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Sarannah Aliend Zeil
2 ( ( 1 9 3 6lO
Sarannah Aliend Zeiln.
Prof. C. I. BWanſemer, Redakteur.
2. Jahrgang. No. 2.
2 1
Kette und Einſchlag.
Eine Erzählung aus der Zeit der
in Mancheſter
von
I.F.Smith.
(Fortſetzuna.)
„Sollte Barbara ausgegangen ſein?“
murmelte unruhig er- yor ſich hin. Seine
Beſorgniß war jedoch eitel, denn die Haus—-
hälterin öffnete alsbald und hieß den Be—
ſuch doppelt willkommen, da er den grün
und gelben Shawl mitbrachte.
„Herr je, was, Sie für ein Herr ſind,
Mr. Bentley,“ rief ſie. „Wer hätte auch
gedacht, daß Sie ſo bald wieder kommen
würden?“
„Erwarteten Sie Beſuch?“ fragte der
Fabrikant mit einem Blick auf ein ſchmuhi
ges Kartenſpiel, das auf dem Tiſch lag.
„Nein,“ antwortete die Haushälterin
dreiſt und ſuchte ihrer Verſicherung da
durch Kraft zu geben, daß ſie alsbald die
Hausthüre wieder ſchloß.
„Ich ſchließe immer um ſechs Uhr,“
ſagte ſie, als ſie zurückkam, „denn um
dieſe Zeit machen die Handlungsgehülfen
der Nachbarſchaft Feierabend, und es wird
leer auf dem Plat Nicht daß man von
Dieben etwas zun beſorgen hätte, denn wir
ſind gut verwahrt, und es giebt hier nichts
zu ſtehlen. Wer meinen Herrn kennt,
ſucht hier kein Geld.“
„Das kann man Ihnen auf's Wort
glauben.“
„Herr je, Mr. Bentley, was haben Sie
denn da?“ ſagte Barbara, welche in dem
Paket, ans dem ſie den Shawl genommen
einen faſt ebenſo großen in Papier einge—-
hüllten Gegenſtand bemerkte.
„O nichto.“
„Dafür iſt es doch zu groß,“ murmelte
die Haushälterin.
„Sie müſſen nicht ſo nengierig ſein.
Sie ſind nicht die einzige gute Freundin
die ich in der Cith habe.“
„Wird ein ſauberes Weibsſtück ſein,“
brummte Barbara.
„Im Gegentheil, ſie iſt eben ſo zuver—
läſſig und achtbar wie Sie.“
Die Haushälterin glaubte von dieſer
Verſicherung ſo viel ſie mochte.
Faſt eine Stunde entſchwand, ehe ſich
das erſehnte Klopfen an der Hausthüre
vernehmen ließ. Barbara hielt es anfangs
nicht der Müůhe werth, darauf zu achten,
weil ſie meinte, es ſei Grindſtone s Por
tier, der zu ſeiner Spielpartie komme.
Das Klopfen wiederholte ſich.
„Ein Beſech,“ ſagte John Bentley.
„Und wenn man nachſieht, iſt Niemand
da. Die Lehrlinge treiben gerne ſolchen
Unfung.“
„Schon wieder.“
Zu Ihrem großen Aerger ſah ſich Bar—
bara genöthigt, das Fenſter zu öffnen.
Unten ſtand Michael Haman und der
Kutſcher mit deſn Reiſekoffer.
„Ich bin verloren!“ rief Barbara.
„Sogleich, Sir!“ Dies galt ihrem Herrn.
„Sogleich!“
„Was gibtsſragte Bentley im Tone
gut geſpielter Gleichgultigkeit.
„Was es gibt? Mein Herr iſt ange
kommen und ich verliere meinen Plah.
Ach!“ fügte ſie bei, „das Kleid und der
Shawl kommt mich theuer zu ſtehen!“
Einudfünfzigſtes Kapitel.
John Bentleh konnte kaum ein Lächeln
unterdrücken bei der Behendigkeit, mit der
Barbara den Shawl, die Karten und das
Cribbagebrett in einen Srank einſchloß
und dazu rief: „Ich komme, ich komme.“
„Ihr Herr darf mich hier nicht finden,“
flüſterte er ihr zu.
„Mein's auch,“ verſetzte das Weibs~
bild trocken. „Es wäre keine angenehme
Begegnung, und ich würde meinen Platz
verlieren. Eilen Sie nach der Flur des
zweiten Stocks hinauf, während ich ihn
hereinlaſſe. Hurtig!“
„Sie hätten einen guten General gege
ben,“ ſagte der Beſuch, indem er ihren
Befehlen Folge leiſtete. ;
Als jedoch Bentley die Hausthüre auf
ſchließen hoörte, kam er haſtig wieder herun
ter, und eilte durch Michael Haman's
Schlafzimmer die kleine Treppe nach dem
veriaſſenen Burean hinab. Hier ange—
langt, fehlte es nicht an Verſtecken, denn
das Gemach war zur Hälfte mit Gerüm—
pel aller Art ausgefüllt, und namentlich
das hohe, hungrig ausſehende Kamin
theilweiſe durch ſchadhafte Seſſel und
Schreibeböcke verſteckt. „Endlich,“ mur—
melte er vor ſich hin, als er ſich hinter der
letteren Verſchanzung verkroch; doch that
er dies erſt, nachdem er ſich zuvor über—
zeugt hatte, daß der Schlüſſel, welchen Lin
ihm gebracht, vollkommen paßte.
