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Deutſchland.
ln Berlin haben kurzlich bedeutende Stra
henunruhen ſtattgefunden; auch werden einige Er~
trankungen an der Cholera daher berichtet.
München, 18. Juli. Die Maßregel deo
preußiſchen Cultusminiſters, welcher vor Kurzem die
„Marianiſchen Congregationen“ und andere religioſe
Vereine an den Gymnaſien ~c. verboten hat, iſt auch
in Baiern bereits vor Jahren nothwendig geworden.
Leider hatte dieſelbe damals nur eine beſchränkte
Geltung, denn die Aufloͤſung ward nur auf Regens~
burg erſtreckt, wo allerdings unter der ſpeciellen Obhut
der Zeſuiten am meiſten Unfug getrieben wurde.
An den übrigen Anſtalten Baierns beſteht die Sitte
noch zur Stunde, beſondero an jenen, die (wie z. B.
Freiſing) ganz unter geiſtlicher Leitung ſtehen. Was
das eigentliche Weſen dieſer hoöchſt bedenklichen Ge~
noſſenſchaften anlangt, ſo iſt zwar der Marien~ Cul~
tus ihr nomineller Zweck, allein im Grunde ha ndelt
es ſich um ein vollklommen ausgebildetes und orga~
niſirtes Spionirſyſtem. Man koͤnnte es ſich gefallen
laſſen, daß alle Monate ein Gottesdienſt mit Abſin~
gung von geiſtlichen Liedern gehalten wird, aber das
Wichtigere iſt, daß damit jedesmal eine ſtrenge und
obligatoriſche Beichte verbunden wird, worin nament~
lich die Intereſſen der„Congregation“ eine ganz be~
ſondere Beachtung erfahren. Und worin beſtehen
dieſe Intereſſen? Man wird die Antwort haben,
wenn man weiß, daß die beiden frömmſten Knaben
jeder Genoſſenſchaft zu „Conſultoren“ derſelben er~
nannt werden und die Verpflichtung haben, allmo~
natlich bei dem Regens zu erſcheinen, um ihm genaue
Audskunft darůber zu geben, ob ihre Mitſchüler ſtreng
glͤubig und ſitttlich ſeien, und was ſie etwa in ver~
traulichen Privatverkehre uüber das religiöͤſe Leben
und Treiben derſelben vernommen haben. Auf dieſe
Weiſe wird entweder eine principielle Heuchelei oder
ein Denunciantenweſen herausgebildet, das unver~
meidlich demoraliſirt und jene charakterloſen Subjekte
deranzieht, ohne die der Jeſuitismus nicht auskommt.
Denn ſeine Ziele laſſen ſich nun einmal nicht mit
ehrlichen, ſondern nur mit corrumpirten Menſchen
erreichen, und deohalb ſoll die Jugend (natürlich un~
ter dem Scheine der Froöͤmmigkeit) corrumpirt werden!
Man wird zwar einwenden, daß kein einzelner Knabe
gezwungen ſei, den marianiſchen Congregationen bei—
zutreten, aber wir wenden unſererſeits ein, welches
dann wohl die Stellung eines Schülers waͤre, der in
einem geiſtlichen Knabenſeminare lebt oder gar einen
Freiplatz hat, und der ſich ſchon von vornherein wei~
gern wollte, Mitglied der Genoſſenſchaft zu werden?
Wir glauben, der Fall bedarf keines weiteren
Commentars.
: Oeſterreich.
(Der Salomoniſche Tempel in der Weltausſtel~
lung in Wien.) Franz Langer, Bildhauer aus
Kaaden, ſchnitzte aus Lindenholz den Tempel Salo—~
mon's, nach den Aufßzeichnungen des Geſchichtsſchrei~
bers Joſephus Flavius. 30 Jahre lang arbeitete
Langer ununterbtochen an dieſem mühſamen,„Kunſt~
werke“, bis er 1850 im 72. Lebensjahr ſtarb. Er
binterließ daß unvollendete Werk ſeinem Sohne, der
gleichfalls daran arbeitete und in 1868 ſtarb. Die
zwei Kaadener Bürger Phillip Hickmann und Franz
Langhammer üůbernahmen das Kunſtwerk, arbeiteten
daran theils ſelbſt, theils ließen ſie von Anderen nach
den hinterlaſſenen Schriften und dem Plane Langers
fortarbeiten, was abermals einen Zeitraum von zwei
Jahren erforderte. Nun ſteht dieſes Kunſtwerk fertig
da und braucht zur Ueberbringung einen Raum von
2256 Quadratfuß. Die jetzigen Beſiher fragten bei
dem Generaldirektor der Wiener-Weltausſtellung,
Baron Schwarz-Senborn, an, ob ſie dieſes Kunſt~
werk ausſtellen koͤnnen, und dieſer Tage langte ein
Schreiben an, in welchem den Beſitzern die Mitthei
lung gemacht wurde, daß ihnen ein Platz eingerääͤumt
wird. So wird denn die Arbeit jahrelangen Fleißeo
in 28 Kiſten verpackt, die Wanderung nach Wien zur
Ausſtellung antreten.
Frankreich.
In der franzoöſtſchen Armee iſt es uüblich, daß der
Ehrenpoſten vor dem Palais des Kriegoöminiſters
von einem Lieutenant oder Unterlieutenant befehligt
wird. Der verſtorbene Marſchall Vaillant pſlegte,
ſo lange er Kriegsminiſter war, den befeblenden Ofſi~
zier des Ehrenpoſtens taͤglich zu ſich za Tiſche zu la~
den, und um ſeinem Gaſte jede Verlegenheit zu ſpa~
ren, hatte er eine offizioſe Note im Zimmer des dienſt—~
thuenden Offiziero anheften laſſen. Dieſelbe lautet:
Artikel 1. Der dienſtihuende Offizier der Ehren~
wache iſt taͤglich eingeladen, an der Tafel des Kriegs
miniſters zu ſpeiſen. Der Adjutant und Cabineto~
Chef ſteigt um ð Uhr Abends zum Poſten hinab und
führt den Offizier in die Salons des Marſchalls.
