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Greeley und Grant. Wir haben
bisher ſehr wenig über die politiſchen An
telpeudeiten des Landes geſagt, nicht
weil wir gegen das Wohl des Landes
gleichgůltig ſind, ſondern weil wir die
Sache unpartheüſch und ernſt auffaſſen,
und unſer Urtheil nicht von perſönlichen
Vortheilen, Wünſchen und fnungen
beherrſchen laſſen. Das Unglüůck des Lan
des iſt, daß ſeine Politik von Menſchen
geleitet wird, die, wie ſich die Ereigniſſe
auch geſtalten moͤgen, bei Beränderungen
Viel zu gewinnen und Nichts zu verlieren
haben. Daher kommt es, Leichtſinn
in allen Verhandlungen das vorherr—-
ſchende und das meiſte in die Augen fal
lende Symptom iſt. Etwas Enen und
Belehrendes finden wir weder in den Ver-~
ſammlungen noch in der Kritik ihrer Be—
ſgtnſe Man vergeſſe nicht, dalnier
Wohl weder von Greeley noch von Grant,
ſondern von der Geſinnung des Volkes
abhängt. In dem Volke liegt die Sou
veränität des Reiches, und dieſe ſpricht
ſich in der öffentlichen Meinung ans.
Sähen wir nun eine wirkliche Umkehr,
wenigſtens eine ernſte Reue ůber die be
ſangenen Fchler und Irrthümer, und den
eſten Vorſatz von dem Schlechten zum
Guten, von der Lüge zur Wahrheit, von
der Selbſtſucht zur ennůhigkeit, von
dem Gemeinen zum enn vom Wahn
zur Vernunft, von der Einbildung zur
Durchbildung, von dem kleinlich Erbärm
lichen zu dem achtungswerthen Großen
zurückzukehren, ſo wůrden wir die Gele
genheit und den Mann, die uns zum ge
ivůnſchten Ziele fůhren koönnten, mit Freu
den begrůßen und herzlich willkommen
heißen. Aber an eine Aenderung der
Grundſäͤtze und des Syſtems iſt nicht zu
denken. Es ſind nicht andere Abſichten,
ſondern nur andere Menſchen, und daß
dieſe Menſchen beſſer als ihre Vorgänger
ſein werden, wer darf es mit Gewißheit
behanpten. Die Thaten des Praäſidenten
Grant können wir nicht loben. Er gefallt
ſich in der uiederen Schichte des Lebens,
daß Erhabene, Ideale, Unſterbliche in
ſeiner Amtswürde, ſcheint ſeinem Geiſte
ſo fern zu liegen, daß es ſeiner Bruſt auch
nicht einen ſehnſuchtsbollen Seufzer
entlockt, ſeinen genußſüůchtigen Schlaf nie
durch die goldiggewebten Träume des
Ruhmes ſtoͤrt, und ſein Gewiſſen nicht
mit dem Gedanken an eine feierliche Ver—
antwortlichkeit fůr die Folgen ſeiner Hand
lungen plagt.
Verantwortlich iſt er, ja ſchwer verant
wortlich fůr nnausſprechliches Leid, un-~
endliche Unbill welche den Süden drüct,
aber nicht mehr verantwortlich wie Greeley.
Es iſt allerdings wahr, daß Stimmen im
Süden laut werdeñ, welche Herrn Greeley
als ihren Präfidentſchafts· Canditaten an
ſehen, aber es iſt nicht jener berůchtigte
Zeitungsſchreiber, genannt Philoſoph. auch
nicht der Greeley der Gegenwart welcher
die Rolle des Allergnädigen ſpielt und ſich
von den „Geiſterklopfern, belehren läßt,
ſondern es iſt der Mann, der, ſo erwartet
man, den Geiſt eines Waſhington befragt
und die Fußſtapfen unſerer weltberühmten
Patrioten aufſucht an denen die Bergan—
genheit unſerer Heimath gerade nicht arm
iſt, um die Regierung aus dem g
rinth der geiſtigen und moraliſchen Ver—
kommenheit, auf den Weg der Wahrheit,
Gerechtigkeit und Ehre zu führen. Man
will nichts anderes, als daß Herr Greeley
unterſſeinen Mitbürgern, welcher Fraction
ſie auch angehören mögen, die beſten und
edelſten Männer erwähle, um mit ihnen
vereint das Vaterland vom Rande des
unvermeidlichen Verderbens zu retten.
Hoffnung allein mag den Süden mit der
Gegenwart auszuſöhnen. Dagegen ſind
wir berechtigt zu fordern, daß auch Herr
Greeley und ſeine Freunde die Gedanken
ihrer Vergangenheit ſich aus dem Sinn
ſchlagen. Deshalb riethen wohlmeinende
rr~re den berühmten Farmer bei dem
Boſton- Jubileum, nicht zu ſprechen, und
wenn ihm die Erreichung ſeines Wunſches
am Herzen liegt, ſo würde er wohl daran
thun, mit Bekämpfung ſeiner nnendlich
großen Eitelkeit der Meinung ſeiner ver
ſtändigen Rathgeber zu folgen Daſſelbe
ſilt von ſeinen Freunden. Bis jett!
herrſcht in den Reden dieſer Leute zu viel
Einſeitigkeit um uns von der Wahrſchein
lichkeit ihres Trinmphs zu überzeugen.
