Newspaper Page Text
Sarannah Abend Zeitung.
Srof. C. I. Vanſemer, Redakteur.
2. Jahrgang. No. 14.
Kette und Einſchlag.
Eine Erzählung aus der Zeit der Baumwollennoth
in Mancheſter
~ von
& HK Smith.
(Fortſeyuna.)
Sie wünſchen die Schlange zu miethen.“
„Nath welchem Hafen?“ „Die Sache
hätte ſich beſſer bei dem Agenten beſpre—
chen lafſen, wenn Du nir dieſen Morgen
zu ihm gefolgt wäreſt.“ „Wenn ſich's
um Geſchäfte handelt, ſo könnt ihr mit
mir nach meiner Kajůte kommen qſo be~
zeichnete, die Sprecherin ihr Schlafzimmer.)
„Dantke, meme Liebe,“ ſagte ihr Gatte.
Und ſeine beſſete Hälfte ging voran.
Mon dieu! rief die Franzoͤſin. „Was
für Manieren.“ —,Wie undelikat!“ ſagte
Mrs. Baze. „Drei Männer in ihrem
Schlafzimmer!“ fügte die älteſte Tochter
mit eitem Schauder bei. „Nur eine
Engländerin kann ſich etwas Solches er
launben. Und ſie hat ſie wahrhaftig ein-
Lieden: Mama, ſie mũůſſen der Madame
Vorſtellungen darüber machen.“ Es iſt
nicht noöthig, daß wir Mrs. Drake nach
ihrem Schlafgemach folgen. Genug wenn
wir ſogen. daß nach reiflicher Beſprechung
die Uebereinkunft, die im Falle des Ge—
lingens große Vortheile berſprach, zu
Stande kam. In gleicher Weiſe ging es
mit der Ausführung des Planes vorwärts.
Die Schlange fuhr flußaufwärts, um ihre
Ladung einzunehmen, die Nachts in Boo—
ten von den ſüdlichen Pflanzungen herbei—
geführt und faſt nur zu nominellen Prei—
ſen erſtanden wurde. Die Unionsbehör
den ſchienen gegen dieſe Vorgänge voll
kommen blind zu ſein, und Bentley er
kannte wohl, daß ein ſehr mächtiger Ein
fluß zu Gunſten des Unternehmens wal—
ten mußte. Einen oder zwei Tage vor
der Abſahrt erfuhr Welby, das Blanche
mit ihren Freunden in New-Orleans an
gelangt war. Seine Leidenſchaft fr das
zweimal ihm eutriſſene Opfer war etwas
mehr als bloße Laune, und die bevorſte—
hende Reiſe ſchien ſeinen Anſchlagzn be—
günſtigen. Er begab ſich an Bord der
Schlange und ließ ſich eine zweite Kajüte
angeblich zur Aufnahme eincr Schweſter,
welche durch den Tod ihres im Kampf ge~
gen die Rebellen gefallenen Gatten gei—
ſteskrank geworden, zur Verfügung ſtellen.
Die Thelluahme des Kapitäns und ſeiner
Gattin war bald gewonnen, und ſie zeig—
ten ſich bereit, die Unglüůckliche an Bord
zu nehmen. Vermöge der unter den
drei Geſchäftstheilhabern beſtehenden Ue—-
bereinkunſt ſollten Bentley und der Ame—
rikaner mit dem Schiſff ausfahren, Lin
aber zurückbleiben und ein zweites Cargo
beſorgen. Aus begreiflichen Gründen
war es dem Zigenner nicht darum zu
thun, wieder nach England zu kommen.
Den Tag vor der Abfahrt gab General
Butler ein großes. Diner, zu welchem von
dem aſſoeirken Kleeblatt nur Welby und
Boentley eingeladen wurden. Lin, der
ſich eben ſo gut für einen Gentleman hielt
nahm dies hoͤchlich übel und erging ſich
in allerlei reſpektswidrigen Auslaſſun—
gen gegen den General; der Verwandte
des Lehteren bedeutete ihm jedoch, daß es
gefährlich für ihn werden koöͤnnte, am un—
rechten Ort ſolche Aenßerungen fallen zu
laſſen; ůberhaupt ſeien Geſchäftsbeziehun—
geu etwas gauz Anderes, als die des Pri
vbatlebens, da ſie ſich ſonſt auf einen gar
z kleinen Krejs beſchraänken müßten.
Verſtimmt über dieſe Zurechtweiſung warf
ſich Lin, wie er zu thun pflegte, wenn er
zum Schweigen gebracht wurde, auf das
Sopha und qualmte rtis wie ein
Tüñrke vor ſich hin. „Ich bedanre Sie,
Bentley,“ ſagte der Amerikaner. „Was
zum Henker kann Sie an einen ſo rohen
Köter feſſeln?“ „lch habe den Men—
ſchen nuͤtzlich gefunden, “ verſetzte Bentley
mit erkünſtelter Elriattigten „Kann
mirs denken —zu nuůtlich vielleicht, als
daß er ſich in der ihm auſtehenden Stel—
lung erhalten ließe. O, Sie braäͤuchen
kein ſo finſteres Geſicht zu machen; ich
wünſche nicht in Ihre d einzu—
dringen.“ „lch habe keine.“ „Pah!