Art. 2. Der Offizier wird vom Kriegoöminiſter
empfangen, der ihm die Hand ſchüttelt und ihn jeder
zeit der Marſchallin und den übrigen Gaͤſten vorſtellt.
Art. 3. Der Marſchall bietet immer dem Offizier
den Arm, um ihn in den Speiſeſaal zu führen. Wer
immer auch die Geladenen ſeien, der Sitz der Linken
des Marſchalls bleibt ihm vorbehalten.
Art. 4. Man meide, der Marſchallin, die nur
Waſſer trinkt, Wein anſubieten.
Art. ~. Nach aufgehobener Tafel, bei der Ankunft
in Nauchzimmer, iſt die vom Marſchall dargereichte
Cigarre jederzeit anzunehmen. ;
Art. 6. Nach Verlauf einer halben Stunde ſtellt
der Marſchall ſtets dem Wache-Offizier den Antrag,
eine Partie Whiſt mit ihm zu ſpielen. Dieſen An~!
trag hat der Offizier mit der Begründung abzulehnen,
daß ſeine Pſlicht ihn auf ſeinen Poſten zurückrufe;
er hat folglich die Marſchallin ſowie den Kriegomini
ſter zu grüßen und ſich zurüctzuziehen.
Italien.
—Florenz, 12. Zuli. In der Florentiner /
„Gazzetta d'ltalia“, welche uüber die Vorgänge im
Vatican ſehr gut unterrichtet zu ſein pflegt, leſen wir: ;
„Die Agitation der Schwarzen, · welche ſich zu den
Wablen vorbereiten, dauert fort. Jedoch macht ſich
auch die Oppoſition, welche der alten Formel:!
„Weder Gewählte, noch Wähler“ treu bleiben will,
immer mehr geltend, und alle Ermahnungen der
„Vice della Verita“ und des „Oſſervatore Romano“ /
alle Manifeſte der Geſellſchaft für die katholiſchen
Intereſſen, alle Aufregungen der Jeſuiten werden
nicht im Stande ſein, dieſen Widerſtand vollig zu
brechen. BVor Allem zeigt ſich die römiſche Ariſto~
kratie abgeneigt, aus dem behaglichen Nichtothun
berauszutreten und ſich mit dem Schmuhe des öffent~
lichen Lebens zu befaſſen. Auch der groößte Theil der
Cardinaͤle, mit Ausnahme der „Wüthendſten“, ver ;
dammen die neuen Manover der Jeſuiten, welche im~
mer berrſchſuchtig ſind, aber weder die Menſchen noch
die Zeitumſtͤnde mehr kennen. Die Würdentrager
der Kirche verdammen namentlich aber den Papſt
ſelbſt wegen ſeines unbeſtaͤndigen und unruhigen Gei~
ſtes, wegen ſeines Hanges nach Neuerungen, wegen !
ſeiner Leidenſchaft für Staatsſtreiche a la Napoleon,
den er noch jept nachahme; ſit ſagen, er ſei immer
Revolutionãr inmitten der Reaktion, der er ſich doch
mit Leib und Seele ergeben hat. Den Cardinal
Antonelli quaͤlen die finſterſten Vorahnungen. Er ;
ſieht voraus, daß die tlerikale Partei ſich unnothiger
weiſe compromittiren und glaͤnzend Fiaoko machen
wird, er ſieht voraus, daß der Papſt, der dieſe
Schwenkung anbefoblen, davon nichto Anderes ernten
wird, als den Berluſt des Glaubens an ſeine Beſtän~
digleit und Unbeugſamleit.“ 1
RBetrachtungen.
—Civiliſation. Civiliſation, ſagte Sir
Zohn Bowring auf dem Gefaängniß~Congreſſe in
England, koͤnne nach dem Grade, in welchem das
Menſchenleben geachtet werde, bemeſſen werden.
Welche Hoöͤhe hat demnach die Civiliſation in der
Gegend von James Fiot, auf Eiſenbahnen, Dampf~
bovten u. ſ. w. erreicht?
Einer der Mitglieder des Gefͤngniß ·Congreſſes
tn England, ein Mann Namens Murphey, natürlich
ein Nördlicher, vergleicht die Bürger der ſuůdlichen
Staaten mit den Verbrechern der Commune in Paris!
Wie lange wird es dauern, bis die Nöordlichen es
unterlaſſen koͤnnen, ihren Bloͤdſinn auf europaiſchen
Maͤrkten feilzubieten?
Todtes Capital. „Ein Paſtor in Buffalo,
ſagt der „Zavaunnah Republican,“ „ſandte unter den
Gliedern ſeiner Gemeinde den,„Gotteskaſten“ herum,
und ſammelte 60 Cents. Zehn Cento davon waren
Soda ~Checko.“ 60,000 Dollars werden in ver~
ſchiedenen Summen · als Gewinne bei den Wettrennen
ausgeſebt!
Wollen die „Anti-Mucker“ gefälligſt die Güte
haben zu berechnen, wie viel „todtes Capital“ die
Kirche dem Handel und Wandel entzieht?
Auf einigen Schiffen im Hafen von New York,
iſt das gelbe Fieber ausgebrochen. Hoffentlich wird
unſere Stadtobrigieit es nicht verſͤumen, das „Qua—
rantäͤne-Geſetz“ in Kraft treten zu laſſen.
ln dem Seebade von Long Branch, bei New
Yort, ſind einige Perſonen von den Wellen uüberwäl~
tigt und ins Meer hinausgewaſchen worden.
Bei der Blindenanſtalt von Baltimore, fuhr ein
Blitz aus beiterer Luft herab und tödtete zwei Kühe.
An demſelben Tage wurde eine Geſellſchaft von 13
Perſonen unter einem Baume in „Druid-Park“ vom
Blitz ſtark beſchaͤdigt. ;
ln New York ſtieg das Thermometer am 18.
Auguſt bis auf 100 Grad im Schatten.
Caldwell's Majoritͤt in Nord-Carolina ſoll
2673 Stimmen betragen.
Das Genfer Schiedsgericht.