Es thut uns leid wahrnehmen zu müſſen,
daß ſelbſt ein Karl Schurz noch nicht
gelernt hat, den Charakter des Südens
zu beurtheilen. Unangenehm iſt uns der
unverdiente Tadel dieſes unruhigen Man—-
nes, aber ſein vermeintliches Lob iſt noch
ſchwerer zu tragen, da er in ſeiner am 22.
luli in St. Louis gehaltenen Rede be—
merkt, daß der Süden es war, welcher bei
der Cincinnati·Covention die Nomination
von Greeley und Gratz durchſette. Fit
dieſes Lob möchten wir unſern unterthä
uigſten Dank ausſprechen; doch whem
ge ührt dieſer Dank? Mau ſagte uns,
aß wenn Herr Karl Schurz ſich haͤtte
ũůberwinden können, die Präſidentenſtelle
bei jener Convention auszuſchlagen, ſo
waͤre es ſeinen geheimen Freunden den
Herren Gratz und Blair wahrſcheinlich
nicht gelungen, die Hoffnung der beſſeren
der Union zu vereiteln.
und Herr Adams wäre nominirt wor·
den. Man ſagt wiederum, daß dieſer
Abkömmling einer berühmten Familie,
den das ganze Land crnumien o würde
begrüßt haben, an die Seite geſehßt wurde,
uni das Ruſſenthum insbeſondere die Fe
nier, der Partei nicht zu entfremden.
Und nun in der eilften Stunde wird die·!
ſer zweideutige Erfolg dem Suůͤden zuge
ſchrieben! ; ;
Solch eine Behauptung möchten wirl
einem Demagogen verzeihen, aber einem
Deutſchen iſt ſie unverantwortlich; denn
Miſſonri war zwar ein Sclavenſtaat aber
deshalb nicht ein ſüdlicher Staat.
Aufrichtige und nachdenkende Menſchen
werden uns deshalb rechtfertigen, indem
wir die Freundſchaft der Herren Greeley
und Schurz nicht außerordeutlich hoch an
ſchlagen. Ohne Rückſicht auf die Perſon
ſind wir bereit mit jedem wahrhaftigenPa
trioten fůr das allgemeine Wohl des Landes
zu wirken. Die Bewohner des Sůdens
kommen um die wankenden Sinten des
Vaterlandes zu ſtůͤten, und ſie kommen
nicht im Kittel der Berbrecher nicht in
dem Buß ·Gewande von Canoſſa, nicht
als moraliſche Bettler. Die Abſichten
und Handlungen ihrer Bergangenheit ge
hören vor den Richterſtuhl der Vibie
dort werden ſie einſt unpartheiiſch unter
ſucht und nach ihrem wahren Werthe be—
urtheilt werden. Es kommt Keinem zu,
und deshalb auch dem Norden nicht, in
ſeiner eigenen Angelegenheit, das Richter—
amt auszuben.
Es will uns ſcheinen, als ob der Nor
den ſo oft er von ſůdlichen Gegenden
träumt, von Geſpenſtern gequält würde.
Die Geſpenſterfurcht nehmlich iſt in dem
Hauptquartier der „Geiſtertlopfer“ noch
nicht überwältigt worden. Die Bürger
des Südens kommen um das Wohl des
Landes mit ihrem beſten Verſtande und
Vermögen zu befördern, und ſie kommen
als Ebenbürtige. Werthvolle Bundesge
noſſen werden ſie demjenigen ſein, der es
verſteht, ihre Selbſtachtung unverletzt zu
bewahren. Ein Menſch der ſeine Selbſt
achtung aufopfert, iſt Nichts werth.
Ob Lenunte für Greeley oder für Grant
ſtimmen, oder ſich der Abſtimmung enthal~
ten ſollen, das haͤngt von Umſtänden ab,
deren Beurtheilung wir Jedem Einzelnen
überlaſſen. Es muß im öffentlichen Le—
ben frůher oder ſpäter eine Aenderung
eintreten. Wo ſich die Neigung einer
grůndlichen und durchgängigen Reform
am ſtärkſten zeigt, dahin wird die Sym
phatie des Südens ſich wenden. Um
einen beſtimmten Entſchluß zun saßen,
verlangen und erwarten wir helleres Licht.
Der Räumungs-Vertrag.
Art. 1. Frankreich verpflichtet ſich, die
gedachte Summe von drei Milliarden an
folgenden Terminen abzutragen, nämlich:
1) eine halbe Milliarde Franken,
zwei Monate nach Austauſch der Ratifi—
kationen des gegenwärtigen Vertrages;
2) eine halbe Milliarde Franken, am
1. Februar 1873.
3) eine Milliarde Franken, am 1.
März 1874;
4) eine Milliarde Franken, am 1.
März 1875.
Frankreich iſt jedoch befugt, die am 1.
gltuar 1873, 1. März 1874 und 1.
tärz 1875 zu zahlenden Summen theil.
weiſe, in Beträgen von mindeſtens hun
dert Millionen Franken, oder vollſtändig
vor Ablauf dieſer Termine zu zahlen.
Im Fall einer anticipirten Zahlung wird
die franzoſiſche der dentſchen Regierung
einen Monat zuvor Kenntniß geben.
Artikel 2. Die im dritten Alinea des
ſiebenten Artikels des Friedensvertrages
von 10. Mai 1871 und in den Separat~
protokollen von 12. Oktober 1871 getrof-~
fenen Verabredungen finden auf alle nach
Maßgabe des vorſtehenden Artikels zu
leiſtenden Zahlungen Anwendung.
Artikel 3. Se. Majeſtät der Deutſche
Kaiſer wird vierzehn Tage nach Zahlung
einer halben Milliarde, die Departements
der Marne und der Oberen· Marne, vier—
zehn Tage nach Zahlung der zweiten
Milliarde die Departements der Arden—
nen und Vogeſen und vierzehn Tage nach
Zahlung der dritten Milliarde nebſt Zin—
ſen, welche noch zu zahlen ſein werden
die Departements der Meurthe, Moſel
und der Maas ſowie das Arrondiſſement
Belfort räumen laſſen.