„Herr je, “ ſagte Barbara, als ſie ihrem
Herrn die Treppen hinauf leuchtete, „wer
häãtte Sie auch heute Abend noch erwartet?
Ich hatte ſchon das Haus geſperrt; aber
Sie finden ein hübſches Feuer da, und
der Keſſel hängt bereits über.“
„Hum, ich ſehe, Ihr läßt's Euch wohl
jein,“ brummte Michael Haman, argwöh—-
niſch im Zimmer umherſchauend.
„So gut man es an dieſem traurigen
Platz kann, “ verſetzte die Haushälterin et
was ſtutzig. „Hier ſind ſogar die Ratten
ausgewandert moͤchte wiſſen, was ſie
halten ſollte. Der Winkel paßt mehr ſr
eine Eule, als für einen Chriſtenmenſchen.
Wenn Sie mich nur mit nach Mancheſter
fügte ſie im Tone ſchmeichelnder
Ueberredung bei.
„Bin ich nicht genug von Enuch geplagt
wenn ich auf ein paar Stunden nach Lon—-
don komme ?“ bemerkte Michael Haman.
„Ihr wißt daß mir das Geplapper ver—
haßt iſt.“
„Ach, es iſt ein ſo großer Troſt, wenn
man Jemand hat, mit dem man reden
kann.“
„So redet mit Euch ſelbſt; ich mach's
auch ſo.“
„Ja, aber ich kann nicht mir ſelbſt ant~
worten,“ entgegnete Barbara— gereitzt~
„Doch das ſieht Ihnen gleich keine
Rückſicht. Man findet mich ſicherlich
eines Tages todt in dieſen ſchwarzen alten
Stuben.“
„Wir müſſen alle ſterben,“ bemerkte ihr
Herr philoſophiſch.
„Ja aber wenn man's allein vollbrin~
gen ſoll, ohne daß Jemand in der Nähe iſt
um einem nur einen Trunk Waſſer zu
reichen das iſt hart.“
Und ſo retſchte die alte Haushälterin
fort, weil ſie wohl wußte, daß ihr Herr,
wenn ſie die Angſt ihres Innern durch ein
mit ihrem ganzen Weſen im Widerſpruch
ſtehendes Schweigen verrieth, Argwohn
geſchöpft haben würde. Sie bediente ihn
zu gleicher Zeit mit Thee, und während
Michael Haman langſam ſeine Taſſe aus
ſchlürfte, erſah ſie die Gelegenheit, unter
dem Vorwand, nach dem Verſchlnß der
Hausthüre zu ſehen, das Zimmer zu ver—
laſſen und für ein ſicheres Entweichen
ihres verſteckten Beſuchs Sorge zu tragen.
Aus dem Umſtand, daß er ſich nicht auf
der oberen Flur beſand, ſchloß ſie natür—
lich, daß er ſich ſchon entfernt habe.
„Es iſt Alles ſicher,“ murmelte ſie vor
ſich hin. Welchen leichten Tritt er hat,
daß ich ihn nichit hörte“
Sie hatte bloß ihren Herrn getaäuſcht
eine Sünde, die ihr Gewiſſen nicht ſehr
hoch anſchlug. Wir laſſen ihr nur Ge—
rechtigkeit widerfahren, wenn wir ſagen,
daß John Bentley, falis er verſucht hatte,
ſie zur Theilnahme an ſeinem kühnen Plan
zu veranlaſſen, mit Entſchiedenheit zurück
gewieſen worden wäre; denn wenn auch
Barbara nicht uiel von Grundſäten wußte
ſo fehlte es ihr dafür nicht an Klugheit.
Gegen zehn Uhr zog ſich Michael Ha—
man nach ſeinem Schlafgemach zurück,
ohne zu ahnen, daß ſein Feind ihm ſo nahe
war. Die Haushälterin hörte, wie er ſeine
Thüre mit mehr als gewöhnlicher Vorſicht
abſchloß und verriegelte
„Er muß vjel Geld mitgebracht haben,“
dachte ſie. „Aber was nüht es ihm, da er
doch nicht das Herz hat es auszugeben?
Wem er's wohl vermacht, wenn er ſtirbt?
Lange kann er's nimmer treiben, denn
ſeine Sünden zehren an ſeinem Leben.“
Unter ſolchen Betrachtungen ſchickte ſie ſich
an, Leichfalls ihr Nachtlager aufzuſuchen.
„Das Gewiſſen hält den alten Geizhals
wach,“ dachte John Bentley, als er von
ſeinem Verſteck aus Michael Haman in
ſeinem Zimmer ſchweren Triites auf und
abgehen hörte. „Mich wundert, wie er
überhaupt in dieſe düſteren Räume zurück
kehren mag, die der Schauplatz ſeiner Er—-
preſſungen und das Gefängniß ſeines Kin—
des waren. Arme Aliee! Du warſt das
einzige weibliche Weſen, das ich je wirklich
liebte, und das ich dem Götzen der Welt
zum Opfer bringen mußte.“
Ein Knarren auf der Treppe zeigte an,
daß Michael nach dem Bureau herunter
ſtieg. Bentley kauerte ſich hinter der
Barriere Stühlen und Schreibeböcken zu—
ſammen, die er ſo gerückt hatte, daß er
Alles, was vorging, gut ſehen konnte.