In jedem Menſchenleben gibt es ein Ge—
heimniß wenn wir nur den Schlüſſel
dazu hätten.“ Der Engländer gab keine
Antwort. Nie zuvor -hatte er ſo bitter
die Herabiwürdigung. empfunden, die
durch das Verbrechen über ihn gebracht
worden war., Auf dem Rückweg von
dem Diner des Generals, bei welchem
der Wein nicht geſpart worden, ſtießen
die beiden aufgeregten Gäſte plötzlich auf
Sam. Es war eine mondhelle Nacht,
und Blanche's Gatte erkaͤnnte augen
blicklich den Amerikaner aus der Beſch rei
bung und aus dem Umſtand, daß er ihn
mit Benileh traf. · Trot der Entrüſtung,
die in ſeinem Innern kochte, blieb er doch
ſeines Verſprechens eingedenk und würde
ohne ein Wort an den Beiden vorüberge
gangen ſein, wenn nicht Welby, der
durch ſeinen Begleiter auf ihn aufmerkſam
gemacht worden war, abſichtlich ihn bei
Seite geſtoßen hãtte. Dieſe Beſchimpfung
war mehr als der ehrliche Sam ertragen
konnte, und ein kräftiger Fauſtſchlag
ſtreckte den Wüſtling zu Boden Im Nu
hatte ſich eine Menſchengruppe um ſie ge
ſammelt, in deren Mitte die Kämpfer
Hiebe und Drohungen wechſelten. Da
die Rauferei in den Nähe des Gouverne—
mentsgebäudes vorfiel, ſo war alsbald
Wache auf dem Platz. welche die Beiden
nach dem Stationshaus abführte. Ver—
geblich erklärte Sam, daß er ein Englän
der und ert angegriffen worden ſei; aber
was galten die Aus ſagen einer ſe
unbedeutenden Perſon gegen einen VBer—
Verwannten des Generals Butler? Frem—
der, das iſt eine garſtige Geſchichte rechn
ich, ſagte der Wachkominandant. „Ich bin
verbunden, einem echtgebornen, loyalen
amerikaniſchen Bürger mehr Glauben zu
ſchenken, als einem Brittiſchern. Kann
Sie nicht gehen laſſen; o nein; rechne nicht.
Muß hoöͤren, was morgen Butler ſagt.“
„Können Sie nicht noch heute Abend
Meldung machen?“ fragte der Gefangene
in großer Anſt wegen des Eindrucks, den
ſein Fortbleiben auf ſeine Frau und ſeine
Schweſter machen mußte. „Würde
uichts nüten, prognoſtizir ich.
Der General liest nie etwas nach dem
Diner. Wär ein Narr, wenn er's thäte.“
„Werden Sie Bürgſchaft annehmen?“
Geht nicht; Kriegsgeſetz,“ antwortete
der Offizierr. „Ja, wenn Sie Zeugen
hätten, ſo wärs was Anders.“ „Die
habe ich,“ ſagte Sam. Warum treten
Sie nicht auf?“ Sam deutete auf Bentley.
„Dieſer Mann,“ ſagte er, mein und der
Meinigen bitlerer Feind, hat den ganzen
Vorfall mit angeſehen. Fragen Sie ihn
auf ſeinen Eid hin, ob ſein halbtrunkener
Begleiter nicht abſichtlich mich zuerſt belei—
digt hat.“ „Brittiſcher, Sie hoöͤren.“
Das Verbrechen hatte nicht alles mäun—
liche Gefühl aus dem Herzen des tückiſchen
Menſchen verdrängt. Die Bernfung
machte ihn betroffen, und er ſtockte. „Wa—
rum antworten Sie dem Kerl nicht?“ rief
Welby wüthend. „Oder werden Sie
dem Lügner gar die Stange halten?“
„Gewiß unicht,“ verſette Bentley, der in
dem Ton und Blick des Sprechers eine
Drohnung las. „Er führte den erſten
Schlag.“ „Sieht dem unverſchaäͤmten
Brittiſchern gleich,“ bemerkte der Offizier.
Der junge Amerikaner lächelte triumphi—
rend. „Aber den Stoß, den er mir ver
ſeßte?“ .Habe ich nicht geſehen.“
„Ich war ein Narr, mich auf Sie zu be—
rufen,“ entgegnete Sam, Bentley einen
Blick der tiefſten Verachtung zuwerfend.
„Wie kannte ich auch von dem falſchen
Freund, dem undankbarne Gaſt, dem
Dieb an meinem vertrauensvollen Bruder
ein wahres Zeugniß erwarten? Ich darf
mich wohl mit meinen Freunden in's Be
nehmen ſetzen?“ fügte er gegen den Offi—
zier bei. „Wenn's nicht gegen die
Kriegsartikel iſt “ „Meine Freunde
ſind Engländer wie ich.“ Auf die Bitte
des Gefangenen wurde ein Bote an Mr.