Lewiston, 14. Aug. Ein Schreiben von Henry
Young meldet, daß Lord Tenterden ihn und Herrn
Cohen erſuchte, ſich nach Genf zu begeben, um den
Bericht an die Krone über die amerikaniſchen An~
ſprüche naͤher zu erläͤutern, im Falle dort eine Erklä~
rung nothwendig werden ſollte. Das Genfer
Schiedogericht hat die Hauptfrage, ob die britiſche
Regierung gehörige Sorgfalt bewies, um das Aus—
laufen der Kaperſchiffe zu verhindern, noch nicht er~
ledigt. Das Gericht unterſuchte zunachſt die Falle
aller Fahrzeuge einzeln, um feſtzuſtellen, inwieweit die
allgemeine Anklage, daß Großbritannien es an der
gehörigen Sorgfalt habe fehlen laſſen, für jedes ein~
zelne Fahrzeug begruündet iſt. Um dieſer Unterſu~
chung beizuwohnen, iſt Hr. Cohen nach Genf berufen
worden, da ſeine genaue Kenntniß jedes einzelnen
Falles ihm, wie man meint, die Autoritaͤt eines
Sachverſtaͤndigen verleiht.
Das eidgenöoſſiſche Schützenfeſt, ſo wird aus
Zürich unterm 18. Juli geſchrieben, hat ungeheure
Dimenſtonen angenommen. Die Schießreſultate ſind
imponirend. Man rechnet auf eine Million Kern
ſchüſſe. Die Schützen hatten am 17. ſchon über 1600
Nummern geſchoſſen. Der Hinterlader hatte eine
ganze Revolution im Schießen hervorgebracht. Am
18. ſind die Franzoſen angekommen. Alle ihre
Toaſte waren franzöſiſch. Für] die Stadt Macon
ſprach der Advokat Margne den Dantk der ſchweizeri~
ſchen Republik aus. Die Ruhe wurde nicht im ge~
ringſten geſtört. Die deutſchen Schühenfahnen ſind
nicht vertreten.
Wenn man dem Scharfblicke des Genera
VAdmirault trauen darf, ſo muß es in Paris immer
noch ſehr bedenklich ausſehen. Der Gouverneur der
Hauptſtadt hat nämlich ſoeben ceinen Tagesbefehl er—~
laſſen, in welchem die Offiziere aufgefordert werden,
jeden Angriff gegen ſie mit den Waffen zurückzuwei~
ſen und nicht allein auszugehen. Zugleich wird da
rin angeordnet, daß die Offiziere der Forts, welche
des Abendo ſpaͤt nach Hauſe kommen, auf den äußeren
Boulevardos von Abtheilungen Soldaten erwartet
werden, die mit Laternen verſehen ſind.
ln England macht man kurzen Prozeß mit den
Schwindlern, welche die aus Deutſchland kommenden
Auswanderer betrügen. Am vergangenen Sonn
abend wurden in Southampton zwei Deutſche, welche
nach New Hork fahrende Auswanderer betrogen hat
tem, der eine zu ſieben Jahren, der andere zu zwei
Jahren Gefängnißſtrafe verurtheit. Der Erſtere,
Namens Levyv, erhenkte ſich in der darauf folgenden
Nacht im Gefaͤngniſſe.
lm Badeort „Taraſp“, in der Schweiz, verlo
ren unlaͤngſt zwei Damen durch die Fahrläſſigkeit
des den Gaͤſten von dem Curhauſe geſtellten Kut—
ſchers, ihr Leben. Als einer der Anweſenden von
der Beſtrafung der Schuldigen ſprach, wurde er mit
triumphirender Sicherheit abgefertigt: „O! wir ſind
nicht in Preußen, hier ſind wir in der freitn Schweiz!“.
Das heißt Freiheit!
Am 10. Auguſt wurde von den Turnern das
„Jahn~Denkmal“ auf der Haſenhaide, (Berlin),
enthüllt.
In Belfaſt, Irland, ſind zwiſchen den Prote
ſtanten und Katholiken Unruhen ausgebrochen, welche
die Obrigkeit nur mit großer Muhe unterdrückte, und
wobei mehrere Perſonen gefährlich verwundet, andere
getödtet wurden.
Ueber die Berhandlungen des Genfer Schieds
gerichto ſind noch keine beſtimmten Nachrichten be-~
kannt. Die Frage, ob England für den Schaden
verantwortlich ſei, ſoll erledigt ſein.
Die Nachrichten über die Zuſammenkunſft der
drei Kaiſer in Wien ſind in ihren Details nicht ganz
ſicher und übereinſtimmend. Es iſt ſogar geſagt
worden, daß der ruſſiſche Kaiſer ſich durch ſeinen
Sobn, den Thronfolger, würde vertreten laſſen.
Spanien ſcheint rubig zu ſein, neue Friedens—
ſtoörungen werden indeß befürchtet.
Eine bittere Täuſchung erfuhr eine Partie Mi
nengraͤber, die im Frübjahre vorigen Jahres von
White Pine-County in Nevada auf die Diamanten
Jagd nach Arizona ging. Im Herbſte kamen ſie zu~
rück, ſchwerbeladen mit rothen Kreſeln von der Größe
eines Hühnereis, in welchen, wie ſie glaubten, die
Diamanten eingeſchloſſen waren, und jeder der ſleißi
gen Gräber duünkte ſich bereits ein Rotbſchild, bis ſie
zu ibrem Schrecken gewahr wurden, daß ihre Steine
nichts anders, als kryſtalliſirter Quarz und durchaus
werthlos waren
Was der Menſch verbraucht. Ein ausgewach
ſener, geſunder Menſch, gebraucht taͤglich 36 Unzen
Speiſe, und zwar nimmt man an, 9 Unzen Fleiſch,
und 27 Unzen Pſlanzenſpeiſe. Nach dieſen auf ſtati
ſtiſchen Berechnungen berubenden Erfahrungen, wer
den die Mahlzeiten der engliſchen und franzoſiſchen
Soldaten und Matroſen bemeſſen. Man rechnet
außerdem, daß der normale Koörper eines Menſchen
jaͤhrlich 1500 Pfund Speiſe und Trant gebraucht.
