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Kurze Notizen.
Von einer Geſellſchaft ſozial-tonſer~
vativer Bürger, iſ dem dentſchem Reichotag
folgende Petition uůberreicht: „Wir unterzeichnete
deutſche Maͤnner treten in Ehrerbietung vor den hohen
Reichotag und bitten dringend/ ungeſaͤumt Geſehe
anzubahnen und zu erlaſſen, welche alle Sonntago
arbeit in Werkſtaͤtten und Fabrifken, außer wo, wie
bei Hochoͤfen, das Feuer nicht auogehen darf, bei
Bauten und auf dem Felde, alles Abhalten von
Jahrmaͤrkten, Pferderennen ~., ſowie allen Güterver—
kehr auf den Eiſenbahnen, an den Sonn~ und Feſt
tagen allgemeiner Chriſtenheit durchaus und bei
Strafe verbieten; auf den lehteren „auch den Pet~
ſonenverkehr der Sonntage auf einen Poſt- und Per
ſonenzug zu beſchraͤnken“, dieſen aber auch an den ~
hohen Feſttagen (Charfreitag, 1. Weihnachtotag, 1.
Oſtertag, 1. Pfingſttag und dem boffentlich bald ein
zuführenden allgemeinen deutſchen Buß- und Bet
tage), „gänzlich ruhen zu laſſen.“ Motive: „Unſer
Volkoleben bedarf dringend der Neubefeſtigung und
Beſchuͤtzung ſeiner religids- ſittlichen Grundlagen
Cin amerikaniſches Blant hält es für unpaſſend,
daß die Deutſche Reichöregierung 10,000,000 Thaler
von der franzoöſiſchen Krieadentſchaͤdigung für einen
künftigen Krieg zurͤckgelegt hat. Da die Franzoſen
bereits vor dieſer Zurůcklegung Deutſchland ihre Re
vanche angekündigt hatten, ſo war es offenbar ganz
paſſend, daß die Deutſchen die franzoſiſche Revanche
mit franzoſiſchem Gold aufgewogen haben. Unſer
College wird zugeben, daß die Deutſchen ein prak
tiſches Volk ſind. Wer die Muſik beſtellt, ſollte auch
dafür bezahlen.
Zur Illuſtration der,„Schulverhältniſſe in der
Provinz Poſen“ dürften folgende Thatſachen dienen:
In der katholiſchen Schule zu Wegieroki, bei Schroda,
hat ſeit 1867 nur ein hoöͤchſt mangelhafter Schulunter~
richt ſtattgefunden, bio der Lebrer, der zugleich Poſt~
agent war, an Delirium tromons, ſtarb. Von 23.
April 1871 bis November 1871, wurde gar kein
Schulunterricht ertheilt. Aus der Gemeinde Lugo
wino geht ſeit dem September 1867 kein Kind in die
Schule, mit Ausnahme des Sohnes des Schaͤfers,
welcher ſein Kind taͤglich 14 Meilen weit hin und zu—~
ruck zur Schule ſchickt. Bon Schulſtrafen gegen die
Eltern iſt bis jept nichtos zu bhoͤren.
Nach amtlichen Angaben iſt das Geſammtreſul
tat der Zaͤhlung, daß allein in der preußiſchen Mo—~
narchie mehr als 1 Perſonen an einem Tage bei den
Poſtbureaur ein- und ausgeben. Ein Poſtbeamter
wurde 3124 Tage (zu s Stunden Arbeitozeit) oder
rund v volle Jahre gebraucht haben, um dieſes Pu—
blikum zu befriedigen.
Berlin, 26. Juni. Der Bundesrath hat die
von dem Parlament gemachten Abänderungen an dem
Geſehentwurf, betreffend der Prosciption der Jeſuiten
genehmigt. Hiedurch iſt der Entwurf zum Geſehe
geworden, und die Vorſchriften deſſelben werden bald
vollzogen werden.
Die Ortovorſteher in Elſaß und Lothringen
baben Befehl erhalten, die Liſten für die Militaͤraus
bebung in Oltober anzufertigen
Am 9. Juni Mittag, traf ein Blitzſtrahl den
Straßburger Muünſterthurm, fuhr aber, ohne den
Thnrm zu ſchaͤdigen, an den Ableitungodrähten herab
und in die Erde. Der Knall war ſo ſtark, daß die
Bewohner der Umgebung glaubten, es dabe der Blih
ihre Wohbnung getroffen.
Italien. Man verſichert, daß zwtſchen dem
Papſte und dem Cardinal Antonelli, eine überaus
heftige Scene ſtatigefunden hat, deren Veranlaſſuna
ein Beſuch geweſen ſei, den Ricciotti Garibaldi dem
Cardinal abgeſtattet. Es iſt ein ziemlich öffentliches
Geheimniß, daß der Cardinal von einer Nonne ein
Tochter hat, die er einer gewiſſen Gräfin Markoni
nvertraute, welche vor der Welt als die natuürlid
Mutter des reizenden Maͤdchens galt. Vor einiae
Zeit ſtarb die Gräfin und ernannte einen Republitk
ner, Namens Chauver, der Mitalied de „Interna
tonale“ nnd Redakteur eines humoriſtiſchen Blatte
iſt, zum Vormund d igeblichen Tochter. Ma
kann ſich leicht vorſtellen, daß Her Chauver, der dac
Geheimniß des Cardinals kennt, die Situation wol
wuszubeuten verſtand und fuüͤr Se. Eminenz u
Oualageiſt wurde Da verliebte ſich Ricciotti Gari
baldi in die Schoöͤne, gewann ihre Gegenliebe und
ging ſchnurſtracks zu Sr. Eminenz, dem Herrn Papa,
um e Hand der Geliebten anzuhalten. Dem
CLardinal kam die G enheit, ſich von dem Plage
eiſte zu befreuen, ſehr gelegen, er bieß den Freier
willkommen und erklaͤrte ſich bereit, die Schulden d
prafumtiven S hwiegerſohnes zu bezahbl n, der hierauf
dem Schwiegerpar e ceine Dankviſite abſtattete.
