Savannah Abend Zeitung. (Savannah [Ga.]) 1871-1887, July 31, 1872, Image 1

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Sarannah Abend Zeitung. Frof. C. I. Vanſemer, Redakteur. 2. Jahrgang. No. 15. Kette und Einſchlag. Eine Erzählung aus der Zeit der Baumwollennoth in Mancheſter von J F. Smith.. (Fortſetzuna.) Wohl eine Stunde nach Blanche s An kunft an Bord ſaß ſie gedankenvoll auf dem Deck und murmelte vor ſich hin. Das Reſultat ihrer Erwägungen lief da rauf hinaus, daß ſie ſich vornahm, das Treiben des amerikaniſchen Gentleman ſcharf zu beobachten; indeß hielt ſie nicht für klug, dem Kapitän ihren Argwohn mitzutheilen, da er vielleicht ungegründet war. Die drei G tne brach~ ten den letzten Tag ihres Beiſammenſeins bei einem Privatdiner zu. Alles ſchien ſich für ihre Unternehmung günſtig zu ge~ ſtalten, und ſie befanden ſich in beſter Laune. Namentlich war Lin's Heiterkeit ziemlich geräãuſchvoll; er klopfte Bent ley vertraulich auf den Rücken, nannte ihn einen guten Kerl und erklärte, daß er einem ſolchen Freund durch's Feuer fol gen wolle. Welby bemerkte, daß ein will— kürlicher Schander den Engländer über— lief; er ahnte längſt, daß ein anderes In— tereſſe, als gemeinſamer Gewinn, die Bei— den an einander kettete. Dem Amtrika— ner wurde ein Billet ůberbracht; es war von dem angeblichen Polizeibeamten, wel— cher ihm meldete, daß Blanche wohlbehalten an Bord der Schlange ſich befinde, Der Wüſtling lächelte, ſteckte das Blatt in die Taſche, und beſtellte noch mehr mit Eis gekühlten Wein. „Champagner! Das laſſ ich mir gefallen!“ rief der ſchon ſehr aufgeregte zigenner. „Kapitaler Stoff kein ähnlicher in England. Das Yankee— land fuͤr immer! Huſſa!“ Seine Gefähr— ten warfen ihm Blicke des Ekels zu. Das Verbrechen konnte ihnen den Menſchen nicht ſo widerlich machen, als die Gemein— heit. Als der Wein gebracht wurde, mel— dete der Kellner John Bentley, daß ein Herr und eine Dame ihn zu ſprechen wün— ſchen. Daß muß ein Irrthum ſein; ich kenne Niemand hier!“ Eine Dame?“ briülllte der halbtrunkene Lin. „Herein mit ihr!“ Ihr wollt nicht?“ fügte er ſchluchzend bei. „So geh ich ſelber und ole ſie.“ „Behalten Sie das Unthier auf dern Zimmer,“ flůſterte Bentley dem Amerikanc~ zu. „Was habt ihr mit quander? Icrmer Geheimniſſe und Ge~ heimniſſe Ich wcdte auch eines wenn ich damit herausrůcken wollte. Es gibt keine wahre Frenndſchart in der Welt. Wenn einer für einen Kum an jemen Hals riskirt, kriegt er einen Bedau~ mich dafür,“ murmelte der Zigeuner in wei“ ſeliger Sentimentalität. John Bentley begab ſich nach dem Zimmer, das ihm der Kellner anwies, und traf daſelbſt Mrs. Glyde und den Miſſionär, die ſeiner harr~ ten „Beſſie!“ rief er. „Sie werden ſich wundern über meine Gegenwart,“ verſetzte ſein Opfer; „aber es gibt Beweg— gründe gegen welche der Stolz, ja ſelbſt die Vernunft vergeblich ankäͤmpft. Mein Bruder, der offene, edelherzige Menſch, der ſonſt mit ſo unbegrenztem Vertrauen zu Ihnen aufſah —“ „lch habe nichts mit ſeiner Verhaftung zu ſchaffen,“ ſagte Bentley ausweichend. „Aber Ihr Freund?“ „Welcher Freund?“ —„lhr beſtändiger Gefährte in New ·Orleans, der Sie Auch bei dem Beſuch auf Mr. Raymond's Pflanzung begleitete de unmännliche Elende, welcher zweimal ein reines, unſchuldiges Weib zu beſchimpfen wagte“ „Seit wann ſind Sie ein Kämpe für die weibliche Tugend gewor· den?“ entgegnete ihr Zuhörer ironiſch. Ich war würdig, es zu ſein, bis ich Sie kennen lernte,“ verſetzte Beiſie mit Ruhe; „aber Sie wiſſen nichts von Edelmuth.“ Was Henkers branchte ſich Sam in die Angelegenheit zu miſchen?“ rief Bent let durch den verdienten Vorwurf gereizt. Sie ging ihn nichts an.