Ein nicht zu unmäßiger Trinker des baieriſchen Bie
res dagegen, welcher raͤglich drei Seidel, je zu drei
viertel Pfund gerechuct, trinkt, conſumirt über acht
Centner Bier.
Ueber die dſeligkeiten zwiſchen den
Kriegsſchiſfen des Deutſchen Kaiſerreichs
und der Regierung von Haiti, ſchreibt
ein junger Dresdener das folgende:
„Sr. Maj. Corvetten „Vineta“ und
„Gazelle“ hatten ſich in Havannah zu ge“
meinſamer Operation vereinigt und ihren
Cours nach Port au Prince Haupt
ſtadt der Negerrepublik Hayti genom—
men. Unweit letzterer Stadt ſtoppten
beide Schiffe und die „Vineta,“ das
Commandoſchiff, ſetzte ihr Dampfboot
anus, um in dem kleinen Städtchen Mira—
guani den deutſchen Kaufmann Di~ck
man aufzuſuchen und zu ſeiner Sicherheit
an Bord zu holen. Als das geſchehen,
ſetzten wir unſern Cours längs der Küſte
fort. Kaufmann Dieckmann allein iſt die
Urſache unſeres Hierſeins. Er hat näm
lich der Regierung von Hahti ſchon ſeit
längerer Zeit große Lieferungen gemacht;
bis jetzt aber immer vergebens Bezah—
lung derſelben gefordert, iſt ſogar deshalb
der Gegenſtand vielfacher Berfolgungen
durch die Regierung geweſen. Schließ—
lich wandte er ſich, nebſt einem andern
Deutſchen, um Schutz und Hilfe bittend
an die dentſche Regierung, und wir er
hielten den Auftrag, ihm nöthigenfalls
mit Gewalt zu ſcͤnem Rechte zun verhelfen.
Am 11. Juni, Morgens gegen s dhr,
gingen wir auf hieſiger Rhede vor Anker
und zwar ſo, daß wir das Paſſiren ande—
rer Schiffe in und aus dem Hafen ver
hindern konnten. Mit dem Lande wurde
kein Verkehr, wie ſonſt gewöbnlich, un—
terhalten; der Commandeur ſchickte nur
ein Boot mit einem Offizier nach der
Stadt, der den Präſidenten der Republik
zur ſofortigen Bezahlung der dem Kauf—
mann Dieckmann ſchuldigen Summe bei
Vermeidung vou Gewaltmeßregeln auf
zufordern hatte.
Das erſte Boot, welches von uns aus
nach der „Vineta“ ging, brachte die Nach
richt daß an Bord derſelben abermals ein
Kamerad dem Klima erlegen ſei. Da der
Verſtorbene einer meiner Freunde war,
ſo betheiligte ich mich an der für den Nach~
mittag angeordneten Beſtattung der Leiche.
Sechs große Boote mit Leidtragenden
folgten dieſer, die in ihre Hängmatte ein—
genͤht und mit dem deutſchen Banner
berhüllt, außerhalb der erſeen Corallen—
bänke den kühlen Fluthen übergeben
wurde.
Nach Beendigung dieſer tiaurigen Fei—
erlichkeit wendeten wir und gelangten von
der Dampfbarpaſſe geſchlepp~, in die Nähe
unſerer Schiffe, als die „Vineta“ gerade
beim Ankerlichten war, um nach der Mitte
des Hafens zu dämpfen, wo ſie ſich bald
zwiſchen den haytiſchen Kriegsſchiffen ver—
ankerten.
Schon am Vormittage nahmen wir
aus Verſchiedenem wahr, daß etwas Un—
gewöhnliches vorbereitet werde. Gleich
nach dem Ankern hatten wir alle gkoßen
Boote zu Waſſer gebracht und ſie, ſoweit
dies moͤglich, ohne im Hafen Aufſehen zu
erregen, gefechtsklar gemacht. Wir glaub—
ten allgemeiu, es gelte einer Landung,
worin wir uns jedoch irrten. Mit dem
Glaſe kounten wir beobachten, daß man
ſich am Lande gleichfalls zum Geſfechte
fertig und auf einen Angriff gefaßt machte.
Aus dem weiter binnenwärts gelegenen
Feſtungswerken wurden Geſchütze nach
den Waſſerwerken gebracht, die meiſten
nach der Seite zu, wo wir lagen; ſogar
ein altes, aus der Franzoſenzeit herrůh
rendes Fort bei unſerm Waſſereinnahme—
platze wurde beſetzt.
Kurz nach 6 Uhr, als es zu dunkeln be
gaun, wurde bei uns an Bord der Befehl:
„Boote armiren“ gegeben, worauf die
Landungscorps ~e. ſich in ſämmtliche
Boote vertheilten, nachdem dieſelben mit
Gefechtsmunition, Proviant und andern
nöthigen Dingen verſehen waren.
Längsſeit dem Commandoſchiſfe, dem
verabredeten Sammelplatze, an dem wir
anlangten, als es bereits dunkel war, er
hielt unſer erſter Officier Capitän Lieute
nant Hollmann ſeine Ordre; erſt jetzt
erfuhren wir, daß es ſich um die Ueber
rumpelung und Wegnahme der haytiſchen
Kriegsſchiffe „Mont Organiſe“ mit 11
und „LUnion“ mit 7 ſchweren Geſchützen
gezogenen Vorderladern handelte.
Wohl Manchem von uns ſchlug das Herz
beim Näherrücken an das Ziel etwas
ſchneller; denn ein einziger Schuß aus
dieſen Brummern mußte unfehlbar unſer
Boot, das Kopf an Kopf beſetzt war, in
tauſend Stücke zerſchmettern und den
zahllos uns unſchwärmenden Haifiſchen
willkommene Nahrung bringen.