Art. 4. Frankreich behaͤlt ſich vor,
nach erfolgter Zahlung von zwei Milliar
den für die dritte Milliarde nebſt Zinſen
finanzielle Garantien zu gewähren, welche
wenn ſie von Deuntſchland als ansreichend
anerkannt werden, in Gemäßheit des Ar-~
tikels 3 der Friedens · Präliminarien von
Verſailles an die Stelle der Territorial~
garantie treten werden.
Art. 5. Die Verzinſung zu 5 Prozent
der im Art. 1 bezeichneten Summen,
welche vom 2. März 1872 an läuft, wird
in dem Maße aufhoͤren, in welchem die
genannten Summen bezahlt ſein werden,
ſei es an den durch die gegenwärtige Con—
vention beſtimmten Terminen, ſei es vor
denſelben, nach der im Artikel 1 verabre—
deten vorläufigen Benachrichtigung.
Die Zinſen von den Summen, welche
noch nicht bezahlt ſein werden, ſind auch
ferner am 2 Märnz jedes Jahres, zuletzt
mit Zahlung der letzten Milliarde zn ent—
richten.
Art. 6. Sollte die Stärke der deut
ſchen Oceupationstruppen nach allmäliger
Einſchränkung der Occupation vermindert
werden, ſo werden die Koſten für den
Unterhalt dieſer Truppen im Verhältniß
der Zahl derſelben ermäßigt werden.
Art. 7. Bis zur vollſtändigen Räu—
mung des franz. Gebietes werden die im
Art, 3 bezeichneten, bon den deutſchen
Truppen allmͤblis gerͤumten Departe
ments in militaͤriſcher Beziehung füͤr neu—
tral erklaͤrt und es werden dahin keine
Truppenanſammlungen als die zur Auf—
rechthaltung der Ordnung nothwendigen
Garniſonen verlegt.
Frantkreich wird daſelbſt keine neuen
Fortifikationen anlegen und die vorhan—
denen nicht verſtärken.
Se. Majeſtͤt der Deutſche ite wird
in keinen von den deutſchen Truppen be—
ſetzten Departements andere Befeſtigungen
errichten laſſen, als jetzt vorhanden ſind.
Art. s. Se. Majeſtͤt der Deutſche
Kaiſer behaält ſich das Recht vor, die ge
rãnmten Departements in dem Falle wie
der zu beſetzen, wenn die in der gegenwr
tigen Uebereinkunft eſngegangenen Ver—
u nicht erfͤllt werden ſollten.
Art. Die Ratifikationen des gegen
wärtigen Vertrages, durch Se. Majeſtät
des Deutſchen Kaiſer einerſeits und den
Praſidenten der ſranzoͤſiſchen Republik
andererſeits, werden zu Verſaiſſes binnen
zehn Tagen oder womoglich frͤher ausge
tanſcht werden:
Zu Urkund deſſen haben die beiderſeitl
gen Bevollmächtigten das gegenwärtige
Dokument unterzeichnet und ihre Siegel
beigefügt.
Geſchehen zn Verſailles, d. 29 Juni 1572.
(L.8.) Arnim. (1..8.) Remuſat.
Wie man in Ungarn wählt.
(Aus der „Neuen Freien Preſſe.“)
3 Peſt, Is. Zuni.
Am Vorabende der gholde e
berhafte Erregtheit leuchtet von allen Ge~
ſichtern, krampfartige Spannung kenn—
re ſich im Händedrucke, im Gruße.
je Berichte über in anderen Bezirken
vorgekommene Wahlen werden mit heißer
Gier verſchlungen, Gaſt und Kaffehäuſer
ſind im Fluge zu Meetingsloealen umge
ſchaffen. Den Bürger duldet es nicht bei
ſeinem Schläfchen, den Handwerker nicht
am Werktiſche, den Kaufmann nicht im
Gewölbe. Geſchäftig eilen die Korteffe,
kenntlich durch ihre fauſtgroßen Kokarden
und durch den Federſchmuck auf Hut oder
Mütze, auf und ab durch Straßen und
Kute Wo ſie zu Fuß oder zu Wagen
erſcheinen, bildet 4: eine Gruppe; von
den Freunden werden ſie mit lebhaften
Zurufen empfangen, die Gegner wieder
ballen die ſchlagbereiten Fäuſte. Ein
Kortes iſt ſelbſt in der Hauptſtadt am
Vorabende des Wahltages ſeiner geſun~
den Glieder nicht ſicher. Hente am ſon—
nenhellen Mittage drohte die Menge einen
korteskedirenden Photographen zu erſchla
gen, und nur durch Liſt und Gewaundtheit
konnte er ſein eruſtlich bedrohtes Leben
retten. Die Gaſſen der Vorſtädte ſind
geſchmückt wie zur Feier eines welterſchüt—
ternden Sieges. Kein Hans, an dem die
Fahne fehlte, keine Fahne ohne deutliche,
jeden Zweifel der Parteiſtellung ausſchlie
hende Aufſchrift. Hausherren und Par—
teien leben unter gegenſeitigem, oft feind~
ſeligem Drucke, Parteien erzwingen von
dem einen Hausherrn die Erlaubniß, eine
Fahne für ihren Candidaten hinausſtecken
zu dürfen, den Miethsparteien droht ein
anderer Hausherr mit Kündigung und
Steigerung, wenn ſie nicht ſeiner hand
ſich anſchließen wollen. Vater und Sohn
Mann und Frau entzweien sich wegen
ihrer Parteiſtellung— Aus einem Fenſter
heraus flattern nicht ſelten die Fahnen
der entgegengeſetzten Parteien, die eine
ſteckt der Mann hinaus die andere ſeine
Frau. Wohl haben in Ungarn die Frauen
keine politiſchen Rechte, und dennoch be—
einfluſſen ſie die Wahlen. Junge Mäd—
chen halten ihren Bekannten begeiſternde
aufmunternde Reden, keuſcher Roſenmund
ſpitzt ſich gern und ohne Scheu zu einem
herzhaften Kuſſe, wenn dem Herzenscandi
daten hierdurch eine Stimme gewonnen
werden kann.