Auſtin abgeſandt; aber Welby wußte die
Beſtellung des Auftrags zu verhindern.
Blanche und ihre Schwägerin verbrach
ten die Nacht voll Sorge und Jammer.
Erſt am andern Morgen ſpät erſuhren ſie
den wahren Grund vou Sam's Abweſen—
heit. „Es hatte keine Gefahr,“ tröſtete
ſie der Geiſtliche. Ich will ſelbſt mit eini—
gen Amtsbrüdern mich zu Butler begeben
er wird unſern vereinten Bitten nicht wi—
derſtehen.“ Er ſprach dies in guter Ue—
berzeugung, denn die Kirchengemeinſchaft
zu welcher er gehörte, galt als dem Nor—
den freundlich, und der Geiſtliche wurde
nebſt ſeinen Kollegen von dem General
auf s Hoͤflichſte empfangen. „Ich will ſo
gleich den Rapport einfordern,“ ſagte er.
Wenn bloß von einer Balgerei die Rede
iſt, ſo kann die Sache nicht von ernſtlichen
Folgen ſein.“ „Darſ ich meinen Neffen
ſprechen?“ fragte Mr. Auſtin. „Wüßte
nicht was dagegen einzuwenden wäre,“
verſette der große Mann. „Sie bedürfen
keines Erlaubnißſcheins, da ſichs
weder um Unzufriedenheit, noch um Ver—
rath haudelt Adieu, meine Herren.“
Wachhaus erfuhr Mr. Auſtin, daß
e Arreſtant nach dem öffentlichen Ge~
fängniß gebracht worden ſei, und dort
weigerte ſich der Aufſeher, den Beſuch
ohne ſchriftlichen Befehl einzulaſſen. Als
er wieder nach dem Gouvernementsge—
bäͤude zurůckkam war der General abwe—
ſend. Der Geiſtliche beſchloß, ſeine Rück
kehr abzuwarten, mußte aber drei voile
Stundeͤ harren, bis der Gewalthaber
eintraf. Als Butler von der Weigerung
des Gefangnißaufſehers hörte, ſchimpfte
er ůüber die Dummheit dieſes Menſchen,
bedauerte daß Mr. Auſtin ſo viele unno—
thige Müůhe gehabt, und fertigte den ge—
wünſchten Befehl aus. „Nicht zu ſeiner
Befreiung?“ bemerkte der i
nachdem er das Blatt geleſen. ,„Mor—
gen,“ verſette der General mit einem Lä—
cheln. „Habe ich ihr Verſprechen?“
„Sie können ſich darauf verlaſſen.“ Er
hielt Wort. Aber inzwiſchen war die
Schlange ausgefahren.
Vierundſechzigſtes Kapitel.
Blanche war an ein ſo kindliches Ber~
trauen zu dem Wort derer, die ſie liebte,
Ewdbnt. daß die Zuſage ihres verehrten
nkels, Sam mitbringen g wollen, ſie
faſt beruhigte und ihre Beſorgniß um
ſeine Sicherheit allmälig den beſchwichti
genden Vorſtellungen Beſſie s wichen, die
mit Unterdrückung ihres eigenen Grams
eine, dem eigenen Gefühle fremde, hoff
nungsvolle Ueberzeugung ausſprach. Der
Kummer, der wie ein giftiger Thau ſchon
ihre Jugend ſengte, war ſo lang ihr Be~
gleiter geweſen und, mit Ausnahme der
Savannah, Ga., den 24. Juli 1872.
kurzen Jahre ihres Eheſtands, ſtets,
wenn auch unſichtbar, ihr wie ihr Schat-~
ten nachgefolgt. Wie ſteigerte ſich ihre
Angſt während des ſchleppenden Gangs
derewig langen Stunden, und ſie empfand
eine peinliche Ungeduld, alles ſelbſt, wenn
es das Schlimmſte wäre, zu erfahren.
Die Ungewißheit iſt bisweilen quälender,
als der gefürchtetete Schlag ſelbſt. „Du
härmſt Dich krank, Blanche,“ bemertte
die Wittwe mit einem erzwungenen Lä—
cheln. „Was wird Dein Gatte ſagen,
wenn er Deine rothgeweinten Augen
ſieht?“ „Weißt Du gewiß, daß er wie—
der zurüůckkehrt?“ fragte die junge Fran
ängſtlich. „Was ſollte ihn fern halten?“
verſetzte Beſſie mit der Miene der Ueber—
raſchung. „Natürlich kehrt er znrück,
und Du mußt mir verſprechen, ihn recht
auszuzanken daß er nicht Wort gehalten
hat.“ „lhn ansznzanken ?“ entgegnete
Blanche mechaniſch. —,„Ja, wenn Du
nicht lerbi Deine Thränen ſeien eine
ansreichende Strafe. Ich muß darauf
beſtehen, daß Du aus Rückſicht für Deine
Geſundheit Dich niederlegſt.“ Um dies
durchzuſetzen, mußte Beſſie verſprechen,
daß ſie ihre Schwägerin ſogleich rufen
wolle, wenn Sam anlange. Willſt Du
nicht auch ein wenig ruhen?“ fragte Blan—
che. „Nein; ich fühle mich kräftig und
brauche es nicht. Ich will mich neben
Dein Bett ſetzen und bei Dir wachen.“
Der Schlaf, dieſer lebenernenernde Bal~
ſam der Natur drüůckte bald die Augenlide
der jungen Fran zu; doch war ihr Schlum
mer ſo aufgeregt. und ihr Aechzen dentete
auf ſo beängſtigende Traumgeſichte, daß
Beſſie mehr als einmal ſich verſucht fühlte
ſie zu wecken. Endlich würde die Schlä—
ferin ruiger, und ihre Schwägerin ſchlich
ſich leiſe aus dem Zimmer, um den Hans
hern anftunden der eben von Mr. Au
ſtin ein Billet erhalten hatte. „Nachricht
von dem Onkel?“ fragte die Wittwe.
