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Kurze Notizen.
Deutſchland. Potodam, 2. Juli. Die Er~
zahlung von einem hochſt liebenswürdigen Charalter~
zug unſeres Kaiſers macht hier die Runde: Vor
einiger geit ſuchen zwei junge Damen im Parke von
Babelsberg emſig nach dem Denkmal des unglüctlichen
Dichters Heinrich v. Kleiſt. Sie gerathen dabei mit
einem Gartenwaͤchter in lebbaſten Disput, da der
Aufſeher ganz begreiflich von einem derartigen Denk~
mal im Parke nichto weiß, und die Gegenwart eines
ſolchen entſchieden in Abrede ſtelt. Pleẽplich kam
auf einem Kieowege die Equipage des Kaiſers herbei,
und der leutſelige Monarch fragt freundlich die ſtrei~
tende Gruppe, um was es ſich denn handele. „Maje~
ſtãt,“ ſagte der Aufſeher, „dieſe jungen Damen be~
haupten, hier im Parke ſei das Dentmal des Dichters
von Kleiſt aufgeſtellt, und wůnſchten von mir den
Ort der Aufſtellung zu wiſſen.“ „Ja, meine Damen“
ſagte nun der Kaiſer, „da hat mein Aufſeber freilich
Recht, und Sie werden hier vergeblich nach dem Grab~
mal ſuchen, denn das ſteht ſehr wett von hier, bei
Friedrich Wilhelms Brück.“ Indem ſteht der Mo~
narch auf, ſteigt aus dem Wagen und ſagt zum Kut~
ſcher: „Fahre die jungen Damen nach dem Grab-~
mal bei Friedrich Wilhelmo ·Brück!“ und winkte
dann laͤchelnd der freundlich hohe Herr die Damen
zum Einſteigen, die vor Ueberraſchung üůber den Ver
lauf des unerwarteten Zuſammentreffens in nicht ge~
ringer Verlegenheit waren, ſich aber ein Herz faßten
und unter Danklesworten den- Wagen beſtiegen und
davon fuhren.
Auf dem Schloſſe „Stein“ an der Lahn, wurde
den 9. Juli das Denkmal des großen Reformators
Freiherr Karl von Stein enthüllt, welcher neben Leſ~
ſing und Friedrich dem Großen genannt werden muß,
wenn nach den Herren gefragt wird, welche die
deutſche Nation vorbereitet nnd fͤhig gemacht haben,
ibre jetige Groöße zu erreichen. Der Deutſche Kaiſer,
die Kaiſerin und der Kronprinz, waren bei der Feier
anweſend. So wird das große, ſtets unvergeßliche
Verdienſt des Mannes geehrt, der in der ſchwerſten
Zeit, welche der preußiſche Staat erlebt hat, zweimal
zum Miniſter berufen, das erſte Mal durch die Kurz~
ſichtigleit und die Schwache Friedrich Wilhelms 111.
den Intriguen der Kamarilla weichen mußte; das
zweite Mal der „Achtserklaͤrung“ Napoleon's, welche
ihn in das Ausland trieb. Es iſt ferner bekannt,
wie er dem Ruſſiſchen Kaiſer in dem Kampfe gegen
den wilden Eroberer rathend zur Seite ſtand, und
wie man ihm, nachdem Frankreich besiegt war, mit
berbem Undank ſeine von reinſter Vaterlandoliebe
geleiteten Dienſte belohnt hat Von der aus 11 Ge~
ſchwiſtern beſtehenden Familie ſind nur noch zwei
Großtochter, beide Witiwen und der achtjährige Sohn
der Einen, „Graf von Groöben,“ am Leben. Als am
Schluß der Feierlichleit der Kaiſer auf den Knaben
zuging um ihm die Hand zu ſchütteln, brachte der
lehtere ein „Hoch“ ans den Monarchen aus, das mit
großem Enthuſiasmuo von den Anweſenden aufge~
nommen wurde.
Die „Leipziger Zeitung“ von 16. Juli, zeigt
die Ankunft des „großen amerikaniſchen Cirkus“
(3. W., Myers aus Waſhington) an. Unter den
Sehenswürdigleiten iſt „der Staatoswagen des Prä~
ſidenten der Ver. Staaten, den Myers von dem Prä~
Adenten Linloln zum Geſchent erhielt. Die vier
prunkvollen Staatogeſchirre, von den vier Pferden ge~
tragen, welche an dieſem Wagen geſpannt ſind, wur~
den urſprünglich fr die Kaiſerliche Familie in Me—
xilo angeſertigt, und von dem verſtorbenen Kaiſer
Marximilian, Herrn Myers zum Geſchenk gemacht.
Abends wird das rieſige Zelt mit amerikaniſchem
Patent-Gas prachtvoll illuminirt werden.“
Die Leipziger werden ſehen, daß Myers in Amerika
wenigſtens gelernt hat unverſchämte und coloſſale
Unwahrheiten als Aushängeſchild zu gebrauchen.
Die „Kon. Hart. gtg.“ behauptet feſt und be—
ſtimmt: „Der Befebl, dem Biſchof Kremenz am 1.
Juli den Staatogebalt nicht auszuzahlen, hat etwa s
Tage lang bei der bieſigen Regierung gelegen und iſt
dann durch Contre·Qrdre vorlaͤufig zurũůckgenommen
worden.“
ln München iſt ein,Strile“ der Köchin-~
nen und Stubenmaͤdchen im Werke. Sie verlangen
boheren Lohn, mehr Freiheit undßeitraäge zur Toiletten.
Die Univerſitͤt München wird in dieſem Jahre
ihr vicrhundertjaͤhriges Stiftungs-Jubil äum feiern.
Der Beſuch der Berliner Univerſitoͤt wird durch
die Wohnungonoth ſehr erſchwert.
Oeſterreich. Wien, den 15. Juli. Ungarn
beendet heute ſeine Wahlſchlachten. An dem Reſnl
tate lͤßt ſich nichts Weſentliches meht aäͤndern. Die
Deak ~Partei hat einen Gewinn von mindeſtens 28
Mandaten aufzuweiſen. Der Ausgleich hat alſo
wäͤhrend ſeines funfjährigen Beſtandes unabläſſtg,
wenn auch langſam, Anhänger gewonnen. Daß dies
trop der weltbekannten Mängel der ungariſchen
Adminiſtration, trot der Nichtverwirklichung zahlrei
cher Reformhoffnungen geſchehen iſt, beweiſt die Le
densnothwendigkleit des Ausgleiches für Transleitha
nien und die ſtetig wachſende Einſicht im Ungariſchen
Volle.