Spricht man von Wahlen in der Haupt
ſtadt, wird darunter regelmäßig die The
reſienſtadt gemeint- Stolz und würdevoll
ſchweigt die innere Stadt bis zur letzten
Stunde; ohne Aufregung, des Reſultates
vollkommen gewiß, begibt der Wähler ſich
hier an den Wahlplatz, Nicht minder ſie
gesgewiß ſchaaren ſich die jüdiſchen Leo
poldſtädter um ihren Glaubensgenoſſen
Wahlmann. In der Franzſtadt geben
den Ausſchlag die Maſchinenarbeiter, Ei
ſenbahnbeamte in der Joſephſtadt, in Cſer
natony's Wahlbezirk, die Milchmaier und
die Fiaker. Die Wirthshäuſer ſind auch
hier allabendlich überfüllt, und mancher
Krug fliegt Andersdenkenden an den Kopf.
Doch die Gaſſen und Straßen ſind auch
heute, am Vorabende, menſchenleer wie
immer. Niemand merkt im öffentlichen
Verkehre eine Veränderung. Der Fiater
ſteht mit ſeinem „Zeugl“ in einem anderen
Wablbezirke, und mit dem Fahrgaſte läßt
ſich beim Ein- und Ausſteigen nicht politi—
ſiren. Der Milchmann bringt ſeine
Waare früh Morgens ins Haus, nur die
Köchin koöͤnnte ſeine politiſchen Schmerzen
entgegennehmen. Der Einzige, der im
Hauſe und im Bezirke bleibt, iſt der
Würſtler oder der Fleiſcher. Wie das
Wirthshaus, ſo wird auch ſein Gewölbe
zum Verſammlungsorte: hier wird anch
tagsüber politiſirt; zum Dreinſchlagen lie
gen Beil und Knochen bereit. Vor dem
„Standl“ der Höckerin verſammeln ſich die
alten Weiber und megieiren, erſinden Ge—
ſchichten von geſchlachteten und zu Wür—
ſten verarbeiteten Kindern, von todtgeſchla—
genen Italienern und vergrabenen jungen
Maädchen. Das iſt die äußerlich ſichtbare
Wahlbewegung in der Joſephſtadt und
Franzſtadt.
Wie lebhaft und luſtig geht es dagegen
her in der Thereſieuſtadt! Fünfundſie
benzigtauſend Einwohner zählt dieſer
Staditheil, lauter eingefleiſchte, erbgeſeſ—
ſene Politiker, lauter ernſte mit Herz und
Sinn an der Wahlbewegung hängende
Parteimitglieder.
In der Schießſtädtte, dem beliebten
Verſammlungsorte, ſitzen die Männer mit
ihren Frauen oder Töchtern bis nach Mit
ternacht, umqualmt vom dichten Rauch
und halb betäubt vom Schreien und Sin
gen. Niemand ſchreit lauter Eljen als die
Frauen; vor allen Leuten werden Redner
beglücktwünſcht, umarmt und geküßt, an
den Tiſch gezogen und mit Andenken ge
ſchmůckt. Mit leuchtendem Auge und
wallendem Buſen ſitzen ſelbſt halberwach—
ſene Mäͤdchen unter der tobenden Menge.
Von der Schießſtätte geht es in großen
Haufen mit Weibern und Töchtern in die
Kaffehaͤuſer der einzelnen Parteien. Dort
lͤrmt maun ſeit Wochen ſchon allnäãchtlich
bis zum frühen Morgen. Heunte gibt es
keine Nacht fůr dieſe Locale, ſie bleibeu ge
fullt und umlagert, wie am hellen Tage.
Die Königsgaſſe bei Nacht unmittelbar
bor den Wahlen bietet ein Schauſpiel,
das widerwaͤrtig iſt, doch entbehrt es nicht
das mannichfaſtench Intereſſes. Keine
Stadt der Welt hat Aehnliches aufzuwei—
ſen. Die Kattepauſer der linken Seite
gehoͤren der Linken, die der rechten Seite
der Rechten, alle ünd bvoll bis zum Er—
drücken von Wählern und Nichtivählern
in allen werden Redeu gehalten und llern
belt, in allen wird gezaukt und geſtritten.
Kein orieutaliſcher Baͤzar bietet lebendige~
ren Verkehr, größere Mannichfaltigkeit,
anffallendere und intereſſantere Typen und
geſtalten. Was in den Kaffehaͤnſern kei—
nen Platz meht findet, durchſtreift trupp—
weiſe ſchreiend und ſingend die Straßen
oder lͤemt ans den zwlſchen dem Stadt
wäldtchen verkehrenden Wagen. Jeder
Omnibus iſt eine Wählerhalle, jeder Kut—
ſcher deſſelben ein Parteikutſcher; im Vor—~
überfahren ſchreien und ſingen ſich die
Leute zu ; „Eljen Radoeza!“ „Eljen Jo—
tai!“ Ve ln oöffnen ſich, die Bal—
kone füllen ſich, von oben herab ertönt der~
ſelbe Eljenruf. Hunderte von Studenten
tummeln ſich in den Gaſſen, alle mit Fe~
dern und Kokarden überladen. Tauſende
von Schuſterjungen durchziehen den Stadt~
theil und bringen in ihrer Weiſe gewiſſen
Localen eine Kaͤhenmuſik oder æine Sere
nade—~
Vor dem Fleiſchmann ſchen Hauſe in
der Königsgaſſe, in welcher ſich das Club—
local der Radoeza Partei befindet, ſtanden
geſtern um Mitternacht etwa zweitauſend
Schuſterbuben und ſtörten den Wagen—
verkehr und die Paſſage der Fußgänger.