Allerdings eine peinliche Lage. Der
ſtolze John Bentley, der ſein Haupt ſo
hoch getragen an der Börſe, der kuͤhne 2
glückliche Spekulant auf dem Baimwol
lenmarkt, zitterte wie ein Kind und wagte
kaum zu athmen. Wenn ein tiefes Ge—
fühl der Demüthigung ohne Reue Sühne
leiſten könnte, ſo haͤtte der herabgewürdigte
Mann in jener bitteren Stunde für ſeine
Verbrechen ſchwer gebüßt, denn nie war es
ihm ſo maßlos elend zu Muth geweſen.
Die Thüre knarrte in ihren Angeln, als
Haman öffnete, und der Ton ſchnitt dem
bleichen zitternden Mann tief in's Herz.
Erſt Michael Haman's mettallene Stimme
flößte ihm wieder einige Entſchloſſenheit
ein, indem ſie ſeinen Haß und alle die
Leidenſchaften ſeines Weſens wach rief.
Haman ſtellte das Licht auf eines der
leeren Pulte, ſchlug die Schöße des ver—
blichenen Schlafrocks um ſeinen hageren
Leib und ſetzte ſich tief aufſeufzend in der
Mitte des Zimmers nieder.
„Wie verödet es hier ausſieht!“ ſprach
er laut vor ſich hin. „Und doch erinnere
ich mich einer Zeit, in welcher ſich alle
meine Thatkraft, alle meine Hoffnungen
hier konzentrirten. Ich machte damals
Geld, muͤnzte es aus der Noth meiner Ne-
Jetzt verabſcheue ich dieſes
Treiben. Hieher kam auch der alte Bent
ley, nm mit zaghaftem Herzen ſich Bei—
ſtand zu erflehen, wo er zu fordern berech
tigt war und ich wieß ihn zurück. Ach,
daͤß ich dies thun mußte! Seit jener
Stunde ſcheint mich der Fluch des Un—
danks verfolgt zu haben.“ Der verſteckte
Zuhörer lächelte bei dieſer Selbſtanklage.
Auch ſein Sohn ſuchte mich hier auf, um
ſich Alices Hand zu erbittten. Das erſte
Mal ja, ich will ihm Gerechtigkeit wi—
derfahren laſſen ich glaube, daß er das
Savannah, Ga., der l. Mai 1872.
erſte Mal es ehrlich meinte; aber bei ſei—
ner zweiten Werbung hatte er wie ein Ko
mödiant Wort für Wort einſtudirt und
Alles auf eine Zurückweiſung angelegt.“
John Bentley war überraſcht, zu höoören,
wie richtig Alices Vater ſeine damalige
Rolle gewürdigt hatte. „In den Banden
des Mammon wußte ich freilich nicht,
was für ein gebrechliches Ding es um ein
Mädchenherz iſt; aber er, der Verderber,
wußte es wohl. In der Rohheit meines
Weſens faßte ich es an, als ſei es wie das
meinige von Eiſen, und es zerbrach. Ach
wie ſchwer bin ich dafür geſtraft worden.
Der Goͤtze, vor dem ich kuniete, hat ſich in
Thon umgewandelt, und es ekelt mich vor
ihm, obſchon ich ihn feſthalte. Mein Al
ter iſt ſo einſam, wie meine Ingend, und
wenn ich ſterbe, wird an meinem Grabe
kein Kind mir eine Thräne nachweinen
oder für die Ruhe meiner Seele ein Gebet
zum Himmel ſchicken. Selbſt die Rache,
deren Vorgenuß eine lange Reihe von Jah—
ren mein ſtetiger Sporn war, ſcheint zu er—
blaſſen, je näher ihre Vollendung rückt.
Ich muß hart ſein wie Granit. Dieſe
Befriedigung wenigſtens ſoll mir nicht
entgehen.“ Der Sprecher zog aus ſeiner
Bruſt ein anſehnliches, mehrfach verſiegel—
tes Paket, legte es in den eiſernen Schrein
und drehte zweimal den Schlüſſel um.
Damit noch nicht zufrieden, probirte er
mehrmal den Griff, um ſich zu ůͤberzengen
daß der Verſchluß feſt ſei. „Bleib da liegen
bis morgen,“ fuhr er fort. Dann nahm
er das Licht auf, blieb eine Weile vor dem
Porträt ſeiner Frau ſtehen und ſeufzte tief,
während er die verſchloſſene ſtaubige Lein
wand betrachtete. Endlich wandte er ſich
wie von einem plöͤtzlichen Impuls getrie—
ben, um und verſchwand durch die Trep—
penthüre,
Sein ſcheuer Zuſchauer kroch jetzt nach
dem Fenſter hin und öffnete es leiſe; dann
verhielt er ſich wohl eine Stunde lang
maäuschen ſtille. Bald nachdem es auf
der Saint Paulskirche Zwölf geſchlagen
hatte, ließ ſich vom Hof herauf ein faſt
nur hauchartiger Pfiff vernehmen. John
Bentley ſchrak aus ſeinem Brüten auf.
Der Pfiff wiederholte ſich. Jetzt hatte der
Fabrikant alle ſeine Faſſung wieder ge·
wonnen. Er ſchaute in den Hof hinunter
und ſah dort in derſelben Verkleidung,
wie auf dem Bahnhof, den Zigeuner ſte
hen. „Der Kerl iſt pünktlich,“ murmelte
er vor ſich hin.