„Er hat den General Vter geſprochen,“
verſetzte der Miſſionaͤr, „und von ihm
die Zuſage erhalten, daß er den Gefange—
nen im Lauf des Tages freilaſſen wolle.
Gleichwohl kann ich den Grund dieſer
Zögerung nicht begreifen. Sagen Sie
mir iſt Grund zu der An ahen vor~
handen; daß Ihr Bruder einen Feind hat?“
Beſſie ſchauderte. „Einen Engländer,
Namens Bentley,“ fuhr der Sprecher
fort, „der in letzter Zeit auf ſehr vertran
tem Fuß zu dem General geſtanden hat?
Manche Perſonen argwöhnen, daß ſie et—
was miteinander bruͤten.“ „Sie ſpre—
chen von dem bitterſten Feind, den ich und
die Meinigen haben erwiderte die Wittwe
tranurig. „Und doch begreife ich in die
ſem Fall ſeinen Beweggrund nicht. Sam
hat ihm nie etwas zu leid gethan. Ich
muß ihn ſprechen,“ fůgte ſie entſchloſſen
bei. „Sie, melne liebe Fran?“ —,Ja.
Vielleicht iſt er doch einer großmüthigen
Regung fähig. Und ſelbſt wenn er von
Eiſen wäre, ſo beſite ich ein Mittel, ihn
zu bengen.“ —„Darf ich nach der Be—~
ſchaffenheit dieſes Mittels fragen?“
„Es iſt ein Geheimniß das traurigſte
Geheimnrß meines Lebens, über dem ich
lieber einen Schleier laſſen möchte.“
„Ich kann nicht geſtatten, daß Sie bei
dem geſetzloſen Zuſtand der Stadt mein
Haus allein verlaſſen,“ bemerkte der Wirth.
„Ich will Sie nach dem Hotel des Mr.
Bentley begleiten“ Sie waren noch
keine halbe Stunde fort, als ein Wagen
vor dem Haus anfuhr und ein ältlicher
Herr in der Uniform der ſtädtiſchen Poli—
zei ausſtieg. Er verlangte trotz der Er—
widerung des Dienſtmädchens, daß der
Gaſt ſchlafe, Mrs. Hannan ſogleich zu
ſprechen, da die Freiheit ihres Gatten von
ſeinem Beſuch abhänge. „Ich bitte beun~
ruhigen Sie ſich nicht,“ begann er, als
Blanche vor Aufregung zitternd, ihn em—
pfing, „denn ich bringe eher eine gute als
ſchlimme Poſt. Ihr Mann neue aie
die Perſon, mit welcher er in Streit ge
rieth, ſie habe Ihnen zweimal den größten
Schimpf angethan den man einer tugend—
haften Fraü bieten könne. Der Herr
leugnet dies ab, und da Mr. Hannan
ſein Geſicht nie geſehen hat ſo iſt Ihr Er
ſcheinen notwendig, um den wahren Sach
verhalt zu ermitteln.“ „lch bin ſogleich
bereit,“ rief Blanche. „lſt dieſe Foörm—
lichkeit ůberſtanden, ſo kann Ihr ge
in Freiheit geſetzt werden,“ fuhr der
Fremde fort. „Da ich nicht wußte, ob
Sie eine Verwandte oder Freundin bei
ſich haben, die Sie begleiten kann, ſo
wurde von mir Vorſorge getroffen, indem
ich eine weibliche Perſon mitbrachte.“
Der Heuchler war gut unterrichtet, denn
er hatte Beſſie und den Miſſionaͤr das
Haus verlaſſen ſehen, ehe er ſeine Sen
dung antrat. Blanche war ſo aufgeregt,
daß ſie kaum auf die Richtung achtete,
welche der Wagen einſchlug; und erſt als
ſie die Stadt hinter ſich u ſtellte ſie
arales die Frage, ob es noch weit ſei.
„Das Gefängniß liegt außerhalb der Li
nien,“ verſehßte der Agent. Endlich
machte die Kutſche am Ufer des Fluſſes
unmittelbar der Stelle gegenũůber Halt,
wo die Schlange ruhig vox Anker lag.