Weder die berittene Patrouille, noch ein
Heer von Trabanten waren im Stande,
ſie zu vertreiben; jeht ſtoben ſie auseinan
der, um in der noͤchſten Minute wieder
eng und geſchloſſen beiſammenzuſtehen.
Wie auf Commando zogen ſie Alle die
Pantoffel aus, ſchlugeu mit denſelben auf
einander unter den rhythmiſchen Rufen
im Gänſemarſch: „Rado—eza— Abzug,
Rado—eza—Abzug“ u. ſ. w. Dann zo—~
gen die jungen „Wähler“ in andere Gaſ
ſen und vor andere Lokale.
Staunend und nengierig ſteht das
Volk heute vor und ringsum die There
ſienſtädter Kirche. Fünfzig Perſonen po—
chen und zimmern ſeit dem frühen Mor—
gen, Latten und Pflöcke liegen zu Hun—
derten aufgeſchichtet und werden in Ar
beit genommen. Was ſoll das werden,
fragt ſich angſterfüllt die immer größer
werdende Menge. Ein Gerüſte, ein
Schaffot, ein Guilliotine? Man erwartet
ſtündlich das ſchwarze Tuch, um die Bret
ter zu umkleiden. Niemand will Aus—
kunft geben, feſtgebannt ſteht die gaffende
Menge. Ein Ausruf der Befriedigung
erleichtert die Bruſt und die Herzen.
Scheidewände ſind es, die man zimmert,
damit morgen die Parteien nicht anein
ander gerathen, damit ſie abgeſondert an
den Wahlort gelangen können, damit es
kein Blutvergießen, keine Rauferei gebe.
In England genügt eine ſchwache Schnur
um die Parteien innerhalb der ihnen ge—
ſteckten Grenze zu erhalten. Was helfen
hier die ſtärkſten Holzmauern, was die
aufgeſtellten Compagnien mit aufgepflanz~
tem Bajonett? Morgen werden die
Wände eingeriſſen ſein, und die Soldaten
werden an ſich halten müſſen, um einen
blutigen Zuſammenſtoß zu vermeiden.
Die Preußen in Amerika. Die „Ber—
liner Staatsbürger · Zeitung“ bringt aus
der Feder eines Mitgliedes des Muſik—
eorps des „Kaiſer Franz Garde · Grena—
dier Regiments“ folgende höchſt gelungene
Corrojpondenz, die in derber, ungeſchmint
ter Weiſe, da bei aber recht intereſſant und
auch ſachverſtändig, den Boſtoner Muſik
Spektakel, ſowie die echt amerikaniſche
Aufnahme der dentſchen Muſiker kritiſirt:
„Unſere Ueberfahrt war glücklich, we—
der mit Sturm noch Wogendrang hatten
wir zu kämpfen; die Seekrankheit haben
wir in's Meer gejagt, da kann Sie ſich be~
graben laſſen. Am 15. Juni landeten
wir in Hoboken, Station New-York; hier
lempfingen uns die Stadtbehörden mit,
Muſik, Geſang, mit Fahnen und Böller—
ſchüſſen, mit Hurrahs, Händedrücken und
Umarmungen, ſo daß wir von aller Herz
lichkeit ganz verdreht wurden und am
Ende glaubten, wir hätten, ohne es zu
wiſſen, Amerika- von irgend einem Feinde
befreit. Die Deputation zu unſerem Em
pfange erſchien in preußſchen Offiziers
uniformen mit Helm und Haarbuſch, die
Muſiker trugen preußiſche Mützen. Das
Einzige was wir vermißten, waren die
weißgewaſchenen Jungfrauen; die haben
ſſie aber nur weggelaſſen, weil viele von
unſerem Chore verheirathet ſind, und ein
Empfang von „Jungfrauen,“ ſo füürchte—
ten die Hobokener, koͤnnte bei den „Mut—
tern“ zu Hauſe Anſtoß erregen. Wie oft
ſie uns hier die Wacht am Rhein geſun—
gen und geſpielt haben, weiß ich nicht
mehr; ich erinnere mich noch, daß wir in
die Mitte genommen wurden, und von
einer unũůberſehbaren Menſchenmenge be—
gleitet, durch Menſchen Spaliers nach
dem erſten Hotel trinmphalirt wurden.
Aus allen Fenſtern wehten ſchöne Damen—
händchen mit Tüchern, ſie warfen uns
duftige Bouquets und Kränze zu, und
manches Kußhändchen lief mitunter
das brauchen Sie aber unſeren Frauen
und Liebchen nicht zu erzählen. Bei'm
Früůhſtück im Hotel : unſere Wirthe
aber erſt kennen gelernt, was wir Preu—
ßen unter „Einhanen“ verſtehen, und
ſeine Weine und Champaguer ſloſſen hier
in ſolchen Strömen, daß wir zuletzt dan
kend ablehnen mußten, und was das füůr
einen preußiſchen Militär - Muſiker ſagen
will, wiſſen Sie, Hr. College, am Beſteu.
Wir hätten den Hobokern aus Dankbar
keit gerne etwas geblaſen, aber es ging
beim beſten Willen nicht die Muͤnd
ſtücke konutea zuleht den Mund nicht mehr
ſinden. Nach dreiſtündigem Aufenthalte
fuhren wir nach New-York mit der gartr
von da mit dem Dampfer nach Fall Riyer
und von hier aus per Eiſenbahn nach Bo—
ſton, wo wir am 16., Juni eintrafen.