Uns von der „Gazelle“ war das hayti
ſche Admiralſchiſf LUnion angewieſen,
während die von der,Vineta“ den „Mont
Organiſe“ nehmen ſollten. Unſere Lage
war inſofern etwas günſtiger, als glückli
cher Weiſe eine franzoöſiſche Barke längs—
ſeit der LUnion“ lag, um dieſer Kohlen
zu übergeben, ſo daß unſere Bewegungen
hinter dem franzöſiſchen Schiffe den Blik.
ken des Feindes ſo lange verborgen gehal
ten werden konnten, bis unſere Boote
plötzlich wie Pfeile langsſeit flogen und
wir von allen Seiten das Schis enterten
was trotzdem, daß uns unſere Züudnadel
gewehre etwas im Wege waren, doch ſo
ſchnell gelang, daß die ganz verdutzte Be
ſatzung mit offenem Munde ſprach-, rath
und willenlos ſich auf einen Haufen im
Hintertheile des Schiffes zuſammendrän—
gen ließ, ohne daß wir nur den gering
ſten Gebrauch von unſeren Waffen zu
machen hatten
Während einige unſerer Offieiere eiligſt
die Admiralsflagge aus dem Vortopp
herunter holten, wobei dieſelbe einige Be
ſchaͤdigungen erlitt, begab ſich der Com-~
mandirende in die Cajüte, wo der Capi—
taäͤn des Schiffes ſich eben zur Abend—
mahlzeit niedergelaſſen hatte, um nun
durch unſern überraſchenden Beſuch recht
nnangenehm geſtort zu werden. In ſei—
ner prachtvollen Uniform machte derſelbe,
ein Creole von robuſtem Aeußeren, durch—
aus keinen üblen Eindruck, trotz ſeiner
dunklen in dieſem Moment vor Schreck
grau gewordenen Geſichtsfarbe. Wie
ſeine Mannſchaſt wurder er ohne Gegen
wehr zu leiſten, entwaffnet, und ihm ans
einandergeſetzt, daß ſein Schiſf im Namen
Sr. Majeſtaͤt des Kaiſers von Deutſch
laud in Beſchlag genommen ſei. Wäh·
rend dem wurde oben die deutſche Kriegs
flagge am Flaggenſtock des Schiffes unterſ
den tun rgnenn militäriſchen Feier
lichkeiten aufgehißt. ;
Durch Unborſichtigkeit ging mittſchiffs
ein Gewehr los, ohne Jemand zu verlet—
zen; da kam plötzlich Leben und Bewe—
gung in die zuſammengeballte Maſſe der
gejaugenen armen Teufel! Wie ~der
Blitz waren ſie im Takelwerke der neben—
liegenden franzöſiſchen Barke, von wo ſie
theils durch dea Befehl ihres indeß an
Deck gekommenen Capitäns, mehr aber
noch durch die Fäunſte der Franzoſen zu—
rückgetrieben wurden. Sie hatten ge—
glanbt, wir würden ſie erſchießen. Unter
angemeſſener Bedeckung wurden ſie dann
durch unſere Pinaſſe ans Land transpor—
tirt und in Freiheit geſetzt, nachdem man
ihnen erlaubt hatte, ihre armſeligen Klei
dungsſtücke ~e. mitzunehmen, ansgenom—
men jedoch die Armaturſtücke, nur der
Capitaͤn erhielt ſeinen Degen zurüek.
Weil es äußerſt dunkel und regneriſch
war, und in der Stadt noch Niemand
nur eine Ahnung von dem ſo raſch Ge—
ſchehenen haben konnte, vollzeg ſich die
Ausſchiffung der Gefangenen ohne jeden
Zwiſchenfall. Wir fanden die,LUnion“
in recht gutem Stande und erſahen aus
Allem, daß das Schiff ſchon den Befehl
zur Gefechtsbereitſchaft erhalten hatte.
Die Geſchütze waren bereits geladen, die
Gewehre, meiſt Chaſſepots, lagen fertig
auf Deck; desgleichen war die Munition
aus den Pulverkammern nach dem Zwi—
ſchendeck gebracht und die Stückpforten
geöffnet worden. :
Nachdem eine ſtarke Wache aufgezogen
zerſtrenten wir nuns aunf Deck. Jeder ſich
ſo gut, als möglich gegen den äußerſt
nachtheiligen Nachtthau ſchützend. An
Schlaf durſten wir freilich nicht denken;
wir mußten uns vielmehr jeden Augen—
blick eines Angriffs von Bord der ande—
ren feindlichen Schiffe und von Land aus
gewärtigen.
Während unſerer Aktion hatten ſich
„Gazelle“ und „Vineta“ quer vor die—
Stadt gelegt, um dieſe und die Feſtungs
werke mit Langgranaten, die in großer
Menge in die gefechtsklar gemachten
Batterien der Schiffe gebracht worden
waren, zu überſchütten, wenn ſie unſer
Unternehmen bemerkt nnd zu ſtören ver—
ſucht hätten.
So iſt denn unſer Handſtreich vorzüglich
und, wie beabſichtigt, ohne Blutvergießen
gelungen.“
12.. Zuni.
„Bald nachdem wir geſtern die Beſat
ung der,„LUnion“ an Land geſetzt hatten
worauf das Unerhörte in der Stadt be
kannt geworden war, ertönten allerwärts
Allarmſignale. “Als dann die Boote der
„Vineta“ ihre Gefangenen gleichfalls
ausſezten und dieſe eben die Boote ver—-
laſſen hatten wurden Letztere vom Land
aus mit einem Kugelregen überſchüttet.
Die Wuth der Neger war ſo groß, daß
Einzelne bis auf den Rand der Danpfpi—
naße traten und mit Bajonnetten nach
deren Mannſchaft ſtachen, jedoch ohne
jeden Erfolg; ein beſſer gezieltes Gewehr—
fener der Unſrigen ſchaffte bald Raumzur
Abfahrt und die Boote gelangten, ohne
von den maſſenhaft nachgeſandten Kugeln
Schaden zu leiden, glücklich nach nnſern
Schiffen zurück, wogegen 4 Neger mehr
oder weniger ſchwer verwundet ſein ſollen.