Das wurde dem VPapſt hinterbr tund außerdem
klagten ſich mehrere im Vadican accredirte Dir
maten daruůber, daß ſie mit Ricciotti im Vorzimm
des Cardinals zuſammenaetroffen ſeien Fol da
von wart ngedeutete heftige Auftritt
uerreih. Wien, 15. Juni. Die „.N. dr.
er Beſuch des oeſterreichiſchen Kaiſero in
zwiſchen den und 10. Sept. fallen.
ſich aͤußerlich als Gegenbeſuch fuür den
Palzburger -Beſuch des Kaiſers Wi
r 1 die bohe politiſche Bedeutuna
mindeſte Zweifel Die Reiſe des
~ ihrer Bedeutung entſprechende
è Begleitung des Kaiſers durch
perſtͤndlich, durch in andereo
wahrſcheinlich. Die „Preſſe“
rde s Tage in Berlin verweilen
e Waſſerboſe, von gewaltigem
n der an der Donau gelegenen
zuck 00 Gebäude und 2 Kane
jch mehrere Bewohner ſind
prden.
on, 27. Zuni Im Parla
d Granville und Gladſton
ng der Verbandlungen ve
ichte Hiernach wurde das
ſtag benachrichtigt, daß d
rauf den indirelten rder
ieſelben nicht weiter berück
du der beutigen Sitzung de«
zland nach Beſtätigung der
ten Forderungen ſeinen An
ng zurück, und es wird nun
Einzelnen vor dem Schiedo-~
Gladſtone antwortete auf
ob Am ka die indirekten
Waſb ngtoner Vertraa auf
ine?k mit„Nein“ und ſagte,
ingoverſchiedenheit unter d j
h beiden Regierungen daruͤt
Waſhiugton eine irkſame
Wiederauſleben de direkte
henf. 27. Juni. Das Schiedo~
ſich um Uhr beute L tt
morgeuden Sitzung wird en t
Mnſtige Mitt ~ wartet
Shberman war ed nd
ce Rublee, d kaniſchen Geſandt
Die Mitgliedo« õ Schiede t
laden, konnter ;
aicht anweſend ſein.
ditprrtteuude Canbention in Bal~
timore, hat eine Nomination fr Praͤſident und
; more de el Sirn em Bei der
e er
: Stimmen men wurden an verſchie~
vene unmen ent ·Er abgegeben. Auf Antrag
wurde ſpãter die Nomination von Greeley und Brown
einſtimmig gemacht, ſo daß jeht nur zwei Candidaten
fur Praͤſideut im Felde ſind: Greeley und Grant.
1 —Eine Depeſche aus Genf ſagt Der Modus der
Verhandlungen über die direkten Forderungen iſt noch
nicht feſtgeſtellt, das Schiedogericht wird ſie aber
wabhrſcheinlich in der Reihenfolge, wie die confoöderir~
ſten Kaperſchiffe ;ausgeruüſtet wurden, verhandeln nnd
entſcheiden, ob Cngland für die von einem oder von
allen Kaperſchiffen verübten Kapereien haftbar iſt
oder nicht. Wenn dieß geſchehen, ſo wird das Schieds
Igericht die Größe der Entſchäͤdigungsſummen in Er~
wäͤgung zieben. Wenn die Anſichten hierüber nicht
zu weit auseinandergehen, ſo wird das Schiedogericht
eine Bauſchſumme zwiſchen beiderlei Schaͤhungen
feſtſehen. · Wenn jedoch die Feſtſetzung einer Bauſch~
ſumme nicht thunlich erſcheint, ſo wird das Schiedo~
gericht die Feſtſtellung der Entſchaͤdigungeu an die in
dem Vertrage vorgeſehenen Schaͤher verweiſen und ſo
ſeine Arbeiten beendigen.
unſere Tauſchblatter aus dem Norden und We~
ſten berichten Morde und andere Gewaltthaten, die
den erdichteien Kuklux-Greueln nicht nur gleichtom~
men, ſondern noch weit darüber binausgehen, aber
die Gerechtigleito —Liebe der Radicalen laͤßt dieſe
Dinge gänzlich unbeachtet. Warum ſendet Grant
nicht ſeine Trabanten?
—Von Stanley ſind uüber die Aufſuchung
und Auffindung des Dr. Livingſtone Briefe
angekommen, deren ſummariſcher Inhalt folgender iſt:
Stanlev erreichte am 23. Sept. 1871 Unvanyembe,
nachdem er unterwegs an Krankheit einen weißen
Mann von ſeiner Begleitung, zwei Pferde und 27
Eſeln verlor.
YPfuiliterariſches. Der Conſum von Litera~
turerzeugniſſen der ſchmuhigſten Art, muß im Lande
ein enormer ſein; dies haben die Enthüllungen ge~
zeigt, die Dank der Thatigleit des Herrn Anthony
Comſtock in New York täͤglich gemacht werden. Dieſer
Herr bat binnen kurzer Zeit die Beſchlagnahme von
Inicht weniger als 7 Tonnen ſolcher Schmachwerke
veranlaßt und fördern die Prozeſſe, welche dieſerhalb
gegenwaärtig in den Generalaſſiſen im Gange ſind,
Dinge zu Tage, welche für Moral nnd Sittlichkeit
ſehr bedenklich klingen. Der Diſtrictsanwalt mußte
bei der Proceſſirung eines gewiſſen John Meeker, der
des Verkaufes obſcoͤner Bilder und Bücher ange~
ſchuldigt iſt, mit Widerſtreben die empörende Mitthei—
lung machen, daß manche New Yorker Maͤdcheninſti~
tute mit ſolchen Producten wahrhaftig überfluthet
ſind. Bücher und Bilder der ſchamloſeſten Art wer~
den auf hunderterlei Arten dort eingeſchmuggelt; zu
weilen ſogar in Blumenbouquets, in Nußſchaalen
und Zuckerwerk.
