Savannah Abend Zeitung. (Savannah [Ga.]) 1871-1887, August 28, 1872, Image 1

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Savannah Abhend Zeitung Brof. C. I. Banſemer. Redakteur. 2. Jahrgang. No. 19. Kette und Einſchlag. Eine Erzählung aus der Zeit der Baumwollennoth in Mancheſter von ; JHKSmith. (Fortſetzuna.) „Sprechen wir lieber nicht von ſolchen Dingen,“ erwiderte der Amerikaner mit einem komiſchen Blick. „Es könnte auf Ihre Nerven wirken.“ „Ich will mich überzeugen rief Lin. „Wo iſt das Cigarren Etui?“ Memnon wurde gerufen nnd aufgefordert, es zu ſuchen, gab ſich aber vergebliche Mühe. „Beweis!“ murmelte der Sterbende. „Beweis! Bentley iſt mein Moͤrder, und er ſoll mir dafür hängen.“ „Abgeſchmackt!“ unterbrach ihn Twiſ ſelton. „Welches Intereſſe könnte er bei Ihrem Tod haben?“ „Sie wiſſen nicht Alles,“ ſagte Lin mit cinem tiefen Seufzer. „Ich weiß genug, um von der Grund loſigkeit dieſer Vermuthung überzeugt zu ſein,“ entgegnete der Advokat, vehet jede, die Sicherheit ſeines Klienten gefähr dende Auseinanderſetzung im Beiſein eines Zeugen abzuſchneiden wünſchte. „Ich will Ihnen ſagen, warum dieſer Mann Ihnen Ideen von einem heilloſen Spiel in den Kopf ſetzt. Er will Sie nach Ihrem Tod, ohne Zweifel im Intereſſe der Wiſ ſenſchaft, ſeciren, und das iſt kein behagli— cher Gedanke.“ Lin ſchauderte. „Sie lebten ja lang in Mancheſter und erinnern ſich ohne Zweifel zweier Skelette in Dok— tor Bellow's Muſeum? Sie waren von zwei Brüdern, zwei Zigeunern, glaub ich, die ihr Bruder an den Doktor verkauft— hatte.“ „Teunfel! Kein Wort mehr davon!“ rief Lin in furchtbarer Aufregung. „Ich ſah ſie dort, das Fleiſch von den Knochen abgekratzt, die in der Hand des Auktiona tors klapperten, als wollten ſie mich an klagen. Aber ich habe ſie wieder ange kauft und unter den Bäumen begraben, unter denen ſie als Knaben ſpielten.“ „Sie haben keinen Bruder, glaub ich, der Sie zurückkaufen könnte,“ bemerkte Twiſſelton langſam. „Achten Sie ſo mein Vertrauen, Briti ſcher?“ nahm jetzt der Arzt das Wort. „Das hat man davon, wenn man ſich mit Advokaten einläßt. Wie kann ich an ders dem heilloſen Spiel auf den Grund kommen? Und was die Sektion betrifft, ſo haben nur unwiſſende Thoren Angſt davor.“ „Fort mit Ihnen!“ rief Lin in faſt kindiſchem Schrecken. „Wenn ich ſterben muß, ſo will ichs thun wie der wilde Fuchs allein.“ Vergebens verſuchte ihm der Amerikaner ſein Vorurtheil, wie er's naunte, auszureden. Der Zigenner gerieth in ſolche Aufregung, daß er ihm endlich den Willen that und ſich ent fernte. „Aber ich bin noch nicht fertig mit ihm,“ ſagte er zu Twiſſelton. „Mag ihn der Advokat hehalten, ſo lang er lebt nach dem Tod gehoöͤrt er dem Doktor. Jedem das Seime.“ „So, jetzt ſind wir allein,“ ſagte Lin. „Schließen Sie die Thüre“ Twiſſelton entſprach der Anfforderung „und ver ſprechen Sie mir, daß mir weder im Leben noch im Tod dieſer Beinſäger wieder in die Nähe kommen ſoll.“ „Ich verſpreche es Ihnen, wenn ichs hindern kann.“ „Nehmen Sie jetzt Ihre Feder und ſchrei ben Sie.“ „Doch keine Anklage gegen Bentley?“ „Zunächſt gegen mich ſelbſt. Ste ha— ben ohne Zweifel von Michael Haman's Ermordung gehört?“ „Alle Zeitungen waren voll davon.“ „Faßten Sie nie gegen Jemand einen Verdach?“ „Verdacht? nein,“ antwortete Twiſſel ton ausweichend. „Es muß heraus,“ fuhr der Zigeuner ruhig fort. „Nicht daß ich der Geſell· ſchaft eine Sühne zu leiſten wünſche ich habe ihr nie etwas zu danken gehabt; denu ſie verachtete mich, als ich arm, und vaßte mich, als ich reich war. Aber was ich Ihuen mittheilen will, wird Ihnen einen Ha~t an Bentley geben.