muth obwohl ihn bereits ein gelindes Zittern ankommt und anſtatt den anderen ſTrägern zu folgen, macht er Kehrt und waakt mit ſeiner Laſt einige Schritte ſeit ſwärts und noch einige und ſteht lauf einmal mitten im Hofe gauz allein! Nun hätte er gewiß Gott weiß was gege ſben, um den Sack los zu ſein! Der helle Angſtſchweiß ſteht ihm auf der Stirn, der Unteroffizier tritt ruhig an ihn hinan und ſfragt ihn barſch: „Wohin damit? Das iſt der Weg nicht!“ Da ſtottert er einige un ſverſtändliche Worte und bricht dann buch ſſtäblich mit ſeinem Hundertpfundſack zu ſſammen. Ein Paar Soldaten eilen hinzu ſund tragen ihn hinein d. h. den Sat nicht den armen Teufel, den man lanfen läßt, ihm aber doch nachruft, ſich ſuicht wieder blicken zu laſſen was man ſihm gewiß nicht zu wiederholen brauchte Der Leſer ſieht hieraus, daß es gar ſo leicht nicht iſt, von den Millionenſendun gen anch nur einen Zehntanſendfranken ſack zu anneetiren, ſelbſt wenn man Luſt dazu hätte k Manchmal kommen die Millionen auch ſin Gold an und zwar in Zwanzigfranken ſtücken; das iſt dann gewiſſermaßen ein~ yernehmere Sendung, die auch leichter zu handhaben iſt, denn ein Pfund gemünztes Gold in Zwanzigfrankſtücken iſt gleich 15 55 Franken, alſo etwas über 400 Thaler (genau 114 Thaler 20 Silbergroſchen,) 2500 Pfund machen alſo ſchon uͤber eine Million Thaler. Die Goldſäcke ſind viel kleiner, aber aus demſelben groben, grauen ſLeinen, nur daß das Gold außerdem noch ſin Rollen zu je tauſend Franken verpackt iſt J Mit dem Abladen der obigen zehn Mil lionen ſinde ſiunterdeſſen nach mehrſtün diger, angeſtrengter Arbeit fertig gewor den: die Säcke ſind ſämmtlich eingeheimſt die Zettel der verſchiedenen Aufſichtͤbe amten, die Sack für Sack notiren mußten ſwerden dem Haupteaſſirer übergeben und dieſer überliefert ſie alsdann dem Land rentmeiſter, der von dieſem Moment an für die Summe verantwortlich iſt. Als dann, wenn Alles fertig und in Ordnung ů wird die ſchwere eiſerne Thůür des Caſ ſengewölbes abgeſchloſſen, und zwar drei fach, ducch drei verſchiedene Schlöſſer, zu denen die drei erſten Caſſenbeamten, der Landrentmeiſter, der Oberbuchhalter und der Caſſirer, jeder einen beſonderen Schliſſel beſitzen. Dieſe Trias iſt mithin zu dem jedesmaligen Oeffnen der Thür une des Gewölbes notwendig eine Maß~ ſregel, die bei allen Staatseaſſen vorge ten iſt, denn das Geſetz muß ſtets ſalle Eventnalitäten im Auge behalten; bei ſo anerkannten und erprobten Ehren männern, wie nnſere drei freilich blos eine leere Form. Nachts werden die PVg ſten gerdoppelt, und die Schildu, dort im Corridor zwei Stundg ſund abmarſchirt, mag gewiß thümlichen Gefühlen die ( trachten und, wenn ſie and lan das „Seſam, öffne d ſendundeiner Nacht denken jetzt von dieſen Millio ſkein Groſchen mehr ohr meiſters Unterſchrift, un die letzte und wichtigſte, : sende Zahlungsanweiſt vorher noch verſchiede~ die Forderung geprüß terſchrieben haben. U an einem Tage meh gezahlt, ſo daß die oh vorhalten würden, nener Zuſchuß käme. Daß der größte den Summe im La n und zumeiſt in zickfließt, ſagte ich derhole es hier al mal und ließe dieſe rer Schrift drucken, ſNeue darauf hinzn lund liberal die der lhier verfährt und w gelegen ſein läͤßt, als „billigen Forderung recht zu werden, um noch immer unfreu völkerung zu beruhit und die ſchweren Wu zu ſind, weil ja do ſammten heutigen Wel „tigſte praktiſche Rolle ; ſam geeignetſten, und je und zur Vertheilung ge ſer und willkommener berne und goldene Saat? Verſöͤhnungsmittel, auf d Erdreich und wird hoffentlich ; erfreulicher Blüthe ſtehen. ~ (Paul ·Lindau'oõ „Ge