Am 1. Zuli 1867, wnrden in dem Kohblenwerke
„Neue Fundgrube“ zu Lugau, durch den Bruch des
Forderſchachtes, 102 Bergleute von dem Ausweg nach
oben abgeſchnitten. Dieſer Tage entdeckte man bei
den Arbeiten in einer Tiefe von 748 Fuß die zerſtreu
ten Ueberreſte von ungefaͤhr o—so der verunglückten
Bergleute. In den meiſten Faällen ſind von den
Verſchuͤtteten nur die Knochentheile erhalten.
England. London, den 24. Juli. Aus zu
verlaͤßiger Quelle will man erfahren haben, das Gen
fer Schiedogericht werde drei bis vier Monate lang
tagen. Englands Haftpflicht, gegeuuber den Berein.
Staaten fůr die von den confoͤderirten Kaperſchiffen
verurſachten Schäͤden wird noch debattirt. Der bri.
tiſche Bevollmachtigte macht geltend, daß ſeine Regie
rung alles Mogliche gethan babe, um die Abfahrt der
Kaperſchiffe aus britiſchen Häfen zu verhindern.
Die Debatten werden lebbafi und ernſt geführt und
balten ſich genan an die Sache. (Das wird den
amerilaniſchen Rathgebern ſehr ungewohnt vorkom
men) (Seebote)
lm engliſchen Parlament iſt ein Geſetz bean
tragt, welches bei ſtrenger Strafe verbietet, das Kin
der in öffentlichen Schauſtellungen als Akrobaten,
Seiltänzer ~c. auftreten. Das Geſet wird vom
engliſchen Parlament angenommen werden und
empſiehlt ſich auch für Amerika, wo Kinder auf's
brutalſte für den Cirkus dreſſirt und in ihm zu den
balobrechendſten Kunſtſtücken verwendet werden.
Der Einwand, daß durch ein ſolches Verbot der Seil
tanz und ähnliche Kunſte aberhaupt aufboͤren, indem
dieſelben vou Kindheit an gelernt ſein müßten, iſt
kein Argument gegen, ſondern ein's für die Bill.
Denn es waͤre nur gut, menn die lebenogefahrlichen
Schauſtellungen ganz aufdoren würden ; ſie ſtumpfen
das Nervenſyſtem der Zuſchauer und ſchon der kind
lichen Zuſchauer ab und machen dieſelben gleichgultig
gegen Brutalitat wie gegen Lebensgefahr des Neben
menſchen.
Frankreich. Paris, den 25. Zuli. Drei
Communiſten wurden beute in Sartorv erſchoſſen.
Einer der Verurtheilten rief: „Nieder mit der Com
mune“, waͤhrend die beiden Anderen:, „Es lebe die
Commune“. rieſen.
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Paris, 29. Juli. Die franzoſiſche Regierung
dat die Abſicht, ihre diplomatiſchen Beziehungen zu
Mexifo wieder anzulnüpfen, da der Tod des Juarez
das einzige Hinderniß dagegen hinweggeraͤumt Let
Dänemark. Mormonen Emiſſare ſinden in
Danemart keine ſehr freundliche Aufnahme, was aus
ſolgenden, kurzlich von der Regierung erlaſſenen Ver~
ordnungen hervorgeht: „Da eine Anzahl ſogenann~
ter Mormonen ~Emiſſaͤre die Unverſchamtheit hatten,
tugendhafte Männer und Frauen zum Wegzug aus
dieſem Lande zu bewegen, ſo wird hiermit verordnet“
daß jede Stadt~ oder Dorfbehorde, in Uebereinſtim~
mung mit dem im Jahre 1869 erlaſſenen Geſete, er~
maͤchtig: iſt, ſolche Emiſſare einer koörperlichen Strafe
zu unterwerfen.“ Die däniſche Regierung treibt
alſo die Bekehrungoverſuche zum Mormonenthum mit
dem Stock aus. Nicht übel!
Schweiz. Bei einem Beſuche auf Schloß
Arenenberg machte man die Wahrnehmung, daß in
allen Lokalitͤten ſo umfaſſende Reparaturen vorge~
nommen werden, als ob der Beſuch des Eigenthümers
deo ehemaligen Kaiſers Louis Napoleon, bald er-~
wartet werde. Auch iſt die ganze reizende Beſitzung
in demſelben wohlerhaltenen Zuſtande, wie in den
Tagen des Kaiſerreiches, weshalb es an den nöthigen
Mitteln nicht feblen kann. Als Reliquie eigener Art
zeigte man dort das Roß, welches der Ex-Kaiſer in
der Schlacht bei Sedan geritten hat, und das nun
mehr dort iu ſtiller Zurückgezogenheit das Gnaden~
brod frißt.
—— _ '—n—
In Galveſton, (Texas) herrſcht große
Entrüſtung, aber die haͤufigen von der dertigen
Neger ~Polizei verübten Brutalitäten. Die lepte
Nummer der „News“ enthaͤlt folgende Illuſtration:
Dennis Neil, ein allgemein geachteter Mann, dabei
dhochbetagt und binfällig, iſt Wittwer, hat aber meh
rere Kinder. Das farbige Dienſtmadchen gebrauchte
lürzlich ordinäͤre Schimpfworte gegen die Kinder.
Mr. Neil ſagte ihr, wenn ſie dies nochmal thun
werde, dann würde er ſie bei den Ohren nehmen.
Sie verließ darauf das Haus, und Mr. Neil nahm
ſein Dinner. Er war eben im Begriff auszugehen,
als ein rieſiger Neger eitrat und einen Verhaftobefehl
gegen ihn präſentirte. Ohne ein Wort zu verlieren,
legte er dem binfälligen Greiſe die,„Nippers“ um die
Handgelenke und ſchleppte ihn mehrere Squares weit
fort zu dem berũchtigten Richter Nelſon. Die „Nip—
pero“ ſchnitten dem alten Manne tief ins Fleiſch, und
die Hand war ihm dick aufgeſchwollen und verlett.