Ein von Amerikanern bemänntes Boot
wartete dort. Der angebliche Polizeibe
amte ſtieg jetzt mit der alten Negerin, die
ihn begleitet hatte, aus, und lud Blanche
ein das Gleiche zu thun. „Wo ſind wir?“
rief die junge Frau verwirrt. —,An Ort
und Stelle.“ „Ja, Miſſie Ladie, dort
iſt der Schiff,“ ſagte die Negerin.
„Schis?“ widerholte das Opfer. Und
lue ehe ſie um Hülse rufen konnte, warf
ſihr die ſchwarze Hexe rinen dichten Shawl
ſuůber den Kopf. lůpfte ſie aus dem Wagen
ſund trug ſie unter dem Beiſtand ihres
Gehülfen nach dem Boot. Dies war ſo
ſchnell vor ſich gegangen, daß mehrere
Mänrer, die in der Nahe arbeiteten die
Gewaltthat tkanm bemerkten Als
Blanche an Bord geſchafft wurde, fühlte
ſich Mrs. Drake von ihrem halberſtickten
Geſchrei ſo gerührt, daß ſie heran kam,
ſum ihr Beiſtand anzubieten. „Nicht
ſprech mit Miſſie, Marm,“ rief die Nege
ſrin, die ihre Rolle gut einſtudirt hatte.
„Miſſie ſehre ſchlim und werd nur ſchlim—
mer. wenn ſie ſeh fremde Geſicht. Folg
ſͤur ihre alte Amme.“ „Armes Ge—
ſchöpf,“ ſagte die Engläuderin und ging
n hinnen. Während man die Gefan—
gene die Kajütentreppe hinunter ſchaſfte,
wurde ihr Geſchrei ſchrecklich. Erſtaunt
ſahen dſe Matroſen zu, denun man war
Bord der Schlange ſolcher Auftritte
nicht gewöhnt. „Sie ruft nach ihrem
Mann,“ bemerkte der Mate, ein kernhaf—
ter Northumbrier, gegen die Fran des Ka
pitäãas. „Ja, Sands; ex iſt in der
Schlacht hefallen.“ „Gefallen?“ ver—
ſſehie derMate mit zweifelnder Miene.
„Warum kommt ſie dann zu uns?“
Geiſteskrank. Sands.“ „Sieht ſo aus
adan. da ſie ohne Gepäck an Bord
kommt.“ „lhr Bruder wird es ohne
3weifel nachbringen, einer von den Herren,
die das Schiff gemiethet haben,“ erwiderte
Mrs. Drake. „Zum Henker, warum
macht Ihr ſolche Angen?“ —„O, siſt
nichts, Madam; es muß wohl Alles in
Ordnung ſein, wenn ſie ſo reden.“ Mrs.
Drake war don Natur nicht argwöhniſch,
und wenn ſie anch noch ſo langſam auf—
faßte, ſo kam ſie doch in der Regel zu rich—
tigen Schlüſſen.
(Fortſetzung ſolgt.)
Das Schrippenfeſt.
Es dürfte kaum eine Feſtlichkeit im Be—
reiche des militäriſchen Lebens geben, die
den eigenthümlichen Charakter, der ihr
von dem Stifter König Friedrich Wilhelm
111. aufgedrückt wurde, im Gange und in
der Wandlung der Zeit ſo tren bewahrt
hätte, wie das Stiftungsfeſt des Lehr—
Infanterie- Bataillons in den Communs
des Neuen Palais bei Potsdam. Be—
kanntlich war das Bataillon im Jahre
1820 errichtet worden; der Zweck deſſelben
war, nach den in der betreffenden Cabi—
nets Ordre ausgeſprochenen Worten:
„Gleichmäßigkeit und Uebereinſtimmung
im Dienſte und in den Exereier Uebungen
ſowie in der Bekleidung und Armatur
der Infanterie zu befoöͤrdern.“ Jedes
Armeecorps trifft unter ſeinen Mann—
ſchaften die ſorgſamſte Auswahl, um die—
ſelben als Repräſentanten der Kenntniß
und Gewandtheit im Dienſte, der Disei
plin und guten Führung, nach Potsdam
zu ſchicken. Dort befinden ſee ſich unter
den Augen des oberſten Kriegsherrn, wer—
den von denſelben mehrmals beſichtigt,
nehmen an den lUebungen der Garde Re—
gimenter der Potsdamer Garniſon Theil,
ſind in enger Verbindung mit dem Erſten
Garde Regiment z. F., und ſtehen auch
unter dem Comando eines Stabsoffiziers
deſſelben. Auf dieſe Weiſe wird das
Lehr-Infanterie· Bataillon aus allen Thei-~
len der Armee zuſammengeſetzt, iſt eine
Dependance des Erſten Garderegiments,
und wird zu einem wahrhaften Eliteeorps,
in dem alle Aenderungen, Neuerungen
und Verbeſſerungen, im Dienſte ſowohl,
als in der Bekleidung der Truppen, zur
vollendeſten Ansbildung kommen und
durch welches ſie ſich auf die übrigen
Armeeceorps verbreiten. Sechs Monate,
von 15. April bis zum 15. Oetober, bleibt
die Truppe beiſammen, dann kehrt der
einzelne Mann zu ſeinem Regiment zu—~
rück, nur ein ſogenannter Stamm bleibt
Winters über in Potsdam. Jedes Jahr