“ „Wie, ſein Weib ginge ihn nichts an?“ —Sein Weib?“ Blanche iſt ſeine fuhr Mrs. Glyhde fort, „und ich möchte ihn lieber im Grab, als in ihm einen mem menhaften Wicht ſehen, der zurückſchrickt, weun c ihrem Schutz gilt.“ „Sein Weib? dch wollte ich hatte dieß frůher gewußt „ iſt nie zu ſpäãt, ein Un— recht gut zu macheu. Benuhtn Sie ihren Einfluß auf den Gencral Butler um ſeine Befreiung j eewirken. In einigen Tagen reiſen wir nach England ab. Es ſt die lette Bitte~die ichje an Sie Cichten werde. Es ſoll geſchehen,“ erwidcte Bentleh ſinſter, denn er sůhlte ſich herab— gewürdigt durch die Rolle, welche ihm die Umſtände anfzwangen. „In einigen Stunden wird Ihr Bruder frei fein.“ Er wußte wohl, daß er durch dieſe Zuſage nichts riskirte, denn es war bereits ausge macht, daß Sam unmittelbar nach Ab fahrt der Schlange ſeiner Haft enthoben werden ſollte. me ſehen uns vielleicht nie wieder, Beſſie, fuhr er fort, indem er ihr die Hand hinbot. Scheiden wir als Freunde “ Die Wittwe ſchůttelte traurig den Kopf. „Wenigſtens ohne Groll,“ ZJa, dies kann ich verſprechen,“ ſagte Mrs. Glyde. Kein Menſch hat das Recht, einem irrenden Mitmenschen Ver— gebung zu verweigern. Um ſo weniger,“ Ngte ſie im Geiſt bei, „wenn er ſich ſelbſt ſchwerer Sünden bewußt iſt.“ Eine Stunde ſpäter benutzten die drei Geſchäfts freunde eine Miethkutſche, um nach dem Einſchiffungsplatz zu fahren. „Lin, Sie haben jetzt Ihre Weiſungen,“ bemerkte Bentley. „Alles recht, alter Kamerad.“ „Laſſen Sie ſich in den Preiſen nicht übervortheilen.“ Der Zigenner antwor— tete mit einem ſchlauen Blinzeln. Ich werde unmittelbar nach meiner Ankunft in England mit Twiſſelton Rückſprache nehmen und Ihnen die nöthigen Fonds ſenden. Leben Sie wohl.“ Erneſt Welby ſaß bereits im Boot. „Wie, Sie geben mir nicht einmal die Hand?“ fragte Lin. „O, freilich “ „Beiläufig, Bentley, geben Sie mir eine Cigarre. Ich habe mein Etui in dem Hotel gelaſſen.“ „Nehmen Sie das meinige,“ verſetzte ſein Aſſoeie, ſehr blaß werdend. „s iſt gerade ein Dußend darin die Sorte, die ich von dem ſpaniſchen Capitän erhielt. Sie finden keine ähnliche in New-Orleans“ „Will's glauben,“ entgegnete Lin, ſich eine derſelben anſteckend. Der junge Amerikaner rief ungeduldig ſeineni Ge— fährten „Leben Sie wohl!“ rief ihm Lin zu. „Geh zum Teufel!“ brunimte Welby. „Dünkelhafter, ſtolzer Narr,“ murmelte der Zigeuner. „Doch Sie kön— nen nicht dafür, Bentley. Ich will Alles recht machen, vorausgeſetzt, daß man mir gerecht wird, ſonſt —“ „Sie drohen mir?“ „Nein.“ „Es klang doch ſo.“ „Nein; ich wollte nur ſagen, daß es ſonſt für uns Beide ſchlimm wäre.“ Bentley ſprang in das Boot, welches raſch dem Schiff zu ruderte. Bald nach— her begann die Schlange ſich majeſtätiſch ſtromabwärts zu bewegen Fünfundſechzigſtes Kapitel. Wir brauchen unſere Leſer nicht daran zu erinnern, daß General Butler bis auf die jüngſte Zeit ein großer Mann war, in einem Sinne wenigſtens, ſofern er eine der gröͤßten Ameen des Norden komman—- dirte, und über eine Großſtadt, wir kön— nen wohl ſagen eine Provinz, willkürlich ſein Szepter ſchwang. Er konnte junge und zarte Damen einkerkern, wenn ſie Lie— der ſangen oder Kleider trugen, die ſeinem Geſchmack nicht zuſagten, konnte wie die römiſchen Kaiſer in den Zeiten der Chri— ſtenverfolgung ehrbare Franen in's Bordell ſtecken laſſen, und ihre Männer, Söhne und Brüder ha, wie muß er die Arena vermißt und den Nero beneidet haben in die Verbannung ſchicken, alles dies unter dem Beifall der herrſchenden Partei in der Nation. Trotzdem hätte es ſin New-Orleans Niemand wagen dürfen, den General anders denn