Obgleich Mr. Neil Grundbeſitz im Werthe von 7,~
0000 bis sIOO,OOO hat, ſo wurde er doch nicht auf ſeine
eigene Bürgſchaft entlaſſen, ſondern war gezwungen,
in Begleitung eines Conſtable in der Stadt · nach
einem Bürgen zu ſuchen, der natürlich augenblicklich
gefunden wurde. Es ſcheint ein wohl angelegter
Plan zu ſein, die Bürger durch alle moöglichen Bruta~
litͤten zu Gewaltthätigkeiten aufzureizeu, um einen
Grund zum Einſchreiten der Bundesbehoörden zum
Kriegsrecht zu haben.
Waſhington, den 23. Juli. Aus Nord-Caro~
lina wird berichtet, daß Tom Lowry vom Bruder des
ermordeten Col. Wiſſart und James McKay erſchoſ~
ſen wurde. Lowry befand ſich auf dem Wege zu
einer politiſchen Verſammlung, als die beiden Rächer
aus ihrem Verſteck hervorkamen und zu gleicher Zeit
feuerten.
Die „zufriedenſtellenden“ Nachrichten, welche
das Waſhingtoner Staatodepartement über die Ver
handlungen des Genfer Schiedsͤgerichts erhalten hat,
nehmen ſich im Lichte der Thatſachen curios genug
aus. So zum Beiſpiel betrugen die Forderungen
der Ver. Staaten für die Verluſte, welche der Rebel~
lencaper „Alabama“ unſerm Handel verurſacht hatte,
654 Millionen Dollars. Das Genfer Schiedogericht
hat den Ver. Staaten dafür 5 Millionen zugeſprochen.
Für die Seeräubereien der „Florida“ forderte Herr
Fifh 369 Millionen das Genfer Schiedogericht
hat ihm ſtatt deſſen 23 Millionen zugeſprochen.
Wenn das die Waſhingtoner Staatsmänner „zufrie
denſtellt“, wir baben nichts dagegen. (N.-O. 3t9)
Der Naturforſcher Prof. Agaſſiz, hat in Callao
uͤber dreihundert Menſchenſchädel, von den Urbewoh~
nern herrührend, für die Univerſität Cambridge
(Maſſachuſetts) erhalten.
Während der Maſſenverſammlung in Charlotte,
N.C., zu der Karl Schurz und andere Redner am
29. Juli ſprachen, verſuchte es ein Neger, die Stadt
in Brand zu ſtecken. Waäre das Volk nicht zu den
Spritzen geeilt und hätte es nicht das Feuer mit der
größten Energie unterdrückt, ſo würde die Brandſtif
tung zur Zerſtörung der ganzen Stadt geführt baben.
„Naiv.“ Einiae der Journale des Nordeno
und Weſtens, ſtnd ungehalten über den Brief den
ein Mitglied der Vreußiſchen Muſik Kapelle in die
Heimatb ſandte. Die Schilderung war wenigſtens
der Wahrheit getreu. Und nun ärgern ſich einige bei
dem Anblict ibres eigenen Portraits! Das iſt wahr
lich,„naiv“, viel naiver als der deutſche Brief.
Die zweite Nummer von „Unſer Blatt“ (St.
Louis) bringt ein recht gut erdachtes Bild. Auf der
einen Seilte (des Doppelbildes) ſieht man in einem
Arbeitszimmer Horace Greelev, der ſeinem reiſefertig
vor ihm ſtebenden Correſpondenten folgenden Auftrag
gibt:
„Nun eile an den Rhein, du wirſt
Von deutſchen Siegen, boffe ich, berichten,
Per Telegraph ausfuͤbrlich und getreu,
Was es auch koſten mag, das iſt mir eienrlei.“
Auf der andern Seite ruht Grant auf einem Ka
napee, die unvermeidliche Cigarre in der Hand; vor
ibm eine ſich ſervil neigende Hofſchranzengeſtalt; an
der Wand das mit einer Krone geſchmückte Bildniß
des großen Ulyſſes, der folgende „Ordre“ ertheilt:
„Geh, Babcock, bring' die Gelder
Vom Waffenſchacher mir herbei,
Wir wollen theilen, wie viel Dutſchmen fielen
VBon unſern Büchſen, iſt mir einerlei.“
Californien, Annaheim. In Los Angelos
County, Californien, iſt eine deutſche Niederlaſſung,
Annaheim genannt, welche eine fleißige Bevolterung
von beinahe 2000 Seelen zählt und ein intereſſantes
Beiſpiel liefert von den Vortheilen eines ſyſtemathi
ſchen und organiſirten Wirkens beim Ansiedeln einer
neuen Landſchaft. Annaheim wurde angelegt im
Jahr 1859. Einige reiche Deutſche, meiſtens Rhein~
lͤnder, in San Francioco, gründeten eine Geſellſchaft
zum Zwecke der Anlegung einer Anzahl von Wein~
gͤrten mit Wobnnngen für zuverlaͤßige Landleute.
1100 Acker Land wurden angekauft 27 Meilen von
der Stadt Los Angelos, 12 Meilen von der Seeküſte.
Dieſes Land, mit Ausſchuß von 100 Acker in der
| Mitte, fůr eine Ortſchaft, wurde in 0 Zwanzigacker
lotten getheilt. Das ganze wurde mit Weiden ein
gezͤunt; desgleichen jede einzelne Lotte. Ein Be
wäſſerungs ·Canal wurde gebaut, 10 Meilen lang,
welcher Waſſer von Santa Anna Fluſſe berführte.
Vor Ablauf des zweiten Jahres waren 400 Acker mit
Reben depflanzt. In jeder Lot wurden naͤmlichs
ſActer mit Reben angelegt, die andern 12 dagegen
ſfür Feldyrodukte und Weiden erhalten. Gegen das
Ende des Jabres 1859 hatte der Superintendent den
Plan dieſer Geſellſchaft mit Erfolg ausgefuührt. Die
Auslagen beliefen ſich auf ~70,000. Jedes einzelne
Grundſtuͤck koſtete demnach sllOO. Zu dem ſelben
Preiſe ſollte ein ſedes nun auch an deutſche Familien
baar verkauft werden. Die Wahl des Grundſtückee
geſchah durch Loosziehen· Jeder Käufer erhielt nebſt
ſeinem Grundſtůcke einen Baupichh in der Ortſchaft. |
reizendſten Staͤdchen Californlos. Es hat ſeineſ
Kirchen, Schulen, Geſangvereine, Poſtamt, Kaufladen
Werkſtatten und eine ausgezeichnete Lagerbierbrauerei.