Süd-Amerika. Laut Nachrichten beabſich~
tigt die P. St. N. Co., zum Aus- und Einladen
ihrer Dampfer 100 Chineſen einzufuühren, vermuthlich
weil dieſe beſſere, zuverläſſigere Arbeiter ſind als un~
ſere faulen, diebiſchen Fleteros. Allein unheimlich
iſt dieſes doch, denn bei dem Gelüſte nach billigen
Menſchenfleiſch dieſer Söhne des himmliſchen Reiches
der Mitte, lann es einmal paſſiren, daß man in einer
Cazuela aufgegeſſen wird.
In Lima muß es jedenfalls ungemuͤthlich ſein.
Zwei chineſiſche Metzger wurden arretirt, weil man
bei ihnen große Ouantitäten Menſchenfleiſch vorfand,
ein Garkoch kam in Arreſt, weil er in ſeiner Cazuela
einem Gaſte einen menſchlichen Finger mit dem Na~
gel noch daran zum Fruhſtück vorſeßte.
Ein eigenthümlicher Erſatz für Hühner und Ha—~
meloknochen! Die Chineſen ſind ſchlaue Leute, die
Ochſen ſind theuer, muß man kaufen die Menſchen
braucht man nur zu fangen. Deßhalb rentiren ſich
auch dieſe chineſiſchen Garküchen ſo gut, weil die
ſchlauen Leute gleich das Betrieboscapital erſparen.
(„Deutſche Nachrichten“.)
Ein vernünftiger Brief von Victor
Hugo. Victor Hugo hat ſchon lange nichts ſo
vernünftiges geſchrieben als folgenden Brief, welchen
er an, Hrn. F. X. Trebois, den Gründer einer
„Geſellſchaft für confeſſionsloſe Maädchenſchulen“
gerichtet bat: „Mein Herr! Ja wohl, ich ſchließe
mich vollkommen dem beredten und unwiderleglichen
Schreiben Louis Blanc an, und habe blos meine Un~
terſchrift darunterzuſetzen. Louis Blanc ſagt die
reinen Wahrbeiten, und ſtellt die richtigen Principien
des weltlichen Unterichts, ſei es für Knaben oder für
Maͤdchen, auf. Was mich betrifft, ſo unterſcheide ich
ſcharf zwiſchen zwei Dingen: der Erziehung und dem
Unterricht. Die Erziehung gibt die Familie, den
Unterricht muß der Staat geben. Das Kind will
von der Familie erzogen und vom Staat unterrichtet
ſein. Der Vater gibt dem Kinde ſeinen Glauben
und ſeine Philoſophie, der Staat gibt dem Kinde den
voſitiven Unterricht. Hieraus ſolgt ganz naturlich,
daß die Erziehung religios ſein kann und der Unter~
richt confeſſionslos ſein muß. Das Feld der Erzie~
bung iſt das Gewiſſen, das Feld des Unterrichts iſt
das Wiſſen. Sypäter, in dem fertigen Menſchen, er
gänzen ſich dieſe beiden Leichten gegenſeitig. Ihre
Stiftung eines confeſſionsloſen Maͤdchenunterrichto
iſt ein logiſches und nůͤtzliches Werk, dem ich meinen
Beifall zolle. Paris, 2. Juni 1872. Victor Hugo.“
——
Das „Geſinde-Geſetz“ in Provinz
Preußen. Die „Volkozeitung“ bringt aus Ma—
rienwerder eine Privat-Mittheilung uͤber die Aus
wanderung aus dieſer Provinz, in der die Farben
zwar grell und dick aufgetragen ſind, die aber unſere
Leſer genugſam inteteſſtren dürfte, um den faſt ovoll
ſtaͤndigen Abdruck zu rechtfertigen. Die „Volkoztg.“
ſchreibt: „Für unſere Provinz Preuſßen iſt durch
das „Geſinde Geſetz“ vom 24. April 1854, eine Art
Leibeigenſchaft in verbeſſerter Form geſchaffen worden.
Die Folgen dieſer Maßregel zeigen ſich jett in der
Auswanderung. Durch das bezeichnete Geſetz werden
die Inſtleute dem gemeinen Geſinde ganz gleichgeſtellt.
Die MiethoContrakte werden von dem Brodherrn
abgefaßt und von dem ſtupiden Inſtmann, der nicht
ein Wort verſteht, was im Contrakt enthalten iſt,
unterkreuzt. Und dieſe Miethskontrakte haben ſchon
manchen biosher tüchtigen Inſtmann zur Verzweiflung
gebracht. Ihm gehört auch nichts und er kann auch
nie etwas erwerben. Sehen Sie ſich mal die
Wobnungen der Inſtleute an. Eine Lehmkathe, in
der eine Perſon, wenn ſie uüber fünf Fuß groß iſt,
kaum aufrecht ſiehen kann, mit einer Stube, welche zu
Allem dienen muß. Fenſter und Schornſtein ſind
Lurus, die Stellen der erſteren vertreten Oeffnungen,
welche mit Brettern oder mit Stroh anogefüllt wer
den, und der Rauch ſucht durch dieſe Oeffnungen
Auosgang. Im Winter ſitzt der Schnee und Froſt
oft fußdick an den innern Wänden der Stube und im
Sommer bei Regenwetter gleicht lettere einem kleinen
Bache. Dies ſind einzelne Thatſachen, von deren
Richtigkeit man ſich maſſenbaft überzeugen kann.
Von dem Schulunterricht wollen wir ganz ſchweigen.
Deßbalb ergreift ein in ſolchen Berhaͤltniſſen lebender
Mann jeden Strohbalm, um jeine Lage zu verbeſſern,
lund wer kann es ihm verdenken, wenn er den locten
lden Bildern von Amerika folat? Mancher bat noch
die einzige Hoffnung, daß ed ibm entweder dort beſſer
geht ober daß er untergehbt. Verſchweigen will ich
nicht, daß auf einzelnen, aber auch nur ſehr wenigen
Gütern die von mir geſchilderten Berhäaltniſſe nicht
Mat greifen. Auf dieſen Gutern haben die Inſt~
leute eine einigermaßen gute Wohnung und ein leid
liches Austommen, ſo daß ſie zufrieden ſein konnen
mit Ruckſicht auf die obwaltenden veaſ
Und auf dieſen Gütern faällt es Niemand auszu~
wandern.“
Sie ſremise Armee ſeit dem
ſKriege. Als der Waffenſtillſtand des 28.