als einen Gen— tleman zu prädiziren. Die rohen Sitten aren noch zart dem Herzen dieſes Man— nes g·genüber. Er hielt es für einen vor— trefflichec· Spaß, Sam gefangen zu halten während ſein ſchurkiſcher Verwandter deſ— ſen Weib entſchrte, und ihn dann mit einem höflichen Bedauern, daß er im Drang des militäriſchen Dienſtes die Sache nicht früher habe abmachen können wieder in Freiheit zu ſetßen. Man wird fragen, iſt, was wir hier leſen, wahr und hat General Butler wirklich ſo gehandelt? Als Dichter könnten wir die Autwort da-~ rauf ablehnen, verſchmähen aber eine ſolche Ausflucht, ſelbſt wenn wir einen Charakter ſchildern, den wir verachten. Butler iſt uns nicht wirklich geſeſſen, aber das Porträt gleichwohl zum Leben treu. Wir haben von ihm eine moraliſche Pho—~ tographie aufgenommen; die Camerawar vortrefflich, und das Objektiv ungetrübt vom Hauch des Vorurtheils oder der Lei— denſchaft; was koönnen wir dafür, wenn das Bild ſo abſchreckend ansfiel? Der General hat kein Recht, ſich z beklagen. Er drängte ſich ſelbſt in den Vordergrund forderte die Kritik heraus, und die Heraus forderung wurde angenommen. Die Preſſe Europas gatrt von Entrüſteten Proteſten gegen ſein Benehmen als Menſch und als Soldat Und nicht nur in Eu— ropa ſondern auch in Amerika, im Norden deſſelben, haben ſich Männerſtimmen er hoben, um den Namen Butler verdienter— maßen als ehrlos zu brandmarken. Kaum war Sam aus ſeiner Haft befreit, als er auf den Flůgeln der Angſt und der Liebe nach der en ver des würdigen Paſtors und blaß wie ein Geſpenſt in das Zimmer ſtůrzte, in welchem ſeine Schwe- und e Auſtin ſaßen. „Wo iſt lanche?“ fragte er, wild umherſchauend. „Mein armer Bruder!“ ſchluchzte Beſ ſie, die ſich ihm um den Hals warf. Der kraͤftige Mann taumelte, wie von einem maͤchtigen Streich getroffen. Der Geiſt lig; naͤherte ſich ihm und faßte ſeine nicht widerſrebende Hand. Auch er vermochte kaum zu rechen. „Die Wege der Vor— ſehung ſind dntel, mein Sohn,“ ſtotterte er und wir fragen aergeblich, warum die Hand Gottes uns ſclaͤgt. Nur die Stimme des Glaubens giͤt uns eine Antwort darauf und heißt uns hoffen. Der ſchwache Menſch kann nichts thun, als mit demũthig gebeugtem Haupt ſich unterwerfen.“ ager iſt Blanche?“ wi— derholte Sam außer ſich Mr. Auſtin wollte in ſeinen wohlgemeinten Ermah— nungen fortfahren; aber Mrs. Glyde winkte ihm zu ſchweigen. Sie wußte aus Erfahrung, wie eitel alle Troſtunsverſuche im erſten Momente eines ſchweren Leides Savannah, Ga., den 31. Juli 1872. ſind, und gab daher ihrem Bruder ſtatt der Worte Thränen. „Todt!“ murmelte Sam. „Nein, nicht todt!“ rief der Geiſtliche haſtig. „Alſo fort mir entriſſen von jenem Schurken! O, ich durchſchaue jetzt Alles der Schimpf, die mir aufgedrun~ genen Händel die Berhaftung und das nn deſebliche Gefängniß. Man mußte den Arm ihres Beſchützers lähmen, um den! ſchändlichen Anſchlag ausführenzu können. Aber ich will ihm nach, bis an der Weltende. Das Grab, ſelbſt der Himmel nicht ſoöl! ihn ſchirmen vor meinen Zorn.“ —,„Wurm“ unterbrach ihn Auſtin mit großer Würde, „verſchließe Dir nicht die Gnadenthore durch Läſterung. „Gott ſteh mir bei!“ rief der arme Menſch, in einen leidenſchaft lichen Thränenſtrom ausbrechend. „Die Kraft; auf die ich ſonſt ſo ſtolz war, nůtzt mich jetzt nichts. und ich bin hülflos wie ein Kind.“ Beſſie fühlte ſich erleichtert bei dieſem Anblick, der einen Bruch des bitterſten Schmerzes in Ausſicht ſtellte, und ließ ihn fortweinen. Dann man ihn allmälig die Einzelheiten des traurigen Ereigniſſes, Blanche s Verlockung durch den angeblichen Polizeibeamten und ihre Entführung auf der Schlange bel „Fort! Für mich verloren auf immer!