ſetzt ſich das Bataillon aus neuen Ele
menten zuſammeu. So ein Mann, der
nach Auflöſung des Bataillons zu ſeinem
Truppentheil heimkehrt, nach muſtergülti
gem Vorbild ausgebildet und ausgerüůſtet
ſiſt ein vollkommenes argumentum ad
hominem für die heimiſche Truppe in
Bezug auf Alles, was in militäriſchen
Dingen an maßgebenſter Stelle für zweck
mäßig und nachahmnngswerth erkanut
worden iſt, und gewünſcht wird. Nach
der zweiten Beſichtigung, welche vor dem
König ſtattzuſinden pflegt, und bei welcher
die ganze Exereirſchule durchgemacht wird
findet die entneunte „Schnurparade“
ſtatt, mit welcher jeder Soldat ſich das
Recht erwirbt, am uͤnteren Ende der Ach—
ſelklappe und der Aermelnaht pararell
laufend, eine Schnur in der Farre des
Regiments tragen zu důrfen. Nach dieſer
Parade pflegt das Stiftungsfeſt des Ba
taillons begangen zu werden, im Munnde
des Volkes von den außergewöhnlich
großen Schrippen, die jeder Rena zum
Mittagsmahle bekömmti, das,Schrippen
feſt“ genannt. Seit dem Jahre des Ent
ſtehens des Bataillons, kehr daſſelbe in
derſelben Weiſe und in denſelben feſtſte
henden Formen wieder Die Vergnü—
gungen, welche an dieſem Tage für die
Soldaten arrangirt waren, die Gerichte,
welche ihnen zum Mittagsmahle vorge
ſetzt wurden, ſind dieſelben wie vor fünf
zig, wie vor dreißig Jahren; der Kaiſer,
ſder König und die Priuzen eſſen von den
ſelben wie iu den Vorjahren, unr die
Menſchen wechſeln, und mit ihnen aller
dings auch die Zeiten, und wenn die alten
feſtſtehenden Formen des Feſtes Aender
ungen erlitten haben, ſo waren es doch
nur ſolche, die ſich aus den beſtehenden
Verhältniſſen ergaben. Zum letzten Male
ſwar das Feſt kurz vor dem Begiun des
Krieges gefeiert worden; aber wer hätte
geahnt, daß nach zwei
Jahren den Fries der in ceinem
Halbkreiſe gebildeten Colonade der Com
muns, die Wappen der in derKaiſerwürde
des Königs von Preußen geeinigten deut~
ſchen Länder ſchmücken, daß an den Sän—
len des Mittelbanes die Wapven der dem
Dentſchen Reiche zurückgebrachten alten
Reichsgebiete von Elſaß und Lothringen
prangen, daß ſächſiſche, württembergiſche,
badenſiſche commandirte Offiziere, am
Credenztiſche die Honneurs für den Kaiſer
und die höchſten Herrſchaften machen
würden! Das iſt ſo eine Signatur der
Zeit und eine Art von Aenderung, die
man ſich gerne gefallen laſſen kann.
.. Der Sonntag des 9. Juni, verſprach
einer der ſchönſten zu werden, die wir in
dieſem Sommer hatten, und er hat ſein
Verſprechen bis tief in die Nacht gehalten
In dem Maße, als das Glück niemals
mit den Hohenſtaufen war, war das gute
Wetter bekanntlich ſtets mit den Hohen
zollern. An dem ſüdlichen kleineren Pa—
villon des Neuen Palais, war unter den
grünen friſchen Linden der einfache Feld—
altar aufgeſtellt, und um denſelben in ei
nem offenen Carre das Lehr· Infanterie~
Bataillon. Gegen 11 Uhr erſchien Se.
Maj. der Kaiſer und König von der
Rampe der Gartenſeite des Neuen Palais
her. Er war vom Babelsberg gekommen
und friſch und voll tönte ſein Gruß:
„Guten Morgen, Soldaten!“ Er trug
zum Andenken ſeines hochſeligen Vaters,
des Stifters der Lehr·Bataillons, die
Uniform des Grenadier-Regimentes Nr. s.
Mit ihm kam Se. Kaiſerl. Hoheit der
Kronprinz und Se. K. H. der Prinz Frie
drich Karl, und Prinz Friedrich Wilhelm,
nach ihm die Prinzeſſinnen, Ihre Kaiſerl.
Hoheit die Kronprinzeſſin, 1.1. K.K. H.H.
Erinzeſſinnen Karl und Friedrich Karl.
Die hohen Frauen ließen ſich auf den roth
damaſtenen vergoldeten Fantenils nieder,
die vor dem Altar auf einer Teppichun—
terlage unter den Väumen aufgeſtellt wa—
ren; hinter den Herrſchaften ſtanden die
jungen Hohenzollern Sprößlinge, die Kin
der des Kronprinzon und des Prinzen
Friedrich Karl, der Kaiſer, umgeben von
Prinzen, hatte an der Seite der Kroön—
prinzeſſin Platz genommen, nund blieb
wähtend des Gottesdienſtes ſtramm ſtehen.