“ „Wie ſo?“ —— Er ſtahl ſeines Schwiegervaters Te ſtamen.“ Der Ad.rokat verſuchte, eine Miene der Ueberraſchuc anzunehmen. „Und ich tödtete Michael Hacan. „Sie?“ Ia; doch lag dies nicht meiner Aücht als ich Bentley bei dem Diebſtahl beglei tete. Er hat mich in die Falle gehetzt.“ „So hätte er ſie veranlaßt, den alten Mann zu ermorden?“ rief der Advokat?“ „Das nichi. Ich will nicht mit einer Lüge auf den Lippen ſterben. Haman ertappte mich in ſeinem Burean, und ich mußte mir mit dem Meſſer helfen. Ha ben Sie alles dies niedergeſchrieben?“ „Ja, und Sie müſſen es unterzeichnen.“ “Iſt wirklich keine Hoffnung mehr für mich keine? Nun ſo geben Sie her.“ Der Hotelbeſitzer wurde herbeibeſchieden, ͤm die Unterſchrift zu bezeugen. Dieſer wollte echt amerikaniſch wiſſen, was ans dem Papier ſtehe; Twiſſelton aber be ſchwichtigte ihn mit der Ertlärung, daß der Inhalt erſt nach dem Tod des Patien— ten bekannt werden dürfe. „Und nun gebt mir ein Glas Branntwein,“ ſagte Lin die Feder weglegend. „Ich will wie ein Mann ſterben.“ „Sagen Sie lieber wie ein Hund,“ entgegnete Twiſſelton, der zwar nicht zu den reliöſen Lenten gehörte, ſich aber doch von dieſem Begehren empoͤrt fühlte. „Haben Sie keinen anderen Wunſch?“ „Nein“ „Ich bin zwar wenig geeignet, einer Per ſontin Ihrer Lage zu rathen, möchte Ihnen Aber doch empfehlen, ſich nach dem Beiſtand eines Mannes umzuſehen, der ſich durch ſein Leben und ſeinen Beruf für einen ſolchen Dienſt qualifizirt. Ver— geſſen Sie nicht, daß es eine andere Welt gibt, in der Sie für Ihr Handeln auf dieſer Rechenſchaft abzulegen haben.“ „So ſagen die Hauswohner, glauben aber ſelbſt nicht daran, denn ich habe ſie nie nach ihrer Predigt handeln ſehen.“ „Wenn ſie ihre Pflichten vernachläſſi gen, ſo gereicht dies Ihren Verbrechen nicht zur Entſchuldigung. Wollen Sie keinen Geiſtlichen kommen laſſen?“ „Nun meinetwegen. Schaden kanns nicht. Will hören, was er mir ſagen kann.“ Eine Stunde ſpäter wurde Mr. Auſtin in das Zimmer geführt und der Advokat entfernte ſich. Wir wollen uns nicht an dem Todtenbett des Mörders aufhalten, ſonderu bemerken einfach, daß Mr. Twiſſelton nicht geſtattet wurde das dem Sterbenden gegebene Verſprechen zu halten. Das Gericht befahl die Sektion ſder Leiche, und die Jury erkannte in Ge— mäßheit der ärztlichen Berichterſtattung auf „Tod durch Giſt.“ Die Anfregung, welche dieſer Vorfall veranlaßte, hatte ſich noch nicht gelegt, als ſſich die Kunde von der Ankunft des Spit füire mit ſeiner Priſe verbreitete. Beſſie und Auſtin waren nunter den Erſten, die Bord der Schlange eilten. Es würde ſſchwer ſein, die Freude dieſes Wiederſe— ſhens zu ſchildern Sie umarmten die gerettete Blanche überhäuften ihre Be ſſchützerin mit Dankesergüſſen und Se ſgenswüunſchen, welche die kleine Frau in ſihrer gewohnten ruhigen Weiſe und mit der Erklärung entgegennahm, daß ſie nur lihre Pflicht erfüllt habe. Zum vollen Glück fehlte nur der arme Sam, der in ia faſt an Wahnſinn grenzenden Stim— ſmung zu New ·York der Ankunft der Schlange entgegenſah. Der würdige Pa ſtor brach noch am ſelbigen Tage auf, um ſihn zurüeckzuführen in die Arme ſeiner ihn Sehnſucht erwartenden Frau. Siebenzigſtes Kapitel. „O! Maſſa Bentley! Maſſa Bentley! rief Memonn dieſem entgegen, als er ſich voll düſterer Ahnungen dem Hotel nä— herte, „ſehre ſchlimme Neukeit ſehre ſſchlimme ja wohl! Maſſa Lin todt giftet wie Raß ſehre ſchlimm, Sirre.