“ rief Sam. „Hinweg jetzt mit den Thrä— nen; ich werde Zeit für ſie finden, wenn ich die Aermſte gerächt habe.“ Er wollte ſich entfernen. „Wohin?“ rief Beſſie, ſich an ihn anklammernd —,„Die Rache iſt des Herrn,“ ſagte der Paſtor feierlich. „Ich laſſe Dich uicht,“ fuhr Beſſie in ihrer Angſt um ſeine Sicherheit fort. „Wer ſoll mich und meine vaterloſen Kinder ſchützen in dieſem fremden Land?“ „Sei unbeſorgt,“ verſetzte ihr Bruder mit er— zwungener Gelaſſenheit, „ich will ruhig, o, ſo ruhig ſein, daß die Leute ſich wun~ dern werden über meine Geduld. Ich darf mich nicht in die Gewalt der Elen den, die mein Glüek zerſtören halfen, durch eine zweckloſe Rachſucht geben, welche nur die erbärmlichen Werkzeuge meines Fein des treffen könnte. Welby ſelbſt, dieſem Tenfel, muß ich nach. O, daß ich ihm jetzt ſchon gegenüberſtünde!“ Ans engliſchen Konſultat ſand Sam's Geſchichte bei Allen, die ſie hörten, die wärmſte Theilnahme. Der Thatbeſtand wurde in ſcharfen Zügen aufgenommen und dem General Bütler übermittelt, welcher da rauf antwortetete, daß die Sache nicht ihn ſondern die Polizei angehe. Da für ſeine Mitbetheilung anßer den moraliſchen keine Beweiſe vorhanden waren, ſo ließ ſich nichts weiter machen. Sam's Ver ſuche, ihn zu ſprechen, erwieſen ſich vergeb· lich; er wurde von den Wachen des cehe· maligen Advokaten mit Hohn zurückge· wieſen. Endlich begab er ſich nach dem Bureau der Agenten des Kapitän Drake von denen einer, ein Engländer, ihn mit großem Intereſſe anhoöͤrte. „Ihre Fran auf der Schlange entführt?“ rief der Agent mit ungläubiger Miene. „Daß muß ein Irrthum ſein, denn Kapitän Drake iſt der letzte Mann in der Welt, der ſich einer ſolchen Büberei hergeben würde noch obendrein wenn ſeine Fran an Bord iſt. Mrs. Drake hat zwar ihre Eigenheiten, iſt aber ſonſt eine vortreffliche Perſon von gediegenen Grundſätzen. Ver— laſſen Sie ſich daranf, wenn eine Dame gegen ihren Willen an Bord der Schlange verlockt wurde, ſo wird der Schutz gegen die Kapitänsfran ſie gegen jede Gewalt— that ſichern.“ Dieſe Worte goſſen einen Hoffnungsſtrahl in das faſt gebrochene Herz des nnglücklichen Gatten. „Aber warum ihr nicht folgen?“ fuhr der Agent fort. „Sie können vielleicht eben ſo ſchnell zu Land als zu Waſſer nach New— York kommen, Der Wind iſt nicht über günſtig geweſen, und —.“ Sam hörte ihn nicht weiter an. Mit einem Freuden ruf drůckte er dem Sprecher die Hand, dankte ihm und ſtürzte fort. Eine Stunde ſpäter hatte er zu einer Irrfahrt New-Orleans verlaſſen. Seinen Lands—~ mann traf fein Vorwurf, da die wahre Beſtimmung der Schlange ein Geheimniß zwiſchen dem Kommandeur, ſeiner beſſern Hälfte und den Miethern des Schiffs war, „Bitte, geh weg, Mam,“ ſagte die verrͤtheriſche alte Negerin, als Mrs. Drake ſich an der Thüre zu der Kaſüte der Gefangenen zeigte. „Miſſie ſehre ſchlimm; nich ertrag fremde Geſicht“ „Um Gotteswillen verlaſſen Sie mich nicht,“ rief Blanche Im Nu hatte die Schwarze die Hand auf ihre Lipen de drückt, um ihren Hülferuf zu erſticken. Da Sie ſelbſt hor Mam.“ Mrs. Drake hatte ſowohl geſehen, als gehört. Sie war eine ere Frau und nei ohne Zögern in die Kajůte. „Wollt ihr ds arme Geſopf umbringen ?“ fragte ſie. „Umbring ich umbring meine Herze- Miſſie?“ „Die Hand weg von ihrem Mund!“ —,Das allein ſie mach ruhig, Ma'm.“ Mrs. Drake aber ließ ſich mehr von dem bittenden Blick der Fremden, als durch dieſe Verſicherung beſͤmmen und riß einfach die Negerin zurück, die jetzt ans ihrem Kattungewand ein langes alͤnzendes Meſſer hervorlangte. Als die Kapitänsfrau dies bemerkte rief ſie den Maten deſſen Bemerkungen zuerſt ihren Argwohn geweckt hatten und im Nu ſtand der po te Northumbrier in dem Gemach. „Was ſteht zu Befehl, Madam?