Die grüͤnen Weideuhecken, eine aaternetre nr
von Frucht- und Zierbäumen, die Weinreben und die
Blumengärten, verleihen dem Orte ein anmuthiges
Ausſehen. Die Leute ſind in gedeihlicher Lage und
ſind zufrieden. Sie produziren ruhige Weine, rothe
und Weiße, und ſo liebliche als mrue welche impor
tirten, und fabriziren große Ouantitaͤten vorzüglichen
Brantweins. Los Angelos County iſt der aälteſte und
beſte Weinbezirk im Staate. Lehtes Jahr brachte er
mehr Wein und Branntwein als alle andern Landes~
theile Californiens zuſammen.
Deutſchland. Bis zu welchem
Grade die ſocialdemokratiſchen Irrlehren
im Stande ſind, den Leuten den Kopf zu
verdrehen, zeigte 'recht deutlich eine am
Montag vor der ſechſten Criminal · Depu—
tation verhandelte, auf Nöthigung und
Herausforderung zum Zweikampf gerich
tete Anklage gegen den Schuhmacher Otto
Heinrich Arm borſt. Armborſt iſt als
eines der launteſten Mitglieder der Haſen
elever ſchen ſoeial demotratiſchen Partei
bekannt: unter dem Schweizer ſchen Pra
ſidium wurde er eine Zeit laug als Reiſe
apoſtel verwendet und kam in dieſer Eigen·!
ſchaft mit der Stettiner Polizei wegen
Gebrauchs eines Dolches in Confliet.
Dieſer Dolch, der von der Polizeibehörde
in Cleve ebenfalls ſchon conſiseirt war,
ſpielt in dem gegenwärtigen Prozeß wie
der eine großze Rolle. Mitte Märzd. I
trat Armborſt bei demSchuhmachermeiſter
Rothbakt in Arbeit, ſo zwar daß er
die zu verarbeitenden Materſalien mit in
ſeine Wohnung nahm und dort die Ar—
beit fertigte. Die Lieferungen Armborſt's
zaben mehrfach zu Ausſtellungen Veran—
r und als er am 17. April aber
mals eine unſaubere Arbeit verlegte, wurde
ihm die Zahlung dafür verweigert. Am
21. April forderte der Angek agte brieflich
und in ziemlich ſchrollen Auedrücken ſein
Geld auf demſelben Wege erhielt er noch
am ſelben Tage die Antwort, er ſolle am
nächſten Morgen die verbeſſerte Arbeit, ſo
wie das berbleibende Material zurüekbrin-
und das Geld in Empfeng nehmen.
Armborſt ſtellte ſich am 22. April auch
pünktlich ein, aber ohne Arbeit und ohne
Material; die Frage nach dieſem beant
wortete er brutal mit der Redensart: „Is
nich; erſt Geld, dann die Arbeit!“ und
rückte dem Meiſter Rothbart auf den Leib.
„Bleiben Sie mir drei Schritt vom
Leibel“ rief Letzterer und drängte den An—
reifer mit der Hand zurück: in demſel—
ſre Moment zog Armborſt einen Dolch
aus der Bruſttaſche des Rockes und ſtach
nach dem Meiſter, hätte ihm gewiß
auch eine ſchwere Verwundung beigebracht
wenn nicht der Bruder des Meiſters die
Abſicht des Angeklagten durchſchante und
vereitelle Daß beide Brüder in ihrer
Aufregung dem Soeialdemokraten gehö
rig das Fell gerbten, laäͤßt ſich denken ; die—
ſer rief nun zwei Kerle zur Hülse, die er
ſich offenbar zu dieſem Behufe mitgebracht
hatte, deun ſeit ſeinem Eintritt in 4
Rothbart ſche Geſchäftslocal ſchauten ſie
durch das Ladenfenſter hinein, allein ſel
waren ſchon ſpurlos verſchwunden und
ſind auch bisher nicht ermittelt worden
Am 23 April forderte Armborſt den
Meiſter Rothbart brieflich zum 3weikampf
heraus. Nachdem er ihn (den Angeklag
ten) ſo tödtlich beleidigt heißt es u.a
in dem Schreiben könnten ſie Beide
nicht mehr auf der Welt neben einander le—
ben, ſie müßten am nächſten Morgen Ku
geln wechſeln; ſollte Rothbart die Feigheit
beſitzen, ſich nicht zu ſtellen, ſo würden
andere Mittel zur Revanche angewendet
werden. Natuͤrlich ging Meiſter Roth
bart ans das tolle Verlangen nicht ein
und erhielt dafür am 25. April einen an
dern Schmähbrief, in welchem es u.a.
heißt; „Ich wußte es ja, daß Sie zu tagel
ſind, meine Herausforderung zum dneil
anzunehmen. Ich bin aber ein Ehren !
mann, ich bin ſchon in einer größeren
Stadt als Reichstagscandidat aufgetreten
und ans jeden Fall werde ich mir Genug
thuung verſchaffen Sie elender Feigling, .
ſSie. Es iſt das noch nicht mein letztesſ
Wort, ich werde zu handeln wißen.
Damit war der Briefwechſel vorläufig be
endet. Armborſt verlangte ſeine Re
vanche bis auf Weiteres, und Rothbart
übergab die Angelegenheit dem Staatsan
walt lm geſtrigen Termin aufgefor
dert, ſich. ans die Anklage auszulaſſen, be· ſ
haupiete Armborſt, er habe den Dolch zu
ſich geſteckt, um ſich vor etwaigen Inſulten
ſeines Meiſters zu ſchützen, da die Behoͤr
den dem unterdrückten Arbeiter doch nicht
beſtehen. Und wie recht er daran gethan
zeige die ihm widerfahrene Behandlung
Er habe ſich beim Gebrauche des Dolches
im Zuſtande der Nothwehr befunden, denn
ſein Meiſter ſei auf ihn zugeſprungen und
habe ihn am Halſe gewürgt. Die Her
ausforderung zum Duell jei Vnereits
ganz ernſtlich gemeint geweſen, die Welt
ſei eben nicht groß genug. um ihn und
ſeinen Beleidiger neben einander zu tra
gen. Auf die Bemerkung des Vorſihen—
den, Stadtgerichtsrath Pie lchen, es
ſei doch etwas ganz Ungewoöhnliches, daß
zwei Schuſter wegen eines Wortwechſels
zum Duell ſchreiten, erwiderte der Ange—
klagte mit den Worten: „Herr Gerichts
präſident, ſetzen Sie ſich in meiner Lage~
wenn Sie von einem Ihrer Kollegen be
ſchimpft werden, fordern Sie ihn auch!“
und die Anweiſung, ſich nicht in
Specialitäten zu verlieren, ſondern ſich
ſtreng an ſeinen eignen Fall zu halten,
beantwortete er mit: „Herr
ſident, wir ſind beide gleiche Menſchen!“
Die vom VBorſitzenden mit denkbarſter
Unparteilichteit und Präeiſion geführte
ſßeweisaufnahme widerlegte die Behaup
ſtungen des Angeklagten bezüglich des Ge—
er des Dolches aufs Bündigſte.