“ Die Verwirung, welche Bentley bei dieſer Ankündigung zeigte, konnte recht gut für Entſetzen über eine ſolche Unglücks poſt gelten. Er faßte ſich jedoch bald und fragte; „Wenn iſt dieſes Schreckliche ge— hſchehen?“ „Bald nach Ihre Fortgang. Er rauch ein Cigarr; er trink, Wein ſehre gute Wein; nicht acht, was Doktor ſag, und fall in ſeine Stuhl. Affekat ihm ſchneid Loch in Kopf.“ „Was für ein Advokat, Memnon?“ „Twiſſelton, Sirre.“ „Wer?“ „Twiſſelton ſehre feine, Gentleman, r'äll Gentlemann, Sirre. Er wohn im Hotel, Nummer ſechzehn. Sie froh, daß er hier, Sirre?“ John Bentley hörte nicht weiter, ſon— dern eilte nach dem angedeuteten Zimmer wo er den Rechtsgelehrten ſchreibend am Tiſch fand. Er ſtreckte ihm mit gutge— ſpielter Wärme die Hand entgegen und ſrief: „Mein lieber Freund, dies iſt ein unerwartetes Vergnügen. Wer Henkers hätte gedacht, Sie hier zu treffen?“ ; „Ich wäre Ihnen lieber ůberall ſonſt 2 als in New-Orleans,“ verſetzte Mr. Twiſſelton, die dargebotene Hand nicht beachtend. warum?“ „Weil Sie ſchon nach einer Stunde im Geſaͤngniß ſiten werden.“ „Ah,“entgeguete Bentley, ſich auſtel— lend, als mißverſtehe er ihn, „ich verſtehe. Sie haben von meiner runglücklichen Spekulation gehoöͤrt; aber da läßt ſich ſnichts ändern. Ein Schurke, den ich für leinen Ehrenmann hielt, hat mich an die lNordiſchen verrathen. Wohl iſt der Ver hict zu groß, um in meinen gegenwärtigen Verhatnißen leicht verſchmerzt zu werden; doch die Ladung war bezahlt, nnd es kann auf keine Schuldhaft gegen mich er ſkannt werden.“ „Ich ſpreche auch nicht von Schuldhaft ſondern bou Verhaftung wegen Mords.“ „Wegen Mords?“ wiederholte Bentley langſam und ſank auf einen Stuhl. Es thut nir leid um Sie auf Ehre leid wegen des Namens, den Sie tragen, und wegen der Schmach, die auf Ihre Kinder faällt. Wie konnten Sie auch ſo luntlug ſein? Ich hätte Ihnen mehr Verſtand zugetraut.“ „Und Sie glauben an die abgeſchmackte Beſchuldigung?“ „Wie kann ich anders? Lin hat vor lſeinem Tod ein volles Bekenntniß abge— Savannah, Ga., den 28. Auguſt 1872. ſlegt über die uUrſache ihrer Flucht aus England.“ ,Der Elende! „Bs/! Laſſen Sie die Todten ruhen. Ich war bei ihm, als er jene Cigarre hrauchte. Er bot auch mir eine an Izum Glück wählte ich zuerſt. Ein knap— pes Entkommen das he?“ „Twiſſelton, wir kennen uns ſchon ſo ſlange. In welcher Eigenſchaft ſind Sie lhier?“ „Als Mr. Aſhton's Agent, um das fehlende Teſtament beizuſchaffen. Sie müſſen es mir ansfolgen. Wie mochten Sie ein ſo verzweifeltes Spiel treiben?“ „Ich darf alſo in Ihnen nicht auf einen Freund zählen?“ „Das wird von Ihnen ſelbſt abhän hgen. „Geietzt, ich hätte das Teſtament und ſentſpräche Ihrem Wunsch, würden Sie mich wieder als Ihren Klienten annehmen und mir rathen?“ „Gewiß.“ „Wir verſtehen uns alſo.“ Er nahm ein auf den Tiſch liegendes Federmeſſer, ſchlitte das Futter ſeiner Weſte auf und zog Gilbert Haman's Te— Iſtament hervor. „Nehmen Sie es. Jetzt llhren Rath.“ Mr. Twiſſelton las das Doknment ſorgfaltig, bedeekte dann das Geſicht mit hden Händen und ſchien ſich in Gedanken hzu vertiefen. „Ich ~warte auf Ihren Rath,“ ſagte fſein Klient. „Sie ſollen ihn haben, von dem Freund ſowahl, als von den Advakaten. Aber zuerſt muß ich Ihnen gewiſſe Umſtände vorhalten. Sie haben Ihr ganzes Leben ſuůber ein verlorenes Spiel geſpielt mit Michael Haman, mit ſeinem Bruder und Imit Ihrer Franu leh mnß ſagen, die lLetztere hätte ein beſſeres Sthiekſal ver— dienl. War es meine Schuld daß ich ſie ſnicht lieben konnte?