War der Empiang in Hoboken toll, hier
war er unheilbar. Denken Sie ſich un
ſere Einholung in Berlin nach dem fran—
zöſiſchen Kriege, daun haben Sie annäh—
ernd ein Bild unſeres Empfanges in Bo—
ſton. Die franzoöſiſchen Muſiker, dieſelben
die damals in gen mit uns den Preis
bekommen, ſahen uns gern uicht an, wir
fürchteten Anfangs, die Kerle werden vor
Neid auf der Straße Platzen, aber ihre
Conſtrufktjon muß doch noch ziemlich halt
bar ſein. Anfangs grüßten wir ſie aus
Mitleid, aber die Parlewus gingen wie
die Brummochſen vorüber. “allez vous—
en! ſagten wir und nun; „Hand von
der preußiſchen Nite Die Engländer
ſind dagegen unſere beſten rrunr Das
Chor unter Capellemeiſter Godfroi ſpielt
vortrefflich! Mit den Franzoſen verkeh—
ren ſie nur lanu. Wenn wir den Einla—
dungen, die uns hier von Vereinen und
Privaten zugingen, haͤtien genůgen ſollen
dann müßte der Tag nenn a— 24 Stun
den haben, und die Nacht doppelt ſo viel.
Unſere Situation war hier in den erſten
Ahen frei nach Hrn. von Mühler: „Al.
les im Sturm ne! Der Aet ih
Schweigen. Das Muſikfeſt an ſich iſt,
nůchtern betrachtet, ein furchtbarer, echt
amerikaniſcher Humbug! Daß die Unter—
nehmer auf die Koſten kommen werden,
glauben wir nicht. Uns thut die Reiſe
keinen Schaden. Denken Sie ſich ein
Streich · Orcheſter von 2000 Mann, dazu
Sänger und Sängerinnen 15,000 in der
Introöduktion des zweiten Aktes zum
„Troubadour“ wird auf 150 Amboſſen
der Zigennerchor begleitet; die Rieſenor
gel wird durch eine Dampfmaſchine in
Form und Groͤße einer Lokomotive mit
Wind verſehen; vor dem Muſikſaale, der
100, 000 Menſchen faſſen kann, ſie bran—
chen nur zu kommen, ſind ſechszehn Ge~
ſchütze aufgeſtellt, die vom Orcheſter aus
per Telegraph, als Grundbäſſe abgeſchoſ
ſen werden, das geſchieht aber genau im
Takte. Die hieſigen Buchhändler werden
brilliante Geſchaäfte machen mit dem klei
nen Buche: „Taubheit heilbar.“ Wenn
wir in Boſton mit Muſiciren fertig ſind,
geht es weiter aber wohin? Das mögen
noch die Götter wiſſen. Beſtürmt werden
wir von allein Seiten und Saro hat
ſchon überlegt, ob er nicht, um Allen Auf
forderungen zu genůgen, nach jeder Stadt
hier je einen Mann von uns ſchicken ſoll;
wenn die Amerikaner nur ſo einen „prop—
pern Kerl“ von Preußen ſehen, klatſchen
ſie ſchon in die Häͤnde. Ich könnte ihnen
weit mehr ſchreiben, aber die Hitze iſt hier
faſt immer dreißigearräthig und man
moͤchte nichts weiter thun, als trinken.
Das Bier iſt hier nicht gut, und wir gä—
ben die ganze franzoöſiſche Muſikanten· Ca
pelle für eine einzige Tonne Tivoli Aktien
Bier auf Eis. Geſund ſind wir Gott ſei
Dank, alle; wir leben aber auch, alles
Andere abgerechnet, ſolide und ſehr mora
liſch. Bitte freundlichſt, den letzteren Paſ
ſus bei Mittheilungen über uns beſonders
hervorheben zu wollen. Grüßen Sie
Berlin vom Saro ſchen Chor aus Amerika
und von Krammer beſonders noch die Ha~
ſenhaide. Good morning!“
„New- York, 24. Juli. Heute Nach~
mittag geben die Muſiker noch ein Con—
zert im Friedgen's „Sylvan · Park und
am Freitage im neuen Schützenparke auf
Union Hill; dort bleiben ſie über Nacht
und begeben ſich, ohne New-York wieder
zu berühren direkt nach Hoboken, um am
Samſtag Mittag per Dampfer „Weſer“
die Rückreiſe nach Europa anzutreten,
wenn nicht noch bis morgen früh eine
Rückantwort aus Berlin auf ein am Mon—
tag Abend abgegangenes telegraphiſches
Anſuchen, um einen Nachurlaub von 14
Tagen eintrifft. Eine Anzahl deutſcher
Bürger aus Chiecago hat ſich nämlich an
den dentſchen Geſandten in Waſhington,
Hrn. v Schlözer, gewendet, um durch
ſeine Vermittelung und Fürſprache für
die Kapelle einen Nachurlaub zu erlangen
und die Gelegenheit zu gewinnen, das be—
rühmte Muſik· Corps auch im Weſten zu
hören. Wie geſagt, iſt das betreffende
Geſuch, deſſen Bewilligung nur vom Kai
ſer abhängt am Montag Abend telegra—
phiſch geſtellt; iſt die Antwort bis Don—
nerſtag frůh uicht erfolgt, wird die Rück—
reiſe am Samſtag poſitiv angetreten. Hr.
Saro ſelbſt und mit ihm mehrere Mitglie~
der ſeiner Kapelle würden übrigens mit
einer abſchlägigen oder ausbleibenden
Antwort ganz zufrieden ſich erklären. Sie
haben in den ſechs Wochen ihrer amerika—
niſchen Rundreiſe (vom 15. Juli bis 27.