Der Gerichtshof erkannte nach kurzer
Berathung dahin, daß der Angektlagte der
Herausforderung zum 3weikampſ ſchuldig
uͤnd mit dreimonatlicher Feſt!
ungshaftzu belegen ſei.
—Ber lin, 28. Juli. Kaiſer Aler
ander bon Rußland wird gegen Ende An
uſt von Petersburg nach a zu einemſ
hde Petereburnne Kaiſers abreiſen.
an erwartet ſeine Ankunft dahier amſ
6. September (Zu derſelben Zeit kfommtſ
auch der Kaiſer und die Kaiſerin von Oe· ſ
ſterreich nach Berlin.)
7 An dem weltolitan uiederrbemiſden
Kohlenbezirke wird berichtet! „Im Effenerſ
Kohlenrebiere hat der Arbeiterſtrike im
Großen und Ganzen noch dieſelbe Phy—
ſiognomie wie frůher. Auf einzelnen Gru—
ben fehlt es zwar nicht an Arbeitern,
welche wieder anfahren; das ſind aber
nur diejenigen, welche ivenig Lohn erhal
ten. Die Heuer, die 400, 500 und noch
mehr Thaler jährlich verdienen, ſtriken
fort, weshalb der Kohlenbau noch danie—
derliegt. Charakteriſtiſch iſt, daß diejeni
gen Bergleute, welche das meiſte Geld
berdienen, die Hanptſchreier ſind. „Mehr
Lohn und weniger Arbeit“ iſt die Parole
2 : : 1
dieſer Menſchen, welche auf der niedrig
ſten ſocialen Stufe ſtehen und im Ver
hältnrß zu anderen Ständen in der Lage
ſind, ſich einen ſchönen Thaler zu ſparen
oder einen ganz unerhörten Luxus im Eſ—
ſen, im Trinken und in der Kleidung zu
treiben. Goldene Uhren und golde Ketten
tragen nicht ſelten die Herren Bergleute,
Schleier und Federhüte die Frauen und
Töchter derſelben. Daß es “auch ſolche
gibt, welche mit Noth und Elend zu käm—
pfen haben, läßt ſich allerdings nicht läug—
nen; eben ſo wenig, daß es Bergleute
gibt welche ſich über dieſe oder jene Gru—
benverwaltung mit Recht zu beklagen ha—
ben. Der Maſſenſtrike aber iſt weiter
nichts als Frivolitͤt, und deshalb handeln
die Grubenverwaltungen ganz correet,
wenn ſie die ſtrikenden Bergleute bum—
meln laſſen, ſo lange, bis ſie von ſelbſt die
Arbeit wieder aufnehmen. Auch die klein
ſte Conceſſion würde der jetzigen ſocialen
Krankheit einen chroniſchen Charakter und
dem fſoecial · demokratſchen Strikecomite
ein Mittel zu fortgefetzter Thätigkeit ver
leihen. Hier kann nur eine Radicalkur
helfen, ſo thener dieſelbe auch den Arbeit
gebern zu ſtehen kommt.
—Stuttgart. Obſchon der Auf
enthalt der Jeſnitn in Württemberg nicht
geſtattet iſt, wirkt dieſer Orden doch ſehr
nachtheilig auf manche Schichten unſerer
Bevoͤlkerung, indem ganz in der Nähe der
württembergiſchen Grenze eine ausge—
dehnte Brutiſtätte der Jeſuiten ſich befin
det. In Gorheim, in der Nähe von Sig—
maringen, auf preußiſchem Gebiete, iſt
eine Erziehungsanſtalt für junge Jeſuiten
die ſich hauptſächlich aus Angehörigen
von Württemberg Baden und der Schweiz
rekrutirt. Ob das neue Felt gegen die
Jeſuiten helfen wird, dieſes Neſt von jei—
nen Inſaſſen zu ſäubern, muß ſich bald
zeigen.
—Mainz, s. Juli. Die kürzlich
aus weſtpreußiſchen Bezirken (Danzig n.
ſ.w.) gemeldete Begünſtigung der Äus—
wanderung nach Rordamerika durch
katholiſche Geiſtliche, beruht auf einer
wohlgegliederten, ganz Dentſchland um—
faſſenden Organiſation. Zweck derſelben
iſt anſcheinend, „katholiſche Auswanderer
durch Empfehlung an die zuverläſſigen
katholiſchen Vertrauensmänner in New—
York und Baltimore vor den ſo häufig
vorkommenden Beſchwindelungen zu be
wahren“, wozu Karten dienen, mit wel—
chen die Geiſtlichen, an die ſich die Aus
wanderer zu wenden haben, vorgeſehen
ſind, Die Leitung der Angelegenheit
geht für das ganze Dentſche Reich von
einem „Comite zum Schutze deutſcher
Answanderer“ aus, als deſſen Präſident
der zu Birſtein bei Gelnhauſen reſidi—
rende Fürſt Karl von Aſenburg fungirt.
In den kleinen, unter dem Landvolk ſehr
und meiſtens gratis verbreiteten ultra—
montanen Blättchen iſt die dringende
Aufforderung des Comites an die Ans—
wanderer, ſich an den Ortspfarrer zur
Erlangung von Empfehlungskarten zu
wenden, ein ſtehender Artikel Wer das
deutſche“ Comite bildet, iſt bis jetzt nicht
betkannt geworden; man geht aber wohl
nicht irre, wenn man annimmt, daß
ihm wieder alle jene Namen und Ritter
vertreten ſind, welche überall 7wo diel
ſtreitende Kirche in Verſammlungen, Ca—
ſinos, Zuaven · Confectionen u. dergl. ſich
hervorthut, auf der Menſur erſcheinen.