“ fragte er, achtungsvoll die Hand nach der Stirne führend. „Schaffen Sie dieſe ſchwarze Otter hin~ aus.“ „Sogleich, Madam.“ Die Negerin ſtieß einen dumpfen, drohenden Schrei aus und machte ſich zum Widerſtand ge—- faßt. Sands packte ſie und entriß ihr nach kurzem Kampf das Meſſer aber nicht ohne über die rechte Handfläche eine tiefe Wunde davon zu tragen. „Sind Sie ſchwer berletzt?“ fragte der weibliche Kommandant. „Nur eine Schramme, Madam.“ „Freut mich; aber da ein ſolches Spiel mit Meſſern an Bord der Schlange nicht erlaubt iſt, ſo werden Sie dieſes Weibs— bild unter Deck bringen und in Ketten legen. Der Mannſchaft ſagen ſie, daß ſie keine Notiz· nehmen ſolle von dieſem Vorgang.“ „Ich nicht geh,“ rief die Negerin. „Dies Maſſa Welby's Schiff. Hilf, Hilf Maſſa Welby.“ Der Mate aber machte keine weitere Umſtände, ſondern packte ſie feſt und ſchleppte ſie aus der Kajüte. Die arme Blanche hatte inzwiſchen voll Angſt und Hoffnung zugeſehen, ohne zu wiſſen, was ſie aus dieſem Vorgang ma chen ſollte. Dann aber ſchlang ſie plötz lich die Arme um den Nacken der Be ſchützerin. die unerwarcet von der Vorſeh— ung ſelbſt ihr zugeſchickt zu ſein ſchien, und drückte mit gebrochenen Worten ſhie~ere ihren Dank aus. „Schon gut, meine Liebe,“ ſagte Mrs. Drake, die nur ſelten einer Rührung Raum gab, de ſie dies für t i hielt. „Wie Sie mir meinen Kragen zer drückt haben! Sind Sie gegen ihren Willen von Ihrem Bruder an Bord ge— bracht worden ?“ „Von meinem Bruder? Ich habe kei— nen Bruder.“ „Was Sie ſagen!“ „Aber einen Mann, einen wackeren, edlen, liebevollen Mann.“ „Der in einer der letzten Schlachten ge— gen die Südländer gefallen iſt?“ bemerkte Mrs. Drake mit ruhiger Faſſung. „Ich habe davon gehört. Aber warum gehen Sie nicht in Wittwentrauer?“ „Mein Gatte lebt, oder lebte wenigſtens geſtern noch,“ antwortete Blanche, in Thränen ausbrechend. Ihre Zuhörerin betrachtete ſie zweifelnd. „Man hat ihn drei Tage lang in New -· Orleans gefan gen gehalten, und jetzt begreife ich den Grund. Mein Verfolger wollte ſein Werk ſichern. Aber nicht war Sie retten mich?“ fügte ſie in großer Aufregung bei „Ich bin ein Engländerin wie Sie, oder doch die Tochter eines Engländers Sie werden nicht dulden, daß ich durch die Gegenwart dieſes ſchrecklichen Menſchen beſchimpft werde?“ „Welches ſchrecklichen Menſchen? Doch nicht des Mr. Welby?“ „Er iſt mit General Butler verwandt,“ verſetzte Blanche, „und ſein Einfluß be— wirkte die ungerechte Verhaftung meines Mannes. Da leſen Sie.“ Sie händigte ihrer Beſchützerin das Billet ein, das Mr. Auſtin nach ſeinem Beſuch indem Gou— vernementgebäude geſchrieben. Nachdem Mrs. Dtake aufmerſam gele— ſen, ſagte ſie; „Es war im Anfang ſchwer Sie zu verſtehen, meine Liebe; doch dies rührt wahrſcheinlich daher, daß Sie viele Romane geleſen haben. Ich that dies nie. In Ihrer Lage wäre ich in zwei Minuten mit meiner Geſchichte fertig ge— worden, und Niemand würde r für verrůckt gehalten habe“ „Für berrůckt?“ ie Mr. Welby hat Sie dafr aus gegeben, und ich glaubte ihm Anfangs; denn ſonſt würde ich nie geſtattet haben, das man ſie wie einen Ballen Schmugg lerwaaren an Bord der Schlange brachte. Aber nun ich die Wahrheit weiß —.“ „Um Gotteswillen, Sie werden mich doch nicht verlaſſen, mich nicht allein laſ ſen?“ rief Blanche, abermals ihre Beſchü— tßerin umfangend. „Verlaſſen? nein, für was halten Sie mich?