Januar 1871 abgeſchloſſen wurde, beſaß
; Frautreich kein operationsfähiges Heer.
Die Streitkräfte des Kaiſerreichs, die,„Ar—
ſmeen von Metz und Chalons,“ befanden
ſich kriegsgefangen in Deutſchland, von
den militäriſchen Schöpfungen der Re—
publik war die Loire· Armee bei Le Mdus
geſprengt, die Armee Faidherbe's hatte
ſich in das Feſtungs · Viereck des Nordens
; geflůchtet, diejenige von Bourbake wurde
gerade über die ſchweizeriſche Grenze ge
hdrängt, die Beſatung von Paris eapitu~
lirte. Die neugewählte Nationalverſamm—
lung befand ſich alſo einem völligen Choas
gegenüber, die Organiſation des Heeres
mußte ganz von vorne beginnen. Und
kaum waren aus Bordeaux die erſten
Decrete in dieſem Sinne ergangen, da
machte der Aufſtand der Commune ein
planmäßiges Vorgehen unmöglich und
zwang zu neuen Inproviſationen. Man
ſchied nämlich aus den noch vorhandenen
republikaniſchen Formationen die zuver
läſſigſten Elemente aus, fügte Offiziere
ſund Mannſchaften von den in die Heimat
zurückkehrenden kaiſerlichen Regimenter
ſhinzu und ſchuf ſo die Armee, welcher nach
vielem vergeblichen Anſtrengungen endlich
hdie Bezwingung der Rebellion gelang.
Dieſe im Drange der Noth gebildeten
Truppencorps ſind nicht wieder aufgelöſt
ſworden. Sie wurden der Stamm des
neuen Heeres, an welchen allmählig die
ſübrigen recht buntſcheckigen Schoöpfungen
des Herbſtes und Winters 1870—1571
angeſchloſſen wurden. Daß die Nachfol
ger Leboeufs, die Kriegsminiſter der Ver ;
ſailler Verſammlung, die den unfähigen
Mann ſo oft geſcholten haben, bei dieſer
Organiſation eine große Originalität ent
faltet hätten, wird ſelbſt ein enthuſiaſti
ſcher Bewunderer derſelben nicht behaup—
ten; ſie hielten ſich vielmehr durchaus an
bonapartiſtiſche Muſter. Die erheblich
ſten Abweichungen von dem alten Syſtem
beſtehen darin, daß die kaiſerliche Garde
hnicht wiederhergeſtellt iſt, die Ulanen
aneiers) gänzlich abgeſchafft ſind die
Artillerie beträchtlich vermehrt iſt.
Die Infanterie beſteht nunmehr aus
106 Linien- und 20 proviſoriſchen Regi
hmentern. Jene zählen bereits durchweg
: ; ; ; ;
4 Bataillone zu je 6 Compagnien; von
dieſen ſehlt noch einigen das 4. Rataillon.
Eines der vier Bataillone iſt im Kriegs—
falle beſtimmt, als Depot zu dienen. Iſt
die Organiſation der proviſoriſchen Regi
menter vollendet, was noch in dieſem
Jahre geſchehen ſoll, ſo werden ſie den
ulen egamenteru einfach angeſchloſſen
ſwerden. Die Zuaven 4 Regimenter zu
4 Bataillionen, ſind um 5, die Jäger 30
Bataillone um 9H Bataillone vermehrt!
worden. Das Fremden Regiment 4
Bataill., die Turkos 12 Bataill., die Ze
phyrs 3 Bataillione, hat die Republik in
gewiſſenhafter Copierung des Kaiſerreichs
wieder errichtet; das nennt man in Frank
reich „Humanität und Civiliſation“.
Dieſe „Elitetruppen“ mit eingeſchloſſen,
beläuft ſich die geſammte Infanterie auf
569 Bataillone, was gegen früher ein
Plus von von 198 Bataillionen ergiebt.
f Die neune Formation der Cavallerie
weicht inſofern von der alten ab, als jetzt
hjedes Regiment 6 Schwadronen zählt,
d. h. ſo viel wiebbei der ehemaligen Garde.!
Dagegen iſt die Zahl der Regimenter (63)
ſunverändert geblieben. Die Guiden· nnd
das Carabinier· Regiment ſind, weil ſie an
die garde-imperiale erinnern würden,
nicht wieder formirt; ebenſo wenig, wie
ſchon bemerkt, die H Laneiers Regimenter;
die Franzoſen laſſen uns den lllan
ein Faetum, in welchem man wohl einen
der Beweiſe von Selbſterkenntniß ſehen
darf, wie ſie ſich hin und wieder, freilich
ſehr ſelten, ſogar im heutigen Frankreich
ſfinden; vielleicht hat hier auch die ergötz
liche Mär, welche den Ulanen für eine
beſondere Völkerſpecies ausgiebt, ihr
Spiel getrieben. Dafür ſind die Cüůraſ
ſſiere und Chaſſeurs um je l, die Drago
ner um 7, die Huſaren um 2Regimenter
vermehrtt. Die Dragoner, Hnſaren und
Chaſſeurs tragen jetzt durchweg Chaſſepot
Carabiner. Selbſtverſtäͤndlich hat auch
die Reiterei ihre afrikaniſchen Eigenthüm
lichkeiten (4 Regimenter Chaſſeurs d
Afrique, 3 Regimenter Saphis) in die
neune Ordnung der Dinge hinüber gerettet.
Die Vermehrung beträgt im Ganzen nur
28 Schwadronen. Das iſt weder ein
Symtom friedfertiger Geſinnung, noch
eine Geringſchaätzung dieſer durch den
jüngſten Krieg ſo glänzend retablirten
Waffe, ſondern ausſchließlich eine Folge
des ſtark geſchwächten Pferdeſtandes.