“ „Nein. aber Sie haͤtten doch den Schein wahren ſollen.“ ; Unmoglich! verſeßte Bentley „In heiner Sache des Herzens konnte ich nie hlang den Heuchler machen.“ „Nun, Sie müſſen das ſelbſt am beſten wiſſen. Es iſt ein del kater Punkt wir wollen ihn fallen laſſen.“ Bur Sache Mann!“ rief der Klientl ungeduldig. „Ihren Rath“ „Faſſen wir zuerſt Ihre Lage ins Auge. „Lin's Bekenntniß bezüchtigt Sie nicht nur des Teſtamentsdiebſtahls, ſondern auch der Theilnahme am Mord nach der That.“ „Der Schurke! wo iſt ſein Bekenntniß?“ „Unglücklicherweiſe ſind ihrer zwei vorhanden eines in. meinen Händen, das andere, von dem Geiſtlichen beglau— bigt, der ſeinem Tod anwohnte, in denen „der Behörden. Er erklärt Sie in dürren ſWorten für ſeinen Mörder. Die Sektion der Leiche beſtätigte die Anklage, denn das Gift wurde gefunden. Vielleicht ſchon nach einer Stunde ſchleppt man Sie nach dem Gefängniß.“ „Ihren Rath,“ wiederholte Bentley. „Die Schmach Ihrer Hinrichtung brand— ſmarkt Ihre Söhne“ „Ihren Rath!“ Nehmen Sie ihn. Weun Sie noch eine von jenen Cigarren nbriga haben, so rauchen Sie sie“ „Was ſterben, in der Fülle der Thatkraft und des Muthes? Das kann Inicht Ihr Ernſt ſein. Bedenken Sie, ſwir ſind viele Jahre Freunde geweſen. Geben Sie mich nicht auf in meiner ge— genwärtigen Kriſis. Ihr Witz wird wohl Mittel erſinnen, mir aus dieſer Ge fahr zu helfen.“ „Unmöglich.“ „Kein Ausweg? Muß ich ins Ge— hfängniß?“ „Nichts Anders.“ Twiſſelton ſetzte ſich an den Tiſch und begann zu ſchreiben. Bentley ſah ihm lange ernſt zu. Ein leicht es Roth überſlog ſein noch immer ſchönes Geſicht und machte dann einer tiefen Bläſſe Platz. „Wird er ſich der Schande des Krimi ; nalprozeſſes entziehen?“ dachte der Advo lkat, ohne aufzuſehen. Dann hoöͤrte er das Krachen eines Zündhölzchens, und ſder eigenthümliche Gernch einer duftigen Havannah begann die Luft zu erfüllen. » „Haben Sie nir noch etwas zn rathen?“ 1 fragte der Selbſtmörder mit erzwungener Ruhe. Nein. Twiſſelton fuhr fort zu ſchreiben und warf gelegentlich unter ſeinen buſchigen Brauen weg einen Blick auf ſeinen Kli enten. Nachdem er ſeinen Brief geſchloſ ſſen und geſiegelt hatte, ſtand er auf, um tdas Zimmer zu verlaſſen „Noch einen Augenblick,ſagte der unglüůckliche Mann „Der Advotat blieb ſtehen „Ich muß Ihnen noch danken für Ihren Rath, deſ ſfen 3weckmäßigkeit ich erkenne. Könnte lich mein Leben neu antreten, ſo würde eich anders daraus ſcheiden.“ »„Ich habe Mitleiten mitlhnen, Bentley und handeltes ſich nicht um Ihre Fran ſund Ihre Sohne —“ e! „Marie und Friedrich ſind berechtigt das Opfer zu fordern. Was Gilbert be ſn ſo gleicht ec zu ſehr ſeinem Bater, leines ausgenommen.“ „Das waͤre?“ ; „Den Mutih. Als ich zu Ihnen in~ Zimmer trat, habe ich Ihnen meine Hand angeboten. Weiſen Sie ſie auch jetzt noch zurück?“ Nein.“ Oer Rechtsgelehrte drückte ſie leicht und verlteß das Zimmer. Als die Kellner eine Stunde ſpäter eintraten, fanden Sie John Bentley todt und die Cigarrendoſe auf dem Tiſch „Schoit wieder ein Todter im Haus,“ bemerkte der Doktor, der bald nachher mit ehnigen Gerichtsperſonen anlangte, „und allem Anſchein nach der gleiche Fall. Oeffnet das Fenſter ich rieche das Gift.“ Es war erſtaunlich, mit welcher Behendigkeit dieſer Weiſung Folge gelei ſtet wurde. Der Polizeibeamte hatte eben das Cigarren Etui aufgenommen, als Twiſſelton zurückkehrte. „Halt,“ ſagte er. „Es iſt ein Name darauf.