Er winkte ihm, zu warten, öffnete dr
eiſernen Schrank mit dem falchen Schlüh
ſel und nahm das von Haman hineinge—
legte Paket an ſich. „Ich bin noch nicht
geſchlagen,“ ſprach er vor ſich hin, als er
die Thůre wieder abſchloß. „Mein Weib
und ihre Helfer ſinnen auf meinen anter—
gang; aber jie ſoll ſinden, daß ich noch!
immer ihr Meiſter bin.“
Er öffnete jetzt das kleine Paket, das
Barbara's Aufmerkſamkeit auf ſich gezo
gen hatte, nahm einen Bindfadenknäuel
heraus, rollte ihn auf und ließ das eine
Ende in den Hof niederfallen
„Habt Ihr' s?“ flüſterte er.
Lin machte ein Zeichen der Bejahung,
Einige Minuten ſpäter zog Beutley
einen ſtarken, mit Knoten verſehenen Strick
in die höhe, befeſtigte ihn an dem Fenſter—
ſims und ſtieg an dieſer Strickleiter nieder.
Unten angelangt, fordecte er ſeinen Gehül
fen auf, hinanzuſteigen, das Seil loszu-·
ſmachen und an der Traufrinne wieder
herabzuklettern. Der Zigeuner unterſuchte
einen Augenblick die Feſtigkeit der Rinne
und ſtieg dann an dem Seil in die Höhe.
Er war bald im Zimmer und begann den
Strick, welchen Bentley mit einer über
flüſſigen Menge von Knoten verſehen, los—
zumachen. Als er ſein Geſchäft faſt zu
Ende gebracht hatte, fühlte er plötzlich
ſten Hals von ein paar knöchernen Hän—
lden umfaßt.
Es war Michael Haman. Der alte
Mann hatte, als er ſchlaflos in ſeinem Zim—
mer auf- und abging, im Bureau unten ein
Geräuſch gehört und war hiuargenlien
um ſich von der Urſache zu überzeugen.
„Räuber!“ ſchrie er. „Diebe!“
„Laßt mich los!“ keuchte Lin.
„Hülse! Hülse! Barbara!“
John Bentley hörte die Rufe, und ein
kalter Schweis überrann ihn bei dem Ge·
danken an die Schande und die Bloßſtel
lung, die ihm drohte. Wie tief war er ge
fallen! Er bot in der That einen bejam
mernswürdigen Anblick, als er wie ge·
lähmt daſtand; denn er wagte es nicht, zu
fliehen und ſeinen Mitſchuldigen im
Stich zu laſſen. Wurde Lin ergriffen, ſo
wußte er wohl, ud ſeine Entdeckung
unausbleiblich wa
Das Geſchrei verſtummte plötzlich, und
er glaubte ein tiefes Stöhnen zu verneh
men. Das Stöhnen wiederholte ſich,
und unmittelbar darauf fiel das Seil zu
ſeinen Füßen nieder. Er rollte es mechc—
niſch zuſammen und ſteckte es in ſeine
Taſche. In gleicher Zeit rutſchte der 3i—
geuner an der Traufrinne herunter.
„Was habt Ihr gethan?“ fragte John
Bentley.
„Das iſt nicht der Platz zu Erklärun—
gen,“ verſetzte Lin. „Je ſchneller wir von
hier fortkommen, deſto beſſer iſts für uns!
Beide.“ ;
„Für uns Beide!“ Wie ſchauderte
ſein Zuhörer bei dieſen Worten.
Die Dunkelheit der Nacht kam ihnenzu
ſtatten, und ſie eilten unbemerkt fort bis
ſie Cheapſide erreichten.
„Getſauf der anderen Seite,, flüůſterte
Bentle) ſeinem Begleiter zu. „Man
ſtkönnte us beobachten.“
„Inmir der vorſichtige Mann,“ be—
mertte Li dieſer Weiſung Folge gebend.
Da die re Elenden, welche nur im Ge
biet des Wrbrechens einander gleich gewor—
den, keini Lohnkutſcher anzurnfen ſich ge
trauten, ſo ſetzen ſie ihren Weg nach dem
Albany Fuß Fort. Der ſchlafrige
Portier hhmerkte nur, daß an ſeinem Fen—
ſter zwei Berſonen vorbeikamen, von denen
eine Mi. Bentley war. Wer die andere
ſein mochte, machte ihm kein Kopfzerbre—~
chen wahrſcheinlich ein lnſtiger Kame~
rad,“ dacte er, wenn er überhaupt etwas
: dachte
In dem praͤchtig möblirten Beſuchzim—
mer angelangt warf ſich der Fabrikant in
einen Seſſel. Er hätte in dieſem Augen—
blich Weltei darum gegeben, wenn es
möglich gewiſen wäre, das Abentener die
ſer Nacht unzeſchehen zu machen; doch der
gleichen Gedanken kamen jetzt zu ſpät Es
war ihm über die Summe ſeiner Verbre—
chen ein Lichtaufgegangen. Folgte ihnen
nicht vielleicht bald auch die Strafe?
Ihre Vorboten wenigſtens, die ſtetige
Spannung, Träume, die den unterbroche—
nen Schlaf umſpukten, und die Angſt,
welche ihm jeden Genuß des Tages ber
bitterte, heftetentſich bereits an ſeien Ferſe.
„Dort ſteht Wein ans dem Tiſch, “ ſagte
er.
„Ich möchte lieber Brantwein haben,“
verſetzte der Zigenner.
John Bentley zündete die Lampe an
und ſtellte einen Flaſchenkorb mit Liqueren
auf den Tiſch. Lin füllte ſich ein großes
Glas. Er brachte es an die Lippen, und
ſein Wirth bemerkte, daß ſeine Hand und
ſeine Manſchetten blutig waren
„Was iſt vorgefallen?“ fragte er.