Deſto mehr iſt die Artillerie verſtärkt
worden. Man kann kaum ein franzöſi
ſches Buch ůber den jüngſten Krieg leſen
ohne ans eine nachdrückliche Hervorhebung
der groößeren Tragweite unſerer Geſchütze
der größeren Stückzahl der deuntſchen
Heere, der größeren Präciſion unſerer
Kanoniere zu ſtoßen. Nun ſind ja un
zweifelhaft die Leiſtungen der deutſchen
Artillerie bewundernswürdig genug ge~
weſen, aber ſo viel ſtehi andererſeits feſt
daß jene ůberſchwänglichen Lobeserhebun-·
gen dieſelbe pſychologiſche Erklärung her·
ſausfordern, wie die 1566 dem Hinterlader
geſungenen Dithyramben. Man iſt be·
ſiegt, das muß leider zugegeben werden:
aber nicht etwa durch geiſtige und ſitt.
liche Ueberlegenheit, ſondern wenn wir
ſeinmal von dem Capitel des Verrathes
abſehen durch die numeriſche Ueber
macht und die volleudeteren Zerſtörungs
werktzenge. Dieſen Sinn hat es, wenn
die bisherigen 24 Regimenter Artillerie
auf 30, die bisherigen 224 Batterien auf
285 erhöͤht worden ünd. Sehr zu be
zweifeln iſt allerdings, ob letztere ſchon
mit der erforderlichen Anzahl von Stücken
(710 gegen die bisherigen 1140) ausge·
lrüůſtet ſind, denn die Verluſte, welche!
Material jeder Art erlitten
hat, ſind geradezu koloſſal. Der Infan—
terie fehlten vor Kurzem noch eine halbe
Million Gewehre, die Artillerie bedient
ſich nöch der im Laufe des Krieges durch
die hergeſtellten Ge~
ſchütze, ſie harrt noch der Einführung
eines einheitlichen Kalibers Von Mi~
trailleuſen· Batterien verlautet nichts; viel~
leicht hat man ſich von ͤhrer Unzweckmäſ
ſigkeit überzeugt.
Ohne die Gensd'armerie und die ſogen
nante garde republicaine (eine in Paris
ſtehende Sicherheitstruppe) zählt die Armee
gegenwärtig 433,622 Mann (371,124
in Frankreich, 62,498 in Algier): faſt 12
Prozent der Bevoölkerung, genaner 1,34
Prozent. Das Budget für 1873 hat zwar
eine Vermindernng um etwa 10,000
Mann in Ausſicht genommen, aber auch
ſo bleibt die Zunahme gegen die Friedens
ſtärke des kaiſerl. Heeres (380,246 Mann)
ſehr beträchtlich, namentlich wenn man
den Verluſt von Elſaß und Lothringen
(4,600, 000 Einwohner in Anſchlag bringt.
Eine Rekrutirung hat ſeit dem Kriege
nicht ſtattgefunden, weil die nene Rege—
lung der Militärpflicht abgewartet werden
ſollte. Man begreifſt hiernach, warum
die Heißſporne ſo ſehr auf Berathung des
betreffenden Geſetzes gedrungen haben;
doch iſt dieſer Ausfall, welcher durch die
Verzögerung derſelben herbeigeführt iſt,
geringer, als es ſcheint, da ja in Folge
von Gambettas Decreten die geſammte
waffenfaͤhige Mannſchaft bis in ein ziem
lich ene Alter hinab nothdürftig
in den Waffen unterwieſen iſt.
Es iſt der Vorſchlag gemacht, die terri
torialen Militärdiviſionen und Unter ·Di
viſionen abzuſchaffen und an ihre Stelle
nach deutſchem Muſter Provinzial· Armee—
corps zu ſeten, die bereits im Frieden
in hDiviſionen und Brigaden eingetheilt
ünd und deswegen die Mobilmachung ſo
außerordentlich erleichtern. Aus Grün—
den, die ſicherlich überwiegend politiſcher
Natur ſind, hat ſich die franzoöſiſche Regie
rung bis jetzt gegen dieſe Reform geſträubt.
Auch ein Artitel des Spectateur militaire,
a angeſehenſten frauzoöſiſchen Militär
Zeitſchrift, bekämpfte ſie jüngſthin, und
a mit Argumenten, die ſo recht den
Geiſt des modernen Frankreichs charak~
teriſiren. Einmal, heißt es, will der fran
zöſiſche Soldat, wenn er nicht weit von
ſeiner Heimat ſteht immer Urlaub haben,
ſodann iſt im Falle ſtarker Verluſte die
Gefahr vorhanden, daß ſich eine große
Trauer und Mißſtimmung über einen ge—
wiſſen Landſtrich verbreitet (hätten wir
franzoſiſche Zuſtände, ſo würde alſo wohl
unach der Schlacht von Bionville ein Auf—
ſſtand in der Mark Brandenburg ausge—
brochen ſein;) endlich kann in einer Gegend
ein ſehr radikaler Geiſt herrſchen, und die—
ſſer würde die Diseiplin der betreffenden
Regimenter lockern.
Ao keine Provinzial· Armeecorps.
Dafür iſt ein bedeutender Theil des ſtehen
den Heeres (faſt die Hälfte der geſamm—
ten Infanterie) in und nahe bei den gro—
ßen Städten aufgeſtellt; 2 ganze Corps
ſtehen in Paris; 3 andere lagern in der
Nähe, ein ſechſtes befindet ſich in Lyon
und dem benacharten Lager von Satho—
nay. Vergebens bekämpfen einſichtige
Militärs die Leidenſchaft des gegenwärti
tigen Praͤſidenten für ſtehende Lager; die
ſelbe wurzelt in politiſchen Motiven.