Noch im Laufe der Nacht iſt ein unter
händler an Bord der „Vineta“ geweſen,
der eine Abſchlagszahlung gebrxacht hat
mit der Bitte des Präſidenten, der wäh—
rend weniger Stunden die ganze Bevöoöl—
kerung bewaffnet hatte, unſere Flagge
auf den genommenen Schiffen bei Tage
nicht zu zeigen, weil er ſonſt den Ausbruch
einer Revolution fürchten müſſe. Comman—
deur Batſch bewilligte dieſes Anſuchen
unter der Bedingung, daß der Reſt der
ganzen Schuldſume bis Mittags 12 Uhr
erfolge, und da dies im Laufe des Vor
mittags wirklich geſchah, ſo haben wir
bald darauf ſelbſtverſtändlich die Schiffe
wieder geräͤumt und unverletzt übergeben.“
Ein neuer deutſcher Orden. Wir
leſen in Berliner Blättern: „Es verlau
ſtet, daß allerhöchſtenorts die Abſicht vor—
handen ſei, im September bei der Inbi—
lͤumsfeier Weſtpreußen's auf dem „Ho—-
hen Hauſe“ zu Marienburg einen allge
meinen deutſchen Orden zu ſtiften, und
zwar in Geſtalt der Wiederbelebung des
Deutſchen Ritterordens, der bekanntlich
ſeit ſeiner Säeulariſation zu Anfang die
ſſes Jahrhunderts nur noch ein Titularle
ben im Kaiſerthum Oeſtreich führt. Die
Rechtsfragen, welche dabei eventuell zu
Differenzen hätten führen können, ſollen
mit der öſtreichiſchen Regierung bereits
trda ſein. Ueber die Organiſation
des Ordens vernimmt man weiter, daß
derſelbe, vor allenf Dingen vdöllſtändig
eximirt von der preußiſchen General · Or-~
ſdenscommiſſion, eine freie Selbſtverwal—
ſtung erhalten ſoll, nur inſoſern der Per—
ſon der deutſchen Kaiſer unterhänig, als
dieſen das Beſtätigungsrecht der erwähl
ten Ritter zuſteht. Der nene deutſche
Ritterorden ſoll kein Gunſt-Orden ~e.
ſein ſondern ein Orden von Rittern dent—
ſchen Geiſtes, deutſchen Weſens, deutſcher
Thatkraft. Durch freien Capitelſchluß
ſoll er in ſich aufnehmen die Beſten der
Nation nach jeder Richtung hin: die tap—
ferſten und intelligenteſten Krieger, die
Koryphäen der Kunſt und Wiſſenſchaft,
hervorragende Verwaltungsbeamte, auch
die Bertreter der modernen großen Indu—-
ſſtrie und der Geldmacht, wenn an dem
Beſitze der Letzteren kein perſönlicher Ma
ſtel: haftet Eine weſentliche Bedingung
der Aufnahme ſoil das chriſtliche Bekennt—
niß bleiben, an die Stelle des ſonſt wohl
ſerforderlichen Adels der Geburt aber ſoll
allein der Adel der Geſinnung und des
Geiſtes treten. Zweck des neuen Ritter·
ordens ſoll ſein: Thatkräftige Vertretung
deutſchen Weſens nach Außen, gegen Sla—
ven und Wälſche, und ſtetige Fortentwi
ſckelung dentſcher Zucht und Sitte, dent
ſcher Kunſt und Wiſſenſchaft im Innern.
Auch eine Kaiſerkrönung. Der Fürſt
Koaͤſſai von Tigre hat ſich am 21. Jau.
zumi „Kaiſer Johannes, König der König~
Aethiopiens“ kroöͤnen laſſen. Bald da—
rauf war in Axum ein großes kirchliches
Feſt, uͤber deſſen merkwürdigen Verlauf
cn Correſpondent der,Allg. ʒtg.“ Fol~
gendes berichtet: „Um ein öffentliches
Beiſpiel wahrer Froöͤmmigkeit zu gebeit,
begab ſich Se. Majeſtät der Kaiſer mit
großem militäriſchem in die Kirche
um zu ſeiner Seelenſtärkung das heilige
Abendmal zu genießen, allein dabei trat
eine Störung höchſt merkwürdiger Art
ein, indem der funetionirende Prieſter
ihm naämlich Folgendes ſagte: „Ich darf
Ihnen das Abendmal nicht reichen, denn
Sie ſind unwürdig der Krone, Sie hätten
den Armen Almoſen geben, Ihre Schul—
den bezahlen und Ihre Gefangenen be
gnadigen ſollen; von all dieſem haben
Sie nichts gethan, Niemanden haben ſie
eine Wohlthat erzeigt; die Fremden be—
handeln Sie hart und haben, wie ein
Nachfolger Kain's, ihre Kirche verbrannt.
Dafür wird Sie Gott ſtrafen, und bis
dahin belaſte ich Sie kraft der von Gott
mit gegebenen Befugniß mit dem Bann,
eben ſo auch den koptiſchen Biſchof, der
durch Geld ſich gewinnen ließ, Sie zu
krönen, ohne daß Sie doch im Beſitze des
Landes ſind, und der dadurch Unfrieden
unter uns geſtiftet hat. Zürnen ſie
deßhalb, weil ich im Namen Gottes
ſpreche was thuts? Ich bin in Ihrer
Hand, Sie können mir den Kopf abſchla
gen, aber dadurch andern Sie nichts an
der Sache, vielmehr wird dann der Bann
um ſo mächtiger Ihr Gewiſſen peinigen
ſo zwar daß die Angſt, in die Hölle des
Satans zu fahren, Sie zu Tode quälen
wird. Vermeiden Sie dies, bedenken Sie
Ihr Seelenheil, bedenken Sie die Armen
gedenten Sie an das Wohl Ihres Volkes
damit Gottes Segen auf Ihnen ruhe.“
Weder der verblüůffte Kaiſer, noch die an
weſenden Großen des Reiches konn—
ten auf dieſe unerwartete, ſehr ſalbungs
reiche Rede ein Wort erwidern; die ge~
ſammte Geſellſchaft verließ beſtürzt und
doch in tiefſter Stille die Kirche und be—
gab ſich ins Freie wo alsdann Se. kaiſer—
üiche Majeſtät, beſtärkt durch den ſich Luft
machendeͤn Ingrimm der kaiſerlichen
Waffenträger, Muth faßte und den fana—
tiſchen Prieſter packen und in Ketten ſchlie
ßen ließ Dieſer blieb einige Wochen in
Gefangenſchaft, wurde aber nach der von
ihm erlangten Aufhebung des Banns in
Gnaden entlaſſen, weil Se. gütige Maje
ſtͤt an einem dem Herrn Geweihten ſich
nicht vergreifen wollte. Dieſer tragiſche
Vorfall n der heiligſten Kirche des Rei
ches hatte indeß das zarte Gemüth des
großen Mannes ſo ſehr betrübt, daß er
Axum verließ und am 1. Febr. ſeinen
Einzug in Adoa hielt einen Einzug,
der ſo ſonderbar war, wie uur noch das
Coſtume des Kaiſers ſelber. Die Maje—
ſtͤt ritt auf einem bunt geputzten Maul—
thier, neben, vor und hinter ihm wurden
eine Menhe kleiner Fähnlein getragen
und einige grell gefärbte Regenſchirme,
um das ſchwarze Antlitz des Geſalbten
vor den Strahlen der Sonne zu ſchützen.