“ „Erneſt Welby,“ las der Beamte. „Der Neffe des Generals Butler,“ be— merkte der Rechtogelehrte, „und wenn ich nicht irre, der Aſſoeie des Verſtorbenen bei Miethung der Schlange. Auch Lin war dabei betheiligt. Das muß unterſucht werden.“ Die Beamten ſchienen an dieſer Ent—- deckung keine Freudezu haben. Sie kann ten den Charakter des Deſpoten von New Orleans zu gut, um über ſeine Betheili gung bei irgend einer Schändlichkeit zu ſtaunen, und fürchteten, ihren Eifer büßen zu müſſen; daher auch ihre Einſprache, als der Konſularagent verlangte, daß die Doſe nebſt den Papieren des Selbſtmör ders mit Siegel belegt werde. „Es hilft nichts,“ bemerkte ein anweſender Englän— der. Die Priſe iſt zu werthvoll, als daß man erwarten dürfte, Butler werde das Schiff und die Ladung aus der Hand laſſen.“ Twiſſelton war deſſen nicht ſo ſicher Er befand ſich ſchon lange genug in New Orleans, um aus dem Poltron die Memme herauszufinden, und wollte es darauf ankommen laſſen. „Es wäre Wahnſinn,“ flüſterte ihm ein Freund vertraulich zu. „Einmal hat er die mili täriſche Gewalt in Händen, und zweitens iſt er Advokat.“ „Der letztere Umſtand iſt gerade der ſchwache Punkt ſeiner Rüſtung. Er kennt dann die geſetzlichen Folgen, die ſein Han— ldeln früher oder ſpäter nach ſich de ſmuß. —Es iſt Schickung in dieſen Din-· gen,“ fügte er innerlich bei. „Wir zu voreilig geweſen ich bei Ertheilung. er bei Befolgung meines Raths. Er hätte Ausſicht gehabt, zu entrinnen. Zu ſpaät!zu ſpät!“ Die Polizei wollte die Leiche als die eines Selbſtmoͤrders im Geheim begraben laſſen; aber Twiſſelton und der Konſu laragent verwahrten ſich dagegen ſo ent— ſchieden, daß eine Berufung an den Gene— ral nothwendig wurde. „Natürlich in aller Stille,“ erklärte dieſer ans die Vor ſtellungen des engliſchen Rechtsgelehrten. „Ihr Landsmann hat Hand an ſich ge legt und wird deßhalb wie ein Hund be— graben.“ „Ich beſtreite dicſe Behanptung, Gene— ral,“ verſetzte Twiſſelton ruhid. „Beſtreiten, Britiſcher? Jeruſalem und Schlangen! Hat man nicht in ihm und in den Cigarren das Gift aufgefunden? Sein Aſſoeie ſtarb auf dieſelbe Weiſe, und ich habe ſeine Erklärung in Händen, daß er die Cigarren von Bentley erhielt.“ „Ohne Zweifel,“ entgegnete Twiſſelton aber Bentley hatte ſie von Ihrem Ver—- wandten Erneſt Welby.“ General But ler wechſelte bei dieſen Worten die Farbe. „Mr. Bentleyh gehörte einer hochachtbaren Familie an, war einer der erſten Männer auf den Märkten von Liverpool und Man— cheſter, und ich kann nicht zugeben, daß ſein Andenken durch eine für ſeine Ver wandten und Freunde ſo peinliche Be— ſchuldigung befleckt werde.“ ; (Fortſetzung folgt.) j ——— Ein Abenteuer in Miſſouri. J Vor einigen Jahren, als Pferdediebe, Selavenſchmuggler und falſche Spieler noch etwas weit Gewöhnlicheres in Miſſouri waren als heutzutage, ſaß eine Geſellſchaft von acht bis zehn Grenzbewohnern an einem kühlen Novemberabende in einer bekannten Stadt, die wir jedoch nicht nen ſnen wollen, um das Kaminfener von Jef ferſonhouſe. Es waren Alles in Allem genommen ziemlich rauhe Burſche, die hier beiſammen ſaßen und in dem Augen— blick, da wir den Leſer bei ihnen einfüh ren, aufmerkſam auf die Erzählung der wunderbaren Geſchichte John Kelſers horchten, der in jenen Gegenden als der Anführer einer Bande renommiſtiſcher Spitzbuben galt. Die Perſonen, zu denen er ſprach, meiſt Fremde, bereiteten ihm ſo das ſeltene Vergnügen, ſeine Geſchichten an den Mann zu bringen, ſeinen Ruf da durch zu verbreiten und ſich'in einem neuen Lager zum Helden zu machen. Die Einzelnheiten ſeines letzten Duells oder Mordes mit einem Schwure ſchlie— ßend, ſagte er in kühner Climarx hinzu: „Ich gehöre zu denen, die ſich nie gefürch tet weder vor Weiß, noch Schwarz, noch Roth und ich möchte den ſehen (dabei zog er den Schaft ſeines Bowie— meſſers hervor,) der es wagte, dies zu be— ſſtreiten“ Während er dies ſagte, richtete ler ſich hoch ans, ſtreckte ſeinen Stierhals ; vorwaärts und ließ ſeine kleinen, ſchwar zen, blutunterlaufenen Augen unter den Anweſenden umhergehen, indem er noch! einmal wiederholte „Wer wagt es mir zu widerſprechen?