“ entgegnete die Kapitänsfrau tro— cken, indem fiẽ wieder die Umarmung ab— wehrte. „Mein Kragen kommt ganz aus der Form. Seien Sie unbeſorgt; an Bord meines Schiffs ſind Sie vollkommen ſicher Das Schlinne. was Ihnen zuſtoßen kann, iſt eine See reiſe, und die iſt gut für die Geſundheit, ſtärkt die Nerben.“ Sie erhob ſich von dem Kanape, auf dem ſie bisher ge— ſeſfen, ging mit er hqiedenen Schritten welchen ludes ängſtlich folgten. nach der Kajütenthüre und rief den Ma— ten, der bald nachher eintrat. „Wie iſts mit der Negerin?“ fragte die Kapitäns~ rau. „In ſicherem Lerlalnt Die wilde Katze tobt und flucht ſchanerlich.“ „Sorgen Sie dafür, daß die Schiffs jungen nicht in ihre Nähe kommen; ſie lernen die Bosheit ohnehin bald genug. Der Steward ſoll mir den Thee hieher ſchicken; der Kapitän wird den ſeinigen in ſeiner Kajůte trinken.“ „Er ſißzt mit den beiden Laudratten beim Wein,“ bemerkte Sands. „Sie ha~ ben eben nach mehr geklingelt.“ Mrs. Drake ſchien üůber dieſe Nachricht nicht ſehr erfreut zu ſein. „Man ſoll ihnen Kasse geben,“ ſagte ſie. „Iſt geſünder fůr ſie.“ (Fortſetzung folgt.) Der Breis des Lebens in Großſtädten. (Aus dem Magazin fr die Literatur des Auolandes) Jeder weiß es und fühlt es täglich in ſeiner Taſche, trotz der diebs· und feuerfe— ſteſten Geldſchränke, daß unſere Einnah— men, unſere ſauer erworbenen Thaler, Groſchen und Pfennige vor den privile— girten und ſtärkſten Räuberbanden unſerer Zeit nicht mehr ſicher ſind und thatſächlich ungeſtraft, unaufhaltſam immer großar— tiger weggenommen werden. Dieſe dä— moniſchen Gewalthaber machen es ſich dabei ſehr leicht: ſie nehmen es nicht, wir müſſen es ihnen geben. Ohne bildliche Redensart will das ſagen, daß ſeit vielen Jahren Alles immer u geworden iſt und die Preiſe noch fortwährend ſteigen. Das heißt wieder ſo viel: das Geld wird immer billiger und billiger, ſo daß man in demſelben Maße immer mehr Münze für unſere Lebensbefriedigungsmittel ge ben muß. Dieſelbe Wohnung, früher mit 100 Thalern bezahlt, koſtet jetzt in Berlin wohl 400. Die Wohnung iſt ſeitdem nicht beſſer, eher noch ſchlechter geworden, und eigentlich auch nicht theurer, ſondern das Geld dafür um 400 Procent werth— loſer. ( So, wenn auch nicht in dem ſelben Maße, geht es mit allen Dingen fort, die wir mit Geld bezahlen müſſen. Unſere Leiſtungen dagegen, durch welche wir unſer Geld verdienen, ſind durchaus nicht in demſelben Maße im Werthe ge— ſtiegen. Dies gilt beſonders für Beamte und Alle, welche mehr oder weniger feſten Gehalt oder Lohn beziehen. Dadurch iſt ein Mißverhältniß in unſere geſellſchaftli chen Zuſtände gekommen, welches in im mer ſchreienderen Mißtönen anſchwillt und gegen welches in ganz Europa verge— bens Schutz und Ruhe geſucht wird. Beſuchen wir einige Hauptorte unſeres Erdtheiles und ſehen zu, in welchen Ver hältniſſen die Preiſe überall geſtiegen ſind. Um mit Wien anzufangen, ſo ſind Miethe, Pferde und Wagen und Möͤbel während der letzten 20 Jahre um 100 Procent geſtiegen. Selbſt ehemals reiche Leute, die einſt mit ihrem Einkommen glänzenden Luxus treiben konnten, fühlen ſich jetzt mit demſelben Reichthume genö thigt, zu knauſern und wie Geizige zu le— ben. Im Durchſchuitt braucht man jetzt 80 Procent mehr, um eben ſo zu leben, wie bor 20 Jahren. Während derſelben Zeit ſtiegen in München die Preiſe für Nothwendigkeiten des Lebens in den ver— ſchiedenſten Graden. Für Hammelfleiſch 100, Kalb- und Rindfleiſch 70, Brod und Wild 50, Weizen 28, Bier 47, Fenerung 11 pCt. Gute und beſte Wohnungen ſind jetzt doppelt, geringere 50 bis 75 pCt mehr werth, worin im Vergleich zu Ber— lin ein erfreulicher Gegenſatß liegt. In Berlin müſſen gerade die armen und klei— nen Leute für unſcheinbares, beſchränktes Unterkommen, wenn