Juli) genug erlebt, als daß die ehrſamen
Familienvaͤter ſich nicht nach ihrem trau—
tem Heimweſen ſehnen ſollten. Wäh—
rend dieſe Herren vielleicht ein Ausblei—
ben der Antwort wünſchen, haben die
jüngeren Mitglieder ſangniniſche Wünſche
und rechnen auf das günſtige Wohlwollen
des Kaiſers Wilhelm. Indeſſen Dienſt
pflicht geht vor Vergnügen.“
—(Großartige Gagen.) Man hält in
Europa die Amerikauer allgemein für
das verſchwenderichſte Volk, und wenn
ljetzt die fremden Künſtler und Muſiker,
welche auf dem Friedens· Jubiläum in
Boſton mitwirkten, in ihreHeimath zurück
kehren und von ihren Gagen, die ſie hier
erhielten erzählen, ſo wird die Ausſicht,
welche ſich die Europäer in dieſer Hinſicht
über uns gebildet haben, ſicher nicht im
Geringſten geändert werden. Strauß er—
hielt aͤßer den 25,00, welche ihm garan.—
tirt waren, noch 17,500. Für drei Con
zerte in New-York bekam er 83300; ſei~
nen Inbiläums ·Walzer verkaufte er für
8550. Rechnet man nnn noch hinzu, daß
ſowohl die Hin· und Zurückreiſe, ſowie
auch alle nbrigen Koſten für ihn, ſeine
Frau und zwei Bedienten extra bezahlt
wurden ſo iſt leicht einzuſehen, daß er
nicht mit leeren Händen nach Dentſchland
Zurückkehrte. Mad Peſchka· Leutner em
ſdfina für 13 Conzerte 816,000 Franz
Abt erhielt fͤr's Dirigiren bei m Auffůh—
ſren bon Dreien ſeiner Compoſitionen je
8300. Arabella Goddard bekam 85000;
wofür ſie dieſelben erhielt, wiſſen wir ei
gentlicth nicht Franz Breudel empfing
82006 Wehli 81250 für zweimaliges
Auftreten Die Gagen, welche die frein.
den Muſikeorps und das Orcheſter erhiel
ten, waren gleichfalls enorm Das Let
tere erhielt ſchon während der erſten
Woche des Feſtes 72,000. Die Muſiker
Boſton's deter 88, die Muſiker andete
Städte dlO pro Tag Die fremden Mu—
ſikeorps erhielten m Durchſchnitte tir
einen Tag 85 pro Münn, ihre Koſten
wurden nätürlich extra bezahlt. Das ir
ländiſche Muſikcorps, lia der
künſtleriſchen Leiſtungen ohnt Zweifel
das ſchwächſte von Allen, erhielt im Ver
hältniſſe die höchſte Gage, da es nnr oine
Woche am Feſte theilnahm und dennoch
für die ganze Zeit bezahlt wurde. Die
ſämmtlichen Koſten fſir die vier fremden
Muſikcorps belaufen ſich auf 8100,000.
——
Californien hat verhaͤltnißmaßig eine Ncoßere
im Ausland geborene Bevolkerung als irg· ·d ein an—
derer Staat der Union; von 646,2~2 Einwohnern
ſind, dem Cenſus zufolge, 336, 895 in den Ver. Staa~
ten und 309,779 im Auslarde geboren.
Kurze Notizen.
ì
Die Auswanderung aus den öſtlichen
Provinzen Preußens, nimmt einen immer gro—
heren Umfang an und die Arbeiternoth auf dem plat~
ten Lande iſt kaum minder groß, als die Wohnungs—
noth in den Städten Vergebens warnt die Regie~
rung von den ſchwindelhaften Gerüchten und Vorſpie~
gelungen, durch welche die ohnehin znum Auswandern
ſo geneigte Landbevölkerung zur Reiſe jenſeits des
Oceans aufgereizt wird. Vergebens wenden wohlge~
ſinnte Gutsbeſitzer das, ſollte man denken, beſte Ge
genmittel an, näͤmlich ihre Arbeiter gut zu ſtellen,
wie es die Oekonomie erlauben will. Nur zu oft be~
nuten die Arbeiter ihren beſſeren Verdienſt dazu,
um ſo eher die Summe zuſammenzubringen, die für
die Ueberfahrt noöthig iſt. Von dem, was die Staats~
weisheit an den gegebenen Verhältniſſen ändern kann,
möchte die Hauptſache eine beſſere Eintheilung des
Grundbeſitzes ſein. Unzählige Bauerngüter in Mec—
lenburg, Pomern u. ſ. w. ſind verſchwunden in Folge
des unſeligen ,„Legens“ der Bauernhöfe, das beſon~
ders ſeit dem ſiebenjährigen Kriege um ſich griff.
In vielen Gegenden iſt der kleine Grundbeſitz faſt
ausgeſtorben, und nichts iſt übrig geblieben, als
Rittergut um Rittergut, jedes Tauſende von Morgen.
Die ſchlimmen Folgen dieſer längſt beklagten Verhält~
niſſe machen ſich mehr und mehr geltend. Eine Con~
ferenz ländlicher Arbeitgeber, welche hier in Berlin
zuſammengetreten iſt, hat ihren geſchäftsführenden
Ausſchuß beauftragt, an die Miniſterien von Preußen
und Meckllenburg folgende Bitte zu richten: „Hohe
Miniſterien wollen die geeigneten Schritte thun,
welche den ländlichen Arbeitern die Erwerbung eines
kleinen Grundeigenthums ermöglichen und thunlichſt
erleichtern. Hierzu gehört unter Anderem eine neue
Ordnung der Hypotheken-Geſetgebung, welche den
Erwerb kleinen Grundeigenthums auch weniger be~
mittelten Perſonen in der Weiſe geſtattet, daß an
Stelle der ůblichen Capitalſchuld die Eintragung der
Reſtkaufgelder für Grund und Boden nebſt Baulich
keiten in Form von Renten und Leiſtungen erfolgen
darf.“ Als Motive werden angegeben: „Die jetzt
beſonders auch den Nordoſten Deutſchland's entvöl~
kernde Auswanderung wird vermindert werden, wenn
der fſleißige Arbeiter mit Leichtigleit in der Heimath
dasjenige Grundeigenthnm erwerben kann, was er
jenſeits des Oceans ſucht. Der immer lauter wer~
denden ſozialiſtiſchen Forderung nach einem Collektiv-
Eigenthum an Grund und Boden widerſteht man am
ſicherſten durch Vermehrung der Zahl grundbeſitzender
Arbeiter und ſonſtiger kleiner lͤndlicher Grundbeſitzer“
Wie die „D. R.·C.“ hört, wird dieſer Antrag gegen~
wartig im Miniſterium des Innern in Berbindung
mit noch anderen auf die Angelegenheit bezüglichen
Vorſchlgen der Berathung nnterworfen werden.