Der Bildung des Offizierſtandes iſt
nenerdings eine erhöhte Sorgfalt zuge
wendet worden. Diejenigen, welche in
die ecole speciale militaire Von St. Cyr
eintreten wollen, müſſen das Diplom eines
bachelier des sciences oder des lettres
beſitzen; die Vorſchriften über die Exa—
mina ſind den deutſchen Beſtimmungen
angeglichen worden; von 1873 an iſt das
Studium der deutſchen Sprache obliga—
toriſch. Für Artillerie und Genie ſoll
eine beſondere Schule in Fontainebleau
errichtet werden.
Endlich dürfte die Mittheilung intereſ—
ſaut ſein, daß ſeit einigen Monaten auf
allen franzöſiſchen Gymnaſien ein mili—
taäriſcher Unterricht ſtattfindet, der ſich be
ſonders ans das Exereiren erſtreckt. ~
ſ —— Ç e ——T—
Aus Deutſchland. Die Geſammtans—
prägung von Reichsgoldmünzen ſtellt ſich
bis jetzt auf 146/3379,540 Mark. Die
Frage, warum man ſo wenige 20 Martk—
ſtücke im Verkehr ſieht, beantwortet ſich
dadurch, daß ein großer Theil der Stücke
ſin den Reichskriegsſchaß wandert, der be—
kanntlich für 40 Millionen Thaler Gold
aufnehmen ſoll. Viele nenen Goldſtücke
verſchwinden übrigens auch in den Pri
vatſparbüchſen wogegen die dort bisher
beliebten Doppelthaler jetzt zahlreicher als
je in den Verkehr kommen. Eine Aus—
wanderung der nenen Goldſtücke iſt zu
Zeit nicht zu befürchten, da der Goldpreis
dafür zu niedrig ſteht. Die Regierung
kaunft an der Boörſe noch immer das Goldſ
ſo billig, daß ihr die Herſtellung der 20/
Markſtůcke einen Ueberſchuß gewährt. 3u
den Ansprägungen ſind bis jetzt 100,000
Pfund Gold an die verſchiedenen Münzen
vertheilt worden. Die ſüddeutſchen Staa
ten brauchen die daraus geprägten Gold·
ſtůcke nicht wieder nach Berlin abzuliefern
bielmehr?wird der Werth des Goldes als
Vorſchuß ans ihren Antheil an der fran
zöſiſchen Kriegsentſchädigung angerechnet.
Eine Anzahl achtbarer und angeſe·
hener Mäuner aus allen Theilen Deutſch—
lands hat einen Aufruf erlaſſen, worin
der Vorſchlag gemacht wird, den 2. Sep·
tfember als deutſches Nationalfeſt zum An
denken an die glorreichen Erfolge des
Krieges von 1870—71 und die Wieder·
aufrichtung des deutſchen Reiches allerſ
Orten zu feiern. Es ſoll ein Tag des
Dankes gegen Gott, der Ehre für die le· ſ
benden Sieger, des Jubels für das ganze
Volk ſein. Wir empfehlen den Borſchlagſ
auch unſerer Seits zur Erwägung.
Ueber die ſchlimme Lage der armen ſ
Weber haben zwei Sozialiſten bereits vor ſ
4 Wochen folgenden Bericht erſtattet, der
bis jetzt nicht widerlegt worden iſt, ob· !
wohl von wohlwollender Seite dringendſ
um Widerlegung erſucht wurde, wenn
eine ſolche gegeben werden koöͤnne. „Dieſel
Leite,“ heißt es in dem Bericht, „ſitzen
von 5 Uhr Morgens bis 9 Uhr Abends
am Webſtuhl; dann müſſen ſie noch bis
11 odet gar iaeer ilen, damit ſie
den andern Morgen wieder an's Weben
tkommen tkoönnen Die Feauen, welche
fůr die Fabutken Shulen machen, verdie· f
nen taäglich 13 Sgr. und bei großer
Gewandtheit 22 Sgr. Das gewöhnliche
Nahrungsmittel ſind Kartoffeln, die mit
einer Sauce von etwas Talg und Mehl
Jahr aus Jahr ein täglich auf den Tiſch~
tommen. Glücklich ſind die Leute, wenn
ſie das noch regelmäßig haben. Butter
und Fleiſch kennen ſie nur dem Namen
nach~
Königsberg. Vor einigen Tagen
wurde eine Schiffer FFamilie aus Elbing
bei der Mittags · Mahlzeit ſehr unangenehm
überraſcht. Das Schiff hatte nämlich 28
Laſt Weizen geladen und ſollte hier löſchen
das Getreide muß aber jedenfalls unter-~
wegs feucht geworden und gequollen ſein
und den untern Raum auseinander ge~
drängt haben; ein Knall und nach einer
Minunte war von dem Schiff nichts mehr
zu ſehen. Der ſchnellen Hilfe gelang es,
die Beſatzung zu retten. Leider iſt der
Schiffseigenthümer ſo unvorſichig geweſen
die Ladung nicht zu verſichern. Man
hat Anſtalten getroffen, das Scbiff aus
dem Grunde herauszuwinden.
München. Im verſloſſenen Jahre
1871 wurden bei den Schwurgerichten des
Königreichs Bayern 12 Todesurtheile aus
geſprochen, naͤmlich 5 vom Schwurgericht
für Oberbayern, 4 bei jenem für die Ober
pfalz, 2 bei jenem für Oberfranken, 1 bei
jenem für Mittelfranken.
Die Wittwe des Sohnes des Erfinders
der Lithographie, Senefelder, eine Fran,
welche bereits das 60. Lebensſjahr zurück
gelegt hat, befindet ſich in bitterer Noth
und hat ſich an den Magiſtrat um Unter—-
ſtützung gewendet. Ihre Schwiegermut
ter, die Wittwe Senefelders ſen., hat ſei—
ner Zeit ihr ganzes Vermögen dem Ma—
giſtrate vermacht und dieſer hat beſchloſſen
aus den 2033 fl. betragenden Renten deſ~
ſelben der Bittſtellerin eine monatliche
Unterſtůützung von 12 fl. zu gewähren;
das Collegium fand dieſen Betrag zu
niedrig und beantragt, dieſe Unterſtützung
auf monatlich 20 fl. zu erhöheu.