“ Niemand gab eine Antwort, und jedes Auge ſenkte ſich vor dem verächtlichen Blick des Braggadoeio. „Ja,“ wiederholte er mit einem neuen Fluche, „ich bin einer von denen, die ſich nie gefürchtet, und Euch dies zu beweiſen will ich Euch meinen Kampf mit Defter Raſh Defter, wie wir ihn zu nennen pfleg ten, erzählen.“ Und dann mit innerer Zufriedenheit, daß er der Held ſei, den Niemand anzutaſton wago, erzhlte er ſeine Geſchichte, als ein großer, ſchlank ge wachſener Mann in ·der Kleidung eines nordiſchen Reiſenden, etwas ſtaubig und mit einem Sattelranzen über dem Rücken ruhig in das Wirthshaus trat. Indem er an die Bar trat, an der der Wirth, der mit zu der Geſellſchaft gehörte, augenblick— lich erſchien, fragte der Fremde in weichem Tone, ob er für die Nacht ein Quartier haben könne? „Gewiß Sir,“ verſetzte Boniface mit freundlicher Miene. „Ein Pferd, nicht wahr, Sir?“ Der Reiſende nickte und während er ſich ſeines Ueber— rockes entledigte und ſeine Reiſekleider mit Hilfe des Wirthes ablegte, rief dieſer einen ſchwarzen Diener und befahl ihm, für das Thier des Herrn zu ſorgen. „Ein Nacht— eſſen, Sir?“ fuhr der Wirth mit geſchäf tiger Miene fort. Der Reiſende niekte wieder und da er gewahrte, daß das Feuer bereits von der erwähnten Geſell ſchaft umgeben war und ſichtlich nicht wünſchte, ſich unter Fremde zu miſchen, nahm er ſeinen Platz in der Stille an einem Tiſche an der Wand. Inzwiſchen war er den Blicken der Anweſenden nicht entgangen; aber während die Meiſten ihn verſtohlen betrachteten, hielt Kelſer, der egoiſtiſche Held ſeiner eigenen blutigen, Geſchichte, aärgerlich über die Unterbrech ung, in ſeiner Erzählung inne und ſah ſihn mit einem wilden Blick an. „Wie der ein Hankee, ich wollte Alles wetten!“ ſagte er in ſpöttiſchem, herausforderndem Tone, offenbar, um den Reiſenden zu rei ſzen und zu beleidigen. Der Letztere ſchien n von der Bemerkung keine Notiz zu nehmen, ſondern ſetzte ſich an den Tiſch, welchem zufällig eine alte Zeitung lag a ſie mechaniſch in die Hand und ſchien bald in ihren Inhalt vertieft. Dieſe ruhige, gleichgültige Haltung ſchien Raufbold noch mehr zu reizen: aber ſſich für den Augenblick mit den halblaut hingeworfenen Worten, die Yankees ſeien ſeige Burſche, begnügend, wandte er ſich an die Andern und fuhr in ſeiner Ge— ſchichte fort, indem er etwas lauter als ge— woöͤhnlich ſprach, namentlich als er zu den blutigen Einzelnheiten ſeiner Geſchichten kam, um die Aufmerkſamkeit des Fremden ans ſich zu lenken und einen nnangeneh men Eindruck auf ihn hervorzubringen. Als er jedoch fand, daß der Letztere ſich durchaus nicht aus ſeiner Ruhe aufſtören ließ ſchloß Kelſer mit einem wilden Fluche und dann ſich an den Wirth wendend. der wieder zu der Geſellſchaft getreten war, fragte er in leiſem Tone: ob er glaube daß ein Dieb unter ihnen ſei? —„Scht!“ ſagte der Wirth in leiſem, vorſichtigem Tone, „macht doch keinen Specktakel hier, ich bitte Euch denn das ruinirt eines ehrlichen Mannes Haus!