„Was wird vorgefallen ſein?“ antwor—
tete der Moͤrder unverſchäͤmt. „Meint
Ihr, ich ſei ein ſolcher Narr geweſen, mich
in der Schlinge saugen und Euch ſchuß—
frei ausgehen zu laſſen? Nein, nein, Mr.
Bentley, wir ſchwimmen oder ſinken mit—
einander. Wenn ich baumeln ſoll, ſo
werde ich doch die Befriedigung haben, es
in guter Geſellſchaft zu thün.“
„Elender, Ihr habt ihn ermordert!“
„Ganz Eure Schuld.“ ſagte Lin. „Ihr
habt gar zu ſicher gehen wollen und den
Strick ſo feſt an das Fenſterkreuz geknotet
daß ich das Meſſer brauchen mußte, um
ihn abzulöſen. Da erwiſchte mich der
Alte und —“
„Genug“ rief John Bentley mit einem
Schauder des Entſetzens
Der Zigenner half ſich zu einem zweiten
Glas Branntwein und ſchlürfte daran eini—
ge Minuten, während der Fabrikant ſich
in Gedanken vertieſte. Es hatte den An—
ſchein, als ſühle der Moörder weder Reue
über ſeine Unthat, noch Sorge über ſeine
Sicherheit; die Erſtere lag nicht in ſeiner
Natur und die Letttere glaubte er getroſt
Mr. Bentleh überlaſſen zu köͤnnen.
„Wir müſſen England verlaſſen,“ ſagte
der vornehmere Verbrecher im Ton eines
Mannes, der einen plötzlichen Entſchluß ge~
faßt hat.
„Wird wohl das Beſte ſein,“ bemerkte
der Zigeunet.
„Und zwar ohne Säumen.“
„Mir alles recht. Wohin?“
„Nach Amerika.“
„Dann eilt es nicht,“ ſagte ſein Mit—
ſchnldiger. „Das nächſte Schiſf fährt
erſt am Freitag aus.“
„Thor!“ berſetzte John Bentley durch
die geſchloſſenen Zähne. „Bis dahin
wimmelt es in allen Häfen von Polizei
ſpionen. Die Windungen der Schlange
müſſen das Vorbild unſeres Weges ſein;
doch dürfen wir, ungleich der Schlange,
keine Spur zurücklaſſen. Noch
Stunden tönnen wir mit aller Sicherheit
handeln.“
„Die müſſen wir benutzen,“ ſagte Lin,
die Hand ausſtreckend, um ſein Glas zum
dritten Mal zu füllen.
„Keinen Tropfen mehr, “ entgegnete Bent~
ley, die Flaſche wegnehmend. „Ihr wer
det für die nächſte Zeit aller Eurer Geiſtes
gegenwart bedürfen. Folgt mir.“
Er führte den Zigeuner nach ſeinem
Antleidezimmer und verſah ihn mit einem
ſeiner eigenen Anzüge. Dann verbrannte
ſer das blutige Hemd, füllte ſeinen Reiſeſack
mit Kleidern und Leibweißzeug, belud ſei
newm Spießgeſellen damit und verließ in
Gemeinſchaft mit ihm das Albany.
Der erſte Bahnzug brachte das verbre—
cheriſche Paar nach Dover, von wo aus es
nach Frankreich überſetzte; ſie reisten ſo—
dann eiligſt über Belgien nach Deutſch
land, und ſchifften ſich in Hamburg auf
einem bereit liegenden Dampfboot nach
New Jork ein.
„Daß muß man Ihnen laſſen, Sie
ſind ein geſcheidter Kerl,“ ſagte Lin. als
das Boot den Hafen im Stern hatte.
„Welch' ein Vermögen hätten wir zuſam—
menbringen können, wenn wir früher
Compagnons geworden wären.“
John Bentley kehrte ihm mit einer An
wandlung von Abſcheu den Rücken. Er,
der einſt ſo ſtolze, glůckliche Spekulant,
der Compagnon eines Moͤrders! Wie
viel beſſer ware er gefahren, wenn er ſei—
nen alten Freund und erſten Aſſoeie, den
armen Willie, nicht ſo ſchnöd verrathen
hätte.
; (Fortſetung folgt.)
; ;
Atlanta.
(Eingeſandt.)
Bericht des Comite's für Einwanderung.
(Angenommen in einer regelmäßigen Verſammlung
der Deutſchen Geſellſchaft zu Atlanta, gehalten am
19. Maͤrz 1872.)
Die kaum berechenbare Bedeutung und Wichtigkeit
der Einwanderung für die materielle und geiſtige Ent~
wickelung der Staaten der Union, wo dieſelbe Di
menſionen von einiger Bedeutung angenommen hat,
einerſeits, und der beinabe gänzliche Mangel derſelben
ſnach Georgia anderſeito, irotß mehrfacher ſelbſt von
der geſetzgebenden Verſammlung unterſtühten Verſuche
eine ſolche ins Leben zu rufen, liegen ſelbſt dem
oberflaͤchlichſten Beobachter als unbeſtreitbare That
ſachen vor.