ſie es überhaupt noch finden, im Verhältniß bis doppelt (?) ſo viel zahlen, wie reiche Leute für ihre gro— ßen Vohnungen. Dabei ſind die Arbeits— löhne in Wien nur 15 bis 20 Prozent und in Berlin durchſchnittlich wohl nicht viel höher geſtiegen. Wie können da Menſchen, welche im Schweiße ihres An— geſichts ihr Brod verdienen müſſen, noch menſchlich leben? In Deutſchland wird das Geld durch die 5 Milliarden aus Frankreich jedenfalls noch viel werthloſer, alſo das Leben noch immer theurer. Da— von mäſtet ſich das vielkoöpfige Ungeheuer, welches neuerdings Ziri mit ſeinen feu— rigen Zungen verzehrt und verbrannt, mit ſeinen giftigen Wolfszähnen zerriſſen und zerſchuünden hat, und welchem den noch Leute, ſelbſt im gebildeten Deutſch land, ſchamlos und wahnſinnig Beifall zujauchſen und bei erſter Gelegenhelt Hel fershelferei verſprechen. Fahren wir in uͤnſerer Umſchan durch die großen Städte und deren Lebensthen erung jetzt fort. Ein diplomatiſcher Be richt eines engliſchen Legationsſekretär verſett uns mit einem Sprunge nach Brüſſel, wo der Legationsſekretär für ein zwar ſtandesgemäßes, aber ſehr ruhiges Leben mit Fraͤ und drei Kindern in einem Jahre nicht weniger als 1600 £ brachte, als gindeſtent 10,000 Thaler. Alle anderen Lente, die zehnmal und noch weniger haben, leiden unter dieſer Then— erung mehr, als wohl in jedet andern Großſtadt. Von 1852 bis 1869 waren die unentbehrlichen Hausbedürfniſſe und Lebensmittel zwiſchen 25 und 90 pCt. ge ſtiegen, aber ſeit dem o t Kriege wurde es ein Zufluchtsort aus Paris und eine Vorhoͤlle deſſelben. Unter den fran eſiſchen Flüůchtlingen befanden ſich aller— ings ſchr biele reiche und gebildete Lente, aber es iſt noch zweifelhaft, ob die Maſ e moraliſchen und materiellen Geſindels elderlei, beſonders weiblichen Keſlequt nicht überwogen. Dadurch iſt Brüſſel, vorher ſprichivörtlich billig () und reich an Geſittung, Bildung und guter Erzie— hung, nicht nur beinahe um 200 pCt. iheuter, sondern auch ein Spucknapf Frankreichs geworden. In Haag, der Hanptſtadt Hollands, wo ſich Rang und Reichthum cro drängen, iſt es gleichwohl verhältnißmäßig billiger geblieben, als in jeder andern udt Die Steigerung beträgt ſeit den letzten 20 Jahren nůͤcht über 30 pCt. wovon nur die Wohnungsmiethe eine I. Stern. Herausgeber. Laufende Nummer 67. Ausuahme macht. Im Uebrigen hat auch in dem fſruchtbaren, billigen Holland dieſe Anziehungskraſt des wohlfeilen Lebens aufgehört. Eine Haushaltung koſtet dort im Durchſchnitt ein Drittel mehr als in dex Schweiz. Man ſollte glanben; daß weiter nach dem Norden hin, wo weder Uebervboölkerung herrſcht, noch durch Ein— wanderung eine Zunahme zu hoffen iſt und im Gegentheil die Auswanderung immer mehr ſteigt, der Kampf ums liebe Leben leichter, ſtatt ſchwerer geworden ſei; aber es hat ſich ermittelt, daß man zu— nächſt in Kopenhagen 22 pCt mehr brauche, um ebenſo zu leben, wie vor 20 Jahren, und noch mehr, um ebenſo zu wohnen. In Stockholm iſt es noch ſchlim mer. Dort hat der Luxus, namentlich auch in Vertilgung alkoholiſcher Flüůſſig keiten, ſo zugenommen, daß im Durch ſchnitt Alles, was man braucht, 50 pCt mehr koſtet. In den Großſtädten Rußlands, na— mentlich in St. Petersburg, ſtand zu— nächſt die Wohnungsmiethe immer höher. als wohl in jeder Hauptſtadt Enropas, Zwei möblirle Zimmer in der höchſten Etage eines Gaſthofs koſteten einem Eng— länder 1400 Rubel im Jahre. Wenn ein einzelner Herr, der guten Geſellſchaft angehörig, mit 5000 Thalern im Jahre auskommen will, muß er noch ein gutes Talent für Sparſamkeit haben. Die kauf männiſchen Kreiſe und beſſern Mittelklaſ ſen Rußlands entwickeln