“ „Wollt Ihr etwa die Partie dieſes Menſchen er greifen ?“ ſchnarrte ibn der Eiſenfreſſer an indem er ſeine ſchwarzen, ſtieren Augen auf den Wirth mit einem Ausdruck hef tete, daß der Letztere zurůcktrat .O, uein, Kelſer, ich will gar keines Men— ſchen Partie ergreifen: aber ich bitte Euch daß ihr nichtszu ihm ſagt. Kommt; wir wollen eins trinken, und die Sache beruhen laſſen.“ „Seiner Zeit wer— den wir eins trinken,“ verſetzte der An dere mit heiſerem Lachen, „aber wir wollen Alle daran Theil nehmen.“ Mit dieſen Worten ſtand er ans, ging zu dem ſtillen Reiſenden hin und fragte ihn, in dem er ihm etwas barſch auf die Schulter ſchlug: „Was machen Sie, Fremder?“ Der Mann ſah etwas verblüfft auf und zeigte Züge, die mit denen des Fragenden in ziemlich ſtarkem Contraſte ſtanden. Er ſchien ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt zu ſein, hatte eine glatte, breite, hohe Stirne, ein weiches, eher weibliches und bartloſes Geſicht und ſanfte, angenehme, blane Augen Das ganze Aeußere deu tete auf eine von Hauſe aus ſchüchterne; beſcheidene und nichts weniger als auf dringende Natur. Die Angen auf den Renommiſten heftend eher mit dem Ausdruck eines, der die Urſache, warum er roh geſtört werde, nicht begreift, als eines durch die barſche Unterbrechung Ge— reizten ſchien er eine Erklärung dieſes unhöflichen Benehmens von dem Gegen— überſtehendenz u erwarten. Ich ſagte was Sie machen, mein Herr?“ wiederholte Kelſer, „aber Sie ſcheinen dieſe höfliche Anrede nicht zu verſtehen.“ VBei dieſen Worten ſtanden die Andern, in Erwar tung eines Streites, plötzlich ans und bil— deten in der Stille einen Kreis um den Renommiſten und den Fremden. Dies ſchien den Letztern etwas aus ſeiner Ruhe aufzurůtteln und raſch im Kreiſe umher— blickend, antwortete er: „Ich bin ſehr wohl, wenn es das iſt, was Sie zu wiſſen wünſchen; aber ich weiß wahrhaftig nicht, weshalb Sie ſo außerordentlich auf mei nen Geſundheitszuſtand erpicht ſind“ I. Stern. Herausgeber. Launſfende Nummer 71. „Es giebt eine Menge Dinge, die ihr gantees nicht begreift!“ verſetzte Keher mit lautem Lachen. —,Was meint die ſer Menſch, meine Herren?“ fragte der Reiſende, indem er etwas blaß wurde und ſein on Auge leuchtete von unge wohntem Fekt, waährend er aufſtand und im Kreiſe umherblickte bis ſein Blick auf dem verlegenen Geſichte des Wirthes haften blieb. Was habe ich gethan, daß irgend Jemand hier ſich veranlaßt ſehen ſollte, mich zu beleidigen? Erlauben Sie das?“ fůgte er hinzu, ſich an den Wirth wendend. „Er kann ſich nicht ſelbſt 277 pr Mo . hrtien orhde e n enmne 'eu 3 W eun ich es. Und Bill Kelſer thut immer, was er Luſt hat überall und mit Jeder— mannu.“ „Und weshalb ſuchen Sie Streit mit Jemand, der Sie nie geſehen oder ein Wort mit Ihnen gewechſelt? fragte der Fremde ruhig, während ſeine Lippen zitterten ſei es aus Furcht oder unterdrücktem Aerger und eine ſanfte Roͤthe ſich über ſein ganzes Geſicht ergoß Die Pupillen ſeiner Augen ſchienen ſich zu erweitern und ſeltſamer zn glänzen, denn je. „Weil ich euch Alle, Ihr ver wünſchten Yankee's, haſſe; und wo ich einen von Enrem Stamme ſehe, iſt es mir immer als müßte ich ihm das Herz aus dem Leide ſchneiden, denn ich habe mich in meinem ganzen Leben weder vor einem Menſchen noch vor einem Tenfel gefürch tet ““ „Kommt!