Es war dieſelbe mit einem gelb marmo—
rirten ſeidenen Mantel bekleidet, der etwa
wie ein prieſterliches Meßgewand ausſah
auf dem geweihten -Schädel ruhte die 20
Pfund ſchwere Krone, deren grauenhaftes
Gewicht dem Reiter jede Bewegung des
Kopfes unmöglich machte und ihn ver—
hinderte, die Grüße der Bürger Adoa's
zu erwidern, die ſich vor der Stadt zu
ſeinem Empfange verſammelt hatten.
Hätte der wackere Mann nur eine Ah—
nung, daß eine Krone auch noch in ande—
rem Sinne drücken kann, als ans einem
von der Sonne geplagten Kopfe. Dieſe
maſſive Krone von Gold hat nicht die
Form. der älteren äthiopiſchen Krone,
ſondern die eines fußlangen Topfes, der
ſich nach oben hin etwas verjüngt, iſt alſo
ungefähr ſo geformt, wie die hohen Tſcha
kos der franzoͤſiſchen Infanterie zu An—-
fang des napoleoniſchen Krieges mit Ruß—
land es waren. Die oben woͤrtlich wie
dergegebene kraftvolle Exeommunications
rede hat bei der Bevölkerung keine ſehr
große Verwunderung erregt, weil ſie nach
der öffentlichen Meinung nicht ganz grund
los war, und ſolche fanatiſche Auswüchſe
in dieſem mit unwiſſenden Mönchen über—
füllten Lande nicht zu den beſonderen
Seltenheiten gehören Die Zahl der
Prieſter und Mönche geht ins Unglaub
liche, und unter Tauſenden von ihnen fin—
det ſich kaum ein etwas unterichteter
ear Eben weil dieſe Menſchenelaſſe
lin Aberglauben und Unthätigkeit vege—
ſtitt und ohne geiſtige oder körperliche
Mühe Unterhalt findet, iſt ſie bei ihrer
Maſſenhaftigkeit und bei ihrer ausneh—
menden Unwiſſenheit höchſt gefährlich,
indem ſie ihre Verderbtheit auf das Volk
überträgt.“
Politik. Es iſt uns ſchwer begreiflich,
ſwie Menſchen ſich durch den Wuſt von
politiſchen Aufſätzen, welche jetzt meiſten—
theils die Spalten der Tagesblätter füllen,
durcharbeiten können. Gegenſtände der
Abhandlungen ſind meiſtentheils Erzäh—
hlungen und Kritiken aus der Lehensge—
lſchichte von Grant oder Greeley. Dabei
werden die Anſichten gewöhnlich auf eine
Art und Weiſe dargeſtellt, die dem Er—
zählenden wenig Ehre macht. Es wird
jetzt angenommen, daß Greeleyzwei Drit
tel der Stimmen erhalten werde. Mit
Gewißheit rechnet man ans eine überwie
gende Mehrheit in den Staaten Connec
ſtient, New Hork, Virginien, Weſt · Virgi
ſnien, Georgia, Alabama, Tenneſſee, Ken—
en Indiana und Miſſouri. Ferner
glaubt man Grund zu haben, daß auch
die folgenden zu Greeley ſich halten wer—
den: New Hampſhire, Pennſylvanien,
Nord-Carolina, Louiſiana, Texas, Cali—
fornien, Oregon, Nebraska.
Der Gouverneur von Georgia ſoll
fortan die erſte Woche im Oktober, die
Beamten des County die erſte Woche im
Januar erwählt werden.
Es wird davon errrqer die Legisla
: nur alle zwei Jahre zuſammen treten
zu laſſen.
Das Wahlreſultat von Nord-Carolina.
Die Herren Radikalen, welche in der
vorigen Woche reen Gouverneurs - Can—
didalen Caldwell in's Amt betrogen, ha
ben es etwas ʒ arg getrieben, ſo daß
ſelbſt die Republikaner den vorgekomme—
nen Betrug zugeſtehen und große Aus—-
ſicht vorhanden iſt, daß Merrimon ſogar
ohne zur Anfechtung der Wahl vor der
Geſetzgebung zu ſchreiten, durch die amt
liche Stimmenzählung erwählt erklaͤrt
wird. Die Fälſchung iſt eben zu hand—
greiflich. Caäldwell hat nalo in ver—
ſchiedenen Counties weit mehr Stimmen
erhalten, als nach dem Cenſus von 1870
Stimmgeber vorhanden ſind. Nach die
ſem Cenſus giebt es z. B. in Bladen-
County 2610 Stimmgeber; es wurden.