Nicht minder richtig iſt, daß der humane
Zweck nicht der einzige iſt; die Ultramon- .
tanen ſchenken nicht gerne. Als vor zwei
Jahren dieſe Verbindung mit den ameri
faniſchen Ultramontanen eingeleitet wurde
man vorzngsweiſe im Ange, den
gewaltigen Aufſchwung, welchen die katho·
liſchen Kirchengeſellſchaften an einigen
Viſhotoniden in Nordamerika nehmen,
durch die aus Enropa ziehende Auswan—
derung noch mehr zu unterſtützen, wenig
ſtens die „katholiſchen“ Auswanderer
mͤgt zuſammenzuhalten und durch
eine ſolche enge Verbindung ſich die Dienſt
barkeit der in Amerika ſich anhäufenden
Kräfte und Mittel für die aggreſſiven
Pläne und Kämpfe der Kirche in Europa,
vorzugsweiſe Deutſchland, zu ſichern.
Man hat dieſes in den betreffenden Krei—
ſen unverholen ausgeſprochen.
Fr. 3.)
Schweiz. Zürich. Am 14. luli
begann in Zürich das große eidgenöſſiſche
Schützenfeſt. Vorab iſt es die Weſtſchweiz
die mit ſtattlichen Schützenkontingenten
ſaufmarſchiren wird. Die Waadtländer
werden ſtark vertreten ſein und die Genfer
rt mit einer Kapelle von 60 Mann
ſanf. Macon und Lyon werden den Be—
ſuch der Schweizer großartig erwidern
und in einem etwa 1530 Mann ſtarken
Corps mit 90 Mann Muſik aufrücken
Anch die ehemalige internirte franzoſi
ſſche Oſtarmee will ſich vertreten laſſen
und Bordeaux und Marſeille, wie über·
haupt der franzoöſiſche Süden werden
ſtattliche Kontingente ſtellen. Daß die
Oſtſchweiz und Centralſchweiz nicht zu
rückſtehen werden, verſteht ſich von ſelbſt
und vorob der Kantoun Zürich mit ſeinen
zahlreichen Schützenvereinen wird eben
falls ſtattliche Heerſcharen nach dem Feſt
platz entſenden. Loſentlia werden un—
ſere Nachbarn im Norden und Süden
ebenfalls am Feſte vertreten ſein. Von
Wien wird eine Deputation erwartet und
auch aus Deutſchland, deſſen Feſt in Ha
nover mit dem nnſrigen leider kollidirt,
werden wenigſtens einzelne Trüůpplein
kommen. Das Verzeichniß der ange—
meldeten Ehrengaben erzeigte den 20.
Inni 117/143 Franken
Rußland und Polen. St. Petersburg.
Die am 12. Juni eröffnete Ausſtellung
der polytechniſchen Ausſtellung in Mos
kan, iſt ein Ereigniß, daß das Intereſſe der
ruſſiſchen Geſellſchaft in hohem Grade in
Anſpruch nimmt. Sie hat daher Veran
laſſung gegeben zu einer zahlreichen Ver
ſammlung der boͤchſten Würdenträger in
der alt·ruſſiſchen Hauptſtadt. Der Kaiſer
ſelbſt begab ſich dahin in Begleitung des
Großfürſten Thranfolgers, deſſen Gemah—
lin und des Großfürſten Wladimir. Es
begaben sich ferner dahin die Miniſtet
Tümaſcheff, Wabijeff und Milutin, der
Chef der Gensdarmerie Graf Schuwaloff,
der Ingenieur-General Todtileben, der
dentſche Botſchafter Prinz Reuß und viele
andere hochgeſtellte Perſonen. Der Kai
ſer widmete der Ausſtellung einen mehr—
ſtündigen Beſuch, uahm eine Revue über
die Garderegimenter ab, wohnte einem
om Moskaner Adel ihm zu Ehren gege~
benen Balle bei und begab ſich dann nach
der in der Nähe von Moskan gelegenen
Alexander· Villa. Noch vor der Ankunft
des Kaiſers, am 16. Juni, hatte das Aus—
ſtellungs Comite zu Ehren der zur Aus—
ſtellung gekommenen Vertreter der ver—
ſchiedenen Gegenden Rußlands und des
Auslandes ein Feſtmahl veranſtaltet, an
dem 178 eingeladene Perſonen Theil nah—
men. Nach den offiziellen Toaſten auf
den Kaiſer und die kaiſerliche Familie
wurden verſchiedene andere Toaſtreden
gehalten. Der Director der polytechni
ſchen Schule in Moskan, Delevenux, hob
die Bedentung der internationalen Aus—
ſtellungen hervor und trank auf das Wohl
der anweſenden Vertreter des Auslandes.
Ihm erwiderte der württembergiſche Ge—
ſandte Steinbeuß, durch einen Toaſt auf
das Ausſtellungs· Comite. Der Vertreter
des Wiener· Ausſtellungs-Comites, Baron
Lindheim, dankte für die herzliche Auf
nahme, welche den Oeſterreichern in Mos—
kau zu Theil geworden ſei. Der Abge
ſandte des Berliner-Comites, Grotte,
ſprach über die Sympathie, mit welcher
der Gedanke der polytechniſchen Ausſtel—
lung in Moskan in Deutſchland aufge—
nommen worden ſei. Der Franzoſe Lan~
gnier růhmte die ruſſiſche Gaſtfreundſchaft
und forderte die Deutſchen zum friedlichen
Wettkampfe auf der Wiener-Ausſtellung
heraus. Der Vertreter Deutſchlands nahm
dieſe Herausforderung an und trank mit
dem Franzoſen auf die Freundſchaft
Frankreichs und Deutſchlands. Einen
wahren Enthuſiasmus rief bei allen Feſt
genoſſen die Toaſtrede des Rectoes der
Moskaner Univerſitãt, Solowieff, auf die
Verbrüderung aller europäiſchen Voͤlker
hervor. Der Redner bedauerte das Miß~
trauen Enropas gegen die ruſſiſche Politik
leugnete entſchieden alle eroberungsſüůchti
gen Abſichten Rußlands und verſicherte
auf das Beſtimmteſte, daß dem ruſſiſchen
Volke und der ruſſiſchen Regierung nichts
ferner liege als der Gedanke, in Europa
Erobernngen machenzu wollen.
Oſtſ. 3tg.)
Mexico. Merico, 16. Juli. via Havanna.