̃ ————— ———
—Einwanderung. Das Volk des Pariſh
Iberville, überzeugt von der dringenden Nothwendig~
keit, die Bevölkerung unſeres Staates durch ſleißige
weiße Einwanderer zu vermehren, hat jetzt Schritte
in der rechten Richtung gethan uud eine „Volks~Ein~
wanderungsgeſell ſchaft“ gegründet, an deren Spitze
Maänner wie Ulger Lauve, B. I. Dupay, S. Ma-~
thews und und andere prominirte Vürger ſtehen.
Die Geſellſchaft will, wie der ſorgfaͤltig ausgearbei
tete Plan beſagt, Ländereien ankaufen, dieſelben in
Heimſtätten a btheilen, paſſende Gebäulichkeiten zur
Aufnahme von Anſiedlern und deren Familien da
rauf errichten, die letzteren mit Haus- und Acterge~
räthen, Werkzeug, Bieh, Proviſionen ~c., wie es das
Direktorium beſtimmen mag, verſehen, um den An~
ſiedlern den Anfang ſo viel als möoglich zu erleichtern.
Man hat es für uothwendig erachtet, den Anſiedlern
im Voraus eine Heinath zu bereiten, um ihren Fleiß
und ihrer Energie Vorſchub zu leiſten. Die Län~
dereien, Gebäulichleiten u. ſ. w. ſollen an die Ein~
wanderer unter günſtigen und leicht zu erfüllenden
Terminen abgelaſſen werden.
Bei den Verhandlungen des Genfer-Schieds~
gerichts ſcheint die Sprache Schwierigkeiten zu verur~
ſachen. Die Engländer und Amerikaner natürlich
verſtehen engliſch, aber der Italiener, der Schweizer,
und der Braſilianer verſtehen nur das Franzöſiſche
gründlich. Welche unglückliche Wahl!
Das Baltimore Schützenfeſt. Die Einnah~
ſmen betrugen am 1. Tage 81959.25, am 2. 53903.65,
am 3. 54300, am A. vielleicht 800, zuſammen dlO,-
662.90, incluſive des Ertrags aus dem Verkaufe
der Schenken ~c. circa $15,000, ausreichend, um die
Ausgaben zu decken und noch einen, wenn auch nur
kleinen Ueberſchuß belaſſend.
Ein Correſpondent der Berliner „Nationalzei~
tung“ ſchrieb von der Cineinnati-National· Conven~
tion“, daß er dort mit George F. Train zuſam~
men traf, und daß letzterer ſich nicht nur für den größ~
ten Mann, ſondern auch für den bedeutendſten Redner
dieſes Jahrhunderts hält.
LEin franzöſtſcher Franc gilt in Preußen acht
Silbergroſchen, (15 Francs ſind 4 Thaler.) Eine
Mark Gold des deutſchen Münzſyſtems beträgt 23
Cents nach amerikaniſchem Gelde.
(Beſchͤdigung des Waſhington-Monumentes.)
Wie wir bereits berichteten, fuhr am 20. ds. Mts.
ein Blitzſtrahl in das Waſhington-Monument. Eine
genaue Beſichtigung des Denkmals hat ergeben, daß
der angerichtete Schaden von keiner großen Bedeutung
iſt, der Blitz aber ſehr gefährlich hätte werden können,
falls tein Blitzableiter vorhanden geweſen wäre.
Der Lehtere fing den Blitzſtrahl auf und leitete ihn
ſicher bis zu einer Stelle, wo die Verbindung des
Eiſens deſeli war und eine Seiten-Exploſion erfolgte
welche einige Stücke aus der Säule rieß. Wo das.
elektriſche Fluidum das Eiſen berührte, begann das
Lehtere zu ſchmelzen. Wo die Verbindung der eim—
zelnen Stangentheile gut war, litt das Denkmal
nicht im Geringſten. Die Beſchäͤdigung det einen
Schulter der Bildſaͤule wurde letten Dienſtag in der
ſchwindelnden Höhe von mehr denn 200 Fuß von
einem Arbeiter ausgebeſſert.
Auſlöſung des Räthſelz in Nro. 66.
; Siegfried:
Protlamation.
Belohnung.
Mayor's Offiet ?
Savannah, den 30. Juli 1872.
Eine Belohnung von Fünf Hundert Dollars wird
diemit ausgeſetzt für das Ergreifen und den Beweis
der Schuld der Perſon vder Perſonen, wel am Abend
des 29. luli, booha fter Weiſe fr' ẽdliche Menſchen
die innerhalb der Stadtgren en in dem Hauſe des
verrn I. B. Cohen ve ſammelt waren, durch das
vorſebliche Abfeue“ von Gewehren, gefahrlich ver~
wunheten.
dum Zeugniß deſſen habe ich, Alfred Haywood,
Stellvertreter des Mayors der Stadt, das
obige mit meiner amtlichen Namensunter ~
[Siegel.] ſchrift unterzeichnet, und mit dem amtli~
chen Siegel der Stadt beſcheinigen laſſen,
am 30. Tage des Juli 1872.
Bezeugt:
James Stewart, ; A. Haywood,
Clerk des Stadtraths. Mayor pro tem