Man merkt es an dem Anſehen des hohen
Herrn nmit jedem Tage mehr, wie wohl
ihm der Frühling thut, wie er ſeine Kräfte
gehoben, ſein Ausſehen erfriſcht hat, ſo
daß es jetzt eine wahre Herzensfreude iſt,
ihn anzuſchauen. Der Gottesdienſt be
ſtand nur aus der Liturgie, und wurde
von dem Hofprediger Rogge abgehalten.
Auf der Spitze des Mittel Pavillons
wehte das Banner Preußens, an den bei~
den Flügelgebäuden die Fahnen des
Hauſes der Kaiſerin und der Kronprinzeſ
ſin, die weimariſche und die engliſche, um—
geben von dem bunten und luſtigen Fiag—
gengewimmel der übrigen deutſchen Staa—
ten. An den Säulen der Colonnaden
waren die Wappen der früheren Com—
mandeure angebracht Das letzte war
das des jetzigen Commandeurs, Oberſt
Lieutenants v. Rauch; in den Colonaden
ſelbſt in zwei fortlanfenden Reihen ſtan—
den die gedeckten Tiſche für die Soldaten.
Flache Teller waren für den Feſt Appetit
der Mannſchaften wohl weniger ange—
than, als tiefe porzelanene Näpfe, in deren
jedem ein ta mit hölzernem Griffe
und mit dem Namen des Beſiters lag.
Füůr je zwei Mann war eine Flaſche Wein
die edle Blume des Rheines, ſervirt, aber
das Bier brauchte Keiner mit dem Andern
zu theilen, von dem edlen Gerſtenſafte
hatte Jeder ſein gerüttelt und geſchüttelt
Maaß vor ſich. Gene waren die Tiſche
mit großen Schüůſſeln voll Milchreis, mit
ſehr reſpectabeln Stücken des feiſteſten
Speckes und mit waren Ungeheuern von
Schmorbraten, außerdem mit den unver—
meidlichen Backpflaumen und der landes
üblichen Gurke ſervirt. Der Schmorbra—
ten duftete den Schreiber dieſer Zeilen ſo
verfůhreriſch in die Naſe, und das Bier
blinkte ihm, der von ſtundenlangen Ste—
hen ganz ermüüdet und verdurſtet war, ſo
lockend entgegen, daß er wer weiß drum
gegeben hätte, einen Labetrunk zu thun,
uünd ſeine ermattende Kraft an einem
Stück Schmorbraten aufzufriſchen. Die
Soldaten kamen Armeecorpsweiſe auf~
marſchirt, und nahmen ihre i ein.
Dann kam der Kaiſer mit den Prinzen
und Prinzeſſinnen vom Nenen Palais
herůber, und ging mit ſeiner Umgebung
die Tiſche der Soldaten en ezu
dem Mittelpavillon, wo das Buffet fuͤr
die hohen Herrſchaften aufgeſchlagen war.
Hier wurde dem oberſten Kriegsherrn
von einem Officiere des Regiments der
Wein credenzt; der eie erhob das Glas
und brachte das Wohl der Armee ans,
und die Muſikcorps ſͤmmtlicher Regimen
ter Potsdams fielen mit einem Tuſch ein.
Der Toaſt des Kaiſers wurde von dem
Commandeur des Gardecorps, dem Prin—
zen Auguſt von Würtemberg, erwidert;
I. Stern, Herausgeber.
Laufende Nummer 66.
er brachte das Wohl des Kaiſers und
Koönigs ans, und wie ein einziger Jubel
ton ging das Hoch, Hoch Hoch! der gan
zen Verſammlung durch die impoſanten
Hallen Friedrichs des Großen. Der Kai
ſer nahm von der Soldatenkoſt, von dem
Schmorbraten, der beim Schrippenfeſt ge
radezu elaſſiſch iſt; es werden eigene Oefen
dazu erbaut, in denen die hundert Stück
Braten 24 Stunden lang dünſten. Vom
Schmorbraten aßen die Sieger von Wörth
und Weißenburg und der Bezwinger von
Metz, uud zwar mit ſeinem kleinen Sohn
von einem Teller, die Prinzeſſinnen und
die „geſammte junge Herrſchaft.“ Der
Schmorbraten ſcheint nicht unr ein Pflicht—
gefühl zu ſein, ſondern auch ein Genuß.
Die Oſfiziere des Lehrbataillons aßen an
dieſem Mittage nicht mit ihren Leuten,
die ſpeiſten um 2 Uhr „mit dem großen
Löffel“ an der Tafel ihres Kaiſers und
Königs im Muſchelſaale des Neuen Palais.