Es herrſcht hier große Aufregung über
die vielen Fälle von Menſchenranb durch
Banditen, welche ſtets ſchweres Löſegeld
fordern. Die Regierung ſucht mit allen
ihr zu Gebot ſtehenden Mitteln dem Un—
weſen ein Ende zu machen. Am Montag
den 11. d. M. umſtellte Gouverneur
Montiel mit einer ſtarken Polizei- Abthei—
lung den Plazuel de San Lureas und fand
dort Senor Cervantes der kürzlich geraubt
war
Das. Geſicht des Cervantes war voll
taudig verbundeu; nur Mund und Naſe
waren ihm zum Athmen freigelaſſen. In
lſeinem Munde ſtak ein Knebel und ſeine
ſOhren waren mit Wachs gefüllt. An
Nahrung wurde ihm täglich nur ein Ei
ſgereicht. Cervantes 'wurde zur Nachtzeit
ſvbon fünf Banditen geraubt, als er mit
ſeiner Familie in einem Wagen nach ſeiner
Wohnung zurückkehrte. Man fand in
H Hauſe eine Anzahl Dokumente vor,
ſaus denen hervorgeht,. daß eine geheime
Verbindung von Verbrechern verſchiede—
ſner Nationen erxiſtirt, die sich „Italia
Roja“ nennt. Allgemein iſt dieſe Bande
aber unter den Namen „Soeiedad terrible“
bekannt. :
Von den Räubern des Cervantes wur—
den noch an demſelben Tage drei verhaftet
zwei Spanier und ein Mexikaner.
Sie geſtanden ihre Schuld ein und be—
haupten, daß die Geſellſchaft außerhalb
Merxiko's begründet wurde. Sie bekann—
ten anch, daß die Bande ſchon zahlreiche
Thaten verübt hat. Die drei Verbrecher
wurden an demſelben Abend auf dem St.
Lueas ·Platz hingerichtet.
Bei einem der Räuber fand man eine
Liſte von 40 Perſonen vor, welche geraubt
werden ſollten. 15 Perſonen, die unter.
dem Verdacht ſtehen, zur Bande zu gehö—-
ren, ſind verhaftet worden. Kürzlich
wurden einem Franzoſen Namens Baſſot,
den die Barbaren gefangen hatten, die
Augen und die Zunge ausgeriſſen, ſo daß
er unter furchtbaren Qualen ſtarb.
Der „Monitor“ zählt 15 Fälle von Men—
ſchenraub auf, die ſämmtlich von den
furchtbarſten Scheußlichkeiten begleitet wa
ren.
Der Praſident der mexikaniſchen
Republik ſtarb am Abende des 18. Juli
ſan einem Schlaganfalle. Der Tod war
plötzlich und unerwartet und die Tele
gramme, welche denſelben berichten, ſchei
nen durchans beglaubigt zu ſein. Die
Präſidentſchaft geht nun auf Lardo
de Fajado, Oberrichter des Obergerichts
von Mexico. Er war Gegner der Regie
ſrung und er wird als ein Begünſtiger der
Revolutionspartei angeſehen.
Wiſſenſchaftliches. Der Oeuliſt Profeſſor
Caſturani in Turin hat die Entdeckung gemacht, das
mittelſt Eintreibung von Luft durch die Augen, Thiere
faſt ſchmerzlos und in wenigen Secunden zwei bis
vier getödtet werden können. Da dieſe Tödtung
auch auf Menſchen anwendbar iſt und dieſelbe nicht
die mindeſte Spur von Gewaltthat zurücklaͤßt, ſo
dürfte ſie den Vertretern der gerichtlichen Medizin
gewiß und mit Recht Aufſehen erregen. Bei jüngſt
vorgenommenen Experimenten in der königl. Thier
arzneiſchule in Turin, wurden in wenigen Minuten 4
Kaninchen, 3 Hunde und eine Ziege getödtet.
Künſtliche Brüteanſtalt. Köln, 2. duli.
Unweit unſerer Nachbarſtadt Mühlheim, auf der
freundlichen Iſenburg, iſt vor Kurzem eine künſtliche
Brüteanſtalt in ziemlich bedeutendem Maßſtabe einge~
richtet und in Betrieb geſetzt worden, die wir vor
einigen Wochen geſehen und in mehr als einer Bezie~
hung intereſſant gefunden baben. Die Brütevorrich~
tungen, die einſtweileu auf die gleichzeitige Aufnahme
von 3000 Eiern berechnet ſind, aber auf das Doppelte
gebracht werden können, werden durch Warmwaſſer~
Heihung erwärmt, und zwar bis zu einer durch Regu ~
latoren geregelten und durch aufgeſtellte Thermometer
controlirten Temperatur, wie ſolche der einer Brut~
henne entſpricht. So iſt denn auch die Brütezeit genau
dieſelbe, wie im natürlichen Verlauf der Sache, bei
Hühnern 21, bei Enten und Truthühner 27 —2B und
bei der Gans 20 Tage. Die Brüteappargte beſtehen
in 3 Zinkkaſten, jeder zur Aufnahme von 1000 Eiern
bemeſſen, zwiſchen welchen lehteren das erwärmte
Waſſer in Gummiſchläuchen circulirt. Gegenwartig
werden von den eingelegten Eern etwa 70 Prozent
kleine Thierchen gewonnen, die, wenn ihre Stunde ge~
kommen iſt, ſich durch ihre Arbeiten zum Durchpicken
der Schale vernehmlich machen, ſich, wenn dieſe ſich
theilt, herausarbeiteu und nach einigen Stunden ſchon
vergnüglichrumher ſpazieren.. Da das Ausſchlüpfen
derſelben von jeder Bruteinlage ſtets innerhalb der~
ſelben 24 Stunden erfolgt, ſo kann man ſich das Ge~
wimmel der faſt gleichzeitig ins Daſein tretenden
kleinen Geſellſchaft leicht vorſtellen. Junge Hühnchen
in reſpektabler Zahl, 4 —SOO Entchen, Truthühnchen
und Gänschen, verdanken bereits ihr Daſein der
Iſenburger Brüteanſtalt, mit welcher auch die Züch~
tung von Faſanen verbunden iſt, deren etwa 50, aus
dem Czechenlande, dem claſſiſchen Gebiete dieſes
Edelwildes, bezogene, gegenwärtig in der Legezeit be~
griffen ſind. Von ſeltneren ausländiſchen Hühner~
ſorten, Paduaner, Golldack. Bantam ~c., waren etwa
100 Stüůck in hübſchen Exemplaren vorhanden.
Ungefähr 600 Legehühner haben die Obliegenheit,
den größten Theil der Bruteier zu liefern. Sie wer—~
den in Stallungen gehalten, die mit Wärmeleitungen
verſehen ſind, wodurch erreicht wird, daß die Anſtalt
ohne Rückſicht auf die Jahreszeit in ununterbrochenem
Betriebe gehalten werden kann.