nichtsdeſtoweniger in dieſem ſelben County
2656 Stimmen abgeben. In Cumber—
land County gaben 3252 Stimmgeber
3773 Stimmen ab; in Dublin·County
5959 Stimmgeber 3485 Stimmen; in
Franklin· County 2270 Stimmgeber 3035
Stimmen; in Halifax·County 41455
Stimmgeber 5307 Stimmen; in Lenoir-
Counth 2081 Stimmgeber 2264 Stim
men; in Raſh-County 2181 Simmgeber
2577 Stimmen; in Nortbampton·County
2901 Stimmgeber 3085 Stimmen; in
Robeſon County 3043 Stimmgeber 3214
Stimmen und in Sampſon-County 2986
Sngebet 3131 Stimmen. So viel
iſt bis jetzt nachgewieſen. Nun hat ſich
in den genannten Counties ſeit der Auf
nahme des Cenſus von 1870 die Bevöl
kerung gar nicht, oder nur höchſt unwe
ſentlich vermehrt und die Stimmkäſten
wurden von Grantleuten controlirt. Es
geht mithin daraus hervor, daß in den
10 angeführten Counties 3789 Stimmen
mehr abgegeben worden ſind, als wirklich
Zimnt: vorhanden waren, und daß
dieſer Betrug von den Grantleuten ver—
übt ſein muß. Da aber ſelbſt die Grant
leute nur eine Majorität von 1000 bis
1500 Stimmen für Caldwell beanſpru—
chen, und bis jetzt, ſchon 3789 falſche
Stimmen zu ſeinen Gunſten nachgewie
ſen ſind, ſo kann man deutlich ſehen, was
dieſer„Sieg“ der Radikalen werth iſt.
(Galt. Cor)
e Ç
Die Jeſuiten in Nord - Amerika.
Der Lutheraner,“ das Organ der
ſtreng lutheriſchen Miſſouri-Synode in
Nordamerika, berichtet über· die Ans
breitung der Jeſuiten in Ame—
rika, die ſchon jetzt, wie es heißt, ein
Viertel der Stimmen in Amerika eon
trolliren und die durch verdeckte Spekula—
tionen enorme Reichthümer anhäufen.
Dies furchtbare Wachsthum der Jeſniten
macht, ſagt er, bedroht allerdings unſere
Nation, ſowohl was politiſche, als reli
giöſe Freiheit betrifft, mit einer großen
Gefahr. Wird man nicht bald die Um—
triebe und Gruudſätze der Jeſuiten ſchär—
fer ins Auge faſſen und irgendwie auf
geſetzlichem Wege ihrer weiteren Ausbrei
tung und ihrem Streben nach Machtſtell
lung einen kräftigen Damm entgegen—
ſetzen, ſo dürfen wir uns wenigſtens nicht
wundern, wenn wir, ehe wir es uns ver—
ſehen, unſere weſentlichſten Freiheiten in
die Hände dieſer Papſtknechte verrathen
und verkauft ſehen, Sie ſind pfiffig ge—
nug, keinen Hauptſchlag zu wagen, bis
ſie genau wiſſen, daß ihre Kräfte ſtark
und zuverläſſig genug ſiud, ihr dabei an—
geſtrebtes Ziel auch ſicher zu erreichen.
Während jetzt die Jeſuiten in verſchiede
e rr Eeh e
und zum Theil ſelbſt ausgewieſen wer
den, weil man ihre demagogiſchen Abſich
ten und ihre Hinterliſt fürchtet, öffnet un
ſere Republik dieſen Wölfen, die in gan—
zen Rudeln nach Amerika überſiedlen, ein
willkommenes Aſyl. Als Verfolgte fin
den ſie jetzt hier eine Zuflnchsſtätte, aber
als Verfolger werden ſie, ſobald die Ge~
legenheit güůnſtig iſt, die erlangte politiſche
Machtſtellung auszubenten ſuchen. Die
Papſte haben die Ausbreitung ihrer
Herrſchaft durch die hieſigen Jeſuiten im
mer mit beſonderem Wohlgefallen ver
merkt. Son Papſt Leo XII (1823—29)
welcher die Bibelgeſellſchaften verdammte
und die Inquiſitionsgefängniſſe wieder
aufbauen ließ, ſchrieb z. B. alſo: „Schon
blühen uns in den amerikaniſchen Staa
ten ähnliche Hoffnungen auf. Das lUe
bermaß der Freiheit, welches die Republi
kaner im Norden dieſes Welttheils genie
ken, welche auch dem Orden beſagter Ge
ſellſchaft Jeſu zu Gute kommt, wird viel.
leicht, ehe noch 50 Jahre verſtrichen ſind
ſie zu Herren der Wahl der Abgeordneten
zu dem National· Congreß und zu dirigi
renden Mitgliedern in den Senaten der
meiſten Provinzen machen.“ Wenn nun
auch dieſe Hoffnung des „Unfehlbaren“
ſich noch nicht erfuͤllt hat, ſo ſieht man
doch daraus, was für ein Ziel ſeiner
Wirkſamkeit der ſo mächtig anſchwellende
Jeſuitenorden hier zu Lande verfolgt und
wie große Dinge der Papſt davon erwar
tet. ;
ln der neueſten Zeit iſt die Ehrfahrung gemacht
worden, daß eine Ladung Pulver von 110 Pfund,
heiner Kanone einen Druck von 20 Tonsund
eine Ladung von 120 Pfund einen Druck von 66 Tons
ausũůbt. Zehn Pfund Pulver, über eine Ladung von
110 Pfund, verurſachen alſo eine mehr als dreifache
Wirkung.
Muſikaliſches. Wir erhielten vor einigen
Tagen die Auguſt Nummer von „Peters Musical
AMonthly“, und empfehlen das Werk unſern Leſern.
Von dieſen Heften wird über eine Million Copien
im Lande verſandt. Die einzelnen Stücke für Sing~
ſtimme mit Piano-Begleitung ſind aus den Werken
|der berühmteſten Meiſter in der RNeuzeit gewählt.
IL Peters, 599. Broadway, New York
Räthſel- Tafel.
(Zweiſylbig)
Mein Erſtes ſchaut vom Himmel nieder
Und unter Blumen triffſt Du's wieder,
Im Waſſerſpiegel regt es ſich
Und thut Dir wohl herzinniglich.
Mein Zweites iſt ein Schmuck doch Frauen
In ſelt'nem Fall' nur zuzutrauen,
An Farbe ungleich wie an Form,
7 Oft klein und winzig, oft enorm.
Mein Ganzes Held in Märchenbildern,
Kann ich als Wütherich nur ſchildern;
Begegnet Dir der böſe Mann,
Nimm keinen Schlüſſel von ihm an.
(Auflöſung in nãchſter Nummer.)