Nach unſerer Ueberzeugung kann nur eine klare
Erkenntniß der Urſachen, welche dieſelbe bis jett
verhindert baben und deren Hinwegräumung und
Umgeſtaltung in günſtigere Verhältniſſe eine haltbare
Grundlage aller Bemühungen bilden eine geſunde
Einwanderung nach den Südſtaaten, welche die
Wohlfahrt derſelben, wie die des Einwanderers im
gleichen Maße befoͤrdert, ins Leben zu ruſen, und
wenn wir die Einwanderungsfrage einer Unterſuchung
unterwerfen wollen in der Abſicht den ſtetigen Beſtre
bungen Einwanderung nach bier zu leiten die richtigen
Bahnen anzuweiſen, ſo bandelt es ſich ganz vorzüglich
darum die folgenden Fragen gewiſſenhaft und ohne
Vorurtheile zu erwaͤgen und klar und beſtimmt zu
beantworten:
1.) Was ſind die Urſachen, welche bis jett die
Einwanderung nach Georgia verhindert haben?
2.) Konnen dieſe Urſachen beſeitigt und Bedin
gungen nnd Zuſtände ins Leben gerufen werden welche
die Einwanderung möglich machen und befordern?
3) Wodurch und in welcher Weiſe kann dies
geſchehen?
Wenn wir den Geiſt unſerer Geſellſchaft verſtehen,
ſo maßt ſich dieſelbe keineswegs an dieſe Fragen
endgültig hier in Atlanta entſcheiden zu wollen, ſon
dern betrachtet die Löſung derſelben als dieGeſammt
aufgabe der Bevollerung und vorzüglich der deutſchen
Bevolkerung des Staates.
Es muß unſerer Geſellſchaft deshalb zunächſt blos
daran liegen die Bahn zu einer gründlichen Erörterung
dieſer Frage zu eröffnen und wo möglich eine verſtän~
dige Zuſammenwirkung der Deutſchen des Staates
ins Leben zu rufen und die Theilnahme und Mitwir
kung der amerikantſchen Bevolkerung in genügender
Weiſe zu ſichern um diejenigen Maßregeln ergreifen
und den Erforderniſſen entſprechen zu können, welche
die Beantwortung der obigen Fragen als unumgäng
lich nothwendig zur Erreichung des beabſichtigten
Zweckes erheiſcht.
Es dünkt uns, daß vorzüglich drei Umſtände als
weſentliche Urſachen des Mangels der Einwanderung
nach den Südſtaaten und alſo auch nach Georgia zu
betrachten ſind und um zunächſt einen Anhalteyunkt
für die praktiſche Thaͤtigkeit unſerer Geſellſchaft zu
gewinnen, erlauben wir uns dieſelben zu bezeichnen
und einige Vorſchläge auf dieſelben zu baſiren. Dieſe
Umſtaͤnde ſind:
1.) Unrichtige Vorſtellungen oder gäͤnzlicher Man
gel von Kenntniſſen hieſiger Verhältniſſe im Norden
und in Europa, herbeigefuͤhrt durch eine zur Gewohn
heit gewordenen Uebertreibung der Uebelſtände und
Mänzel und Unterſchätzung oder Nichtberückſichtigung
der Vortheile und Borzüge bieſiger klimatiſcher, ſozia
ler und politiſcher Zuſtände.
2.) Der gänzliche Mangel aller Organiſationen
welche dem Einwanderer ſchon in Europa die Erkennt
niß ermöglichen, wo und wie, zu welchen Preiſen und
unter welchen Bedingungen er ſich in Georgia Land
und Eigenthum erwerdben oder ſonſt ſeine Geſchicklich—
keit und Fähigkeiten zur Begründung ſeiner materiel
len Exiſtenz hier zu Lande anwenden und verwerthen
kann.
3.) Die einſeitige Auffaſſung der Einwanderungs
fragẽ von Seiten des amerikaniſchen Publikums in
Georgia und den Südſtaaten überhaupt. Beſtrebungen,
Einwanderung ins Leben zu rufen durch Importation
von Arbeitern unter Contrakt von Europa oder irgend
wo anders her um dem Mangel an Arbeit, der durch
die Abſchaffung der Sklaverei entſtanden iſt, abzu
helfen wie ſie jetzt von Privatperſonen und ſogenann
ten Land~ und Immigrations Geſellſchaften betrieben
werden, ſind unter den Umſtänden natürlich und zu
entſchuldigen und mögen wohl auf kurze Zeit als gute
Spekulationen zum Nutzen der Unternehmer dienen,
werden aber einer wirklich geſunden Einwanderung
ſtets hindernd im Wege ſtehen und die manigfaltigen
Vorurtheile und ungünſtigen Auſichten in Bezug auf
den Süden und ſeine Bevoölkerung nur beſtärken.
Die Produktion einiger weniger landwirthſchaftli—
cher Produkte im großeẽn Maßſtabe durch Miethlinge
am Platze der früheren Sklaven unter dem alten
Plantagen-Syſtem wird nie im Großen zur weſentli-~
chen Verbeſſerung der ſüdlichen Ländereien beitragen.