———— ——— ~
Humoriſtiſches.
Eine Einfalt vom Lande. ln dieſen Tagen
tritt an einen Poſtſchalter in Dresden ein Landmann
und begehrt eine Groſchenmarke. Nach einiger Zeit
reicht er ſeinen Brief hinein, auf welchem'die Marke
fein ſäuberlich klebt. Der Secretär giebt ihm den
Brief mit den Worten zurück, daß derſelbe zwei Mar~
ken erhalten müſſe. Nach einigem Kopfkrazen und
Beſinnen murmelte der biedere Landmann zum Schal~
ter hinein: „Na, da geb'n Se mer noch eene!“ Er
erhält dieſelbe und nach germerau gZeitreicht er den
Brief wieder hinein. Der Secretär: „Ja, Sie ha
ben ja die zweite nicht d'rauf geklebt“! Landmann:
„Ei ja, hern Se, ich hab ſe glei uf die erſchte druf ge~
klebt.“ In der That, hatte der gute Mann die zweite
Marke mit großer Genauigkeit auf die erſte ſo feſt auf~
geklebt, daß ſie gar nicht wieder zu löſen war. Na-~
türlich ſagte ihm jetzt der Herr Sekretär unter Lachen
daß er nun noch eine Marke kaufen, dieſe aber hübſch
neben die andere kleben müſſe. Unter Brummen kaufte
der Bauer noch eine Groſchenmarke und diesmal ge~
lang es ihm, die Sache ordnungsmäßig zu erfüllen.
Erkenntnißgrund. Auditeur: „Na, Er will
alſo dieſe Uhr nicht kennen, die in ſeinem Koffer gefun~
den worden iſt“? Angeklagter: „Ne, Herr Audi~
teur.“ Auditeur: „Sergeant, da führen Sie halt
den Kerl wieder in Arreſt, bis er mürbe wird.“
Einen Tag ſpäter.)
Auditeur: „Na, kennt er jett die Uhr?“ Ange~
klagter: „Ja wohl, Herr Auditeur.“ Auditeur.
(vergnügt)h: „Na, das iſt g'ſcheid, daß Er ſich jett
beſonnen ha.“ Angeklagter: „Ha ja, Herr Audi~
teur, warum ſollt ich die Uhr nicht kennen; haben mir
ſie doch der Herr Auditeur geſtern gezeigt.“
—Linchen:, Mama, nicht wahr, da jept Alles,
was früher „Fuß“ genannt wurde,„Meter“ heißt,
ſo ſagt man nicht mehr „dieſer Junge geht „barfuß“,
ſondern „dieſer Junge geht „barometer“?
Mama: „Wie ungeſchickt Du biſt, dieß gilt ja
nur für's Maaß, ſonſt müßte man ja auch ſtatt
„Barfüßer-Möuche“ ſagen „Baroineter~Mönche.“
Erwerbozweig. “Wo'naus mit einander?“
In d'Stadt zum Gericht. Wir haben jetzt g'rad
kein' Verdienſt, und da hab' i' zu mei'm Nachbar
;
g'ſagt, er ſoll mich wegen Ehrenkränkung verklag'n;
mi cann mer net ſtraf'n, weil i's läugn' und er kriegt
Zeugenbebühr'n und die verſaufen wir nachher mit
einander.“
——
(Eingeſandt.)
New York, 16. Zuli 1872.
; Georgia Staatszeitung, Sabannah.
Die Felder welche ich hier pflüge, werden wohl in
der nächſten Präſidentenwahl gute Früchte tragen, in~
dem das Central-Comite der Liberal~republikaniſchen
Partei ſich vereinigt hat, in gleicher und corporativer
Weiſe für Greeley und Brown zu arbeiten,
und daß ein jedes Comite es auf ſeine eigene Hand
zu beurtheilen hat, welche Mittel es anzuwenden
braucht, um die Election zu ſichern, damit der Süden
auch nach langen Schmachten wieder frei aufathmen
kann.
Ein Jeder, ſelbſt die ſtärkſten Grant-Leute ſind
überzeugt, daß die Baltimore~Convention den Aus~
ſchlag gab bei der Einſtimmigkeit, womit die Canditatur
der Cincinnati-Platform endoſirtund unterſtüht
wurde, troß der großen Prejudiz gegen den Ban~
nenträger derſelben, iſt es unmoͤglich Grant, trop
allen Geldes, wieder für einen zweiten Termin in
das Weiße Haus einzuſchmuggeln.
Die Conjekturen ſtellen ſich nach den neueſten Be~
rechnungen folgendermaßen heraus, daß Grant
Maſſaſuchets mit einer ternaen Majoritãt, ebenfalls
Connecticut und Süd~Carolina erhãlt. Dem let~
teren Staat könnte auch ſein Patron renen
werden, hätten die Demokraten und Liberal-Republi~
kaner uͤber eine ſo ungeheuere Macht und Geld zu
verfügen als vorher benannte.
Troötz dieſer guten Ausſicht ſoll ſich kein Deutſcher
oder Amerikaner in Schlaf wiegen laſſen, nicht ſeine
Schuldigkeit vor und bei det Wahl zu thun, indem
ſchon oft genng da geweſen iſt, daß dur 1 Saum—-
ſeligkeit dit beſten Proſpekte ſind
verloren gegangen. :
Die Anſicht iſt hier vorherrſchend, daß in jedem
Staat, in jeder Stadt, in jedem County wo nur
Deutſche wohnen, ſie ſich zu einem Club e ſoll~
ten, um dem addoptirtenCanditaten die größt mög~
lichſte Majoritãt zu verſchaffen; eine Niederlage in
dieſer Praͤſidentenwahl, würde den Auslandern ſehr
verderblich ſein und bei der Centraliſations-Politik
die Frage des Beſtehens einer Nordamerikaniſchen
Republik in ſehr nahen Cultiminationspunkt bringen.
Die Geſchichten älterer Republiken, giebt den Le~
ſern der „Georgia Staatszeitung“ :: Raum zum
Denken darüber. Alſo Unſer ahlſpruch ſei:
„Hand ans Rad gelegt“!
Charles Koch,
; von Florida.
—— “
We would call the attention of those of our
readers as are in want of employ ment to the ad
vertisement of Geo. J. Johnstoon, tobe ſound in
another column: read it and judge ſor yourselſ.