“ warf der Wirth ein indem er den Prahler am Arme nahm „wir wollen eins trinken“ „Ja, ja das will ich auch,“ ſagte Kelſer, „ich bin immer dabei wo es etwas zu trinken und auszufechten giebt. Sie hören es? fuhr er fort, indem er den Arm des Fremden etwas ungeſtüm packte, „Sie hoöören es nicht wahr“ Wir wollen mit dem Wirthe eins trinken und wenn Siebeweiſen können daß Sie ein anſtändiger, weißer Mann ſind, ſo werden wir Ihnen die Ehre an— thun, ein zweites Glas mit Ihnen zi trinken“ Ich habe nichts dage gen, die Herten zu traktiren, wenn ſie Luſt haben,“ verſetzte der Reiſende, indem er ſich mit würdiger Entſchiedenheit auf richtete und in feſterem Tone als bisher ſprach: aber ich arinke nicht“ Nichts hätte dem Renommiſten in dieſem Augen— blicke gelegener kommen koönnen, als das Trinken aunsſchlagen zu hören, denn er hatte ſich ſchon lange zu einem Streite mit ihm entſchloſſen da er hoffte, dabei ſeine Fechtereigenſchaften mit wenig oder keiner Gefahr in's glänzendſte Licht ſtellen zu können eine ſehr. wichtige Rückſicht, wenn wir bedenken, daß alle dieſe Charak— tere im Herzen doch Feiglinge ſind. „So wollen Sie alſo nicht trinken?“ ſagte er zu dem Fremden. „Haben Sie es gehört meine Herren, nun hat jeder in der Ge ſellſchaft die Wahl, ob er trinken oder ſich ſchlagen will. Und Sie, mein Herr, ſa gen Sie mir jetzt, was Sie wollen?“ „Ich will keines von Beiden,“ lautete die Antwort, „jedenfalls nicht trinken “ Daun müſſen Sie ſich mit mir ſchlagen,“ rief der andere, indem er den Ausſpruch mit einem Fluche ſchloß und zu gleicher Zeit die Hand aunf den Griff ſeines Bo— wiemeſſers legte und es halb aus ſeiner Scheide zog. „Haben Sie die Abſicht, mich zu morden?“ fragte der Fremde mit einer Kälte, welche bei einem Blick auf ſeine feinen, zarten Zůge erwarten ließ, er werde vor Schrecken und Furcht ſchen zu— rückweichen. „Sie könnnen ſich ja weh— ren!“ verſetzte der Eiſenfreſſer in etwas weniger zuverſichtlichem Tone, denn auch er hatte erwartet, den Andern ſogleich nachgeben zu ſehen. „Fordern Sie mich zu einem ehrlichen Zweikampf heraus fragte der Andere. ,Natürlich,“ pol. terte Kelſer, „wir kennen in unſerem Lande keinen andern Kampf, als einen ehrlichen.“ Die Sache begann jetzt ernſt zu werden. „Meine Herren, ſagte der Reiſende mit einer höflichen Verbeugung vor den Anweſenden, „Sie wiſſen, wie ruhig ich hier eintrat und wie wenig Herausfor derndes mein ſpäteres Benehmen hatte; Sie haben geſehen, wie dieſer Mann gegen Geſetze guter Erziehung handelte und mich zu einem Streite reizte. Und nun da ich ein Fremder bin obgleich ich viel von ſüdlicher Ritterlichkeit gehört habe wünſche ich zu wiſſen, wie viele von Ihnen dem Kampfe beiwohnen wollen“ „Wir Alle, Alle!“ lautete die beinahe gleichzeitige Antwort, „es ſoll ehrlich und redlich zugehen.“ Der Eiſenfreſſer wurde etwas blaß und ſchien ſich nicht ganz be haglich zu fühlen. „Ich danke Ihnen, meine Herren, daß Sie mich durch Ihr Anerbieten ůberzengt haben, daß Gerech— tigkeit und Ehre Ihnen etwas gilt!“ fuhr der Fremde fort, „und nun will ich Ihnen beweiſen, daß dieſer Mann ein feiger Prahler iſt, ſonſt !würde Keiner von uns lebend dieſen Ort verlaſſen. Ich bin zum Einzelkampf herausgefordert, nicht wahr?“ Die Antwort war eine allgemein beſtäti gende. „Die herausgeforderte Partei hat, glaube ich, die Wahl der Waffen, der Zeit und des Ortes?“ Abermals er folgte eine beſtͤtigende Antwort. Der Eiſenfreſſer wurde immer bläſſer und un—- ſrnhiger. „Wohlan denn, meine Herren, da ich mit dem Bowiemeſſer nicht ſehr ge wandt bin und wünſche, daß die Chanuce gleich ſei, ſo ſchlage ich vor, den Erfolg dem Schickſal zu überlaſſen nund den l (Fortſetung auf der vierten Seite.)