Nur eine dichte und fleißige landwirthſchaftliche Be~
völkerung, welche von Jahr zu Jahr die Produktions~
fahigteit des Bodens und mit ihr in ſteigenden Pro~
portionen den Reinertrag landwirthſchaftlicher Betrieb~
ſamkeit vermehrt, kann eine feſte Grundlage für die
geſunde Entwickelung aller andern Erwerbzweige bil~
den. Die Wohlfahrt aller Bevölkerungsklaſſen, der
Handwerker, der Kaufleute und gelehrten Stände,
das Wachosthum und Gedeihen der Städte, der Erfolg
und der Werth der Eiſenbahnen und anderer ſtaatli~
cher Verbeſſerungen hängt in erſter Linie von dem
Beſtehen einer ſolchen Bevoölkerung ab und wir ſind
der Ueberzeugung, daß die Civiliſation eines Volkes
im eigentlichſten Sinne in demſelben Verhältniß zu
nimmt, in welchem ſich mit der Verbeſſerung des 80~
dens und der Hebung der Landwirthſchaft die Boden~
flche verringert, die zur jährlichen Erzeugung der
phyſiſchen Ernährungsmittel eines jeden Einwohners
gebraucht wird. Kleine Farmen mit Manigfaltigkeit
der Produkte unter einem dauernden Verbeſſerungs~
Syſtem des Bodens, baſirt auf regelmäſſigen Frucht~
wechſel mit Klee, Gräſern und Bohnen als güne
Ernten und einer eniſprechenden Viehzucht zur Dün~
gererzeuguug kann allein dieſen Zwecken entſprechen;
aber ohne eine weit größere landwirthſchaftliche Be~
völkerung wird Georgia niemals ſolche Farmen in
hinreichender Anzahl beſitzen.
Nur ſolche Maßregeln, welche dem auswanderungs~
luſtigen Deutſchen da wir ganz vorzüglich die
Einwanderung in Bezug auf unſere Landoͤleute im
Auge haben die Ueberzeugung beibringen, daß er
ſich in Georgia ebenſo ſchnell und unter ebenſo billigen
Bedingungen zunächſt eine Heimath und dann als
Früchte ſeines Fleißes und ſeiner Sparſamkeit eine
ſorgenfreie Eriſtenz, den guten Willen und die Achtung
ſeiner Mitbürger erwerben kann als in den weſtlichen
Staaten, koöͤnnen dazu dienen eine Einwanderung,
wie ſie nͤthig iſt, nach Georgia und den Südſtaaten
ins Leben zu rufen.
Das erſte iſt bis jetzt noch nicht der Fall, und das
zweite in Folge ſteter Verneinungen der Preſſe wird
im Allgemeinen, wenigſtens im Norden und Europa
ernſtlich bezweifelt. Es iſt alſo die Aufgabe der Be—
völkerung des Staates, wenn ihr an einer geſunden
Einwanderung nach Georgia gelegen iſt, die erſte
rbengeuannte Bedingung ins Leben zn rufen und
praktiſche Beweiſe zu liefern, daß Einwanderung nach
Georgia grt wird, und daß der Einwanderer
hier im Allgemeinen wenigſtens ebenſo gut wie an~
derswo behandelt werden wird.
Andere Hinderniſſe, die der Einwanderung nach
Georgia entgegenwirken, z. B. der Mangel direkter
Dampſſchiffahrtoverbindung zwiſchen Deutſchland nnd
Georgia u. ſ. w. hätten wir anführen können ; doch
da dieſe, obgleich wichtig, in ſich ſelbſt immer von
ſekundarer Bedeutung bleiben werden ſo lange nicht
die obigen Fundamentalbediugungen erfüllt ſind, ſo
ſtehen wir von einer weitern Beruühung deſſelben vor
der Hand in dieſem Berichte ab.
Als einen Theil der Bevölkerung des Staates hal
ten wir es, in Erwägung der oben genannten Um—
ſtͤnde, für die Pflicht unſerer Veſelſchm
1.) Kenntniſſe uͤber die verſchiedenen Theile des
Staates, des Bodeno, Climas u. ſ. w. zu ſammeln,
dieſelben ſorgfaltig und gewiſſenhaft zuſammen zu
ſtellen und als Berichte ünſerer Geſell ſchaft zu Nuß
und Frommen des Einwanderers zu veröffentlichen
und denſelben im Norden und in Deutſchland die
größtmöglichſte Berbreitung zu verſchaffen.
I. Ster
Laufende Num.
2.) Die Landeigenthümer auf die Nothwendigkeit
ſaufmerkſam zu machen ihre Laändereien zu parzelliren
ſund unſererer oder andern nach denſelben Prinzipien
harbeitenden Geſellſchaften zum Verkauf an Einwan
ſderer unter den möoͤglichſt günſtigſten Bedingungen
zu ůbergeben.
3,) Die Bevolkerung von Georgia und unſere
Landsleute zur Theilnahme und Mitwirkung in dieſer
Angelegenheit aufzufordern und auf dieſe Weiſe zur
Bildung von Geſfellſchaften, die mit der unſrigen in
Uebereinſtimmung wirken, Beranlaſſung zu geben.
Um den obengenannten Zwecken entſprechen zu kön
nen, halten wir es fůr nothwendig, daß dieſer Bericht
in deutſcher und engliſcher Sprache in einer genügenden
Zahl von Copien gedruckt und verſendet wird an:
1.) Eine möoglichſt große Anzahl amerikaniſcher
Bürger des Staated, vorzüglich Landeigenthümer.
2.) An eine möoglichſt große Anzahl deutſcher Bür
ger des Stgates, namentlich deutſcher Landwirthe.
3.) An die landwirthſchaftliche Geſelſchaſt des
Staates und der verſchiedenen Counties und an die
verſchiedenen deutſchen Geſellſchaften des Staates.
1.) An die Herausgeber der vorzüglichſten Zeitun
gen des Staates und der Nachbarsſtaaten.