Ein intereſſanter Prozeß hat ſich
vor einiger Zeit in Regensburg abgewi
ckelt. Profeſſor Schoöͤntag in der erſten
Gymnaſialklaſſe hatte einen Schüler, wel~
cher notoriſch ſeine Aufgabe abgeſchrieben
einen „gemeinen, erbärmlichen“ Menſchen
genannt. Darüber ſtellte, nicht zufrieden
daß der Profeſſor vom Rectorate ůber das
Ungeeignete dieſes Ausdrucks einen ſchrift
lichen Verweis erhielt, der Vater des
Gymnaſiaſten Klage beim Stadtgerichte
an, welches den Profeſſor frei ſprach.
Der Vater wendte ſich nun an das Be—
zirksgericht, aber auch von dieſem wurde
der Profeſſor frei geſprochen. Und der
Kläger iſt nicht etwa ein vornehmer Be
amter oder dergleichen, ſondern ein Poſt—
bureaudiener! Bei der öffentlichen Ver
handlung waren acht Gymnaſiaſten als
Zeugen zugegen.
(Franzoſiſche Grillen.) Die Men—
ſhen genügen den Franzoſen nicht mehr,
um Enthüllungen über den für ſie ſo we
nig ehrenvollen Krieg zu machen. Die
Thiere, welche nur in graner Vorzeit ſich
über Staatsaktionen unterhalten und
dem Menſchen ihre Geheimniſſe mittheilen
müſſen jetzt den Franzoſen dienen, un:
ihnen die Gedanken der dentſchen Heeres
leitung zu verrathen. Ein weiſer Mann
der die Sprache verſteht, welche die Pferde
ſprechen, und vielleicht noch beſſer auf die
welche der Eſel verſteht, hat in Paris ein
Buch mit folgendem Titel erſcheinen laſſen.
Hiſtoriſches Tagebuch des Reitpferdes des
Königs von Preußen, enthaltend ſeine
Betrachtungen über den Krieg von 1870
und 1871.
—— “
Landbau.
So eben kommt uns zur Hand der
„Monthly Report of the Department of
Agricultũüre tor May and Juni 1872,
Washington.“
Ueber die Weizen-Ernte wird
dem „Commiſſionär“ berichtet, daß von
903 Counties der Ver. Staaten, 48 Pro—
zent eine ſchlechte Ernte iſt. 22, eine ge—
wöhnliche, und 30 Prozent eiue außer
ordentlich einträgliche zu erwarten ſteht.
Unter 67 Counties in Miſſouri klagen 55
über eine ungünſtige Ernte; in Illinois
hört man die Klage von 26 unter. 52; in
Indiana von 38 unter 56; in Michigan
von 25 unter 35; in Ohio von 48 unter
52; in Weſt ·Virginien von 21 unter 28;
in Tenneſſee von4unter37; in Georgia
von Hl unter 57; in Sůd · Carolina von 3
unter 14; in Nord · Carolina von 12 unter
45; in Alabama von 2 unter 21.
Lehre. Man hat es uns abſtreiten wol
len, daß die ſůdlichen Staaten, wenigſtens
große Strecken derjelben, für den uens
des Weizens geeignet ſind. Die amtlichen
Tabellen zeigen nun, daß der Weizen in
unſeren Gegenden viel beſſer ſteht, wie im
Norden, und einen reichlicheren Ertrag
verſpricht. Im Durchſchnitt wird in den
Ver. Staaten der Ertrag eines Ackers auf
12 Buſhel berechnet; wir wiſſen aber, daß
umſichtige Arbeit unter ſehr ungünſtigen
Umſtänden 20 Buſhel von einem Acker
erzielte, und von einem halben Buſhel
Ausſaat eine Ernte von 14 Buſh. erhielt.
Dazu iſt der ſüdliche Weizen ſchwerer
und beſſer. Im Durchſchnitt wird das
Gewicht eines Buſhels auf 60 Pfund
berechnet, in Süd- Carolina ſind uns Fälle
vorgekommen, daß er auch wohl 66 bis 67
Pfund wog, und das macht ſchon einen
bedeutenden Unterſchied, ſelbſt dann, wenn
die Ernte des Farmers auch nicht mehr
wie 100 Buſhel beträgt. Ein Blick auf
die oben mitgetheilten Nachrichten zeigt,
daß der Süden nicht hinter dem Norden
zurückſteht. Iſt gleichwohl der Geſammt—
Ertrag nicht ſo groß wie im Norden, ſo
muß man bedenken, daß Weizen nicht fůr
das Haupt Erzengniß unſerer Slaaten
gilt. Deſſen ungeachtet pflanzt jede Fa—
milie, ſo weit uns bekannt iſt, Weizen ge—
nug, um ihrem Bedarf reichlich zu genü
gen.
Die Eelzenten den Ver. Staaten
wird dieſes Jahr auf 220,000, 000 Buſhel
berechnet. Nehmen wir 100 als die ge
wöhnliche 34 ner vollkommenen Ernte
an, ſo ſteht rtna in Nord- Carolina
auf 1L in Süd arcline 97, in Georgia
105 (M, in New Lork 68, in New Jerſey
70, in Penſylvanien 70, in Maryland 70,
Delaware 70, Ohio 22, Michigan 75
Indiaua sõ, Illinois 80, Mtioue ~ ~
Wisconſin, Minneſota, Jowa 80, lear.
117, Artauſas 110, Alabama 115, Miſ
ſiſſippi 104, Texas 117.
Baumwolle. Es wird dieſes Jahr
mehr Baumwolle bepflanzt als früher.
Nehmen wir den im letzten Jahre mit
Baumwolle bebauten Flaͤchenraäum als
Mittelzahl an, ſo finden wir, daß er
Aeitelzapl an um 18 Prozent ſeiner
Ausdehnuug ſeit lezten Januar bergrößert
wurde. Die Zunahme beträgt in Nord—
Carolina 16 Prozent des Flächenraums,
im Vergleich mit dem vorhergehenden
Jahres; in Süd-Carolina 9 Prozent, in
Georgia 12 Prozent, Florida 10, Ala
bama 11, Miſſiſſippi 10, Louiſiana 11,
Texas 18, Arkanſas 16, Tenneſſee 12.