Bis Mittags hatte das Feſt ſeine
rein militäͤriſche Färbung bewahrt, es hatte
ſich zwar viel Publikum vom Civil ringe~
funden, aber der große Platz zwiſchen dem
Nenen Palais und den Communs war
militäriſch abgeſchloſſen. Nachmittags
jedoch wurde derſelbe frei gegeben und
nun begaun die rieſenhafte Arbeit der
Potsdamer Polizei, unter den zuſtrömen—
den Maſſen Ordnung zu erhalten; aber
es ging alles recht gnt. Schreiber dieſer
Zeilen kann ſich nicht erinnern, je eine
ſolche Menſchenmenge in Potsdam bei—
ſammen geſehen zu haben, als an dieſem
Nachmittage und Abende; die Menſchen
kamen aus der Stadt und ans den Dör—
fern, ſie kamen !aus allen Häuſern und
ans allen Büſchen, ſie kammen in Extra
zügen von Berlin, und nun ging hinter
den Communs der Feſtjnbel los. Dort
hin war des Feſtes zweiter Theil verlegt,
dort waren zwei Tanzplätze errichtet, und
bei einer höchſt angenehmen Temperatur
von 27 Graden drehte ſich Alles im luſti
gen Kreiſe. Das ganze weibliche Dienſt
perſonal Potsdams war anfgeboten, und
die nenen anfgeſtärkten Kattunkleider, und
die Blumen nnd die Bänder auf den
Hüten, bezengten, daß ſie dem Feſte zu
Ehren es ſich was hatten koſten laſſen
An leiblichen Genüſſen war auch kein
Mangel, es waren Marketender buden
aufgeſchlagen und die ſogenannte „Fran
Kriegsräthin“, die als Marketenderin ſchon
drei Campagnen mitgemacht hatte, und
die Ehrenzeichen ihrer Verdienſte um das
leibliche Wohl der Armee ſtolz auf der
Bruſt trug, ſie hatte den meiſten Beſuch.
Auch für alternde Jungfrauen, die keinen
Infanteriſten mehr zum Tanzen beka
men, war die Möglichkeit gegeben, ſich
einen von Pfefferkuchen für einen Groſchen
zu kanfen An einer Bude konnte man
ſeine Zukunft erfahren, «n einer andern
mit Würfeln ſein Glüůck in anderer Weiſe
machen, und dabei Fußtritte und obligate
Rippenſtöße abbekommen Alles das aber
that der ungeheuren Heiterkeit keinen Ein
trag. So eine freundſchäͤftliche gegenſei
tige Mittheilung bringt die Menſchen zu
ſammen, und ſeinen Höhepunkt V iee
der allgemeine Feſtjubel, als es hieß:
„der Kronprinz!“ und alle Hälſe ſich aus
den Gelenken reckten, um den hohen Herrn
zu ſehen. Er war es allerdings, er miſchte
ſich in die Reihe der Tanzenden, er klopfte
den Einen oder den Andern auf die
Wange oder auf die Schulter, ſtreute
überall hin ein freundliches oder ſcherzhaf
tes Wort, hatte ſein Vergnügen daran,
Den zu necken, einen Andern zu verplůf
fen, kurz er entfaltete an dieſem Nachmit—
tage wieder den ganzen Familienhumor
und die herzgewinnende Art, die ihm in
ſo hohem Grade eigen. Gegen Abend
gab es auf der Seite des Neuen Palais
wieder etwas Neues zu ſehen. Da fuhren
die Wagen mit den geſchmückten Damen
auf, und entluden lieblichen und
graziöſen Inhalt an dem Auſgange der
zum Theater führt. . . . Um 6 Vhr er
ſchien der Kaiſer mit der Prinzeſſin Karl,
die in einer Robe von weißer
bery mit ſchwarzen Sammetſchleifen die
preußiſchen Farben trug; dann die Prin—
zeſſin Friedrich Karl, die Herzogin Wil~
helm, der Kronprinz Prinz Friedrich
Karl, Prinz Auguſt von Württemberg
und Prinz Friedrich Wilhelm, älteſter
Sohn des Kronprinzen In dem Stücke
„das Stiftungsfeſt“, war eine der Feier
des Tages entſprechende Auffůhrung ge~
wählt worden und die ganze Geſellſchaft
war von dem Schwanke der Aufführung
vom Anfange bis zum Ende erheitert, und
dann wurde von dem Balletperſonale die
anmuthige Gavotte im Coſtume Ludwig
XI. getanzt, in welcher nammentlich
Frl. Forsberg ihre Grazie und Decenz
hervorragte. In dem Tortiarte der Bel
Etage wurde zum Schluß des Tages fůr
die hohen Herrſchaften und den ein
Souper ſerbirt, eine Etage hoöher ein an
deres für die mitwirkenden Künſtler, und
drůben auf dem Platze vor den Communs
und unter dem lauten Jubel der Tauſende
von Menſchen, die ſich auf den Treppen
und zwiſchen den Säulen, in den Niſchen
und auf der Plattform der Communs ge~
lagert hatten, praſſelten Raketen und aller—
lei feuriges Sprůhwerk in den dunkelnden
Himmel empor. Der Menſch iſt dankbar
für jede Freude und ſo nahm wohl jeder
der Heimkehrenden einen Lichtfunken da—
(Fortſetzung auf der letzten Seite)