neuerdings eine ſolche Sucht nach Lurus und Pracht, daß ſie auch mit ihren hohen Einkommen in Verlegenheit, Noth und Schulden, und nicht ſelten unter den Anetionshammer gerathen. Das wird wohl anderswo auch nicht viel beſſer ſein. Nur die höch ſten, vornehmſten Klaſſen Rußlands ſollen nicht luxuriöſer geworden ſein, im Gegen theil ſparſamer. Sie lieben es, während der Sommermonate ihre Reſidenz ganz zu ſchließen und in Berlin oder in einem deutſchen Bade für den nächſten Winter zu ſparen. Beſonders große Noth haben ſie mit den Dienſtboten, welche ſeit Aufhe bung der Leibeigenſchaft und der Prügel— ſtrafe über 100 pCt. mehr Lohn verlan— gen und bekommen, und dabei ſich noch auf Koſten der Herrſchaft ungeſtraft be trinken und bereichern wollen. Je mebr Prügel ſie früher bekamen, deſto weniger vertragen ſie jeßzt nur ein ernſtes Wort der Zurechtweiſung, und die Polizei ſoll immer gern lieber für ſie, als für die Herrſchaft Partei nehmen, ſo daß die ar men geplagten Hausdamen für ſchweres Geld noch mehr Aerger haben, als unſere deutſchen Hausfrauen, obwohl anch dieſe ſich gern bei jedem Caffee gegenſeitig ihre Dienſtbotennoth klagen. Schickt man einen Hausdiener extra mit Brief oder Botſchaft nur über die Straße, ſo hält er es fuͤr die höchſte Realinjurie, wenn man ihm weniger als einen Rubel Trinkgeld bietet Ruſſiſche Hausmädchen in beſſeren Haushaltungen bekommen 130—150 Thlr. Lohn, außerdem Theegeld, wofür ſie gern Branntwein kaufen ſollen. Dabei erwar— ten ſie nicht nur ein reiches Weihnachts— ſondern auch Oſtergeſchenk. Der gute herrſchaftliche ruſſiſche Kutſcher bekommt 600—700 Thaler Lohn jährlich. In England, dem Himmel der Dienſt boten und der Hölle der Herrſchaften, weil letztere durch die drakoniſchen, unge ſchriebenen Geſetze der Faſſionen ſich ge— zwungen fühlen, die 3 ihres Standes und Bermbtent in der Zahl der Dienſt boten anszudrücken, ſo daß ſchon ein ein zelner alter gitiger Herr mit W ſolcher dienſtbare Geiſter ſich noch einen extra anſchaffen mußte, nm ſich aus dem und in daſſelbe ſcheffen zu laſſen —in die ſem England ſind die Herrſchaften der— maßen Liaden ihrer Dienſtboten gewor den, daß ſie denſelben ganz große Zimmer für ihre Soireen und id eintͤumen und fůr Muſik, feſten ünd flüůſſigen Pro— viant fabelhaft blechen müſſen, obwohl ſchon ein mittelgntes Maädchen für Alles tunvat und trian Thaler Lohn bekommt ie Dienerſchaften hoöheren Ranges (und es giebt mehr als zwanzig Stufen Ett ben) bekommen bereits viel mehr, als bei uns mancher wackere Schulmeiſter ind Landprediger, Nur Familien des guten Arbeiterſtandes, welche nicht dem allge meinen Laſter der Trunkſucht huldigen, immer brab arbeiten, ſparſam ſind uind bleiben und ſich ſelbſt bedienen, können in England vielleicht rq hitge leben, als in jedem andern eiviliſitten Staaͤte. Dies gilt ſelbſt fůr London ntit 34 Mil lionen Einwohnern, welche ſich auf mehr als 120 engliſche Geviertmeilen vertheilen. In den nterſten Stadttheilen welche nach allen Seiten weit in das Land hi— natis irren, giebt es immer noch viele nn bebante Aclen welche ſich mit der Zeit mit wohlfeilen Häuſern nnd Häuschen decken und von welchen man faſt ũberal bequem und billig durch unzählige Stränge von Eiſenbahnen mit deu Mit telprnkten der Stadt und der e in lebendiger Hin- und Herverbindung bleiben kann. Hunderte von Baugeſell ſchaften ſocgen dafůr, daß man ſich in die ſen außen anſchließenden bon Vorſtadten billig allmãhlig ein ſchul~ denfreies Haus erwerben kann. Aehnlich muß man es um Berlin herum machen wenn die ueue Kaiſerſtadt nicht in Mieths hortſetng auf der lehten Seite ~ » 1 n 0 n 1