Die folgenden Zahlen ſollen den vermuth—
lichen Ertrag bezeichnen. 100 bedeutet
eine gewöhnliche Ernte, vergleichsweiſe da
mit ſteht die Baumwolle iu Nord- Caro~
lina auf 96, Süůd-· Carolina auf 92, Flo
rida 95 Georgia 96, Alabama 105,
Miſſiſſippi 100, Louiſiana 104, Texas
100, Arkanſas 98, Tenneſſe 101. ;
Roggen. Die Zahl Hundert bezrid
net den Ertrag des letzten Jahres. Nach
den Berichten des Monats Mai und Juni
ſteht die Roggenernte in Peuſylvanien
auf 76, iu Deleware 55, in Maryland
auf 65, in Virginien auf 33, in Nord-~
Carolina auf 100, in Süůd-Carolina auf
93, in Georgia auf 109, in Florida 9,
Alabama 113, Texas 108, Arkanſas 102,
Tenueſſee 105, Kentucky 105, Ohio 82,
Michigaa 93, Indiana 91, Illinois 95,
Wisconſin 99, California 108.
Lehre. Auch in Hinſicht auf den Er
trag dieſer Getreideart darf der Süden
den Vergleich mit irgend einem der viel
geprieſenen Staaten iin Norden und We—
ſten nicht ſcheuen, zumal da man im Süů—
den den Anban des Roggens häufig als
eine Nebenſache anſieht, und nicht den be~
ſten Boden dazu wählt. In Alabama
und Georgia ſteht dieſes Jahr der Roggen
am beſten, im Vergleich mit allen andern
Staaten der Union.
Gerſte. Der Stand der Gerſte wird
in New York mit 80 bezeichnet, in Penn
ſylvanien mit 75, Maryland 55, Nord—
Carolina 99, Süd Carolina 190, Georgia
i~ Alabama 113, Teras 125, Tenneſſee
107, Ohio 69, Michigan 98, Indiana 85,
Illinois 56, Wisconſin 99, Jowa 102,
Miſſouri 80, California 98. ;
Hafer. Die Haferernte wird in Nord
Carolina mit bezeichnet; in Süd-·Ca
rolina 87, Georgia 92, Florida 87, Ala—
bama 82, Miſſiſſippi 59 Louiſiana 101,
Texas 110, New York 93, Pennſylvanien
90, New Jerjey 90, Delaware 66, Mary
land 70, Ohio 94, Michigan 100, Indi—
ana 103 Illinois 106, Wisconſin 103,
Minneſotta 108, Jowa 108, Miſſourie
110, Nebraska 115.
Aus obigen Angaben geht es deutlich
hervor, daß der deutſche Bauer ſich nicht
ſchenen darf, ſich in den ſüdlichen Staaten
anzuſiedeln. Die Produkte die er im al-~
tem Vaterlande zog, gedeihen auch unter
unſerem Himmelsſtrich. Dazu kommt
ein geſundes Klima. Menſchen werden
unter uns eben ſo alt und älter wie in den
nördlichen Staaten. Der Winter iſt ſtets
milde, und währt höchſtens G Wochen,
und der Sommer iſt nicht beſchwerlicher
wie im Norden. Eben ſo reichlich wie
die Feldſaaten gedeihen auch die Garten
und Baumfrüchte und viele erreichen eine
Nollkominenheit die in einem andern
Klima nicht erlangt werdenkann. Durch
eine umſichtige und verſtändige Behand
lung kann der VBoden ſehr ergiebig ge
macht werden ſelbſt dann, wenn er es
nicht ſchon in ſeinem Urzuſtande iſt, und
der nachdenkende Bauer kann von ihm
zwei auch wohl drei Ernten im Jahre er
prten Wären dieſe Thatſachen allge
mein bekannt, ſo wůrden unſere Staaten
bald das Hauptziel der Einwandernng
werden, deun es braucht dem Verſtändi
gen nicht wiederholt zu werden, das alle
Gerüchte welche von unſeren Feinden
über unſere ſozialen Zuſtände ausge
ſprengt werden, muthwillige Lügen und
boshafte Entſtellungen und Verzerrungen
der Wahrheit ſind.
———
Auſflöſung des Rüthſels in No. 64:
Bein. Pein. Wein. Rein. Nein.
tarthttcetttob cil htentdedtethtttoniden dirinddlattdden dide odtideddlddlſttoddſud d—bag diutodddididdurtbdeſEdil: itotid ſMii Miinddotlddit didddbddddedaldde ldiddadcdcdoadadtatt
Pic-Nic
der
German Friendly doeciety,
im
VERNON HOUSE, White Bluff,
am
Montag, den 22. Juli 1872.
Die deutſche Blech~ und Streichmuſik~Geſellſchaften
ſind für dieſe Feſtlichkeit engagirt.
Das Arrengements·Comite hat alle Vorbereitungen
für einen Vergnügungstag getroffen.
Karten zu Fl. geſtatten den Zutritt für einen Herren
und zwei Damen. Preis der Rundfahrt: Für
Erwachſene 50 Cts. für Kinder und Dienſtboten
25 Cts.
Züge fahren nach der Ordnung des Fahrplans;
und ein Extrazug wird zwiſchen 11 Uhr morgens und 3
Uhr nachmittags fahren, die beſtimmte Zeit dafür wird
im Fahrplan angezeigt werden.
Karten ſind zu haben bei Capt. John H. Stegin,
Präſident, A. Heller, Chas. Gaßman, W. Scheighiug,
A. Stiefvater und C. Haas, in H. L. Schreiner's
Buchhandlung, im Planters Hotel, bei B. Basler, im
Meve's Eisrahm~Salon und in Herſchbach's Cigar~
renhandlung
Weinkeller
unter dem Exehange Building. Eingang von der
Weſtſeite.
Importirte Nheinweine und Champagner
beſtaͤndig vorräthig. 56
Andrew Göbel.