Ferner erlauben wir uns zwei Cireulare, das eine
an die Landeigenthümer des Staates, das andere an
die deutſchen Landwirthe gerichtet zur Annahme vor
zulegen und den Vorſchlag zu machen, daß dieſelben
ebenfalls in hinreichender Anzahl gedruckt werden
um mit dem obigen Berichte den verſchiedenen Per
ſonen und Geſellſchaften zur Erreichung der oben ge
nannten Zwette überſchickt werden zu koönnen.
Wilhelm Titelbaum, ; Committee fůr
M. Frant, Cinwanderung
Ch. Weinmeiſter, J A. D.G.
Dav. Mayver, Pr. A. D. G.) Ex-Officio
H. Seldner, V.Pr. A. D.G. Miütglieder des Com.
Ch. Rauſchenberg, Sekretaͤr. ) fuͤr Einwanderung.
Atlanta, den 19. März 1872.
Derrn
Geehrter Herr. 1
Wir erlanben uns Ihnen einliegend
den auf Einwanderung ſich beziehenden
Theil der Verhandlungen der „Atlanta
Deutſchen Geſellſchaft“ und den Bericht
des Einwanderungs ·Committee s, wie er
in der regelmäſſigen Verſammlung der
Geſellſchaft am 19. März angenommen
wurde, zu überſchicken. : 1
Der Zweck unſerer Bemühungen iſt
hinlänglich aus dieſem Bericht zu erſehen,
und da wir die Anſichten unſerer Heut—
ſchen Landslente in Bezug ans Ein—
wanderung nach Georgia für ganz beſon—-
ders beachtenswerth und entſcheidend in
dieſer Frage halten, ſo erſuchen wir Sie
freundlichſt uns durch die ſorgfältige Be
antwortung der nachſtehenden Fragen
Ihre perſoöͤnlichen Erfahrungen und An—
ſichten bei der Bearbeitung eines unpar—
teiiſchen Berichtes über Georgia zur Ver
fügung zu ſtellen.
1.) Haben Sie in ihrer Gegend Land,
welches ſich zur Bebauung für kleine
deutſche Landwirthe eignet und im Ver
hältniß zu ſeiner Ertragsfaähigkeit und
Lage zu mäßigen Preiſen gekanft werden
kaunn?
2) Wads iſt die Durchſchnittsqualität
des Bodens in Ihrer Gegend und der
Preis des Landes per Acker?
3.) Welche Art von Arbeitern oder
Handwerkern kann in Ihrer Gegend Be—
ſchäftigung finden u. zu welchen Preiſen?
4.) Bietet Ihre Gegend irgend welche
Vortheile für den Arbeiter, Handwerker,
Gärtner oder kleinen Landwirth?
5.) Aus welcher Gegend Deutſchlands
kommen Sie?
6.) Wie lange haben Sie in Georgia
Landwirthſchaft oder Ihr Geſchäft be
triehen?
7.) Wie viele Acker Landes bearbeiten
Sie und welche Produkte erbanen Sie?
8.) Welches ſind Ihre Erfahrungen
in Bezug auf die Ertragsfähigkeit des
Bodens, die Preiſe der Produkte, das
Clima und den Geſundheitszuſtand Ihrer
Gegend (auch im Vergleich mit den weſt—
lichen Staaten, wenn Sie darüber perſoͤn
liche Erfahrungen haben)? ;
9.) Wie weit wohnen Sie von einer
Eiſenbahnſtation oder einem ſchiffbaren
Fluſſe?
10.) Haben Sie mit oder ohne Mit
tel angefangen und wie hat ſich Ihre
Thätigkeit bdelohnt? Halten Sie dafür
daß fleißige deutſche Landlente in Ihrer
Gegend durch den Ackerban ſich gut er—
nähren n. zu Wohlſtand gelangen können?
Welche Handwerker können in Ihrer Ge~
gend mi: Ausſicht auf Erfolg ihr Geſchäft
betreiben? 7 ——
11.) Können Gräſer und Klee in Ihrer
Gegend gebaut werden?
12.) Was iſt der Durchſchnitts Rein
ertrag des gewinnbringendſten, was der des
unprofitabelſten Produktes Ihrer Gegend?
13.) Sind Sie von Ihren amerika
niſchen Nachbarn freundlich behandelt und
lunterſtützt worden oder iſt man Ihnen
gehäſſig und feindſelig entgegegentreten?
Haben Sie die Güte dieſe Fragen den
Nummern nach ſo kurz und bündig oder
ſo ausfüůhrlich wie es Ihnen beliebt zu
ſbeantworten und uns mitzutheilen, ob
wir von Ihrem Namen Gebranch machen
dürfen oder nicht. Da uns an der Ver—
faſſung eines Berichtes über Georgia,
welcher auf Thatſachen und Erfahrungen
beruht, die nicht angezweifelt werden kön
nen, aus in unſerm beiliegenden Berichte
leicht erſichtlichen Gründen, ſehr viel liegt,
ſo wiederholen wir nochmals unſere Bitte
ſum baldige Beantwortung dieſer Fragen
und erſnchen Sie, die Antwort oder irgend
welche auf dieſen Gegenſtand bezüglicher
Communieationen an oh. r
M. D., Corresponding Secretary A.D.G.
Atlanta Ga., Drawer No. 40. ju ſenden.
s fordern wir Sie auf Ihre Nachbarn
und Freunde mit unſern Beſtrebungen
bekannt zu machen und womöglich durch
Bildung ähnlicher Vereine zur Erreichung
des dergelenten Zweckes beizutragen.
Mit Achtung
Die Deutſche Geſellſchaft.